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Ganz eigenartiger Weise steht in der Geschichte des Freimaurerbundes das Walten zweier Kaiser, würdiger Nachkommen des großen Bruders Friedrich II., an der Spitze der deutschen Freimaurerei da. Kaum ist das Jahr erst verflossen, in dessen Laufe sie Beide dahingeschieden sind, der eine in seltenem hohem Alter, der andere in der Manneskraft, dahingerafft von tückischer Krankheit. –
Prinz Wilhelm von Preußen, später König von Preußen und Deutscher Kaiser, wurde am 22. Mai 1840 von den Großmeistern der drei preußischen Großlogen in den Freimaurerbund aufgenommen und übernahm zugleich das Protektorat über diese drei Großlogen. »Vielfältig nahm (sagt der Darsteller seines maurerischen Lebens) der Prinz-Protektor in den nächstfolgenden Jahren an dem maurerischen Wirken aller drei Großlogen thätigen Anteil und ließ es sich warm angelegen sein, mit der frischen Kraft Seines Geistes, mit der vollen Wärme Seines reichen und großen Herzens, und der seltenen Festigkeit und Stärke Seines Willens auf das Leben und Wirken der Mitglieder des Bundes einzuwirken. Die Thätigkeit und Wirksamkeit des Prinzen-Protektors in und für den Bund während der nächstfolgenden Jahre erstreckte sich vorzüglich auf Schutz des Bundes gegenüber den Anfeindungen und Anschwärzungen der immer mächtiger und mächtiger ihr Haupt erhebenden klerikalen Partei am Königshofe.«
Bei Anlaß der Beglückwünschung der drei Großlogen zu seiner silbernen Hochzeit sagte der Prinz-Protektor zu der Abordnung der drei Großmeister: »Wir haben schon manche Anfeindungen zu bekämpfen gehabt, und werden deren gewiß auch noch in der Folge erfahren. Doch fürchten wir Nichts! Ich hoffe, daß es uns gelingen werde, denselben erfolgreich zu begegnen. Ich danke Ihnen Allen!« Ein herzlicher Händedruck bekräftigte diese Worte.
Als der inzwischen zum König emporgestiegene Protektor 1865 den 25. Jahrestag seiner Aufnahme in den Bund feierte, sprach er zu den ihn beglückwünschenden drei Großmeistern: »Ich freue Mich, daß Sie des heutigen Tages in so herzlicher Weise gedacht haben. Ich selbst habe kaum geglaubt, daß seit Meinem Eintritt in den Orden schon so lange Zeit verflossen ist. Den Dank, den Sie aussprechen, nehme Ich an, da Ich Mir bewußt bin, daß Ich den Orden nach allen Meinen Kräften gegen seine Feinde und Gegner verteidigt habe, weil Ich von dem Ernste und der Lauterkeit seiner Zwecke überzeugt bin. Dies war besonders in jener Zeit der Fall, wo es unsern Widersachern gelungen war, Meinem hochseligen Bruder eine ganz falsche Meinung von dem Orden beizubringen. Solchen Angriffen hatte ich oft entgegenzutreten. Auch für die innere Vereinigung der drei Systeme habe Ich nach Kräften gewirkt, aber Sie sind Mir darin auch mit großer Bereitwilligkeit entgegengekommen. Rechnen Sie darauf, daß Ich auch fernerhin dem Orden ein lebhaftes Interesse bewahren werde, da Ich glaube, daß er das Gute will.« Auch als Kaiser ist König Wilhelm an der Spitze des Bundes geblieben und versäumte es nie, wohin ihn auch seine Schritte, die Liebe seines Volkes und die Achtung der Welt leiteten, seiner Eigenschaft als Bruder huldvoll zu gedenken und Deputationen, welche ihm die Gefühle der Brüder übermittelten, freundlich zu empfangen, und diese Gesinnung dauerte unvermindert bis zum Hinschiede des beinahe 9l jährigen Gründers des Deutschen Reiches.
Prinz Friedrich Wilhelm von Preußen, später Kronprinz von Preußen und des Deutschen Reiches, endlich (leider nur für kurze Zeit) Kaiser und König Friedrich III,, wurde am 5. Nov. 1853 in den Bund aufgenommen, zu derselben Zeit, als derselbe von Seite der Dunkelmänner Hengstenberg, Eckert und später Alban Stolz, sowie des Bischofs Ketteler die heftigsten Anfeindungen zu tragen hatte, und zwar mit Gutheißung und in Anwesenheit seines Vaters. Im Jahre 1860 erhielt er die Würde eines Ordensmeisters der Großen Landesloge des schwedischen Systems und im folgenden Jahre, nachdem sein Vater den Thron bestiegen, diejenige eines stellvertretenden Protektors der preußischen Logen. Hatte der königliche Vater, als er die Genehmigung zur Übernahme des Amtes als Ordensmeister erteilte, geäußert: »Ich wünsche, wenn mein Sohn dies Amt annimmt, daß er sich dann auch den Obliegenheiten dieses Amtes mit Ernst unterzieht,« so war, ganz dem entsprechend, der junge Ordensmeister von seinem Eintritt ins Amt an eifrig bemüht, sich selbst zuerst genau über die ihm zugewiesenen Geheimnisse zu unterrichten. Das war nicht leicht. Es fehlte vielfach an klarer, sicherer Kenntnis. Namentlich bot die Geschichte des Ordens manche Überlieferungen, die dem Wohlunterrichteten bei ernster nüchterner Prüfung mehr als zweifelhaft erscheinen mußten. Der Kronprinz ließ deshalb, zunächst für seine persönliche Belehrung, die in den Archiven der Großen Landesloge vorhandenen Dokumente und Akten untersuchen. Als sich ergab, daß diese mit Sicherheit nicht weiter zurückreichten, als bis zur Mitte des vorigen Jahrhunderts, ward eine Deputation nach Schweden gesandt, um nach älteren Urkunden zu forschen.
Nachdem auch diese Nachforschung unbefriedigend ausgefallen, hielt der Kronprinz Ordensmeister bei Anlaß der hundertjährigen Jubelfeier der Großen Landesloge am 24. Juni 1870 eine denkwürdige Rede, betonte darin nachdrücklich die Einheit der gesamten Freimaurerei bei aller Verschiedenheit der Systeme, sprach offen vor der Versammlung über den Mangel an gesicherter Überlieferung, und forderte vollen wissenschaftlichen Ernst für die historischen Untersuchungen und unbedingte Anerkennung der Wahrheit. Er sagte weiter u. a. wörtlich: »Gebe ein jeder die Eitelkeit auf, die da glaubt, allein die ganze und die echte Wahrheit zu besitzen, und allein für die Wahrheit die richtige Form anzuwenden!« ... In Betreff der freimaurerischen Geschichte heißt es dann weiter: »Während frühere Zeiten sich bei der Autorität der Überlieferung beruhigten, sind in unsern Tagen die Forschungen der historischen Kritik zu einer Macht geworden, der auch die heiligsten Überlieferungen sich nicht mehr entziehen können. Diese Macht stellt auch an unsern Orden Forderungen, die sich auf die Länge hin ungestraft nicht abweisen lassen.« Aus ganz Deutschland nicht nur, aus England und selbst aus Amerika kamen Zeugnisse dafür, mit welcher Freude diese Rede ausgenommen und begrüßt war. Am 7. März 1874 legte der Kronprinz, dessen Anschauungen nicht nach Wunsch durchdrangen, sein Amt als Ordensmeister der Großen Landesloge nieder und behielt als freimaurerisches Amt nur die Stellvertretung des Protektors der preußischen Freimaurerei. Daß auch in dieser Stellung der Kronprinz seine Ansichten über die Freimaurerei und seine Gesinnung nicht geändert, hat er wiederholt durch Ansprachen an freimaurerische Deputationen bezeugt. Am 5. Nov. 1878 waren es 25 Jahre, daß der Kronprinz in den Freimaurerbund aufgenommen worden ist. Derselbe hat eine öffentliche Feier des Gedenktages abgelehnt, dagegen den Wunsch zu erkennen gegeben, es möchten die für ein solches Fest zur Verausgabung bestimmten Baarmittel zu einer Stiftung für Unterstützung von bedürftigen Freimaurerbrüdern, resp. deren Witwen und Waisen gesammelt werden. Infolge dessen wurde die Gründung einer »Kronprinz Friedrich Wilhelm-Stiftung« in Aussicht genommen und die ungesäumte Sammlung von Beiträgen veranstaltet.
In seiner schweren Leidenszeit hat der Kronprinz, welcher als Kaiser und König auch das Protektorat des Bundes übernahm, sich als edler Dulder und damit auch als wahrer Freimaurer kundgegeben, und seine hochherzigen Absichten sichern ihm für alle Zeit die höchsten Ansprüche auf die unvergängliche Verehrung des deutschen Volkes. –
Das Leben der deutschen Kaiser Wilhelm I. und Friedrich III. beweist für jeden, der nicht blind sein will, daß diese beiden Monarchen keine Prunkfiguren waren, mit denen sich der Freimaurerbund nach der Ansicht seiner Feinde schmückt, sondern sich sehr tief und eingehend mit den Angelegenheiten des Bundes beschäftigten, so daß ihnen nichts verborgen bleiben konnte, was denselben durchweht. Das nämliche ist übrigens auch von den übrigen Fürsten zu sagen, welche gegenwärtig dem Bunde angehören, von dem Prinzen von Wales, welcher Großmeister der englischen, Protektor der schottischen und irischen Großloge ist und von den Königen von Dänemark und Schweden, die an der Spitze der Großlogen dieser Länder stehen. In der Freimaurerei der romanischen Länder sind die Fürsten niemals vertreten gewesen und sind es auch jetzt noch nicht.