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Tausend und eine Nacht. Band XVI
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Abdallāh der Landmann und Abdallāh der Meermann

Ferner erzählt man, daß einmal ein Fischer, Namens Abdallāh, lebte, der eine große Familie, bestehend aus neun Kindern und ihrer Mutter, hatte und dabei sehr arm war, so daß er nichts als sein Netz besaß. Er pflegte jeden Tag ans Meer zum Fischen zu gehen und, wenn er ein wenig gefangen hatte, so verkaufte er es und verwendete das Geld für seine Kinder, je nach dem, was Gott ihm beschert hatte. 82 Fing er aber viel, so kochte er ein gutes Gericht und kaufte Früchte und gab das Geld so lange aus, bis er nichts mehr besaß, indem er bei sich sprach: »Das Brot für morgen kommt morgen.« Da traf es sich, daß seine Frau wieder niederkam, und es nunmehr ihrer zehn waren, während ihr Mann an jenem Tage gerade nicht das Geringste besaß. Da sagte seine Frau zu ihm: »Mein Herr, verschaff' mir doch etwas, daß ich mich nähren kann.« Er erwiderte: »Ich will mit Gottes, des Erhabenen, Segen noch heute zum Meer gehen und auf das Glück dieses Neugeborenen fischen, auf daß wir sein Glück erschauen.« Und sie versetzte: »Vertrau' auf Gott.« Hierauf nahm er das Netz und wanderte zum Meer, wo er das Netz auf das Glück jenes kleinen Säuglings auswarf, indem er dabei sprach: »O Gott, laß sein Brot ein leichtes sein ohne Mühsal und reichlich und nicht knapp.« Alsdann wartete er eine Weile, worauf er es herauszog und es voll Abfall, Sand, Kiesel und Holzstücken fand, ohne irgend eine Spur von Fischen, sei es viel oder wenig. Da warf er es zum zweitenmal aus und wartete wieder eine Weile, bis er es herauszog, ohne daß er einen Fisch darin gefunden hätte; und ebenso erging es ihm ein drittes, viertes und fünftes Mal. Da ging er an einen andern Ort, zu Gott, dem Erhabenen, um sein täglich Brot bittend, und warf in dieser Weise bis zum Ende des Tages sein Netz aus, ohne daß er auch nur ein Salzfischlein gefangen hätte. Verwundert hierüber, sprach er bei sich: »Hat Gott etwa dieses Kind ohne sein täglich Brot erschaffen? Das kann unmöglich der Fall sein, denn wer des Mundes Spalte erschaffen hat, der hat sich verpfändet für seine Speise, dieweil Gott, der Erhabene, der Gütige ist und der Versorger!« Alsdann lud er sein Netz auf und kehrte gebrochenen Herzens und bekümmert über seine Familie heim, da er sie ohne Nahrung verlassen hatte, zumal wo sein Weib in den Wochen lag. Während er nun so weiter wanderte und fortwährend bei sich sprach: »Was soll ich thun, und was soll 83 ich heute Nacht zu meinen Kindern sagen?« gelangte er zum Ofen eines Bäckers, vor dem er ein großes Gedränge gewahrte; es war nämlich gerade eine Zeit der Teuerung, und die Leute hatten nur wenig Lebensmittel in jenen Tagen; infolgedessen hielten sie dem Bäcker das Geld hin, doch achtete er wegen des großen Gedränges auf niemand. Abdallāh der Fischer blieb hier stehen, um zuzuschauen und den Duft des warmen Brotes einzuatmen, wobei er wegen seines Hungers Verlangen nach ihm bekam, als ihn der Bäcker mit einem Male erblickte und ihm zurief: »Komm her, Fischer.« Da trat er näher, und der Bäcker fragte ihn: »Wünschest du Brot?« Als Abdallāh hierauf schwieg, sagte der Bäcker: »Sprich und schäme dich nicht; Gott ist gütig. Solltest du kein Geld haben, so will ich dir Brot geben und warten, bis es dir gut ergeht.« Nun versetzte der Fischer: »Bei Gott, Meister, ich habe kein Geld; gieb mir jedoch soviel Brot, als meine Familie braucht, und behalte das Netz bis morgen zum Pfand.« Der Bäcker entgegnete jedoch: »Armer Kerl, das Netz ist dein Laden und die Pforte deines täglichen Brotes; wenn du es mir verpfändest, womit wolltest du dann fischen? Sag' mir, wieviel du nötig hast?« Da sagte der Fischer: »Für zehn halbe Dirhem wird genug sein; worauf der Bäcker ihm für die zehn Halben Brot gab und ihm noch zehn halbe Silberlinge dazu schenkte, indem er zu ihm sprach: »Nimm diese zehn Halben und koch' dir dafür Fleisch; so schuldest du mir zwanzig halbe Silberlinge und kannst mir morgen Fische dafür bringen; solltest du aber nichts fangen, so komm und hol' dein Brot und zehn Halbe dazu; ich will mit dir Geduld haben, bis es dir wieder besser ergeht.

Neunhundertundeinundvierzigste Nacht.

Hernach magst du mir für alles, was ich bei dir gut zu stehen habe, Fische bringen.« Der Fischer versetzte: »Gott, der Erhabene, lohne es dir und vergelte es dir anstatt meiner mit allem Guten!« Hierauf nahm er das Brot und die 84 zehn halben Silberlinge und kaufte sich fröhlich, was er vermochte, worauf er zu seiner Frau heimkehrte, die er dasitzen und ihre vor Hunger weinenden Kinder trösten sah, indem sie zu ihnen sprach: »Gleich wird euch euer Vater etwas zum Essen bringen.« Als er nun bei ihnen eintrat, setzte er das Brot vor sie, worauf sie aßen, während er seinem Weibe erzählte, wie es ihm ergangen war; und sie erwiderte ihm: »Gott ist gütig.«

Am andern Tage lud er sein Netz wieder auf und verließ sein Haus, indem er sprach: »Ich bitte dich, mein Herr, daß du mir heute bescherst, was mein Antlitz vor dem Bäcker weiß macht.« Als er dann zum Meer gelangte, warf er sein Netz einmal nach dem andern bis zum Ende des Tages aus und zog es wieder heraus, ohne einen Fisch zu fangen, worauf er in großer Betrübnis heimkehrte. Da aber sein Weg bei dem Bäcker vorüberführte, sprach er bei sich: »Wo soll ich nur nach Hause gehen? Ich will jedoch meine Schritte beeilen, daß mich der Bäcker nicht sieht.« Als er dann bei dem Backofen vorüberkam und das Gedränge sah, beschleunigte er seine Schritte aus Scham vor dem Bäcker, damit er ihn nicht sähe, als mit einem Male dessen Blick auf ihn fiel, und er rief: »Fischer, komm her, hol' dein Brot und Geld; du hast's vergessen.« Da versetzte der Fischer: »Nein, bei Gott, ich hab's nicht vergessen, ich schämte mich nur vor dir, da ich heute keine Fische gefangen habe.« Der Bäcker erwiderte: »Schäme dich nicht, sagte ich nicht zu dir, es hat Zeit, bis dir das Glück kommt?« Alsdann gab er ihm das Brot und die zehn Halben, worauf er zu seiner Frau heimkehrte und ihr die Sache mitteilte. Und seine Frau entgegnete ihm: »Gott ist gütig; so Gott will, ergeht es dir wieder besser und du bezahlst dem Bäcker, was du ihm schuldig bist.«

In dieser Weise erging es dem Fischer vierzig Tage lang, indem er jeden Tag von Sonnenaufgang bis zum Untergang am Meer zubrachte und ohne Fische heimkehrte, worauf 85 er Brot und Geld vom Bäcker empfing, der ihn nie nach den Fischen fragte und ihn nicht wie die andern Leute warten ließ, sondern ihm die zehn Halben und das Brot ohne Verzug gab; und jedesmal, wenn der Fischer zu ihm sagte: »Mein Bruder, halt' Abrechnung mit mir,« entgegnete er ihm: »Scher' dich fort, jetzt ist keine Zeit zum Abrechnen; wenn es dir besser ergeht, will ich's thun;« worauf der Fischer ihn segnete und unter Danksagungen fortging. Am einundvierzigsten Tage sagte er dann zu seinem Weib: »Ich will das Netz zerreißen, um von diesem Leben Ruhe zu haben.« Sein Weib versetzte: »Weshalb?« Er erwiderte: »Es scheint, als ob mein Brot nicht mehr aus dem Meer kommt; wie lange soll dies noch dauern? Bei Gott, ich vergehe aus Scham vor dem Bäcker und will nicht mehr zum Meer gehen, damit ich nicht mehr an seinem Ofen vorüber muß. Ich habe keinen andern Weg, und jedesmal, wenn ich an ihm vorübergehe, ruft er mich und giebt mir das Brot und die zehn Halben. Wie lange soll ich denn noch bei ihm Schulden machen?« Sein Weib versetzte hierauf: »Gelobt sei Gott, der Erhabene, der dir sein Herz zuwandte, daß er dich mit Unterhalt versorgt. Was mißfällt dir denn hieran?« Der Fischer erwiderte: »Ich schulde ihm einen Haufen Geld, und sicherlich wird er es von mir verlangen.« Sein Weib entgegnete: »Hat er dich harte Worte hören lassen?« Er versetzte: »Nein; er wollte nicht einmal Abrechnung mit mir halten, sondern sagte: Wenn es dir besser ergeht.« Da sagte sein Weib: »Wenn er dich mahnt, so sprich zu ihm: »Wenn das Glück zu mir kommt, worauf wir beide hoffen.« – »Und wann,« versetzte Abdallāh, »soll das Glück zu mir kommen, auf das wir hoffen.« Sein Weib erwiderte: »Gott ist gütig.« Er entgegnete: »Du hast recht.« Alsdann lud er sein Netz auf und schlug den Weg zum Meer ein, indem er sprach: »O Herr, gieb mir mein Brot. und wäre es auch nur einen einzigen Fisch, daß ich ihn dem Bäcker schenke.« Hierauf warf er das Netz ins Meer und 86 als er es anzog, fand er, daß es schwer war. Er mühte sich so lange an ihm ab, bis er völlig erschöpft war; als er es aber endlich herausbekommen hatte, fand er einen toten aufgedunsenen und stinkenden Esel darin. Voll Ekel befreite er ihn aus dem Netz und rief: »Es giebt keine Macht und keine Kraft außer bei Gott, dem Hohen und Erhabenen, ich kann nicht mehr! Und da sag' ich zu diesem Weib: »Ich finde mein Brot nicht mehr im Meer, laß mich dieses Gewerbe aufgeben;« während sie mir erwiderte: »Gott ist gütig, es wird dir sicherlich wieder glücken.« Ist dieser tote Esel etwa das Glück?« Alsdann ging er tiefbekümmert an einen andern Ort, um sich vom Gestank des Esels zu entfernen, und nahm das Netz und warf es aus, worauf er wohl eine Stunde wartete, bis er es wieder anzog. Als er merkte, daß es schwer war, mühte er sich so lange, bis ihm beide Hände bluteten, und als er das Netz endlich an den Strand bekommen hatte, fand er ein menschliches Wesen darin. Im Glauben, daß es einer der Ifrîte unseres Herrn Salomo wäre, die er in Messingflaschen einzusperren und ins Meer zu werfen pflegte, und der, nachdem die Flasche in der Länge der Zeit zerbrochen war, herausgekommen wäre und sich im Netz gefangen hätte, lief er fort und hob an zu schreien: »Gnade, Gnade, o Ifrît Salomos!« Das menschliche Wesen aber rief ihm aus dem Netz zu: »Komm her, Fischer, und lauf' nicht von mir fort, denn ich bin ein Mensch wie du. Befreie mich, daß du deinen Lohn dafür empfängst.« Als der Fischer seine Worte vernahm, beruhigte sich sein Herz und, an ihn herantretend, fragte er ihn: »Bist du nicht ein Ifrît von den Dschinn?« Er versetzte: »Nein; ich bin ein Mensch, gläubig an Gott und seinen Gesandten.« Da fragte der Fischer: »Und wer hat dich ins Meer geworfen?« Er erwiderte: »Ich gehöre zu den Kindern des Meers und wandelte gerade in ihm umher, als du dein Netz über mich warfst. Wir sind ein Volk, gehorsam den Geboten Gottes, und voll Liebe zu Gottes. des Erhabenen, Geschöpfen; und 87 wenn ich nicht fürchtete und besorgte zu sündigen, so hätte ich dein Netz zerrissen; jedoch bin ich zufrieden mit dem, was Gott über mich verhängt hat. Und, so du mich nun in Freiheit setzest, bist du mein Herr geworden und ich dein Gefangener. Willst du mir demnach die Freiheit schenken, im Begehr nach Gottes, des Erhabenen, Angesicht, und einen Freundschaftsbund mit mir schließen? Ich will alle Tage an diesen Ort kommen, und du sollst mich hier besuchen und mir ein Geschenk von den Früchten des Landes mitbringen. Denn ihr habt Trauben, Feigen, Melonen, Pfirsiche, Granatäpfel und dergleichen, und alles, was du mir bringst, ist mir willkommen, während wir Korallen, Perlen, Chrysolithe, Smaragde, Hyazinthen und andere Juwelen haben; und ich will dir den Korb, in dem du mir die Früchte bringst, mit dem Edelgestein des Meeres füllen. Was sagst du dazu, mein Bruder?« Der Fischer versetzte: »Die Fâtihe sei zwischen uns beiden auf dieses Wort!« Da sagte jeder von ihnen die Fâtihe her, worauf der Fischer ihn aus dem Netz löste und ihn fragte: »Wie heißest du?« Er erwiderte: »Mein Name ist Abdallāh der Meermann, und, so du hierher kommst und mich nicht siehst, so ruf' und sprich: »Wo bist du, o Abdallāh? O Meermann?« Ich werde dann auf der Stelle bei dir sein.

Neunhundertundzweiundvierzigste Nacht.

Wie aber heißest du?« Der Fischer versetzte: »Ich heiße Abdallāh der Landmann.« Da entgegnete er: »Du bist Abdallāh der Landmann und ich Abdallāh der Meermann; nun aber warte hier, daß ich fortgehe und dir ein Geschenk hole.« Der Fischer erwiderte: »Ich höre und gehorche;« worauf Abdallāh der Meermann im Meer verschwand. Da bereute es Abdallāh der Landmann, daß er ihn aus dem Netz befreit hatte, und sprach bei sich: »Woher weiß ich, daß er zu mir zurückkehrt? Er lacht mich aus, daß ich ihn losließ, während, wenn ich ihn behalten hätte, ich ihn den Leuten 88 in der Stadt gezeigt hätte und Geld für ihn empfangen und ihn in die Häuser der Großen geführt hätte. Wie er es aber noch bereute, daß er ihn freigelassen hatte, und bei sich sprach: »Dein Fang ist dir aus der Hand entwischt,« und sich hierüber bekümmerte, kehrte mit einem Male Abdallāh der Meermann, die Hände voll von Perlen, Korallen, Smaragden, Hyazinthen und andern Edelsteinen, zu ihm zurück und sprach zu ihm: »Nimm's, mein Bruder, und entschuldige mich; ich hatte jedoch keinen Korb bei mir, den ich dir hätte füllen können.« Da nahm ihm Abdallāh der Landmann erfreut die Juwelen ab, während der Meermann zu ihm sprach: »Komm alle Tage vor Sonnenaufgang hierher.« Alsdann verabschiedete er sich von ihm und verschwand im Meer, während der Fischer fröhlich zur Stadt zurückkehrte und unverdrossen seine Straße zog, bis er zur Bäckerei gelangte, wo er zum Bäcker sagte: »Mein Bruder, nun ist das Glück zu uns gekommen, mach' die Rechnung ab mit mir.« Der Bäcker versetzte: »Wir haben keine Rechnung nötig; wenn du etwas hast, so gieb es mir; hast du aber nichts, so nimm dein Brot und dein Geld und troll' dich, bis das Glück zu dir kommt.« Der Fischer entgegnete jedoch: »Das Glück ist mir thatsächlich aus Gottes Güte zu teil geworden, und ich schulde dir eine große Summe; nimm jedoch dies.« Mit diesen Worten gab er ihm eine Handvoll Perlen, Korallen, Hyazinthen und Edelsteine, die Hälfte von allem, was er hatte, und sprach zu ihm: »Gieb mir etwas Münze für den heutigen Tag, bis ich diese Edelsteine verkauft habe.« Da gab ihm der Bäcker alles Geld, das er unter seiner Hand hatte, und alles Brot, das sich bei ihm in seinem Korbe befand, und sagte, erfreut über die Edelsteine, zum Fischer: »Ich bin dein Sklave und dein Diener.« Dann lud er alles Brot, das er bei sich hatte, auf sein Haupt und folgte dem Fischer in sein Haus, wo er das Brot seiner Gattin und seinen Kindern gab, worauf er auf den Bazar ging und Fleisch, Gemüse und alle Arten Obst holte. Seinen 89 Ofen im Stich lassend, verblieb er den ganzen Tag über bei Abdallāh dem Landmann, indem er sich mit seiner Bedienung zu schaffen machte und seine Bedürfnisse besorgte, so daß der Fischer zu ihm sagte: »Mein Bruder, du bemühst dich zu sehr.« Der Bäcker versetzte jedoch: »Das ist meine Pflicht, da ich dein Diener geworden und von deiner Huld überschüttet bin.« Der Fischer erwiderte ihm hierauf: »Die Güte war auf deiner Seite in der Zeit der Not und Teuerung.« Hierauf blieb der Bäcker die Nacht über schmausend beim Fischer und ward in der Folge sein guter Freund. Als dann der Fischer seiner Frau sein Erlebnis mit Abdallāh dem Meermann mitteilte, freute sie sich und sagte zu ihm: »Verbirg dein Geheimnis, daß nicht die Obrigkeit Gewalt an dir übt.« Er erwiderte: »Wenn ich's auch vor allen Leuten verberge, so will ich's doch nicht dem Bäcker verheimlichen.«

Am andern Morgen erhob er sich in der Frühe und lud einen Korb, den er schon am Abend zuvor mit allerlei Früchten gefüllt hatte, auf, worauf er sich noch vor Sonnenaufgang zum Meer begab. Den Korb am Strand niedersetzend, rief er: »Wo bist du, o Abdallāh, o Meermann?« Und siehe, da erwiderte er auch schon: »Hier bin ich,« und stieg zu ihm herauf. Der Fischer gab ihm nun das Obst, worauf Abdallāh der Meermann es auflud und wieder zurück ins Meer tauchte. Nachdem er wohl eine Stunde fortgeblieben war, kam er wieder heraus mit dem Korb, der ganz voll von allerlei Edelsteinen und Juwelen war; und Abdallāh der Landmann setzte ihn aufs Haupt und ging fort. Als er zur Bäckerei kam, sagte der Bäcker zu ihm: »Mein Herr, ich habe dir vierzig Flachbrötchen gebacken und nach Hause geschickt; jetzt bin ich gerade dabei dir Feinbrot zu backen, und sobald es fertig ist, will ich es dir ins Haus bringen und dir Gemüse und Fleisch holen.« Da reichte ihm der Fischer drei Hände voll aus dem Korb, worauf er heimging und den Korb niedersetzte. Dann nahm er von jeder Sorte ein kostbares Juwel und begab sich auf den 90 Bazar der Juweliere, wo er an den Laden des Bazarscheichs trat und zu ihm sagte: »Kauf' mir diese Juwele ab.« Der Scheich versetzte: »Zeig' sie mir.« Als er sie ihm gezeigt hatte, fragte ihn der Scheich: »Hast du außer diesen noch welche?« Der Fischer versetzte: »Ich habe außer diesen noch einen ganzen Korb voll.« Nun fragte ihn der Scheich: »Wo ist dein Haus?« Er erwiderte: »In dem und dem Viertel.« Da nahm er ihm die Juwelen ab und sagte zu seinen Dienern: »Packt ihn, er ist der Dieb, der der Königin, der Gemahlin des Sultans, die Schmucksachen gestohlen hat.« Alsdann befahl er ihnen, ihn durchzuprügeln, und sie prügelten ihn und banden ihm die Hände auf dem Rücken zusammen, worauf sich der Scheich und alles Volk vom Bazar der Juweliere erhob und schrie: »Wir haben den Dieb gepackt;« während ein anderer rief: »Kein anderer als dieser Schurke hat den und den bestohlen,« und ein dritter: »Dieser und kein anderer hat das Haus des und des ausgeraubt.« Und so riefen die einen dies und die andern das, während er schwieg und keinem von ihnen eine Antwort gab oder Wort um Wort tauschte, bis sie ihn vor den König geführt hatten, zu dem der Scheich sprach: »O König der Zeit, als das Halsband der Königin gestohlen wurde, ließest du es uns wissen und verlangtest von uns die Feststellung des Schuldigen. Infolgedessen beeiferte ich mich vor allen andern, und stelle nunmehr den Schuldigen vor dich; da steht er vor dir, und dies sind die Juwelen, die wir seiner Hand entrissen.« Der König sagte infolgedessen zum Eunuchen: »Nimm diese Juwelen, zeig' sie der Königin und frag' sie, ob es die Schmucksachen sind, die ihr abhanden kamen.« Da nahm sie der Eunuch und begab sich mit ihnen zur Königin, die sich beim Anblick der Juwelen über sie verwunderte und dem König sagen ließ: »Ich habe mein Halsband in meinem Zimmer gefunden; diese Sachen gehören nicht mir, im Gegenteil, sie sind schöner als die Juwelen meines Halsbands. Thu' daher dem Mann nichts zuleide; – 91

Neunhundertunddreiundvierzigste Nacht.

will er sie aber verkaufen, so kauf' sie ihm für deine Tochter Umm es-Suûd ab, daß wir sie ihr in ein Halsband setzen.« Als nun der Eunuch zurückkehrte und dem König die Worte der Königin vermeldete, verfluchte er den Scheich der Juweliere samt seiner Gesellschaft mit dem Fluch Ads und Thamûds,Zwei in den Nächten bereits mehrfach erwähnte vorgeschichtliche arabische Völkerstämme, welche wegen ihrer Verstocktheit gegenüber den zu ihnen gesandten Propheten Sâlih und Hûd von Gott vernichtet wurden. worauf sie ihm entgegneten: »O König der Zeit, wir kannten diesen Mann als einen Fischer und erachteten dies zu viel für ihn, so daß wir der Ansicht waren, daß er die Juwelen gestohlen hätte.« Der König versetzte jedoch: »Ihr Schurken, mißgönnt ihr einem Gläubigen sein Glück? Weshalb stelltet ihr ihn nicht zur Rede? Vielleicht hat es ihm Gott, der Erhabene, beschert, von wannen er nicht darauf rechnete. Wie konntet ihr ihn für einen Dieb erklären und ihm vor der Welt Schimpf anthun? Packt euch, und Gott segne euch nimmerdar!« Da gingen sie von Furcht erfaßt hinaus; der König aber sprach nun zum Fischer: »O Mann, Gott segne dich in dem, was er dir geschenkt hat! Dir soll nichts zuleide geschehen, sag' mir jedoch die Wahrheit, woher du diese Juwelen hast; denn siehe, ich bin ein König, und doch findet sich dergleichen nicht bei mir.« Da sagte der Fischer: »O König der Zeit, ich habe daheim noch einen ganzen Korb voll, und die Sache verhält sich so und so.« Alsdann erzählte er ihm von seiner Freundschaft mit Abdallāh dem Meermann und sprach: Siehe, zwischen uns beiden besteht ein Vertrag daraufhin, daß ich ihm jeden Tag einen Korb mit Obst anfülle, während er ihn mir mit diesen Juwelen voll packt!« Der König versetzte: »O Mann, das ist dein dir bestimmtes Glückslos; jedoch erfordert Gut auch Ansehen. Ich will dich in meinen Tagen vor der Gewaltthätigkeit der Leute schützen, jedoch könnte ich abgesetzt 92 werden oder sterben, und dann kommt ein anderer zur Macht und tötet dich aus Liebe und Habgier nach irdischem Gut. Ich will dich daher mit meiner Tochter vermählen und zu meinem Wesir machen, und will dir nach meinem Tode das Reich übermachen, daß niemand nach meinem Hinscheiden dir nachstellt.« Hierauf befahl der König: »Nehmt diesen Mann und führt ihn ins Bad.« Da nahmen sie ihn und wuschen ihm den Leib, worauf sie ihn in königliche Kleider kleideten und ihn wieder vor den König führten, der ihn zu seinem Wesir machte und seine Kuriere, die Garden und alle Frauen der Großen nach seinem Hause schickten, die dort sein Weib und seine Kinder in königliche Kleider kleideten. Alsdann setzten sie sie in eine Sänfte und geleiteten sie, mit den Säugling in den Armen, indem sie alle, die Frauen der Großen sowohl wie die Truppen, die Kuriere und Garden, ihr voranschritten, zum Königspalast. Ebenso führten sie ihre größern Kinder zum König herein, der sie auszeichnete und auf seinen Schoß nahm, worauf er sie an seiner Seite sitzen ließ. Es waren ihrer neun Knaben, und der König hatte keine Kinder, da ihm Gott allein die Tochter Umm es-Suûd beschert hatte. Ebenso zeichnete die Königin die Frau Abdallāhs des Landmanns aus und beschenkte sie und machte sie zu ihrer Wesirin. Hierauf befahl der König den Ehekontrakt Abdallāhs des Landmanns mit seiner Tochter zu schreiben, und Abdallāh bestimmte zu ihrer Brautgabe alle Edelsteine und Juwelen, die er bei sich hatte, worauf sie die Pforte des Hochzeitsfestes öffneten; und es befahl der König durch einen Herold zu Ehren der Hochzeit seiner Tochter die Stadt zu schmücken. Am andern Morgen, als Abdallāh die Tochter des Königs heimgesucht und ihr die Mädchenschaft genommen hatte, schaute der König aus dem Fenster und sah, wie Abdallāh auf seinem Haupt einen Korb voll Früchten trug. Da fragte er ihn: »Was ist's, was du hast, mein Schwiegersohn, und wohin gehst du?« Er versetzte: »Ich gehe zu meinem Freund Abdallāh dem Meermann.« 93 Da entgegnete der König: »Mein Schwiegersohn, dies ist nicht die Zeit zu deinem Freund zu gehen.« Er erwiderte jedoch: »Ich fürchte unsern Vertrag zu brechen und von ihm für einen Lügner gehalten zu werden, so daß er von mir spricht: Das irdische Gut hat ihn mich vergessen lassen.« Da sagte der König: »Du hast recht; geh' zu deinem Freund, und Gott helfe dir!« Hierauf schritt er durch die Stadt zu seinem Freund, wobei er die Leute, die ihn kannten, sagen hörte: »Dies ist des Königs Schwiegersohn; er geht, um Obst für Juwelen umzutauschen;« die ihn aber nicht kannten und nichts von ihm wußten, sprachen: »Mann, wie teuer das Pfund? Komm her und verkauf' uns;« während er ihnen erwiderte: »Wartet, bis ich zu euch zurückkomme.« Denn er wollte niemand kränken.

Als er dann mit Abdallāh dem Meermann zusammentraf, gab er ihm die Früchte und tauschte dafür Juwelen ein. In dieser Weise verfuhr er nun, indem er täglich an der Bäckerei vorüberging; doch sah er, daß sie verschlossen war. Als er während zehn weiterer Tage den Bäcker nicht zu Gesicht bekam und seinen Ofen fortwährend verschlossen sah, sprach er bei sich: »Das ist ein wundersames Ding; wo mag der Bäcker nur hingekommen sein?« Alsdann erkundigte er sich bei seinem Nachbar nach ihm und fragte ihn: »Mein Bruder, wo ist dein Nachbar, der Bäcker, und was hat Gott mit ihm gethan?« Der Nachbar erwiderte: »Mein Herr, siehe, er ist krank und geht nicht aus.« Da fragte er: »Wo ist sein Haus?« Der Nachbar des Bäckers erwiderte ihm: »In dem und dem Viertel.« Da machte er sich zu ihm auf und erkundigte sich nach ihm; als er aber an die Thür klopfte, schaute der Bäcker zum Fenster hinaus, und, da er seinen Freund den Fischer mit einem vollen Korb auf seinem Haupt gewahrte, stieg er zu ihm hinunter und öffnete die Thür, worauf sich der Fischer an seine Brust warf, ihn umarmte und ihn fragte: »Wie geht's dir, mein Freund? Ich ging alle Tage an deiner Bäckerei vorüber und fragte deinen 94 Nachbar nach dir, als ich sie verschlossen fand, worauf er mir sagte, du seiest krank. Ich erkundigte mich dann nach deinem Haus, um dich zu sehen.« Der Bäcker versetzte: »Gott lohne es dir mit allem Guten an meiner Statt! Ich bin nicht krank, sondern hörte, der König hätte dich eingesperrt, da dich einige Leute bei ihm verleumdet und dich für einen Dieb erklärt hätten. Ich fürchtete mich deshalb und, meine Bäckerei verschließend, versteckte ich mich.« Abdallāh erwiderte: »Das ist wahr.« Alsdann erzählte er ihm, wie es ihm mit dem König und dem Scheich der Juweliere ergangen war, und schloß mit den Worten: »Der König hat mich mit seiner Tochter vermählt und mich zu seinem Wesir gemacht.« Dann fügte er noch hinzu: »Nimm, was im Korbe ist, als deinen Teil und sei ohne Furcht.« Nachdem er ihm so seine Furcht verscheucht hatte, verließ er ihn und kehrte mit leerem Korb zum König zurück, der zu ihm sprach: »Mein Schwiegersohn, mir scheint's, du hast heute deinen Freund Abdallāh den Meermann nicht getroffen?« Er versetzte: »Ich ging zu ihm, doch schenkte ich, was er mir gab, meinem Freund dem Bäcker, dem ich Dank schulde.« Nun fragte der König: »Wer ist dieser Bäcker?« Er erwiderte: »Es ist ein gutherziger Mann, und so und so erging es mir mit ihm in den Tagen der Armut, und nie vernachlässigte oder kränkte er mich einen Tag.« Da fragte der König: »Wie heißt er?« Er erwiderte: »Er heißt Abdallāh der Bäcker; ich heiße Abdallāh der Landmann, und mein Freund heißt Abdallāh der Meermann.« Da versetzte der König: »Und ich heiße auch Abdallāh, und Knechte GottesAbdallāh = Sklave Gottes. sind alle Brüder. Schick' zu deinem Freund dem Bäcker und laß ihn herbringen, daß wir ihn zum Wesir der Linken machen.« Und so ließ er ihn holen, und als er vor dem König erschien, legte ihm dieser den Wesirsornat an und machte ihn zum Wesir der Linken, während er Abdallāh den Landmann zum Wesir der Rechten machte. 95

Neunhundertundvierundvierzigste Nacht.

In dieser Weise verbrachte Abdallāh ein volles Jahr, indem er täglich einen Korb Früchte nahm und ihn voll von Edelsteinen und Juwelen zurückbrachte. Und als die Früchte in den Gärten zu Ende gingen, nahm er Rosinen und Mandeln, Haselnüsse, Walnüsse und dergleichen, und alles, was er Abdallāh dem Meermann hinausbrachte, nahm dieser von ihm an und gab ihm dafür wie üblich einen Korb voll Juwelen. Da traf es sich eines Tages, daß er wieder wie gewöhnlich einen Korb voll getrockneter Früchte zu ihm hinaustrug und er sie ihm abnahm, worauf sich Abdallāh der Landmann auf den Strand und Abdallāh der Meermann ins Wasser nahe an den Strand setzten und miteinander plauderten. Die Unterhaltung ging zwischen ihnen hin und her, bis die Rede auch auf Begräbnisplätze kam, worauf der Meermann sprach: »Mein Bruder, ihr sagt, daß der Prophet Gottes – Gott segne ihn und spende ihm Heil! – bei euch auf dem Land begraben ist; kennst du sein Grab?« Der Landmann erwiderte: »Jawohl.« Nun fragte der Meermann: »Wo ist's?« Er versetzte: »In einer Stadt, die gute StadtMedîna, voller Medînet en-Nabî, die Stadt des Propheten; ihr alter Name war Jathrib. geheißen.« Da fragte ihn der Meermann: »Und besuchen es auch die Leute vom Land?« Abdallāh der Landmann erwiderte: »Jawohl;« worauf Abdallāh der Meermann versetzte: »Heil euch, ihr Leute vom Land, daß ihr diesen edeln, gütigen und barmherzigen Propheten besucht, dessen Fürsprache jeder, der ihn besucht, verdient! Und du, mein Bruder, hast du ihn auch schon besucht?« Abdallāh der Landmann versetzte: »Nein, ich war bisher zu arm und hatte nicht das nötige Reisegeld; erst seit ich dich kennen lernte, und du mich mit diesem Gut beschenktest, kam ich zu Reichtum. Jedoch ist es meine Pflicht sein Grab zu besuchen, nachdem ich zum heiligen GotteshausDie Kaaba in Mekka. gepilgert bin, und nichts hält mich 96 nunmehr davon ab, als allein die Liebe zu dir, denn ich kann mich keinen einzigen Tag von dir trennen.« Da versetzte Abdallāh der Meermann: »Läßt du etwa die Liebe zu mir dem Besuch des Grabes Mohammeds, – Gott segne ihn und spende ihm Heil! – vorgehen, während er am Tage, da du vor Gott stehst, Fürbitte für dich einlegt und dich vom Feuer errettet und durch seine Fürbitte ins Paradies führt? Unterläßt du so durch die Liebe zur Welt den Besuch des Grabes deines Propheten Mohammed, – Gott segne ihn und spende ihm Heil! –?« Abdallāh der Landmann entgegnete: »Nein, bei Gott, der Besuch seines Grabes geht bei mir allen andern Dingen voran, und ich bitte dich um Erlaubnis, es noch in diesem Jahr zu besuchen.« Abdallāh der Meermann versetzte: »Ich gewähre dir die Erlaubnis hierzu und, so du vor seinem Grabe stehst, bestelle ihm den Salâm von mir. Ich will dir aber auch ein Unterpfand anvertrauen; komm deshalb mit mir ins Meer, daß ich dich in meine Stadt mitnehme und dich in meinem Haus bewirte, worauf ich dir das Unterpfand mitgeben werde, damit du es auf das Grab des Propheten – Gott segne ihn und spende ihm Heil! – niederlegst. Und sprich also zu ihm: »O Gottesgesandter, siehe, Abdallāh der Meermann entbietet dir den Salâm; er sendet dir dieses Geschenk und erhofft deine Fürbitte zur Erlösung vom Feuer!« Abdallāh der Landmann entgegnete ihm hierauf: »Mein Bruder, du bist im Wasser erschaffen, und deine Behausung ist das Wasser, so daß es dir keinen Schaden thut; wenn du aber ans Land herauskämst, würde es dir nicht schaden?« Abdallāh der Meermann erwiderte: »Gewiß, mein Leib würde vertrocknen, und die Lüfte des Festlandes würden mich anwehen, daß ich stürbe.« Da versetzte Abdallāh der Landmann: »Und ebenso bin ich auf dem Land erschaffen, und das Land ist meine Wohnstätte, so daß, wenn ich ins Meer hineinstiege, das Wasser in meinen Leib dränge und mich erstickte, daß ich stürbe.« Abdallāh der Meermann entgegnete 97 ihm jedoch: »Fürchte dich nicht hiervor, denn siehe, ich will dir eine Salbe bringen, deinen Leib damit einzusalben, so daß dir das Wasser keinen Schaden zufügt, solltest du auch den Rest deines Lebens im Meer verbringen und darin umherwandeln; und du sollst im Meer liegen und aufstehen und nichts Schlimmes soll dir widerfahren.« Da versetzte Abdallāh der Landmann: »Wenn dem also ist, so kann es nichts schaden; gieb die Salbe her, daß ich sie erprobe.« Abdallāh der Meermann erwiderte: »So sei's!« Alsdann nahm er den Korb und stieg ins Meer hinab, aus dem er nach kurzer Abwesenheit wieder mit einem Fett, das wie Rinderfett aussah und eine goldgelbe Farbe und starken Geruch hatte, herauskam. Da fragte ihn Abdallāh der Landmann: »Was ist das, mein Bruder?« Er versetzte: »Das ist das Leberfett von einer Fischart, die DendânZahn; ein persisches Wort. heißt; es ist die größte Fischart und unser grimmigster Feind. An Gestalt ist er größer als irgend bei euch ein Tier auf dem Land, und, sähe er ein Kamel oder einen Elefanten, so verschlänge er sie.« Da fragte Abdallāh der Landmann: »Und was frißt dieses unselige Tier?« Er entgegnete: »Es nährt sich von dem Getier des Meeres. Hast du nicht das Sprichwort gehört: Wie die Fische des Meeres: der Starke frißt den Schwachen.« Abdallāh erwiderte: »Jawohl; aber giebt's von den Dendânen viele bei euch im Meer?« Abdallāh der Meermann versetzte: »Es giebt ihrer so viele bei uns, daß sie allein Gott, der Erhabene, zählen kann.« Da erwiderte Abdallāh der Landmann: »Ich fürchte, wenn ich mit dir ins Meer hinuntersteige, fällt mich so eine Bestie an und frißt mich auf.« Abdallāh der Meermann versetzte jedoch: »Fürchte dich nicht, wenn er dich sieht, wird er erkennen, daß du ein Sohn Adams bist, und wird sich vor dir fürchten und fliehen, da er kein Wesen im Meer so sehr fürchtet als den Menschen; denn, sobald er einen Menschen frißt, 98 stirbt er zur selbigen Zeit und Stunde, da das Fett des Menschen für diese Geschöpfe ein todbringendes Gift ist. Und wir gewinnen sein Leberfett allein vermittelst eines Menschen, da der Mensch, wenn er ins Meer fällt und ertrinkt, sein Aussehen verändert, und bisweilen auch sein Fleisch in Stücke reißt, so daß der Dendân ihn für ein Geschöpf des Meeres hält und ihn frißt, worauf er stirbt. Wir fallen dann über seinen Kadaver her und nehmen sein Leberfett, mit dem wir uns unsere Leiber einreiben, so daß wir im Meer umherwandeln können. Und wo sich nur ein Mensch im Meer befindet, und mögen dort auch ihrer hundert oder zweihundert oder tausend oder noch mehr von diesen Ungetümen sein, so stürben alle auf einmal im Nu, wenn sie auch nur einen einzigen Schrei von ihm vernähmen, –

Neunhundertundfünfundvierzigste Nacht.

und wären nicht imstande, sich von ihrem Platz zu rühren.« Da entgegnete Abdallāh der Landmann: »Ich vertraue auf Gott;« und, seine Kleider ausziehend, grub er ein Loch im Strand und vergrub sie darin. Nachdem er dann seinen Leib vom Scheitel bis zur Sohle mit jener Salbe eingerieben hatte, stieg er ins Wasser und tauchte unter, worauf er seine Augen öffnete; und siehe, das Wasser that ihm keinen Schaden. Dann wanderte er bald nach rechts und bald nach links, und stieg, wenn er wollte, empor und wieder hinab und sah, daß das Wasser ihn wie ein Zelt überspannte, ohne ihm Schaden zuzufügen. Und nun fragte ihn Abdallāh der Meermann: »Was siehst du, mein Bruder?« Er erwiderte: »Gutes, mein Bruder; deine Worte waren in der That wahr, denn das Wasser schadet mir nichts.« Da sagte Abdallāh der Meermann zu ihm: »Folge mir.« Und so folgte er ihm, und beide wanderten nun von Ort zu Ort, wobei Abdallāh der Landmann vor sich und zu seiner Rechten und Linken Berge von Wasser erblickte und sich an ihnen und an den verschiedenen Arten von Fischen, großen 99 und kleinen, die miteinander spielten, ergötzte. Die einen von ihnen glichen Büffeln, die andern Rindern, die dritten Hunden, und wieder andere sahen wie Menschen aus; alle Arten aber flohen vor ihnen, sobald sie sich ihnen näherten, und sobald sie Abdallāh den Landmann sahen, so daß er zum Meermann sagte: »Mein Bruder, weshalb sehe ich alle Arten, denen wir uns nähern, vor uns fliehen?« Der Meermann versetzte: »Sie thun dies aus Furcht vor dir, da sich alle Geschöpfe Gottes, des Erhabenen, vor dem Menschen fürchten.«

So ergötzte er sich unablässig an den Wundern des Meeres, bis sie zu einem hohen Berg gelangten, neben dem Abdallāh der Landmann entlang schritt. Ehe er sich's aber versah, vernahm er einen gewaltigen Schrei, und als er sich daraufhin umdrehte, sah er etwas Schwarzes von der Größe eines Kamels oder noch größer vom Gipfel des Berges auf sie niederstürzen und laut schreien. Da fragte er: »Was ist das, mein Bruder?« Der Meermann versetzte: »Das ist der Dendân; er kommt nach mir heruntergeschossen, um mich zu fressen; schrei ihn an, mein Bruder, ehe er zu uns kommt und mich aufschnappt und frißt.« Da schrie ihn Abdallāh der Landmann an, und siehe, da sank der Dendân tot hin, worauf Abdallāh rief: »Gott sei gelobt und gepriesen! Ich traf ihn weder mit einem Schwert noch einem Messer; wie kommt's, daß dieses so riesige Geschöpf nicht einmal meinen Schrei ertragen kann, sondern davon stirbt?« Abdallāh der Meermann versetzte: »Verwundere dich nicht; bei Gott, mein Bruder, wären auch tausend oder zweitausend dieser Ungetüme hier, sie könnten keines Menschen Schrei ertragen!« Hierauf gelangten sie zu einer Stadt, deren Bewohner alle aus Mädchen bestanden, ohne daß sich ein einziges männliches Wesen unter ihnen befunden hätte. Da fragte Abdallāh der Landmann: »Mein Bruder, was ist das für eine Stadt, und was sind das für Mädchen?« Der Meermann versetzte: »Das ist die Mädchenstadt, deren Bewohner 100 Meermädchen sind.« Nun fragte Abdallāh der Landmann: »Und giebt's keine Männer unter ihnen?« Der Meermann versetzte: »Nein.« Da fragte der andere: »Wie werden sie denn schwanger und gebären ohne Männer?« Der Meermann erwiderte: »Der König des Meeres hat sie nach dieser Stadt verbannt, und sie werden weder schwanger noch gebären sie. Jede der Töchter des Meeres, der er zürnt, schickt er nach dieser Stadt, aus der sie nicht herauskommen können; denn, sobald eine herauskäme, würde sie von den Seeungeheuern gesehen und gefressen. In andern Städten dagegen giebt's Männer und Mädchen.« Nun fragte Abdallāh der Landmann: »Giebt's denn außer dieser Stadt noch andere Städte im Meer?« – »Gewiß,« versetzte der andere, »viele.« Da fragte er: »Und habt ihr auch einen Sultan über euch im Meer?« – »Gewiß.« – Da rief Abdallāh der Landmann: »Ach mein Bruder, ich sah viel Wunderdinge im Meer.« Der Meermann versetzte jedoch: »Was hast du von Wunderdingen gesehen! Hast du nicht das Sprichwort gehört: Der Wunder des Meers sind mehr denn der Wunder des Landes?« Abdallāh der Landmann erwiderte: »Du hast recht.« Alsdann weidete er seine Augen an diesen Mädchen und gewahrte, daß sie Angesichter gleich Monden und Haare wie Frauenhaare hatten; jedoch saßen ihnen die Hände und Füße an den Bäuchen, und sie hatten Schwänze wie Fischschwänze.

Nachdem ihm der Meermann die Bewohner dieser Stadt gezeigt hatte, führte er ihn wieder hinaus und schritt ihm voran zu einer andern Stadt, die er voll von Weibern und Männern sah, die so wie die Meermädchen aussahen und ebenfalls Schwänze hatten; jedoch fand unter ihnen weder Kauf noch Verkauf statt wie unter dem Volk des Festlands, und alle waren unbekleidet und hatten die Scham unbedeckt, so daß Abdallāh sagte: »Mein Bruder, ich sehe, daß die Manns- und Frauenspersonen ihre Scham unverhüllt haben.« Der Meermann versetzte: »Das kommt daher, weil die Meerbewohner kein Zeug haben.« Nun fragte Abdallāh der 101 Landmann: »Mein Bruder, wie machen sie es denn, wenn sie sich heiraten?« Der Meermann erwiderte: »Sie heiraten sich nicht, sondern jeder, dem ein Weib gefällt, stillt sein Begehr an ihr.« Da sagte er: »Das ist verboten; warum bewirbt er sich denn nicht um sie und giebt ihr eine Brautgabe und richtet ein Hochzeitsfest für sie an und heiratet sie, so wie es Gott und seinem Gesandten wohlgefällig ist?« Der Meermann entgegnete: »Wir haben nicht alle ein und dieselbe Religion; die einen von uns sind Moslems und glauben an den einigen Gott, andere wiederum sind Nazarener oder Juden und dergleichen; diejenigen, die unter uns heiraten, sind vornehmlich Moslems.« Hierauf hob Abdallāh von neuem an: »Ihr seid nackend, und es herrscht bei euch weder Kauf noch Verkauf; was ist denn die Brautgabe für eure Frauen? Gebt ihr ihnen etwa Juwelen und Edelsteine?« Der Meermann entgegnete: »Die haben bei uns keinen Wert; wer heiraten will, der hat eine bestimmte Menge von Fischen verschiedener Art zu fangen, sei es tausend oder zweitausend und noch mehr oder auch weniger, je nach der Übereinkunft zwischen ihm und dem Vater seiner Braut. Wenn er dann das Verlangte bringt, versammeln sich die Angehörigen des Bräutigams und der Braut und halten Hochzeitsschmaus, worauf sie ihm seinem Weib zuführen. Alsdann fängt er Fische und giebt sie ihr zu essen oder, falls er es nicht vermag, thut sie es und bringt sie ihm.« – »Und wie steht's,« fragte Abdallāh, »wenn einer von beiden die Ehe bricht?« Der Meermann versetzte: »Wenn die Sache bei dem Weib erwiesen ist, so wird sie nach der Mädchenstadt verbannt; ward sie durch den Ehebruch schwanger, so lassen sie sie erst gebären und verbannen sie, wenn das Kind ein Mädchen ist, mit ihm, indem sie es eine Dirne und Tochter einer Dirne heißen; und es bleibt ein Mädchen bis zu seinem Tode. Ist das Kind jedoch ein Knabe, so bringen sie ihn vor den König, den Sultan des Meeres, der ihn tötet.« Abdallāh der Landmann verwunderte sich hierüber. 102 der Meermann aber führte ihn nun zu einer dritten und von dort zu einer vierten Stadt, und so zeigte er ihm eine Stadt nach der andern, bis er ihn zu achtzig Städten geführt hatte, deren Bewohner immer verschieden voneinander waren, so daß Abdallāh der Landmann endlich fragte: »Mein Bruder, giebt's noch Städte im Meer?« Der Meermann versetzte: »Was hast du denn von den Städten des Meeres und ihren Wundern geschaut? Bei dem Propheten, dem Edeln, dem Gütigen und Barmherzigen, wenn ich dir tausend Jahre lang an jedem Tage tausend Städte zeigte und dich tausend Wunderdinge in ihnen schauen ließe, so hätte ich dir nicht ein Karat von den vierundzwanzig Karaten der Städte im Meer und ihren Wundern gezeigt. Ich habe dir weiter nichts als unser Land und unsere Wohnungen gezeigt.« Da entgegnete Abdallāh der Landmann: »Mein Bruder, wenn dem so ist, so genügt mir, was ich gesehen habe; mich ekelt es noch weiter Fische zu essen; denn in den achtzig Tagen, die ich nunmehr in deiner Gesellschaft zugebracht habe, hast du mir morgens und abends nichts als frische Fische zu essen gegeben, weder gebraten noch gekocht.« Abdallāh der Meermann fragte ihn nun: »Was ist denn gekocht und gebraten?« Abdallāh der Landmann erwiderte: »Wir braten Fische über dem Feuer und kochen sie in Wasser und bereiten sie in verschiedener Weise und richten sie auf vielerlei Art an.« Der Meermann versetzte: »Und woher sollten wir Feuer bekommen? Wir kennen weder Gebratenes noch Gekochtes noch dergleichen.« Da entgegnete Abdallāh: »Und wir backen sie auch in Oliven- und Sesamöl;« worauf der Meermann wiederum versetzte: »Woher sollten wir hier im Meer Oliven- und Sesamöl haben? Wir kennen nichts von dem, was du da nennst.« Abdallāh erwiderte: »Du hast recht, jedoch, mein Bruder, hast du mir nun so viele Städte gezeigt, ohne daß du mich nach deiner Stadt geführt hättest.« Der Meermann entgegnete: »Wir haben unsere Stadt weit hinter uns gelassen, da sie nahe dem Land liegt, von dem wir kamen; 103 ich ließ sie nur deshalb liegen und führte dich hierher, um dir die andern Städte im Meer zu zeigen.« Abdallāh versetzte jedoch: »Was ich von ihnen gesehen habe, genügt mir, und ich möchte jetzt auch deine Stadt in Augenschein nehmen.« Da sagte der Meermann: »So sei's,« und kehrte mit ihm zu seiner Stadt zurück. Als er dort anlangte, sagte er zu ihm: »Das ist meine Stadt,« und Abdallāh sah, daß sie kleiner war als die andern Städte, die er sich besehen hatte. Er betrat nun mit Abdallāh dem Meermann die Stadt und durchwanderte sie, bis er zu einer Höhle gelangte, wo Abdallāh der Meermann zu ihm sagte: »Dies ist mein Haus, und alle Häuser der Stadt sind wie dieses, große und kleine Felsenhöhlen, wie auch alle Städte im Meer in dieser Art angelegt sind. Denn jeder, der sich ein Haus bauen will, geht zum König und spricht zu ihm: »Ich will mir ein Haus an dem und dem Platz bauen;« worauf der König eine Anzahl Fische mit ihm ausschickt, die Schnabelhäuer geheißen, die mit ihren Schnäbeln das härteste Felsgestein zerbröckeln, und ihnen ein bestimmtes Quantum von Fischen als Lohn festsetzt. Diese Fische schwimmen zu den Felsen, wo der Betreffende seine Wohnung haben will, und hauen ihm mit ihren Schnäbeln seine Behausung aus, während er ihnen Fische fängt und sie füttert, bis die Höhle fertig ist, und er sie bezieht, worauf die Fische wieder abziehen. In dieser Weise verfahren alle Bewohner des Meeres; sie treiben weder Handel noch Wandel miteinander noch dienen sie einander als allein vermittelst der Fische, und sie selber sind alle Fische.« Hierauf forderte er ihn auf einzutreten, und als er ihm Folge geleistet hatte, rief Abdallāh der Meermann: »Meine Tochter!« worauf seine Tochter erschien mit einem Antlitz rundlich wie die Mondscheibe, mit langem Haar, schwerem Gesäß, antimonschwarzen Augen und schlanker Taille; jedoch nackend und mit einem Schwanz versehen. Als sie Abdallāh den Landmann bei ihrem Vater gewahrte, fragte sie ihn: »Mein Vater, was ist das für ein Ohneschwanz, den du da 104 mitgebracht hast?« Er erwiderte ihr: »Meine Tochter, das ist mein Freund vom Land, von dem ich dir die Früchte vom Land brachte. Komm her und begrüß' ihn.« Da trat sie an ihn heran und bot ihm den Salâm mit beredter Zunge und gefälliger Rede, worauf ihr Vater zu ihr sagte: »Bring' Speise für unsern Gast, durch dessen Einkehr Segen auf uns herabgekommen ist.« Infolgedessen brachte sie ihm zwei große Fische, von denen jeder die Größe eines Lammes hatte, und der Meermann sprach zu ihm: »Iß.« Da aß er aus Hunger, sich Zwang anthuend, dieweil es ihn ekelte fortwährend Fische zu essen, wo sie nichts anderes als Fische hatten. Bald darauf erschien auch die Frau Abdallāhs des Meermannes, die hübsch von Aussehen war, begleitet von zwei Kindern, von denen jedes in der Hand einen jungen Fisch hielt, in den es biß wie ein Mensch in eine Gurke. Als sie Abdallāh den Landmann bei ihrem Mann gewahrte, fragte sie ihn ebenfalls: »Was ist das für ein Ohneschwanz?« Und sie und die beiden Knaben und ihre Tochter traten an ihn heran und, ihn von hinten betrachtend, riefen sie: »Ja, bei Gott, es ist ein Ohneschwanz,« und lachten über ihn. Da sagte Abdallāh der Landmann zu ihm: »Mein Bruder, hast du mich hierher geführt, mich zum Gespött für deine Kinder und dein Weib zu machen?«

Neunhundertundsechsundvierzigste Nacht.

Abdallāh der Meermann erwiderte: »Um Vergebung, mein Bruder! Schwanzlose sind jedoch bei uns nicht vorhanden, und, so einmal einer ohne einen Schwanz gefunden wird, nimmt ihn der Sultan, seinen Spaß an ihm zu haben. Jedoch, o mein Bruder, nimm es diesen kleinen Kindern und der Frau nicht übel, denn sie haben keinen Verstand.« Alsdann fuhr Abdallāh der Meermann seine Frau und die Kinder an und sprach zu ihnen: »Schweigt!« worauf sie erschrocken schwiegen, während er ihn zu besänftigen suchte. Während er aber noch mit ihm plauderte, erschienen mit 105 einem Male zehn Wesen, groß, stark und massig, und sprachen zu ihm: »Abdallāh, es ist dem König zu Ohren gekommen, daß bei dir ein Ohneschwanz von den Ohneschwänzen des Landes ist.« Er entgegnete: »So ist's; hier ist der Mann. Es ist mein Freund, der als Gast zu mir gekommen ist, und ich möchte ihn zum Land zurückbringen.« Die Meermänner versetzten jedoch: »Wir dürfen nicht anders als mir ihm zurückkehren; wenn du also etwas zu sagen hast, so komm und führ' ihn vor den König, und, was du uns sagen willst, das sprich zum König.« Da sprach Abdallāh der Meermann: »Mein Bruder, meine Entschuldigung liegt klar zu Tage, wir können uns dem König nicht widersetzen. Komm daher mit zum König, und ich will mich bemühen, dich von ihm, so Gott will, zu befreien. Fürchte nichts, denn, wenn er dich sieht, wird er wissen, daß du zu den Kindern des Landes gehörst; und so er weiß, daß du ein Wesen vom Lande bist, wird er dich zweifellos ehren und dich zum Land heimsenden.« Abdallāh der Landmann versetzte: »Dein ist der Beschluß; ich setze mein Vertrauen auf Gott und folge dir.« Hierauf nahm er ihn und begab sich mit ihm zum König, der bei seinem Anblick lachte und rief: »Willkommen, Ohneschwanz!« Und die ganze Umgebung des Königs lachte über ihn, und alle riefen: »Ja, bei Gott, er hat keinen Schwanz!« Alsdann trat Abdallāh der Meermann an den König heran und gab ihm Auskunft über ihn, indem er sprach: »Dies ist einer von den Kindern des Landes und mein Freund; doch vermag er nicht unter uns zu leben, da er Fische nur gebraten und gekocht ißt. Ich bitte dich daher mir zu erlauben, ihn zum Land zurückzubringen.« Der König versetzte: »Wenn die Sache so steht, und er nicht bei uns leben kann, so erlaube ich dir ihn an seinen Ort zurückzubringen, nachdem wir ihn bewirtet haben.« Alsdann sagte er: »Tragt das Gastmahl für ihn auf.« Da brachten sie ihm Fische von verschiedener Gestalt und Farbe, und er aß, gehorchend dem Befehl des Königs. Hierauf sprach der 106 König zu ihm: »Wünsche dir etwas von mir.« Und nun sagte Abdallāh der Landmann: »Ich wünsche mir von dir ein Geschenk von Juwelen.« Da befahl der König: »Führt ihn zum Juwelenhaus und lasset ihn auslesen, was er bedarf.« Infolgedessen führte ihn sein Freund zum Juwelenhaus, wo er sich, was er nur begehrte, aussuchte. Alsdann führte er ihn wieder zu seiner Stadt zurück und gab ihm eine Börse mit den Worten: »Nimm dieses Unterpfand und bring' es zum Grab des Propheten – Gott segne ihn und spende ihm Heil!« Da nahm er die Börse, ohne ihren Inhalt zu kennen, worauf ihn der Meermann aus der Stadt hinausführte, um ihn wieder ans Land zu bringen. Unterwegs vernahm er Gesang und Freudenjubel und sah eine Tafel mit Fischen besetzt, an der die Leute schmausten, sangen und in heller Festesfreude waren, weshalb er Abdallāh den Meermann fragte: »Warum sind diese Leute in so heller Freude? Feiern sie Hochzeit?« Der Meermann versetzte: »Sie feiern keine Hochzeit, vielmehr ist jemand von ihnen gestorben.« Da fragte Abdallāh der Landmann: »Freut ihr euch denn, wenn jemand unter euch gestorben ist, und singt und schmaust?« Der Meermann versetzte: »Gewiß; und ihr, ihr Leute vom Land, was thut denn ihr?« Der Landmann entgegnete: »Wenn bei uns jemand gestorben ist, so trauern wir über ihn und weinen, und die Weiber schlagen sich vors Gesicht und zerreißen sich den Busen aus Trauer über den Toten.« Da starrte Abdallāh der Meermann Abdallāh den Landmann mit weiten Augen an und sprach: »Gieb das Unterpfand her.« Als er es ihm zurückgegeben hatte, führte er ihn ans Land hinauf und sagte zu ihm: »Ich zerreiße unsere Freundschaft und Liebe; von dem heutigen Tage an werden wir uns nicht mehr sehen.« Da fragte Abdallāh: »Weshalb diese Worte?« Der Meermann erwiderte: »Seid ihr nicht, ihr Leute vom Land, Gottes Unterpfand?« Der Landmann versetzte: »Jawohl.« – »Nun,« so entgegnete der Meermann, »wie fällt es euch da nicht leicht, wenn Gott 107 sein Unterpfand zurücknimmt, daß ihr darüber weint? Und wie kann ich dir das Unterpfand des Propheten – Gott segne ihn und spende ihm Heil! – anvertrauen, wo ihr euch freut, wenn euch ein Kind geboren wird, wo Gott, der Erhabene, die Seele doch nur in dasselbe als Unterpfand gesetzt hat? Und wie kann es euch hart ankommen, wenn er sie wieder fortnimmt, daß ihr weint und trauert? Wir bedürfen nicht eurer Freundschaft.« Hierauf verließ er ihn und kehrte ins Meer zurück, während Abdallāh der Landmann nunmehr seine Sachen anzog und sich mit seinen Juwelen zum König aufmachte, der ihn in Sehnsucht empfing und, erfreut über sein Erscheinen, ihn fragte: »Wie geht's dir, mein Schwiegersohn, und weshalb bliebst du so lange von mir fort?« Da erzählte er ihm seine Geschichte und, was er alles von den Wundern des Meeres geschaut hatte, worüber der König sich verwunderte. Als er ihm dann auch die Worte Abdallāhs des Meermanns mitteilte, sagte der König zu ihm: »Du fehltest darin, daß du ihm dies mitteiltest.«

Noch geraume Zeit lang begab sich nach diesem Abdallāh der Landmann an den Meeresstrand und rief Abdallāh den Meermann, ohne daß er ihm geantwortet hätte oder zu ihm gekommen wäre, bis er schließlich die Hoffnung aufgab. Und er und sein Schwiegervater der König und ihre beiden Familien führten ein Leben in höchster Freude und rechtschaffenstem Thun, bis der Zerstörer der Freuden und der Trenner der Vereinigungen sie heimsuchte, und sie alle starben. Preis dem Lebendigen, der nicht stirbt, dem Herrn der sichtbaren und unsichtbaren Welt, der über alle Dinge Macht hat, und allgütig ist zu seinen Dienern und allweise! 108

 


 


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