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Die Freimaurerei verdankt ihr Dasein zweien den höheren Kulturstufen der Menschheit eigenen Richtungen – dem Zuge nach dem Geheimnisvollen und Rätselhaften und der Lust nach Vereinigungen, in deren Schoß alle sonst die Menschen trennenden Verschiedenheiten verschwinden. Vereinigungen von Menschen, in welchen diese beiden Richtungen mehr oder weniger befriedigt wurden, hat es schon in alten Zeiten gegeben; aber mit Unrecht hat man in solchen eine Wurzel der Freimaurerei gesucht. Es gilt dies namentlich von den sogenannten Mysterien. Solche gab es in Ägypten, wo sie aber ein ausschließliches Eigentum der Priester waren, die den eigentlichen tieferen Sinn der Landesreligion vor dem Volke, das ihn nicht auffassen konnte, geheim hielten. Es gab solche ferner in Griechenland, wo sie zwar allen Ständen zugänglich waren, aber sich einzig und allein auf die Religion, speziell auf die Verehrung einzelner Gottheiten an bestimmten Orten bezogen und in einer Art von Verinnerlichung der sonst meist nur äußerlichen griechischen Gottesdienste bestanden. Der pythagoräische Bund endlich, in Unteritaliens hellenischen Kolonien verbreitet, war eine philosophische Gesellschaft mit politischen Hintergedanken. Auch im Mittelalter gab es geheime Verbände, die aber ebenfalls mit der Freimaurerei nichts zu schaffen hatten. Die bedeutendsten waren die Feme, ein Überbleibsel der unmittelbaren Gerichtsbarkeit des deutschen Reichsoberhauptes, das seine Unabhängigkeit von den Landesfürsten bewahrt hatte und sich nur für gewisse Fälle (die heimliche Acht) mit dem Schleier des Geheimnisses umgab, – und der Templerorden, dessen Geheimnis in einer von der kirchlichen Lehre in gewissen Beziehungen abweichenden Richtung lag. Andere geheime Vereinigungen, wie die Waldenser, die Begharden und Beguinen, die »Brüder vom gemeinsamen Leben« u. a. hatten lediglich religiöse, letztere auch wissenschaftliche Zwecke. Die Kalandsbrüder waren ein geselliger Verein mit religiöser Färbung, die Brückenbrüder eine wohlthätige Gesellschaft, welche für die Pilger nach dem heiligen Lande Straßen, Brücken und Herbergen baute.
Freimaurerei ist lediglich der Inhalt der Lehren und Gebräuche des Freimaurerbundes, und ihre Geschichte zerfällt in eine Vorgeschichte und eine eigentliche Geschichte. Erstere hat ihre Wurzel im Mittelalter, und zwar in den Kreisen, welche sich der Arbeit widmeten.
Zwar konnte sich das Mittelalter nicht zu der geistigen Höhe einer Anschauung emporschwingen, nach welcher die Arbeit höher zu achten ist, als der Müßiggang, der Frieden höher als der Krieg, – und der Arbeiter mußte daher in einer untergeordneten Stellung verbleiben. Ausnahmslos kann dies vom Feldarbeiter gesagt werden, der sogar noch weit über das Mittelalter hinaus nicht viel besser gehalten wurde, als das liebe Vieh. Weit günstiger stand der Handwerker, seitdem die Städte sich entwickelten. Wenn er auch in einigen dieser damaligen Bollwerke bürgerlicher Freiheit mit seinen gerechten Begehren um Rechtsgleichheit nicht durchdringen konnte, in anderen aber nach genossener Freiheit, durch eigene Nachlässigkeit oder durch Anmaßung Anderer das Errungene wieder verlor und bald weltlichen oder geistlichen Fürsten, bald einem ahnen- oder geldstolzen Patriziate huldigen mußte, so gab es doch der Städte noch manche, in welchen er nicht nur seine Rechte behauptete, sondern sogar bisweilen andere Stände vom politischen Leben ausschloß.
Die Stärke, zu welcher es die Handwerker brachten, lag aber in ihrer korporativen Verbindung zu Gilden oder Zünften, in welchen sie, entsprechend den Orden der höheren Stände, dem Geiste ihrer Zeit ein Genüge leisteten. Der Verfassung der Zünfte haben teilweise die Kollegien der Handwerker bei den alten Römern, teilweise die christlichen Klöster als Vorbilder gedient. Jene hatten geheime Gebräuche, Mysterien gehabt, über die wir jedoch nichts Zuverlässiges wissen – diese huldigten der christlichen Mystik und – wenn auch ein direkter Zusammenhang der antiken und der germanischen Gilden nicht historisch nachgewiesen werden kann, so ist doch das ausgemacht, daß auch die Handwerksgenossenschaften des Mittelalters ihre geheimen Gebräuche hatten. Nicht in allen Zünften war dies der Fall und wieder beschränkte sich das geheime Ceremoniell in manchen auf Sprüche oder Zeichen, durch welche sich die Handwerksgenossen unter einander erkannten. Am ausgebildetsten und inhaltreichsten aber war jenes Ceremoniell in der Genossenschaft der Bauleute, Maurer oder Steinmetzen. Der Grund hiervon liegt offenbar darin, daß die Baukunst nicht nur unter allen Gewerben am meisten zum Denken auffordert, die meisten Detailkenntnisse verlangt, am ehesten die Anwendung gewisser »Vorteile« notwendig macht, die sich leicht zu Geheimnissen entwickeln, sondern auch durch die Errichtung von Tempeln und Kirchen einen religiösen und also auch mysteriösen Charakter erhält.
Die Steinmetzen, bei den Römern und im frühesten Mittelalter Caementarii, im 13. Jahrhundert sculptores lapidum liberorum (Behauer freier Steine), im 14. Jahrhundert nach dem Griechischen: latomi und altenglisch fremaceons (Freimaurer), lateinisch liberi muratores genannt, traten als geschlossenes Gewerbe seit der Völkerwanderung zuerst, dem religiösen Charakter der Baukunst gemäß, in den Klöstern auf, deren Angehörige die Gebäulichkeiten, deren sie bedurften, selbst errichteten, wie sie auch für alle übrigen Bedürfnisse selbst sorgten. Jedes Kloster hielt Handwerker aller Art, welche, ohne Geistliche zu sein und oft ohne die Gelübde abzulegen, in den Räumen desselben wohnten. Unter solchen Bauarbeitern nun soll zuerst der Abt Wilhelm von Hirschau, welcher am Ende des elften Jahrhunderts lebte, einen Verein zur Pflege der Baukunst errichtet haben.
So lange die Baukunst unter der Leitung der Klöster stand, huldigte sie, weil diese unter der Herrschaft des römischen Stuhles standen, auch dem römischen (romanischen) Baustile, welcher mit seinen einfachen Säulen, runden Bögen, gedeckten und zusammengedrückten Turmspitzen ein Beugen und Schmiegen unter fremde Autorität ausdrückte. Es dauerte dies Verhältnis, so lange sich die Klöster und ihre Mönche überhaupt mit Kunst und Wissenschaft beschäftigten. Sobald letzteres aufhörte, im elften und zwölften Jahrhundert, sahen die Bauarbeiter auch nicht mehr ein, warum sie ferner Mönchen dienen sollten, die nur noch für Wein, Jagd und Krieg Sinn hatten, ihre Tempelhallen zerbröckeln und ihre Pergamentschätze vermodern ließen. So entstanden auch außerhalb der Klöster Vereine von Bauleuten, namentlich in den Städten, und die Klosterkirchen blieben an Größe und Pracht hinter den Stadtkirchen zurück. Es geschah dies namentlich seit dem Anfange des 13. Jahrhunderts, und die stattgefundene Veränderung in der Leitung der Bauvereine, die sich nun selbst regierten, zeigte sich auch durch das Aufkommen eines neuen Baustiles. Derselbe trug nicht mehr den klösterlichen Stempel. An die Stelle einzelner Säulen traten zusammengefügte Bündel von solchen, als Sinnbild der freien Vereinigung und der Stärke durch Eintracht Gleicher, an die Stelle der runden Bogen spitzige, um zu bezeichnen, daß die zum Baue mitwirkenden Kräfte sich nicht willenlos in einander verschmelzen lassen, sondern von beiden Seiten her ihre Individualität bis zur Erreichung des Zieles geltend machen und das über ihnen Stehende gemeinschaftlich tragen, an die Stelle eingedrückter, gedeckter Türme hohe, bis zur Unendlichkeit hinaufstrebende, von allen Seiten offene, als wollten sie sagen: wir sind, was wir sind, – wir lassen uns nicht unter einen Hut bringen, unser Wesen ist durchsichtig und klar, frei und offen, nur dem Himmel unterthan. Dazu kamen Verzierungen in den Fensterbögen, welche in jedem eine verschiedene Figur zeigten und damit gegen alle schablonenartige Einförmigkeit protestierten. Es war die echt germanische oder gotische Baukunst, der Triumph des freien, deutschen, die ungestörte Entwickelung und ungehemmte Selbständigkeit der Einzelnen begünstigenden Geistes. Es war aber auch ein Ausdruck des Mysticismus, welcher in unzähligen zum Himmel strebenden Spitzen das Göttliche sucht. Die gotische Baukunst hat daher in ihren ungeheuern Gewölben und schmalen Fenstern etwas düsteres, melancholisches. Sie begünstigt das freie, selbstthätige Sich in sich selbst versenken, ist also gleichermaßen einem aufgezwungenen Dogmatismus, wie der rücksichtlosen, die Vorurteile zerstörenden Forschung und Aufklärung abgeneigt. Wie daher die romanische Baukunst die des Papsttums, so ist die gotische diejenige freier Kirchlichkeit; als die der Aufklärung folgt ihnen die Renaissance.
Die Versammlungsorte der Steinmetzenvereine in den Städten waren die Bretterhütten, welche in der Nähe der im Baue begriffenen Kirchen errichtet waren, um unter Dach die zum Baue bestimmten Steine bearbeiten zu können. Diese Vereine hießen daher Bauhütten. Schon frühe finden wir sie zu einem großen Bunde vereinigt, dessen Mitglieder in Erinnerung an ihren klösterlichen Ursprung sich Brüder und ihre Vereinigung Bruderschaft nannten, und ihren Vorstehern die geistlichen Prädikate ehrwürdig, hochwürdig u. s. w. beilegten. Wann dieser Bund entstanden, ist in tiefe Dunkelheit gehüllt; als die Zeit seiner völligen Ausbildung wird vielfach das 13. Jahrhundert angenommen und als Beförderer desselben der damals lebende gelehrte Dominikaner Albertus, genannt der Große ( magnus), Graf von Bollstädt (geb. 1205, gest. 1280), welcher mit Ausnahme zweier Jahre, die er als Bischof von Regensburg zubrachte, meist in Köln lebte und sich durch mannigfache Schriften über Theologie, Philosophie, Mathematik und Physik, sowie durch seine Kenntnis und Beförderung der Baukunst auszeichnete. Am berühmten Dome von Köln dürfte sich daher vorzugsweise der große Verein der Bauleute genährt und gekräftigt haben. Schon im 13. und 14. Jahrhundert errichteten seine in die Welt ausgewanderten Glieder bedeutende Bauwerke in England, Frankreich, Italien und Spanien.
Für diesen Bund nun wurde von Abgeordneten der Bauhütten, welche sich »kapitelsweise« (auch dieser Ausdruck stammt vom Klosterleben her) in Regensburg versammelten, im Jahre 1459 eine gemeinsame Handwerks-Verfassung unter dem Titel: »Ordnung und Vereinigung gemeiner Bruderschaft des Steinwerks und der Steinmetzen,« ausgearbeitet, und, als sich im Bruderkreise darob »Irrungen« ergeben hatten, auf neuen Versammlungen in Basel 1497 und in Straßburg 1498 revidiert und von Kaiser Maximilian I. im letztern Jahre bestätigt. Man nannte dieses Werk im Schoße der Vereinigung: das Bruderbuch. Aus dieser und anderen gleichzeitigen Urkunden der Steinmetzen-Brüderschaft geht, bezüglich ihrer Organisation (die technischen Vorschriften übergehen wir) Folgendes hervor. Die Brüder unterschieden sich in Meister, Parlirer und Gesellen, wozu noch, nicht als Bundesbrüder, wohl aber als Angehörige, die Diener (Lehrlinge) kamen. – An der Spitze jeder Bauhütte stand ein freigewählter Werk- oder Baumeister. Die Werkmeister der drei Bauhütten zu Straßburg, Köln und Wien waren die obersten Richter des Bundes, unter denen wieder der Werkmeister von Straßburg (der Haupthütte) den Vorrang hatte. Zum Gerichtskreise von Straßburg gehörte das linke Rheinufer abwärts bis zur Mosel und auf dem rechten Schwaben, Franken und Hessen, zu dem von Köln das Land jenseits der Mosel, zu dem von Wien Österreich, Ungarn und Italien. Abgesondert unter einem eigenen Meister war die Schweiz, nämlich unter dem von Bern, an dessen Stelle später der von Zürich trat. Die Bauleute Norddeutschlands rechts vom Rhein (Thüringens, Sachsens u. s. w.) waren aber nur dem Namen nach Glieder des Bundes. In Wirklichkeit ordneten sie sich keiner dieser Bauhütten unter, sondern beschlossen 1462 in Torgau eine eigene »Ordnung.« In diesen Ordnungen finden wir manche rührende Züge wackerer Gesinnung der Bauleute. So war ihnen z. B. verboten, verstorbene Meister und ihre Werke zu schmähen, ebenso ihre Kunst andere um Geld zu lehren, – sie mußten es gegenseitig aus Freundschaft thun; – ein Meister allein durfte einen Gesellen nicht vom Handwerk wegweisen, er mußte hierin nicht nur zwei andere Meister beraten und mit ihnen einstimmig sein, sondern auch die Mehrheit der Gesellen mußte ihre Einwilligung erteilen; Streitigkeiten der Meister unter sich durften nur von Schiedsrichtern aus dem Bunde selbst geschlichtet werden.
In den Baubrüderschaften spielte überhaupt die brüderliche Geselligkeit eine hervorragende Rolle. Monatlich fanden Versammlungen statt, deren Verhandlungen mit einem Trinkgelage endigten. Jährlich feierte jede Haupthütte ein »Hauptgedinge« und als Feste des Bundes galten die Tage Johannes des Täufers und der sogenannten »vier Gekrönten.« In der spätern, entarteten Zeit des Bundes hielten Meister und Gesellen besondere Versammlungen, Erstere halb- oder vierteljährlich, Letztere monatlich. Jede Zusammenkunft wurde mit Fragen und Antworten des Meisters und der Hüttenbeamten feierlich eröffnet und geschlossen. Dem Gesellen wurden, sobald er seine Wanderschaft antrat, die geheimen Erkennungszeichen der Brüderschaft mitgeteilt, welche in einer Grußformel, einem Zeichen und einer besondern Art des Händedrucks bestanden. Damit wies er sich, wohin er kam, als Bruder Steinmetze aus und hatte so das Recht, die Kunst unentgeltlich zu erlernen. Wenn er zu einer Hütte kam, wo gemeißelt wurde, machte er zuerst von außen die Thüre zu, um nach der Weise der Steinmetzen anklopfen zu können, trat dann ein und fragte: Arbeiten deutsche Steinmetzen hier? Sofort räumten die Gesellen in der Hütte auf, schlossen dieselbe und stellten sich in einem rechten Winkel auf. In einen solchen stellte der Wanderer auch seine Füße, nahte sich den Gesellen mit drei Schritten und sprach: Gott grüße den ehrbaren Steinmetz. Die Antwort war: Gott danke dem ehrbaren Steinmetz, und so folgten weitere, oft sich wiederholende Fragen und Antworten, unter anderen auch folgende: Wer hat dich ausgesandt? – Mein ehrbarer Lehrmeister, ehrbare Bürgen und das ganze ehrbare Maurerhandwerk zu N. – Worauf? – Auf Zucht und Ehrbarkeit. – Was ist Zucht und Ehrbarkeit? – Handwerksgebrauch und Gewohnheit. – Wann fängt sie an? – Sobald ich meine Lehrzeit treu und ehrlich bestanden habe. – Wann endigt sie? – Wenn uns der Tod das Herz abbricht – u. s. w. Während sodann der Wandergeselle seine Wanderzeit fortsetzte, ließ er sich in irgend einer Bauhütte, beziehungsweise in der Herberge derselben, in die Brüderschaft aufnehmen, wodurch er aus einem »Grußmaurer« zu einem »Briefmaurer« wurde.
Die Ceremonien der Aufnahme sind uns nicht bekannt. Der Schriftsteller Fallou hat es sich in seinem Werke über die Verfassung und Symbolik der deutschen Baugewerke bequem gemacht, indem er einfach die jetzige Aufnahme zum Freimaurer-Lehrling für jene der Steinmetzen ausgab. Allerdings hatten die Steinmetzen dieselben Erkennungszeichen und dieselbe Art des Klopfens, wie noch heute die Freimaurer-Lehrlinge; allein die Ceremonien bei Aufnahme der Letzteren setzen notwendig eine moralische Deutung des Bauhandwerkes und eine Bekanntschaft mit philosophischen Begriffen voraus, die den Steinmetzen fremd waren. Wahrscheinlich ist vielmehr, und es stimmen damit die Andeutungen überein, welche uns ein aufgenommener Steinmetz machte, daß bei der Aufnahme der Wandergesellen das Handwerk selbst und dessen technische Eigentümlichkeiten und Geheimnisse die Hauptrolle spielten, wie der Aufgenommene denn auch bei dieser Gelegenheit das Handzeichen erhielt, das er in seine Handarbeiten einzuhauen hatte. Außerdem wurden an diesen Arbeiten häufig die Symbole der Steinwerkkunst, Hammer, Zirkel, Winkelmaß u. s. w., sowie mystische Figuren, z. B. der flammende Stern (das pythagoreische Pentagramm oder das magische Hexagramm: zwei in einander geschobene Dreiecke), die zwei Säulen im Tempel Salomons, Weinblätter, Kornähren, verschlungene Schnüre u. s. w. angebracht. – An den Aufnahme-Förmlichkeiten selbst liegt übrigens wenig; von Bedeutung ist nur, daß der Aufgenommene das Erfahrene geheim zu halten beschwören mußte; das Übrige kann für unsere Zeit und deren Bedürfnisse als vollkommen gleichgültig betrachtet werden. Echt sind dagegen offenbar die überlieferten Gebräuche beim Trinken, welche vielfach an den Studenten-Comment erinnern. So durfte z. B. kein Glas mit der Hand dargereicht, sondern mußte vor den Trinkenden auf den Tisch gestellt, durfte ferner nur mit der rechten Hand, und zwar ein Ehrentrunk insbesondere nur mit einem weißen Handschuh oder einem reinen Tuche angefaßt werden; auch durfte niemand mehr Wein oder Bier verschütten, als er mit der Hand bedecken konnte.
Die Steinmetzen-Brüderschaften waren eine vorzugsweise christliche Einrichtung; ihre Mitglieder waren durch die offiziellen »Ordnungen« zur Befolgung der Kirchengebräuche verpflichtet. Es war dies ein Ueberbleibsel ihres klösterlichen Ursprunges. Gerade dieser letztere aber hatte ihnen, die durch den Verfall der alten Klosterzucht selbständig geworden, die schwachen Seiten der Geistlichkeit hüllenlos gezeigt. Die überall, trotz blutiger Verfolgung, auftauchenden Gemeinden rein evangelischer, dem Papsttum abgeneigter Richtung trugen, neben den eigenen Erfahrungen, das ihrige dazu bei, daß die Mitglieder der Bauhütten, besonders im 14. und 15. Jahrhundert, vielfach, vielleicht sogar größtenteils, von einem Geiste der Opposition gegen das römische Kirchentum erfüllt wurden, der sich in ihren Bilderwerken oft genug auf ziemlich derbe Weise Luft machte. Es spricht daraus eine Satire, wie sie nicht beißender gedacht werden konnte, und zwar um so mehr, als diese Einfälle des Meisels in den Kirchen selbst Platz fanden. So sehen wir am Münster zu Bern in einer Darstellung des jüngsten Gerichts einen Papst mit der goldblitzenden Tiara kopfüber in die Hölle stürzen und unter den am Portal Wache haltenden klugen und thörichten Jungfrauen tragen die Letzteren Kardinalshüte, Bischofsmützen und Priesterkäppchen. Die Kirche von Doberan in Mecklenburg zeigt eine Mühle, in welcher die kirchlichen Dogmen verarbeitet werden. In Straßburg sah man eine Prozession aller möglichen Tiere mit brennenden Kerzen und einen Esel, welcher Messe las, in Brandenburg einen Fuchs, der einer Herde Gänse predigte u. s. w.
Die Aufklärung ist die Feindin des Kirchentums; denn mit ihr ist kein Vorrecht eines besondern Standes oder Berufs verträglich. Indem daher die Steinmetzen der Aufklärung huldigten, untergruben sie selbst die Anstalten, denen sie das Leben zu verdanken hatten und arbeiteten ihrer Auflösung entgegen. Diese begann im 15. Jahrhundert, als »die gotische Baukunst und die Bautätigkeit überhaupt zurückging« (L. Keller). Wo es keine Bauhütte gab, mußten die Bauleute in irgend eine Zunft eintreten, und viele Bauhütten wurden selbst zu gewöhnlichen Zünften. Andere Steinmetzen mußten aus Mangel an Bauten ein anderes Gewerbe ergreifen. So wurden sie vielfach Formschneider, aus welcher Beschäftigung damals die Typendruckerei hervorging, mit der Zeit also Buchdrucker, und ihre Brüderschaft zu einer solchen der Formschneider, Buchdrucker, Bildschnitzer und Maler (welche Kunstzweige schon vorher zu den Bauhütten gehört hatten). Vielfach waren sie an der sehr alten, durch Jahrhunderte fortlaufenden Bewegung beteiligt, welche die Reformation vorbereiten half und schon damals die »evangelische« hieß, und waren namentlich in Verbreitung der gegen die übeln Zustände in der Kirche eifernden Schriften thätig. Ihr Führer war Johann von Staupitz, und als dieser mit Luther zerfiel, sagten sich auch die Baubrüderschaften von Letzterem los und schlossen sich vielfach den Wiedertäufern an, soweit diese, gleich früheren Sekten, der Wiederbelebung des Urchristentums zustrebten, nicht aber, soweit sie sich Ausschweifungen ergaben. So kam es, daß nach der Reformation die Baukorporationen an Bedeutung immer mehr verloren. Die Greuel der Religionskriege des 16. und 17. Jahrhunderts, besonders des 30jährigen Krieges, gaben der Baukunst noch einen empfindlichern Stoß; völlig entscheidend für die Baukorporationen war aber die verräterische Einnahme des Sitzes ihrer Haupthütte, Straßburg, durch Ludwig XIV. von Frankreich. Es war natürlich, daß die deutschen Fürsten die Abhängigkeit ihrer Angehörigen von auswärtigen Vereinen nicht dulden mochten, und der Reichstag untersagte daher 1707 allen Verkehr mit der Haupthütte in Straßburg. Da aber Uneinigkeit und Schwäche die deutschen Steinmetzen verhinderten, eine neue Haupthütte aufzustellen, so hob der Kaiser 1731 kurzweg alle Haupt- und Nebenhütten und die eigene Gerichtsbarkeit derselben auf und verbot die Ablegung eines Eides auf Geheimhaltung der Eigentümlichkeiten des Steinwerkes, sowie die Beobachtung der (wie sich das Dekret ausdrückte) »läppischen« Grußformeln und des Unterschiedes zwischen Gruß- und Briefmaurern. Die Bauhütten bestanden jedoch im Geheimen fort und bestehen noch heutzutage an vielen Orten, obschon ihnen die Gewerbefreiheit der neuern Zeit alle Bedeutung genommen und den Boden unter den Füßen weggezogen hat.
Während so die deutschen Handwerksvereine von der Reichsgewalt unterdrückt wurden und verkamen, sind dagegen die englischen Bauhütten zu einer Bedeutung emporgestiegen, welche eine welthistorische genannt werden kann. Die Sage führt die englische Baukunst auf den König Alfred den Großen (871–901) und auf seinen Nachfolger Aethelstan zurück, dessen jüngster Sohn Edwin Versammlungen der Maurer veranstaltet, zu York im Jahre 926 denselben Gesetze gegeben, bei dem König aber hochverräterischer Umtriebe angeklagt, schuldlos auf einem schadhaften Boote in das Meer hinausgetrieben worden und so umgekommen sein soll. Erwiesener Maßen aber wurden die Bauten von Bedeutung, wie in Deutschland, durch die Geistlichkeit geleitet, unter welcher Dunstan, Erzbischof von Canterbury, als eifriger und geschickter Baumeister genannt wird, während seit dem Aufkommen des gotischen Baustils auch dort weltliche Hände das Bauwesen übernahmen und wahrscheinlich deutsche Bauleute dasselbe vervollkommneten. Durch sie muß auch die deutsche Bauhütte in England Eingang gefunden haben; denn wir finden dort Vereine von Bauleuten, deren Einrichtungen und Gebräuche ganz den deutschen nachgebildet, und Verzeichnisse von Werkmeistern, deren Namen zweifellos deutsch sind.
Dagegen kamen hier auch wieder eigentümliche Züge in Aufnahme, wie die, daß der Meister seinen Platz stets im Osten einnahm, daß man sich bei schönem Wetter im Freien, wenn auch in einsamer Gegend, versammelte, daß rings umher Wachen aufgestellt wurden, um Uneingeweihte fern zu halten, daß man unberechtigte Lauscher unter die Dachtraufe stellte, bis ihnen »das Wasser aus den Schuhen lief« u. s. w. Auch wichen die englischen Handwerker überhaupt darin von den deutschen ab, daß sie als Gesellen nicht wanderten und also ohne dies Meister werden konnten, wogegen jedoch ihre Lehrzeit zwei Jahre (sieben statt fünf) länger dauerte.
Die englischen Steinmetzen nannten sich zur Unterscheidung von den gewöhnlichen Maurern, welche rough masons (rohe Maurer oder Metzen) hießen, free-stone-masons, d. h. Bearbeiter zum Bauen bestimmter (freier) Steine, oder auch abgekürzt: free-masons, Freimaurer.
In einem Parlamentsbeschlusse vom Jahre 1350 kommt dieser Name zum ersten Male vor; denn die englischen Maurer unterlagen polizeilicher Vormundschaft, und wurden, wie damals die Handwerker überhaupt, als Hörige behandelt, von der Krone und dem Adel unterdrückt; ja es war ihnen sogar verboten, Versammlungen zu halten und Erkennungszeichen anzuwenden.
Die alten englischen Freimaurer bestanden jedoch trotz dieser Anfeindungen fort, und gaben sich Gesetze, die zum Teil noch vorhanden sind. Sie betrachteten sich unter sich Alle als gleich, als fellows, Genossen, Gesellen und kannten in ihren Logen (der englische Name für die deutsche Bauhütte, vom altdeutschen loubja, Laube, gebildet) die im öffentlichen Handwerksleben geltende Abstufung in Meister, Gesellen und Lehrlinge nicht. Meister hieß in der Loge blos der freigewählte Vorsteher der Gesellen; Lehrlinge wurden überhaupt noch nicht zu Mitgliedern aufgenommen. Die Mitglieder sorgten unter sich sowohl für die technische Ausbildung, als für das moralische Wohlverhalten der Einzelnen, waren duldsam gegen abweichende religiöse Ansichten und unterstützten einander im Unglück und Mißgeschick. Auch nannten sie sich Brüder, wie die deutschen Steinmetzen.
Nur nach und nach verbesserten sich die Verhältnisse der englischen Maurer. Eduard III. (1327–76) war der erste König, welcher ihnen wohl wollte, wenn es ihm auch nicht möglich war, allen Schritten des Parlaments gegen sie Einhalt zu thun. Das Verbot ihrer Versammlungen wurde in der Folge wenigstens dahin gemildert, daß solche während der Gegenwart von Beamten, des Sheriffs der Grafschaft oder des Mayors der Stadt, abgehalten werden durften; aber später kamen wieder neue Verbote aller Versammlungen vor, die indessen wenig oder gar keine Vollziehung fanden. Aus so kümmerlichen und gedrückten Umständen erhob sich aber, wie wir sehen werden, mit Beibehaltung des Namens, der Gebräuche und sogen. Geheimnisse der Maurer, eine Gesellschaft, welche eine Ausbreitung gewonnen hat, deren sich wenig andere rühmen können.