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Der letzte Kampf.

Eiskalt ward es auf Erden. Baldur war tot, und Frühling und Sommer starben hastig ihm nach. Jäh brach der Winter herein, ein Winter, wie er nie erlebt wurde, seitdem die Welt erschaffen war. Die Bäume platzten auf in dem scharfen Frost, und ihr Saft rann die Stämme hinab, gefror und verstopfte die Poren. Die Pflanzen und Blumen traf's bis in den Wurzelstock, und die Kälte preßte ihnen die letzten Tränen aus und ließ sie vergehn wie zersplittertes Glas. Selbst die Steine schwitzten ihr weißes Blut, dehnten sich in klingenden Seufzern und zersprangen zu Staub.

Baldur war tot, und es war nicht Frühling und nicht Sommer mehr.

Frost lief durch die Welt, und er tötete die Äcker, die Wiesen, die Wälder. Im Starrkrampf lag das Leben.

Und als müsse ein Leichentuch her, Tod und Sterben zu decken, setzte ein Schneesturm ein, der unaufhörlich tobte, unaufhörlich seine weißen Massen auf die Erde schleuderte. So dicht brausten und wirbelten die Flocken, daß aller Raum zwischen Himmel und Erde ausgefüllt schien, daß die Sonne vom Himmel verschwand und der Tag von der Nacht verschlungen blieb in der immererwährenden Finsternis.

Drei Jahre lang dauerte der eine Winter, den kein Frühling milderte, kein Sommer durchbrach. Drei Jahre, die nicht enden wollten, gingen dahin in einem einzigen Winter.

Da türmte sich das Eis zu Gletschern und rückte vor, von den Eisriesen gepeitscht, die nach dem Licht verlangten. Da begann das Feuer in Muspelheim, das hinter Eisesmauern keinen Ausweg fand, zu kochen und zu zischen, und seine eingeschlossenen Dämpfe suchten sich zu entladen. Bis zu den Wolken sprang der Gischt des Meeres, das enger und enger zusammengetrieben wurde in seinem Becken. –

Von seinem Hochsitz aus sah es Allvater, und er sah mehr.

Er sah die Menschen dem heraufziehenden Schicksal unterliegen. Baldur war tot, und alle Gesittung starb ihm nach. Frost und Hunger und Finsternis machten aus Menschen gierige Tiere, die da raubten und mordeten und plünderten, nur um des eigenen Bauches willen. Alle Bande des Blutes, alle Bande der Gesetze brachen. Brüder erlegten Brüder, Ehen wurden gebrochen, Unzucht herrschte und Faustrecht. Ganze Stämme zogen aus und warfen sich blutgierig auf friedliche Nachbarstämme, um sie zu vertilgen. Schlachten wurden geschlagen aus roher Mordlust und nicht um Heldenehren willen. Ehre der Väter war eine Sage, und Macht ging vor Recht. Beilzeit war und Schwertzeit, Windzeit und Wolfzeit. Nicht einer schonte des anderen mehr, und jedermanns Hand war wider jedermanns Hand.

Von seinem Hochsitz aus sah es Allvater, und er sah mehr.

Er sah zwei Wölfe der Riesen am Himmel jagen, und der eine jagte die Sonne, der andere den Mond. So stark waren sie geworden, weil die Menschen ihre Toten unbeerdigt ließen und die Wölfe sich vom Leichenfleische mästeten. Schon kamen sie den Fliehenden nahe und packten sie in der Flanke, daß Sonnenfinsternis wurde und Mondfinsternis und die Menschen der Erde aufheulten in irrsinniger Wirrnis. Noch einmal rissen sich Sonne und Mond los von ihren Bedrängern und stürmten weiter durch die mit ihnen jagenden Wolken, daß ihre Lichter aufblitzten und verschwanden und ihre Schatten im Taumel über die Erde tanzten.

Beilzeit, Schwertzeit – Windzeit, Wolfzeit!

Dann warf sich Wodan wie in alten Tagen auf sein Sturmroß und jagte hinaus an der Spitze seines Geisterheeres mit Hussa, Horridoh und Peitschengeknall und säuberte die Lüfte vom tollsten Spuk, und die Menschen hielten ihn und seine wilde Jagd für der Spuke größten. Hinter ihm aber ballte es sich wieder zusammen und stürmte in Wut und Wirrnis, und Allvater saß auf dem Hochsitz und sah und wußte alles.

Und er sah, wie die Feuer in Muspelheim sich zur Siedehitze gesteigert hatten, und er erhob sich und sah, wie sie, zu aller Kraft zusammengefaßt, sich donnernd entluden und die lastenden Gletscherberge sprengten und in wildgewordener Freiheit ihre Flammen über die Erde und gen Himmel schlugen. In allen Fugen erkrachte die Welt, das feste Land hob und senkte sich wie tobende Meeresflut, Klüfte verschlangen die entwurzelten Wälder, Berge türmten sich über Berge und stürzten in die kochende See, und die See flutete über und ersäufte die Küsten, die Midgardschlange stieg geifernd empor, suchte das Land und wälzte sich vorwärts, und die Sterne fielen erloschen vom Himmel.

Und in die grausenden, brausenden Schrecknisse hinein, über sie hinweg und sie alle übertönend, schrie wie ein Adlerschrei lang und gellend ein Hornruf.

Heimdalls Horn!

Heimdalls Horn rief die Asen, rief die Einherier, rief alle Asgardmänner auf zum letzten Kampf.

Da eilten die Götter, Wodans letztes Gebot zu empfangen, und umstanden, tief atmend, den Vater der Schöpfung.

Und Allvater sprach:

»Götter sterben nicht. Götter und Helden erstehen neu, wenn sie sich würdig erwiesen. Würde ist nicht das bißchen Tugend des Tages. Würde ist, für sein Leben und Schaffen sterben können. Das allein macht unsterblich. Wohlauf denn, ihr Asen und ihr Helden alle, nun folgt mir nach in die Unsterblichkeit.«

Da waffneten sich Götter und Helden mit ihren besten Waffen, in unabsehbaren Scharen zogen die Einherier aus, und mit den Walküren ritten die Göttinnen, den Ger in der Faust. –

Der rote Hahn des Riesenreiches krähte in den Morgen und rief die Schläfer wach, wie der goldene Hahn krähte in Asgard und der nußbraune Hahn in der Hel.

Ganz Riesenheim tobte in hellem Aufruhr. In Scharen krochen Schwarzalben und Trolle aus Klüften und Schluchten und spornten kreischend die Riesen an.

Die jauchzten auf, als der Wirbel der Flut, aus der die Midgardschlange sich wälzte, das Schiff Naglfar flottmachte, das Nagelschiff, das aus den unbeschnittenen Nägeln der Toten erbaut wurde. Nie wäre es fertig geworden, hätte Baldur gelebt. Denn die Gewissenspflicht gebot den Menschen, ihren Toten vor der letzten Ausfahrt die Nägel zu beschneiden, damit die finsteren Mächte sie ihnen nicht nehmen konnten zum Bau von Naglfar. Wer aber von den Menschen fragte noch nach der Pflege der Toten? Beilzeit war und Wolfzeit.

Der Reifriesenfürst Hrymir bemannte das Schiff und steuerte die Tausende gegen Asgard. –

Aufs neue stöhnt von der Entladung der Flammen, die Eis und Stein durchbrechen, die Welt in allen Fugen. Ein Sterbeschauer durchbebt die Weltesche Yggdrasil, und die Brunnen an ihren Wurzeln schäumen über.

Zum letzten Mal beugt sich Wodan über den Brunnen Mimirs und raunt mit dem Haupte des Urweisen. Dann schreitet er einsam nach Asgard zurück, bindet den Goldhelm unter dem Kinn und greift nach dem Speere Gungnir. Er kennt sein Schicksal. Sein Einauge blickt groß und königlich. –

Ein neuer Donnerschlag erschüttert das Weltall. Die Flammen haben die Gewalt. Schlag folgt auf Schlag, ein tosendes Erdbeben dem anderen, daß kein Felsen auf dem andern bleibt. Ein Jubelgeheul macht die Lüfte erdröhnen. Loki ist losgekommen! Die Felswand ist geborsten, die seine Fesseln hielt, die Fesseln sind zerplatzt! Hinstürmt er zur Hel, seiner grausigen Tochter, und ruft die Mörder und Schufte, die Meineidigen und die Hochverräter der Helleute auf zum Kampf gegen die Götter. Entvölkert ist Hel, denn die guten Geister sind geflüchtet im blutigen Wirrsal der Geschehnisse. Aber mit wüstem Totenvolk überladen, steuert Loki das Schiff der Hel gegen Asgard.

Und Fenris ist los, der wahnsinnige Wolf, wie Loki, sein Vater, loskam. Blutigen Schaum an den Lefzen, jedes Haar gesträubt, kommt er gerannt, und Loki schreit ihm zu und nimmt ihn an Bord des Höllenschiffes.

Blitzend aber reitet der schwarze Surtur heran, der Fürst der zerstörenden Feuergewalten. Auf tausenden von Flammenrossen folgen ihm die Seinen. Über die Brücke Bilfrost reiten sie gegen Asgard, und die Himmelsbrücke birst unter den Hufen ihrer Pferde.

In Rauch und Flammen gehüllt, kreist die entsetzte Erde, und die Zwerge hasten an den verschütteten Höhlen auf und nieder und suchen wimmernd den Eingang.

Zum zweiten Male stößt Heimdall ins Horn, gellend und gebietend wie Adlerruf. Da ordnen sich die Scharen der Asen und Einherier.

Und zum dritten und letzten Male stößt Heimdall ins Horn. »Vorwärts, ihr Asengötter, vorwärts, ihr Einherierhelden, in die Unsterblichkeit!«

Aufsprangen die fünfhundertundvierzig Türen Walhalls. Und die Wodansmänner zogen aus zu Fuß, zu Roß und zu Wagen, und Walvater Wodan führte sie.

Auf dem Sturmroß Sleipnir ritt er in schimmernder Brünne, den Goldhelm auf dem Haupt, den Todesspeer in der Hand. An seiner Seite schritt wuchtenden Ganges der Donnerer, den Hammer Mjolnir in der Faust. Unbeirrt ihnen nach alle die anderen, die Todesmutigen. –

Auf der Ebene Wigrid, dem Kampfreitplatz vor Walhall, treffen sie auf den Feind, der wie nimmer sich erschöpfende Wasserfluten anschwillt und vorwärtsdrängt. Hoch hebt sich Wodan in den Steigbügel. Sein Einauge funkelt und blitzt. Und zischend fährt sein Todesspeer als erster Kampfgruß über die Köpfe der Drängenden.

Schon sind die Massen im Kampf. Surturs Feuerreiter verbrennen Wiesen und Weiden. Aber die Einherier fürchten nicht Flammen noch Rauch. Nicht umsonst ist Sigurd durch die wabernde Lohe zu Brynhild, der Walküre geritten, nicht umsonst kämpften die Helden alle in brennenden Hallen. Mit dem Blute der Erschlagenen dämpfen sie die Glut des Kampfplatzes und werfen die Brandreiter zurück.

Mit den Riesen vermengen sich die Leute der Hel und wüten wie Tiere. Felsen schleudern die Riesen, die zermalmend niederschmettern, und die Helleute geben den Verwundeten den Rest mit dem feigen Dolch. Der Donnerer sieht es. Schon ist er mitten unter ihnen. Von den Riesen kennt er die meisten. Nun lernen sie seinen Hammer kennen. Der krachte in die Schädeldecken und fuhr im Schwung in des Gottes Faust zurück, um sie im Schwunge wieder zu verlassen und Schädel zu zertrümmern, Schädel, nichts als Schädel.

Wo die Gefahr am größten war, dorthin spornte Wodan sein Roß. Mit dem Schwerte schlug er die Gefährten aus den blutigen Knäueln heraus, sammelte die Aufatmenden um sich und führte sie aufs neue ins Handgemenge. Mit der Peitsche holte er die Schwarzalben und tückischen Trolle aus der Luft, daß sie wimmernd verschieden. Wo Wodan ritt, häuften sich Leichen.

Und plötzlich erschauert die Welt, wie sie nie erschauert war.

Der Fenriswolf rennt. Alle Grenzen hat seine losgelöste Wut überschritten. Mit aufgerissenem Rachen rennt er, daß sein Unterkiefer über die Erde fegt und sein Oberkiefer die Wolken durchstößt. Alles schlingt er herunter, was zwischen Himmel und Erde ist.

Da packt selbst die Tapfersten lähmendes Grauen, und die Schar der Asen, die Haufen der Einherier weichen zurück. Wodan sieht es. Er weiß, das Werk der Götter ist noch nicht vollbracht. Kein neuer Himmel kann sein, wenn die alten Unholde bleiben.

Ein Opfer muß her!

Wer bringt das Opfer, das ein Leben verlangt?

Der Führer bringt es, wer sonst?

Dem rasenden Wolfe entgegen wirft sich Wodan, der Eine allein. Er schwingt sich vom Roß, und der wütende Wolf schlingt den ledigen Hengst. Wodan greift an. Er hemmt des Untieres Lauf und bringt es aus der Bahn. Asen und Einherier sammeln sich. Sie kommen zu sich und sehen: es gibt keine Gefahr, die ein Mutiger nicht angehen kann. Das aber hat Walvater gewollt. Dafür ist die Preisgabe des besten Lebens nicht zu groß. Im Kampf mit dem Fenriswolf endet das seine. Wodans Königsseele weicht ins All. –

Widar gewahrt es, der »Gott mit dem Schuh«, der Wodanssohn. Nun kommt ihm der Schuh, der das Leder aller Länder als Opfergaben trägt, wohl zu statten. Er tritt dem Wolf in den Rachen und stemmt ihm mit dem zentnerschweren, undurchdringlichen Schuh den geifernden Unterkiefer auf dem Erdboden fest. Mit der Linken packt er den Oberkiefer. Die Rechte, die Schwerthand, hält die zweischneidige Klinge. Weit aus holt Widar und stößt dem Untier das Schwert bis an den Knauf durch den Rachen ins Herz. Blutrache! Blutrache für Allvater Wodan.

Da ward das Werk vollendet. Da brachen die Asen und Einherier wie Wetter in den Feind, das Vorbild zu erreichen, im Sterben würdig zu sein ihres Lebens, das ist: würdig der Unsterblichkeit.

Giftschnaubend wälzte sich die Midgardschlange heran. Ihr Pesthauch allein tötete. Aber schon stand der Donnerer vor ihr, der sie schon einmal an der Angel fing, als er Hymirs Kessel holte. Aufbäumte sich die Riesenschlange gegen den alten Todfeind. Diesmal entging sie ihrem Schicksal nicht. Der Hammer Mjolnir stand funkelnd über ihrem Haupt, und der Zermalmer durchschlug ihr den Schädel. In einer Wolke von giftigem Odem verging die Midgardschlange. Neun Schritte tat der Donnerer in der Giftwolke zurück. Dann verging ihm der Atem. Er, der den Menschen mit Blitz und Donner die Lüfte gereinigt hatte, konnte nicht leben im Dunst des Wurms. Die Freiheitsaugen brachen ihm. So folgte er Wodan. –

Und Freyer, der Sonnengott, folgte, vom Schwerte Surturs, des unheilig lodernden Feuers, getroffen. Und Ziu, der furchtlose Schwertgott, den die Nordmänner Tyr anriefen und dem die Jünglinge ihre Schwertertänze weihten, er, der dem Fenriswolf einstens die Rechte in den Nachen gelegt hatte, traf auf den leichenzerreißenden Hund der Hel, und während ihn der Hund zu Tode biß, erwürgte er ihn. Heimdall aber, der treue Wächter, stieß auf Loki, den Verräter, den er schon einmal im Kampf um Freyas Halsgeschmeide Brisingamen bestanden hatte, und so wild gingen sie aufeinander an und so wenig wollten sie voneinander lassen, daß sie beide von Wunden überdeckt zu Tode sanken. –

In dem Glutmeer, das Surtur entfachte, ist nicht mehr zu leben. Und dennoch geht das Würgen weiter, weiter bis auf den letzten Mann. Die Walküren sind gefallen, die gerbewaffneten Göttinnen mit ihnen. Die Einherier, die Germanenhelden, haben sich den Göttern gleich erwiesen und die Riesen und Unholde trotz ihrer Übermacht zu eklem Brei gestampft. Fast mit den letzten Feinden fallen ihre Letzten. Die riesischen Wölfe haben Sonne und Mond erreicht und sie verschlungen. Aber die Sonne gebar in ihrer Not ein Kind, und es spielt abseits auf einer Himmelswiese.

Durch die Welt lodert das Feuer, und das Eis der Gletscher schmilzt und wirft sich in Wasserströmen über glühende Erde, bis endlich, endlich die Glut erlischt.

Nacht bricht herein. In Nacht versinkt die sterbende Welt. –

* * *

Und ein Tag bricht an, ein treuer Tag.

Das spielende Sonnenkind hebt sich am Himmelsrand und lacht in Unschuld auf die Erde nieder. Es lockt und schmeichelt und tut schön mit seinen hellen Augen und seinen warmen Händen, bis es unter dem Schutt sich regt, den Feuer, Wasser und Erde hinterlassen haben, und ein paar schüchterne Gräser hervorkeimen. Ah, wie ist die Luft so klar und rein, das Leben so köstlich und lebenswert. Bald ist der Boden von Blumen übersäet, die Sträucher schlagen aus, die Bäume treiben Knospen. Und aus einem hohlen Baumstamm, der sich über und über mit Laub bedeckt, tritt ein Menschenpaar, das sich vor Feuersbrunst und Wasserflut in die rettende Höhlung geflüchtet, tastet sich furchtsam vor und steht überrascht in der neuen Sonne, dem neuen Lenz der Erde, dem neuen Menschenfrühling.

Und das überglückliche Menschenpaar hebt seine Augen und sucht seine Götter. –

Über Asgards verwüstete Fluren schreitet ein Wanderer. Schlank ist er und ewigjung, und goldrote Locken wehen ihm um die Schläfen. Er kommt aus der Hel gewandert, die verlassen liegt. Und wo er geht, ist Licht und Wärme, Werden und Schöpfermut.

Baldur ist heim gekehrt. Nun muß alles Leben auferstehen.

An der Hand führt er Hödur, den blinden, der ihn einst mit der Mistel niederwarf. Wie Brüder wandern sie Hand in Hand, und wenn der eine im Schlaf neue Kräfte sammelt, wacht der andere. Bald Baldur, bald Hödur. Tag und Nacht haben sich gefunden und sich verbunden zum Wohle der Welt und ihrer Kräftigung. Tag und Nacht, Sommer und Winter.

Unter Baldurs Schritten wachen die Fluren Asgards auf. Es grünt und blüht auf allen Gefilden, und kein Platz ist mehr für üble Gelüste und unwürdig Tun. Die Luft ist geläutert. Frühling –!

Es ist das alte Asgard nicht mehr, ein neues blüht aus den Kampfestrümmern und will neues Glück. Idafeld nennt Baldur das alte Asgardland, das »Feld der Auferstehung«.

Und wie er hinausblickt über alle Wege, sieht er zwei Wanderer schreiten von rechts und zwei Wanderer von links. Und die Wanderer von rechts erreichen ihn, und es sind die Wodanssöhne Widar und Wali. Widar, der den Vater rächte, und Wali, der Blutrache nahm für den Bruder Baldur. Darum gehen sie in den neuen Himmel der Germanen ein. Und die Wanderer von links treten hinzu, und es sind die Donarsöhne Modi und Magni, die den Hammer des Donnerers bringen, mit ihm des Vaters Kraft und den Zorn seiner Gerechtigkeit.

Nach links und nach rechts streckt Baldur seine Hände, Glückslachen auf den Lippen.

»Wodan und Donar, ihr konntet nicht sterben, ihr lebt fort im Germanenvolk in verjüngter Gestalt, ewig und ewig, solange der Donner kracht zur Sommerzeit, solange der Herbststurm braust und ein Menschenaug in Wolken die wilde Jagd erblickt. Willkommen ihr alle zu neuen Schöpfungswerken! Den Frieden wollen wir im Himmel und auf Erden. Den Frieden der Freien. Keinen anderen Frieden für und für. Deß sei uns des starken und gerechten Donars Hammer ein Zeichen.«

Sie legen die Hände ineinander zum Schwur und schaffen einen neuen Hochsitz.

»Für den großen Gott, der uns führen wird.«

Und sie sprechen Allvaters Worte nach:

»Götter sterben nicht. Götter und Helden erstehen neu, wenn sie sich würdig erwiesen. Würde ist nicht das bißchen Tugend des Tages. Würde ist, für sein Leben und Schaffen sterben können. Das allein macht unsterblich.«

* * *

Zu allen Zeiten lebte das Germanenvolk wie seine Götter. Der Götter Tugenden waren die seinen und der Götter Fehler, der Götter Kraft und der Götter Kriege, der Götter Niedergang und der Götter Auferstehung. Du aber, mächtigster Germanenstamm, deutsches Volk, von der Maas bis an die Memel, von der Etsch bis an den Belt, erkenn aus der Urväter Tagen, daß deine Götter und Helden niemals dem Schicksal schwächlich in die Augen sahen, daß sie es kühn erwarteten und sich bis aufs letzte Blut mit ihm schlugen, wie Männer tun im deutschen Zeichen des Hammers. Vom Blute Wodans lebt es in dir, vom Blute Donars, vom Blute Baldurs, und – so der große Gott, »der uns führen wird«, uns liebt, weil wir Männer sind und keine Knechte – immerdar vom Blute

Hermanns, des Cheruskers.

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