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»Allein er hatte bei dem Vorsatz nicht an sich gedacht, nicht an die Ungeberdigkeit seiner einmal wachgewordenen Leidenschaft, die ihn jetzt mit ihrer ganzen Gewalt für die spät gefundene Tochter durchlohte Er müsse sie sehr lieben, meinte er, um seinem Schaden nachzukommen. Wie viel Jahre habe er denn noch vor sich, und wie viele habe er verloren, als »ein alter Esel,« – da heiße es rasch lieben. – Und so jagten mir noch zweimal hin, einmal im November, dann zur Weihnacht, beidemale beinah wider die Pflicht, die ihm seine Stellung und die bereits tagende Zeit auferlegte. Allein daran kehrte er sich nicht; wo seine Leidenschaft in's Spiel kam, gingen alle Rücksichten zum Teufel. – Zur Weihnacht war auch Eugen mit uns dort. Wir wollten vier Tage bleiben, aber wir blieben nur drei: denn man erwartete am vierten Besuche aus der Nachbarschaft, und als der Oberst das erst spät erfahren, bedauerte er mit der unbefangensten Miene von der Welt, nicht dabei sein zu können. Das Gerücht, das uns hier zufällig zukam, daß die Russen bereits die preußische Grenze überschritten, zwang ihn zum Aufbruch, wie er behauptete. Als wir jedoch im Wagen saßen – Eugen blieb noch zurück – sagte er zu mir: »ich will den Teufel mich mit all den Narren herumquälen. Kenne sie von Alters her zur Genüge. Und Gesellschaften kann ich bei mir auch haben und lustigere, zum Donner!« Wir kamen nicht wieder hin; die damals beginnende Zeit erlaubte es nicht mehr, und selbst der Oberst mußte sich fügen, so schwer es uns auch ward.
»Uns,« wiederholte der Erzähler. Er fuhr sich mit der Hand über die Stirne. »Weßhalb sollte ich es verschweigen? Es ist ja so lange her und das Beste, was ich im Leben gethan und erlebt: ich hatte zu tief in Stephaniens Augen gesehen, in diese wunderbaren Augen, in denen neben der umschlingenden Allgewalt und Unwiderstehlichkeit der Blicke des Vaters noch der volle Zauber einer so holdseligen Weiblichkeit, eines so unbeschreiblichen, süßen und sanften Liebreizes lag, wie ich es nie wieder gesehen. Und so liebte ich sie denn, obgleich ich natürlich ihr das nicht gesagt. Dazu hatte ich weder Muth noch Gelegenheit gehabt. Weßhalb eigentlich keinen Muth, weiß ich nicht. Sie hatte nichts gethan, mich ein Nein fürchten zu lassen, obschon sie natürlicherweise mich auch nicht mit einem Wort, nicht mit einem Blick besonders ermuthigt hatte. Unser Stand war derselbe, ihr Vermögen, wenn sie nicht von der Tante erbte, ziemlich mäßig, da der Vater obendrein schlecht mit seinen Gütern gewirthschaftet, die durch die Kriegslasten so schon beinah ruinirt wurden. Dafür hatte ich aber jedenfalls meine Carriere, die, wenn nicht alles trog, gut werden mußte. Es sprach nichts zu meinen Ungunsten – und doch, ich fühlte mich alles, nur nicht hoffnungsvoll, wie es sonst doch sogar der Schüchternste und Aussichtsloseste zuweilen ist.
»Am Sylvestertage 1812 kam Eugen zurück und kehrte bei uns ein, um das Neujahr mit uns zu verleben. Wenn er indessen in der Laune verharrte, die er bei seiner Ankunft und dem bald folgenden Mahl zeigte, so hätte er ebensogut und besser davon bleiben können, denn so konnte er nur auch uns verstimmen. Der Alte war fidel und munter wie ein Wiesel, in seinem liebenswürdigsten Laune, ließ uns seine heut angelangte Beförderung zum General »begießen«, und merkte nichts, zumal der Sohn sich gegen ihn auch zusammennahm. Jedoch wir andern kannten ihn gar nicht so und sahen bald ihn, bald einander verwundert an. Da ich indessen seinen Geschmack kannte und nicht wenig neugierig war, machte ich mich von einer Partie mit den Kameraden los und ging nach Tisch, sobald ich irgend mich entfernen durfte, auf mein Zimmer. Er pflegte dann gern eine ruhige Stunde bei mir zuzubringen, seinen Kaffee zu trinken, mit mir zu plaudern; und er kam auch diesmal.
»Er setzte sich still in das Sopha und still blieb er dort sitzen, ohne auf meine fragenden Blicke zu achten, ohne auf einige gleichgültig hingeworfene Worte etwas zu entgegnen. Endlich, wie ich bereits zu einer directen Frage entschlossen war, erhob er seine Augen und mich ganz scharf fixirend, sagte er: »du bist verschlossen gegen mich; hast du mir nichts zu sagen?« – »Ich dir?« rief ich überrascht und hielt in meiner Zimmerpromenade an, »ich dir? In der That, Eugen! – Was meinst du?« – »Du liebst meine Schwester, Robert?« sprach er halb fragend, und seine Augen fixirten mich noch immer. Ich war so bestürzt, daß ich nicht zu antworten vermochte; denn es ist doch stark, wenn man plötzlich etwas ausgesprochen hört, das man bisher beinah vor sich selbst geheim hielt. Erst als er ernst fragte: »nun?« – faßte ich mich und versetzte: »das ist seltsam. Woher schließest du das?« – »Sei nicht thöricht,« redete er. »Sei der brave, ehrliche Junge, der du stets warst. Von mir hast du doch keinen Einspruch zu befürchten, und – offen gestanden – das Ding könnte eine mißliche Wendung nehmen, wenn es nicht ernsthaft und vorsichtig behandelt wird.« – »Aber um Gotteswillen,« gab ich immer bestürzter zur Antwort, »was bedeutet dies alles? Und wenn es so wäre, woher weißt du es?« – »Das geht dich nichts an,« entgegnete er. »Genug, daß ich es weiß und mit dir darüber reden will, weil mir um dein und Stephaniens Glück zu thun ist.«
»Eugen,« sagte ich nach einem Augenblick des Nachdenkens, »spiele kein unfreundlich Spiel mit mir. Ja, ich liebe deine Schwester. Aber es kann das kein Mensch auf der Welt wissen, denn ich habe es niemand gesagt. Und so muß mir darum zu thun sein, deine Quelle zu erfahren. Ich muß das wissen und du mußt das einsehen.« – »Ei nun, mein Herr Muß,« erwiderte er mit einem leisen Lächeln, »und wenn ich es nun von Stephanien selbst wüßte?« – »Von Stephanien? – Unmöglich!« rief ich ungläubig. – »Und doch ist es so, Herr Zweifler,« sprach er jetzt mit wirklichem Lachen. Allein gleich darauf war sein Gesicht wieder ernst und ernst fuhr er auch fort: »ich will offen sein; ich weiß es nicht von ihr selbst, aber von – Karoline Sandowski,« setzte er zögernd hinzu, »gegen die sie es ausgesprochen, mit der sie davon geredet hat.« – »Und sie selbst – Stephanie?« rief ich athemlos vor Aufregung, »wie denkt sie darüber? Wenn sie es gemerkt – wie hat sie's aufgenommen? War es möglich, daß sie –«. – »Sei ruhig,« unterbrach er mich. »Von ihrer Seite, weiß ich, hast du nichts zu befürchten.« – Ich weiß nicht, was ich sagte oder that, aber allzu gesetzt und leise wird es nicht gewesen sein. Dann bestürmte ich ihn mit einer Unmasse von Fragen und Ausrufungen, erfuhr jedoch wenig mehr als das Bisherige, und endlich, da ich wieder gefaßter worden und zu denken vermochte, kam mir denn auch das wieder in den Kopf, was bei der Sache mir noch nicht klar war, und ich sagte: »höre, Eugen, nun sei auch du ehrlich; wie stehst du so genau mit Karoline Sandowski, daß sie dergleichen gegen dich ausspricht?«
»Das war's, was ich fürchtete,« versetzte er, nickte leise mit dem Kopf vor sich hin und schwieg dann, bis er nach einigen Minuten aufstand und ein paarmal durch's Zimmer ging. Zuletzt blieb er vor mir stehen, legte mir die Hände auf die Schultern und sprach langsam: »es ist die Stunde der Confessionen. Ich habe Karoline längst lieb gehabt; im Herbst ist es zwischen uns zur Sprache gekommen und wir sind einig.« – »Nun denn, in Gottesnamen, was ist's denn?« rief ich froh. »Ich dachte wunder, was du Schweres hättest, und da ist ja alles Licht! Dein Vater wird glücklich sein, er fesselt dich ja dadurch an das Friedensleben und die Familie –«. – »Still!« unterbrach er mich finster und kurz. »Man mag mich in dem Hause nicht, man hat was gegen mich – was, ahne ich nicht. Hierin sind die Eltern eines Sinnes, obgleich sie sonst, wie du wohl gehört hast, grade nicht sehr einträchtig leben, sondern jeder seine eigenen Wege gehen. Der Graf ist beinahe unartig gegen mich; die Mutter wechselt in jüngster Zeit nie mehr als die nothwendigsten Worte mit mir und sucht eifrig von mir loszukommen. Das ist etwa, seit Karoline einmal leise auf mich hingedeutet; die Mutter ist dabei so bewegt worden, daß sie einer Ohnmacht nahe gewesen, und hat dann der Tochter in der höchsten Aufregung gesagt, sie möge nie an mich denken, jeder andere als der gleichgültigste Bekanntschaftsverkehr sei zwischen uns unmöglich und werde nie von den Eltern zugegeben werden. Seitdem kann ich ihr auch nur auf das Flüchtigste und Versteckteste nahen. Ich habe sie indessen im Herbst und jetzt ein paarmal heimlich im Park gesprochen.«
Er ging auf und ab. »Das verstehe ich nicht,« sagte ich kopfschüttelnd. – »Ich auch nicht,« meinte er und blieb wieder vor mir stehen. »Und noch mehr,« fuhr er fort. »Als ich neulich zufällig ein Wort über Karoline fallen ließ, das wärmer als gewöhnlich sein mochte – der Teufel vermag sich stets zu beherrschen! – da schien die Tante ordentlich zu erschrecken, so sehr sie sich auch zusammennahm, und bemerkte dann: »Will's Gott, hast du dort keine Absichten, Eugen. Sie würden nie zu realisiren sein, glaube ich.« – »Ich habe keine,« erwiderte ich. »Aber warum wäre da nichts für mich zu hoffen, Tante?« – »Die Eltern sind gänzlich gegen dich: sie haben über Karoline schon seit ihrer frühesten Jugend bestimmt für den jungen H., und davon gehen sie niemals ab. Auch Karoline scheint damit sehr wohl zufrieden. Also, Eugen – denkst du auch gewiß nicht daran?« – »Gewiß nicht, Tante, allein ich begreife Ihren Eifer gar nicht.« – »Ich eifrig?« lachte sie gezwungen. »Aber mein Gott, liebes Kind, du würdest mich innig dauern, denn du hättest nur Leid von solchen Gefühlen. Das ist's.« – Von dem Plan mit H. weiß ich zwar, aber ich weiß auch längst, daß Karoline ihn nichts weniger als angenehm findet, und er selbst gleichfalls andere Wege geht. – Und nun, Robert,« schloß er, »ist das nicht zum Närrischwerden, zum Verzweifeln?« – »In der That höchst seltsam und unbegreiflich, wenn du richtig gesehen hast,« bemerkte ich.
»Am Abend vor dem Gespräch mit der Tante hatte ich Karolinen gesehen und von deiner und Stephaniens Liebe erfahren,« erzählte er mir weiter. »Ich nahm davon Veranlassung, die Tante über meine Schwester auszuhorchen. Sie hat richtig schon ihren Plan und will hoch mit dem Kinde hinaus; in Prag, wohin sie demnächst auf zwei Monate gehen, soll das gemacht werden. Verzage nicht,« fuhr er herzlich fort und drückte meine Hand, da er mich halb bestürzt, halb traurig sah, »das Kind ist dir gut, ich bin für dich, wie du weißt. Der Vater wird auch nichts dagegen haben, du stehst ja wunderbar fest bei ihm. Es gilt nur, Stephanien ein offenes Wort von dir zu sagen, an dem sie sich halten kann, – und bei dem Alten die richtige Stelle zu, treffen, und beides, wenn du damit einverstanden bist, will ich auf mich nehmen.« – Er ging wieder auf und ab, als ränge er mit einem Entschluß, und als er dann vor mir stehen blieb, sprach er: »Aber Dienst um Dienst, Robert: du übernimmst dafür meine Angelegenheit zu führen. Versteh' mich recht – du sollst es dem Vater beibringen und mußt dazu eine günstige Stunde ergreifen, die du wohl finden wirst. Er liebt ja neuerdings die Oesterreicher nicht und wird also Einwendungen und abschlägige Flüche haben. Allein du kannst ihm sagen,« setzte er mit bitterem Lächeln hinzu, »ich opfere ihm dafür meinen Wunsch, Soldat zu werden. Wenn der Vater ja oder nur nicht nein sagt, dann habe ich das Mädchen. Die ganze übrige Welt kümmert mich so viel.« –
»Ich sagte ihm natürlich alles zu, was er wünschte, und darauf kamen wir in ein nicht ruhigeres, aber für uns beglückenderes Gespräch über die beiden Mädchen, die wir liebten, über alle Verhältnisse. Das gehört nicht hieher. Nur Eins muß ich anführen. Da wir noch immer über die Abneigung grübelten, welche die Sandowski's gegen Eugen zur Schau trugen, und alle möglichen Gründe durchriethen, sagte er wieder finster: »Ich habe Gott weiß was alles zusammengedacht, allein und mit Karolinen. Und Eins hab' ich gedacht – ganz flüchtig – es zog wie ein Schatten gespensterhaft durch meine Seele, aber schon da war es zum Wahnsinnigwerden! Wenn – mein Vater jemals in dem Hause bekannt gewesen – wenn er meiner Mutter jemals untreu geworden – oh Satan!« unterbrach er sich selbst und sprang vom Sopha und schlug sich die Hände vor's Gesicht, »es ist um sich die Kugel vor den Kopf zu schießen, wenn man bloß daran denkt!«
»Ich mag auch blaß geworden sein; es war ja ein Gedanke, der die Seele lähmen konnte. Doch faßte ich mich und meinte: »Du bist nicht gescheut, Eugen. Wer wollte sich solche romantische Narrheiten in den Kopf setzen und sich damit todt quälen.« – »Gott sei Dank, nein, ich bin nicht gescheut,« entgegnete er wieder mit seinem ruhigen, klaren Blick. »Denn Sandowski's wohnen erst seit etwa fünfzehn Jahren hier, wo der Alte also nie mehr dorthin kam: früher lebten sie drüben in Niederösterreich, glaub' ich, auf andern Besitzungen, oder war der Graf damals noch Soldat? Und übrigens kennt der Vater sie gar nicht! es ward neulich bei der Tante ja auch von ihnen geredet, und da – das sah ich – blieb er ganz gleichgültig.« – »Wie bist du denn nur auf so wahnsinnige Gedanken gerathen?« fragte ich. – »Wodurch?« versetzte er. »Durch die thörichte Weise der Tante und – was denkt und grübelt der Mensch nicht, wenn er einmal in's Grübeln kommt und nicht glücklich ist!«
»Nun, meine Herren,« fuhr Rohr nach einer Pause fort, die keiner von uns zu unterbrechen gewagt, – denn es gibt Dinge, Gedanken, Gefühle, die, wie wenig sie uns persönlich betreffen, doch den Menschen in uns stets von neuem auf das gewaltigste berühren – »nun, meine Herren, Eugen reiste am zweiten Januar wieder ab, ohne mit dem General meinetwegen gesprochen zu haben. Wir hatten abgemacht, daß ich zuerst von ihm reden sollte, sobald sich eine Gelegenheit dazu ergebe. Die verzögerte sich jedoch. Die ersten beiden Tage war der alte wilde Herr wie gewöhnlich bei Eugens Abreise in der übelsten, unbehaglichsten Laune, und in der Nacht vom dritten auf den vierten Januar kam das erste Gerücht von Yorks Konvention bei Tauroggen zu uns. Wie das damals wirkte, können Sie sich denken. Sogar den General habe ich damals in seiner Freude nicht fluchen, sondern einmal sagen hören: »Na, dem Herrgott sei getrommelt und gepfiffen! Nun kann's werden; sie müssen jetzt aus ihrem Bau heraus!« Für den Augenblick schwieg jedes persönliche Interesse. Keiner dachte an sich selbst.
Als die Gerüchte immer gedrängter kamen und zuletzt zur festen Thatsache wurden, ward der General heiterer von Tag zu Tag, in den geringsten Geschäften zeigte sich ein gewisser geistiger Schwung, eine höhere Auffassung, eine leichtere Behandlung, es machte sich alles wie von selbst. Und daneben galt es, jetzt erst recht vorsichtig zu sein, nichts zu übereilen. Er kam dem allem auf das beste nach: aber nur im vertrautesten Kreise sprach er sich offen aus, seine Ansichten, seine Hoffnungen, seine Befürchtungen. Im größeren Kreise, gegen die Behörden stand er plötzlich in einer eigenthümlich stolzen und festen und doch freundlich höflichen Ruhe, wie ich sie nie in ihm geahnt. Er flößte mir immer mehr Bewunderung ein.
»Da eines Morgens, als wir beide allein im Bureau waren, sagte er im Auf- und Niederschreiten: »Der Herrgott gebe, daß es was wird und daß der König sich endlich entschließt. Aber wenn's losgeht, Rohr – wohin bring' ich, wie sichere ich mir den tollköpfigen Jungen, daß er nicht mitgeht?« – Da war denn meine Gelegenheit. »Ich glaube, Herr General,« versetzte ich, »Sie können ihm eine Fessel finden. Er scheint nachzugeben – er ist verliebt.« – »Ah!« Und diesmal war der seltsame Laut in seiner ganzen Eigenthümlichkeit da; es war ein so überwältigend lustiger Spott darin, daß ich trotz alles Ernstes der Situation unwillkürlich lachen mußte. »Na, Rohr,« sprach er dann, gleichfalls das Gesicht zum Lachen verzogen, »etwas Phantasie trau' ich Ihnen zu, aber das ist stark!« – »Herr General,« antwortete ich, »es ist keine Phantasie, sondern ein Factum.« – »Hat er es Ihnen vielleicht gesagt?« fragte er. – »Ja, Herr General.« – »Und in vollem Ernst, Rohr?« – »Ja, Herr General.« – »Ei, sehe bloß Einer an,« sagte er lustig, »was nicht alles aus dem Menschen werden kann! Kommt mein jüngferlicher Sohn auf so grausame Menschlichkeiten! Donnerwetter, macht mich das froh! Hatte schon ganz auf so was verzichtet. Nun denn, heraus damit in's Teufels Namen, wer ist die Flamme, die dies ehrbare Herz in Brand gesteckt?«
»Herr General,« redete ich befangen, »er hat mich halb und halb damit beauftragt, die Sache bei Ihnen zu führen. Weßhalb er nicht selber sprach, vermag ich nicht einzusehen.« – »Ah!« unterbrach er mich. – »Es müßte denn sein,« fuhr ich fort, »weil sich der Sache manche Hindernisse in den Weg zu stellen scheinen, die ihn selbst niederdrücken und scheu machen.« – Er sah mich eine Sekunde prüfend an. »Dacht ich's doch,« meinte er dann mit einem ein wenig verächtlichen Ton; »ich liebe den Jungen und es ist ein prächtiger Junge, aber Herz für so was hat er nicht, dabei kommt nichts als dumme Streiche heraus. Hat sich also da verplempert! Daraus wird nichts. Arm kann sie sein, aber aus gutem Hause muß sie auch sein, wenn sie auch keine sechzehn Ahnen hat. Das ist nicht anders.« – »Ei,« erwiderte ich, »das ist sie auch und zwar, so viel ich weiß, aus einem sehr guten Hause. Allein die Eltern widersetzen sich.« – Er warf den martialischen Kopf auf und streckte sich in seiner ganzen Höhe. »Nun, beim Teufel,« sprach er mit stolz funkelndem Blick, »das wäre kurios! Ich dächte, mein Junge wär' ein Mann wie einer, und der Freiherr von der Heide überall gut genug, selbst wenn's eine Prinzessin wäre. Wer ist's?«
»Es ist die Tochter des Grafen Sandowski auf D.,« sagte ich gespannt. – Sein Mund zuckte ein wenig. »Wie sagten Sie?« fragte er. Ich wiederholte meine Worte. »Es gibt der Sandowski manche,« bemerkte er, »wo hat er sie kennen gelernt? Wo wohnen sie?« – »Bei Ihrer Frau Schwester,« entgegnete ich, »D. liegt dort ganz nahe, so viel ich weiß.« – »Dummes Zeug,« sprach er ärgerlich, »da wohnen ja keine Sandowski's – ich weiß nicht, wem das Gut gehört, es wurde verwaltet.« – »Sie sind erst seit einigen Jahren von Niederösterreich, glaub' ich, dahingezogen,« war meine neue Erwiderung. – Diesmal zuckte es sichtbar durch sein Gesicht. »Von Niederösterreich? Und die Eltern sind ihm entgegen? Sind mehr Kinder da? Wie alt ist die Tochter?« fragte er hastig. – »Ob mehr Kinder da sind, hat Eugen mir nicht gesagt, die Comtesse – sie heißt Karoline, wird, denke ich, etwa achtzehn oder neunzehn Jahre zählen. Sie ist die Freundin Ihrer Fräulein Tochter.« Ich konnte nicht sehen, wie er dazu aussah, denn er hatte sich abgewendet und schaute aus dem Fenster. Nur wiederholte er langsam und gedankenvoll, wie mir es schien: »Achtzehn Jahr'! – Muß mich weiter erkundigen,« setzte er nach einer Pause hinzu.