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Im Park vor dem Jagdschloß des Königs. Aus den hohen Türen fällt das Licht auf eine Terrasse, zu der einige Stufen emporleiten. Dort stehen Matthias und der Hofbeamte und blicken zum Himmel empor. Es ist eine warme Sommernacht und in der Nähe rauscht der große Wald.
Matthias Die Damen scheinen sich zu verspäten.
Hofbeamter Weiber lassen sogar einen König warten.
Matthias So? Nun, ich bin auf diesem Gebiete nicht so bewandert, ich kenne ja schließlich auch die Frau nur vom Kriegsschauplatz her – bessere Marketenderinnen und so.
Hofbeamter Sind nicht die schlechtesten.
Matthias Ich will auch nichts gegen sie gesagt haben, aber ich glaube, es ist doch nicht das richtige. Wenn man nur mehr Zeit hätt! Ein Wunder, daß ich mich heut abend freimachen konnte – diesen türkischen Gesandten hab ich für morgen verschoben, weiß der Himmel, was der Sultan wieder plant! Ich muß um fünfe in der Früh aufstehen jaja! Übrigens: hast du auch schon Hunger?
Hofbeamter Wenn mein Magen nicht an die Hofetikette gewöhnt wär, würd er schon längst knurren.
Matthias Hier auf meinem Jagdschloß gibts keine Etikette, laß ihn ruhig knurren.
Hofbeamter Ich werds ihm ausrichten.
Stille.
Matthias Sag mal: fiel es dir auch auf, wie nervös heut dieser Graf war? Er lächelt ironisch. Seit wann ist er denn herzkrank?
Hofbeamter Ich glaubs auch, das war ein Schwindel. Er hat doch durch die Tür nach seinem Muster geschaut und da wird er halt wahrscheinlich eine bemerkt haben, die ihn peinlich erinnert, vielleicht hat er sie mal gezwungen dazu –
Matthias fällt ihm ins Wort: Gezwungen?
Hofbeamter Es sind doch seine Leibeigenen.
Matthias Ah so –
Hofbeamter Die müssen parieren.
Matthias Richtig. Hm. Er überlegt und sieht sich dann um. Ich stelle mit Genugtuung fest, daß der Graf auch noch nicht erschienen ist.
Hofbeamter Daß er es heut nicht begriffen hat, daß wir ihn nicht dabei haben möchten – Majestät hätten es ihm direkt sagen müssen, daß er nicht herauskommen soll.
Matthias Das kann ich nicht.
Hofbeamter Nun, Majestät, ich hab Euch schon sehr häufig sehr direkt reden gehört.
Matthias Aber nicht in so einer privaten Angelegenheit. Freilich wärs blöd, wenn er käm.
Hofbeamter Dann sags ich ihm, wie er kommt, daß er gleich wieder gehen soll –
Matthias fällt ihm ins Wort: Nein, nein, das sieht ja ganz dumm aus! Lassen wir ihn schon da!
Stille.
Hofbeamter Apropos dumm: wer hat es eigentlich angeordnet, daß dieses Muster mit sechs Schimmeln und Husaren abgeholt wird?
Matthias Ich.
Hofbeamter Ihr?!
Matthias Ja. Warum?
Hofbeamter Nichts. Ich fragte nur so.
Stille.
Matthias So red doch.
Hofbeamter Es ist wirklich nichts, Majestät.
Matthias Jetzt befehl ich es dir, daß du sprichst! Sofort! Los!
Hofbeamter Also, wenn Ihr es mit Gewalt hören wollt: ich wollt mir nur zu bemerken erlauben, daß ich die sechs Schimmel nicht versteh –
Matthias fällt ihm ins Wort: Wieso? Ich wollt den Frauen eine Freude machen! Wie unlängst diesem Sterngucker aus Bologna – den ließ ich doch auch mit Husaren abholen!
Hofbeamter Einen Sterngucker schon, aber nicht ein Muster aus Selischtje. Ich wollt mir ja nur zu bemerken erlauben, man hätte diesen ganzen Transport auch etwas weniger auffällig arrangieren können, es muß ja nicht gerade ein jeder wissen, daß der König –
Matthias Du hast recht. Er sieht sich um. Wenn das Muster jetzt nicht bald kommt, dann essen wir allein und gute Nacht!
Hofbeamter Aber Majestät werden sich doch nicht die Laune –
Matthias unterbricht ihn: Reden wir von etwas anderem!
Hofbeamter lauscht: Was rauscht denn da so? Der Fluß?
Matthias Nein, der Wald.
Hofbeamter Herrlich, diese Luft!
Matthias Ja.
Stille.
Hofbeamter Ist es wahr, daß Ihr bei der letzten Hatz allein vier Eber erjagtet?
Matthias Fünf.
Hofbeamter Kolossal!
Matthias Ja.
Stille.
Hofbeamter Euere neuen Doggen sind herrlich. Besonders die Hündinnen –
Matthias plötzlich: Sag mal, welche gefällt dir am besten?
Hofbeamter Die gefleckte.
Matthias Wieso die gefleckte? Bist du irr?
Hofbeamter perplex: Ich versteh Euch nicht, Majestät –
Matthias Ich frage dich, welche von den Weibern aus Selischtje dir am besten gefällt, und du antwortest: die gefleckte! Wir haben doch nicht von meinen Doggen gesprochen!
Hofbeamter lächelt verstohlen: Ach so.
Stille.
Matthias Na, welche gefällt dir?
Hofbeamter Alle drei.
Matthias Da bin ich bescheidener. Mir gefallen nur zwei.
Hofbeamter Und welche nicht?
Matthias Die Schwarze. Ich glaub, die ist dumm.
Hofbeamter Möglich. Sie scheint allerdings noch ein bißchen sehr jung zu sein –
Matthias Und ich kann mit sowas Jungem nichts anfangen! Nichts! Er lächelt plötzlich. Was? Ich spreche schon wie ein alter Roué –
Hofbeamter lächelt heimlich überlegen: Fast!
Stille.
Matthias Am besten gefällt mir – Rat mal!
Hofbeamter Die Blonde?
Matthias Nein, die Rote!
Hofbeamter So?
Matthias Sie hat so etwas herrlich Selbstbewußtes – ich liebe Frauen, die wissen, was sie sind!
Hofbeamter Also diese Rote, die wirds sicher schon wissen, aber ich weiß nicht – Er zuckt die Schultern.
Matthias Was gibts denn schon wieder?
Hofbeamter Darf man ganz ohne Blatt vor dem Mund reden?
Matthias Bitte, bitte!
Hofbeamter Majestät, mir scheint, das ist eine – no ja.
Matthias Eine was?
Hofbeamter Majestät dürfen sich auf mich verlassen. An Hand meiner persönlichen Erfahrungen –
Matthias unterbricht ihn: Unsinn!
Stille.
Sag mal: wie soll sich denn das jetzt eigentlich alles abwickeln? Ich meine, also wenn jetzt die Drei kommen –
Hofbeamter fällt ihm ins Wort: Ich habs mir folgendermaßen gedacht: zuerst essen wir.
Matthias Richtig.
Hofbeamter Dabei trinken wir schon Wein und dadurch wird ganz von allein alles angeregter. Dann überreichen wir den Damen die kleinen Präsente, über die sie sich phantastisch zu freuen haben – nun, und dann wird sich schon alles präzis abwickeln, so wie es eben kommen dürfte.
Matthias überlegt etwas: Eigentlich ist es mir unangenehm –
Hofbeamter Was?
Matthias Diese ganze Affäre. Seine Majestät, der König, erobern ein Weib. Da ist doch nichts dabei –
Hofbeamter Was soll denn da dabei sein? Ein Weib ist natürlich keine feindliche Burg –
Matthias fällt ihm ins Wort: Das ist es ja eben, daß nichts dabei ist! Der König kann jedes Weib haben – theoretisch.
Hofbeamter Und praktisch auch.
Matthias Noch dazu hierunter seinem eigenen Dache! Diese Frauen aus Selischtje sind doch genau genommen meine Gäste, ich müßte sie ja beschützen, anstatt – Nein, ritterlich ist es nicht, unser Benehmen! Man müßt auch den freien Willen des Weibes achten. Zu einem ehrlichen Kauf gehört ein Käufer und ein Verkäufer, zum Rauben allerdings nur ein Räuber.
Hofbeamter Ihr macht Euch sonderbare Gewissensbisse. Jedes Weib würde sich hochgeehrt fühlen –
Matthias Aber ich fühle mich nicht hochgeehrt! Am liebsten wärs mir, man könnt inkognito kommen – Vielleicht gehts auch, das Muster weiß es ja noch nicht, wer der König ist!
Hofbeamter Theoretisch gings.
Matthias Ich komm als Euer Adjutant.
Hofbeamter betrachtet ihn unwillkürlich: Ob Ihr aber als Adjutant in der Praxis prompte Erfolge haben –
Matthias unterbricht ihn, fast scharf: Was heißt das?
Hofbeamter erschrickt: Oh pardon!
Matthias fixiert ihn: Du denkst – Er sieht an sich herab. Hm. Schon möglich, daß ich nicht direkt praktisch wirk – Er lächelt ein bisserl traurig.
Ein Lakai erscheint in der Türe: Die Damen aus Selischtje fahren soeben vor!
Hofbeamter Endlich! Zum Lakai. Sofort!
Lakai ab.
Matthias zum Hofbeamten: Geh jetzt nur allein hinein –
Hofbeamter Aber Majestät –
Matthias Nein, nein, laß mich nur noch etwas heraußen, ich werd dann schon kommen. Du bist wenigstens ehrlich zu mir, wenns auch nicht immer deine Absicht ist. Iß nur artig mit den Damen und sag ihnen, der König hat eine Konferenz, er kommt etwas später – geh!
Hofbeamter etwas bekümmert ab.
Thomas schleicht unterhalb der Terrasse von rechts herbei.
Matthias erblickt ihn und starrt ihn an.
Thomas bemerkt Matthias nicht und will an ihm vorbei auf die Türe zu.
Matthias plötzlich: Halt!
Thomas erschrickt entsetzlich: Himmel tu dich auf!
Matthias unterdrückt: Schrei nicht! Wer bist du? Wohin?
Thomas Gnade, Herr! Gnade!
Matthias Winsel nicht! Was hast du hier verloren?
Thomas Meine Braut, Herr! Meine Braut!
Matthias perplex: Deine Braut?
Thomas deutet auf die Türe: Da drinnen! Dort nachtmahlt sie grad mit dem König! Tut mir nichts, edler Herr, Ihr habt doch sicher auch schon geliebt und habt es gefühlt, wie das brennt! Er schluchzt.
Matthias lächelt leise: Das muß anscheinend sehr brennen.
Thomas Der König ist zwar ein gerechter Mann, aber wie kann er einem so was antun!
Matthias Sei beruhigt: da drinnen passiert nichts.
Thomas Nichts?! Wenn ein König mit einem armen Mädchen nachtmahlt?!
Matthias Der König ist nicht hochmütig. Er läßt auch einen armen Menschen an seinem Tische sitzen.
Thomas Besonders wenn er einen Unterrock anhat.
Matthias Du hast eine scharfe Zunge.
Thomas Ich häng mich auf, ich häng mich auf.
Stille.
Matthias überlegt: Also die Eine ist deine Braut?
Thomas schluchzt wieder: Ja.
Matthias Hm. Ich dachte, Selischtje ist ein Dorf ohne Männer?
Thomas weinerlich: Ah was Selischtje!
Matthias horcht auf.
Thomas wendet sich wieder der Türe zu.
Thomas Ich bitt Euch, laßt mich mal durch die Tür dort hineinschauen, nur einen einzigen Blick –
Matthias Ausgeschlossen! Der König hats verboten.
Thomas Er muß es ja nicht erfahren.
Matthias Dann müßt ich ja den König betrügen –
Thomas Meiner Treu! Als ob der nicht täglich hundertmal betrogen würd!
Matthias Er wird betrogen? Der König? Lauernd. Wer betrügt ihn denn wohl?
Thomas Alle. Jeder.
Bader tritt durch die Tür auf die Terrasse.
Matthias leise zu Thomas: Weg! Es kommt wer! Wir sprechen uns noch! Thomas versteckt sich.
Bader erblickt Matthias: Ah, meine Hochachtung! Wir kennen uns doch vom Statthalter her, Ihr seid doch seine Schreiberseel oder so –
Matthias lächelt: Sein Ratgeber.
Bader Auch ein Beruf! Hört mal: ist Euer Herr, dieser besagte Statthalter, immer so neidig?
Matthias Wieso?
Bader Kaum sitzen wir beim Essen, schickt er mich schon heraus – er möcht sich mit den drei Weibern allein sein! Kapazität! Ich mach mir schon Sorgen, wenn der König sich noch lang verspätet – dieses Muster ist ja, wenn überhaupt für wen, dann für den König bestimmt, aber der drin ist sich imstand und ramponiert mir noch meine mühsam zusammengeklaubte Kollektion!
Matthias Kollektion? Zusammengeklaubt?
Bader No ja, man sagt das halt so.
Stille.
Matthias Sagt mal: es ist mir zuvor ein eigentümlicher Gedanke gekommen: sind diese Frauen wirklich aus Selischtje?
Bader Der Gedanke ist gar nicht so eigentümlich, aber die Weiber sind wirklich aus Selischtje.
Matthias Und die Zuhausegebliebenen sind auch alle so schön?
Bader Im Durchschnitt, ja.
Matthias Dann gratulier ich Euch. Denn, wer den König betrügt, verliert den Kopf.
Bader Großer Gott! Er sieht sich ängstlich um und will in den Park.
Matthias Wohin?
Bader Spazieren.
Matthias Habt Ihr denn keinen Hunger?
Bader No, mir ist der Appetit ein bisserl vergangen –
Matthias freundlich, jedoch sehr bestimmt: Geht jetzt nur trotzdem schön hinein und eßt etwas.
Bader Aber er laßt mich ja nicht, Euer Herr!
Matthias Sagt ihm, ich schick Euch, sein Ratgeber. Er hört auf meinen Rat.
Bader Schön. Ein bisserl ein Milchreis könnt einem alten Mann nix schaden – Ab durch die Tür.
Matthias sieht ihm nach, wendet sich dann wieder dem Park zu und ruft unterdrückt: Hallo! Bist du noch da?
Thomas erscheint aus seinem Versteck: Natürlich!
Matthias Komm!
Thomas Wer seid Ihr eigentlich? Türsteher, was?
Matthias Auch das.
Thomas Ihr kommt mir plötzlich so bekannt vor.
Matthias Ich seh dem König etwas ähnlich.
Thomas Dem? Der ist doch ein untersetztes Bürscherl und den Kopf hält er immer ein bisserl so schief – Nein, dem seht Ihr nicht ähnlich! Ihr seid viel stattlicher!
Matthias lächelt: Das freut mich! Er sieht sich um. Paß auf, du willst also, daß deiner Braut nichts passiert?
Thomas Das will ich, meiner Seel!
Matthias Gut, ich werde dir helfen – ich garantier dir sogar, daß ihr nichts passiert!
Thomas hocherfreut: Wirklich?
Thomas Ich werd mich auch revanchieren – da, da habens einen Taler! Wir sind ja nicht so!
Matthias steckt lächelnd den Taler ein: Danke –
Thomas Ich bin nämlich der Wirt vom »Einhorn« und wenn Ihr mal nach Hermannstadt kommt, dann besucht mich nur, Ihr seid mein Gast, prima Haus und keine solche Kellnerinnen Wirtschaft! Ihr sollt es nicht bereuen, daß Ihr meine ärmste Braut beschützen wollt!
Matthias Die Ärmste wird beschützt – allerdings unter einer Bedingung.
Thomas Bedingung? Ihr habt doch schon einen Taler bekommen!
Matthias Das war nur Trinkgeld.
Thomas Trinkgeld? Ein Taler?! Mit einem Taler, Herr, da hab ich schon ganz andere Leut bestochen! Da könnt ich erzählen, wenns Euch interessiert!
Matthias Das interessiert mich sogar sehr. Das mußt du mir mal alles genau erzählen – doch nun paß auf: ich werde über deine Braut wachen, auf Leben und Tod, wenn du mir jetzt ehrlich antwortest: sind diese drei Frauen aus Selischtje oder nicht?
Thomas Das ist eine verzwickte Frage –
Matthias Sie sind also nicht aus Selischtje?
Thomas Tja!
Matthias Dacht ich mirs doch!
Stille.
Thomas Die Wahrheit wächst im Himmel, mein lieber Herr, doch die Wurzeln der Lüge gedeihen alle so um das Haus herum im täglichen Leben – und der Teufel schleppt noch den Dünger herbei, damit sie besser wachsen. Diese drei Frauen sind so wenig aus Selischtje, wie der Turm da uns vis-à-vis oder dort drüben der Springbrunnen. Die Schwarze ist meine Braut –
Matthias unterbricht ihn: Die Schwarze?
Thomas Die Schönste!
Thomas Sie ist aus Rotkirchen, und die Rote ist aus Kronstadt, eine Kürschnermeisterswitwe, und die Blonde ist auch irgendwoher – mir scheint, aus Großwardein. Aber ich bitt Euch, verratet es keiner Seele, daß ichs Euch verraten hab! Ich wurd ja nur wegen meiner Braut zum Verräter.
Matthias Wenn das der König erfährt –
Thomas unterbricht ihn: Ah, das war mir wurscht! Wenns nur der Graf nicht erfährt! Der ist imstand und vierteilt mich!
Matthias grimmig: Der Herr Graf haben also seinen König betrogen, damit er die männlichen Arbeitskräfte bekommt –
Thomas Natürlich!
Hofbeamter tritt aus der Türe auf die Terrasse.
Matthias unterdrückt zu Thomas: Weg!
Thomas Wiedersehen in Hermannstadt! Ab.
Matthias grimmig: Auf Wiedersehen! Wiedersehen!
Hofbeamter Mit wem habt Ihr denn jetzt gesprochen?
Matthias Nur mit mir selbst.
Hofbeamter horcht perplex auf: Ich wollt mir nur erlauben zu fragen, wann Majestät hereinkommen, wir halten bereits beim Dessert –
Matthias unterbricht ihn grimmig und wird immer wütender: Ich brauch kein Dessert! Am liebsten würd ich jetzt da hinein und alles kurz und klein schlagen! Eine solche Niedertracht! Mir das anzutun! Dieser Bursche gehört ja geköpft, geköpft!
Hofbeamter entsetzt: Majestät! Welcher Bursche, um Gottes Willen?!
Matthias Und diese Weiber gehören in Ketten gelegt und hinausgeschmissen!
Hofbeamter wie zuvor: Majestät, mir scheint, es ist Euch nicht ganz wohl – Ihr habt Euch hier draußen verkühlt und fiebert –
Matthias unterbricht ihn: Ich fiebere nicht! Wohl ists mir allerdings auch nicht! Aber es ist wahr: diese armen Weiber können ja nichts dafür – sie wurden ja »zusammengeklaubt«, zusammengepreßt durch List, Betrug, Willkür! Zusammengefangen, wie das liebe Vieh!
Hofbeamter immer entsetzter: Zusammengefangen?!
Matthias Ja, um abgestochen zu werden!
Hofbeamter verzweifelt: Abgestochen?! Majestät, ich werd verrückt!
Matthias Das glaub ich dir gern! Laß mich allein! Glotz mich nicht so geistvoll an! Geh, und mach mit diesem Muster, was dir beliebt – das heißt: mit einer Ausnahme! Wenn du die anrührst, laß ich dich auch köpfen!
Hofbeamter verwirrt: Welche? Die Rote?
Matthias Falsch! Die Schwarze!
Hofbeamter total verwirrt: Die Schwarze? Aber die ist doch dumm, sagtet Ihr! Und außerdem bin ich ja grad –
Matthias unterbricht ihn: Du wirst bei dieser Schwarzen nirgends grad sein, verstanden? Schick sie heraus! Auf der Stell! Heraus damit!
Hofbeamter total verwirrt ab durch die Türe.
Matthias allein. Männer will er von mir haben, der Herr Graf von Hermannstadt? Männer – Er grinst grimmig. Gut, er soll erhalten, was er verlangt. Aber ich will ihm eine solche Sorge an den Hals hängen, daß Herr Graf zeitlebens daran denken werden –
Die Schwarze tritt mit der Blonden durch die Türe auf die Terrasse.
Matthias schroff. Hierher!
Schwarze schüchtern: Was wollt Ihr?
Blonde stutzt einen Augenblick, da sie Matthias erblickt, und sieht nun genauer hin: Ach, Ihr habt uns rufen lassen?
Matthias wie zuvor: Euch hab ich nicht rufen lassen!
Blonde lächelt leise: Ich bin nur mit, weil meine Freundin Angst hatte –
Schwarze Man schickt mich in die Nacht hinaus –
Blonde Wenn Ihr einer von uns was zu sagen habt, warum kommt Ihr nicht herein? Warum sollen wir heraus? Ihr seid doch dem Statthalter sein Ratgeber, nicht?
Matthias etwas perplex über ihren Ton: Ja.
Blonde Ich hab Euch gleich erkannt.
Matthias fixiert sie etwas lauernd und winkt dann der Schwarzen: Komm! Wir beißen dir nichts ab –
Schwarze nähert sich langsam und hält vor ihm.
Matthias betrachtet sie; leise, damit es die Blonde nicht hört. Ein Mann will dich haben –
Schwarze fällt ihm entsetzt ins Wort: Heiliger Himmel!
Matthias Kreisch nicht! Ich hab es deinem Bräutigam versprochen, daß ich über dich wachen werde. Schau hin! Er deutet nach dem Park zu. Dort steht er! Dort hinter dem Baum!
Schwarze überglücklich: Thomas!
Matthias Geh hin und ab! Schwarze will hinlaufen, hält jedoch ängstlich um. Was hast denn?
Schwarze Angst.
Matthias Vor wem denn?
Schwarze Vor dem König. Wenn der jetzt kommt und ich bin nicht da –
Matthias muß lächeln: Hast Angst vor dem König? Er zeigt ihr den Taler, den er von Thomas bekommen hat. Schau, diesen Taler, da ist sein Bild droben – sieht er denn so grausam aus?
Schwarze betrachtet den Taler: Nein, das nicht – Sie zuckt plötzlich zusammen und starrt Matthias an, schaut dann wieder auf den Taler und starrt dann wieder den König entgeistert an. Majestät! Majestät! – Sie will in die Kniee fallen.
Matthias läßt es nicht zu: Nicht knien! Das vertrag ich nicht! Lauf nur jetzt zu deinem Bräutigam, gib ihm diesen Taler und einen schönen Gruß von mir, er solls nur ja nie wieder wagen, derartige Trinkgelder zu verteilen! Diesmal hat er ja noch Glück gehabt, daß er nur seinen eigenen König bestochen hat – Geh! Lauf zu!
Schwarze Aber wie kommen wir durch die Wachen?
Matthias Dort ist ein Hintertürl! Marsch!
Schwarze überglücklich: Thomas! Thomas! Sie läuft in den Park und ab. Matthias blickt ihr nach.
Blonde Glaubt Ihr, daß der König noch kommt?
Matthias Kaum!
Blonde Das war aber nicht schön von ihm, uns sitzen zu lassen –
Matthias fällt ihr ins Wort: Er hat halt zu tun. Denkt nur an unsere lieben Türken, zum Beispiel!
Blonde Ja, man weiß es nie, ob man nicht eines Tages aufwacht und die Türken sind da –
Matthias Die Türken werden nicht da sein. Nie!
Blonde Woher wollt denn Ihr das wissen?
Matthias Weils mir der König gesagt hat.
Stille.
Blonde Weiß der König, daß es vielen Frauen in seinem Reich ganz egal wär, ob die Türken kommen oder nicht?
Matthias fährt hoch: Was?!
Blonde Bei den Türken hat die Frau keine Seele. Bei uns ja – aber sie wird trotzdem nicht für voll genommen und wird gar meistens behandelt, als wär sie ein liebes Stück Tier ohne Seele. Bei den Türken sitzt die Frau im Harem, bei uns im besten Fall in der Küche –
Matthias Das ist irgendwo nicht unrichtig –
Blonde Bei den Türken dient die Frau dem Mann und bei uns –
Matthias unterbricht sie: Bei uns im Abendland ist die Frau jedenfalls keine Sklavin!
Blonde lächelt: Weiß der König, daß es im Abendland ein Gesetz gibt, daß der Mann die Frau züchtigen darf, daß aber die Frau bestraft wird, wenn sie den Mann schlägt?
Matthias Das ist nicht wahr!
Blonde Doch, doch! Seht nur mal nach! Weiß der König, daß es Frauen in seinem Reiche viel schwerer haben wie die Männer? Denn die Frau hat nur einen Beruf: das ist der Mann! Und was ist der Kampf der Männer gegen die Türken im Vergleich zu dem Kampf der armen Frauen untereinander um einen Mann! Um den Mann, bei dem jede Frau jedesmal dem Tod begegnet, wenn sie ihm das Leben gibt. Weiß der König, wie der Mann das lohnt?
Stille.
Matthias Sagt mal: welcher Mann hat Euch das alles erzählt?
Blonde Diese Frage hab ich erwartet, sie kam auch prompt, aber ich muß Euch mit meiner Antwort leider enttäuschen: ich habe selber darüber nachgedacht – jaja, wir Frauen haben auch ein Hirn, wenns auch nicht immer im Kopf sitzt. Wenn man jahrelang allein ist, dann fängt man an zu denken.
Matthias horcht auf: Ihr seid allein?
Blonde lächelt: Ja und nein.
Matthias Was heißt das?
Blonde Theoretisch bin ich zu zweit, in der Praxis aber allein.
Matthias Aha! Ihr seid unglücklich verliebt?
Blonde Ja.
Stille.
Matthias Eigentlich ist man immer allein.
Blonde Oho.
Stille.
Matthias Ich war immer allein.
Blonde Dann habt Ihr noch nie richtig geliebt –
Matthias Dazu braucht man Zeit.
Blonde lächelt: Nicht nur das.
Stille.
Matthias fixiert sie: Wer seid Ihr?
Blonde Ich bin sogar verheiratet.
Matthias lächelt verschmitzt: Witwe?
Matthias wie zuvor: Ich dachte, in Selischtje gibt es keine Männer –
Blonde lacht: Ich weiß schon, daß Ihr den Schwindel durchschaut habt, der Bader hat mich bereits gewarnt!
Matthias perplex: Was für ein Bader?
Blonde Der Alte, der sich hier als Präfekt ausgegeben hat.
Matthias Das wird ja immer schöner! Ein Bader?!
Blonde Es tut mir leid, daß ich als Muster zum König kam, aber manchmal kommt man ohne einen kleinen Betrug nicht dazu, die Wahrheit zu sagen. Wie ich den König sehe, sag ichs ihm sogleich, daß ich nicht aus Selischtje bin – ich will ihn nämlich nicht betrügen.
Matthias unwillkürlich: Warum nicht?
Blonde Weil er mir gefällt.
Stille.
Matthias Ihr kennt den König?
Blonde Ja. Das heißt: persönlich nicht, aber von vielen Bildern –
Matthias Und wie gefällt er Euch?
Blonde Sehr.
Stille.
Matthias Hat er nicht zu lange Ohren?
Blonde lächelt: Oh nein! Immer sieht er so ernst drein, auch ein bißchen traurig – und doch ist er nur ein Lausbub. Er muß sehr gescheit sein –
Matthias Hoffentlich!
Blonde Sicher.
Stille.
Matthias sieht sich um; leise: Ich muß Euch nun etwas sagen, aber nicht erschrecken und nicht böse sein –
Blonde Was?
Matthias Aber nicht böse sein, ja?
Blonde lächelt: Nein. Nie.
Matthias sieht sie nochmals an; dann sehr leise: Ich bin der König.
Blonde wie zuvor: Warum soll ich da böse sein? Ich wußt es ja schon längst –
Matthias Ihr wußtet es?
Blonde Schon Mittag beim Statthalter – ich hab Euch gleich erkannt. Von den Bildern, die bei mir hängen. Und so seid Ihr auch. Ich kenne Euch genau.
Graf tritt durch die Türe rasch auf die Terrasse, erblickt die Beiden, hält und starrt hin.
Matthias Ach, unser Graf von Hermannstadt!
Graf Majestät –
Matthias fällt ihm ins Wort: Du kommst spät. Wir haben dich nicht mehr erwartet.
Graf Ich wollte auch nicht kommen, aber dann war es mir doch, als müßt ich mal nachsehen, es ist doch schließlich mein Muster – Er grinst.
Matthias fixiert ihn: Was fehlt dir denn? Du bist ja ganz weiß –
Graf Nichts, Majestät – es ist nur das Herz. Manchmal hörts auf –
Matthias horcht auf und wirft einen forschenden Blick auf die Blonde: Schon wieder?
Blonde lächelt schwach: Ja.
Stille.
Matthias Nun, Graf von Hermannstadt, Wir halten Unser Wort: Wir werden dreihundert der tüchtigsten Männer in Selischtje ansiedeln, denn das Muster, das du Uns gesandt hast, ist wahrlich schön. Wir haben Uns entschlossen, im Herbst Selischtje zu besuchen, um dort zu jagen und Uns die zuhausegebliebenen Frauen anzusehen. Wir wollen selber beurteilen, ob sie in puncto Schönheit aus demselben Neste kommen, wie die Uns gesandten. Wenn nicht, verlierst du deinen Kopf.
Blonde entsetzt: Majestät!
Matthias sieht sie überrascht an.
Stille.
Graf zu Matthias: Ihr wollt nach Selischtje –
Matthias unterbricht ihn, ohne den Blick von der Blonden zu wenden: Ich hoffe, du hast mich verstanden –
Blonde zu Matthias: Ihr könnt ihm doch nicht den Kopf –
Matthias unterbricht sie: Was habt Ihr denn beide miteinander?
Graf Nichts.
Stille.
Matthias lauernd: Sie ist doch deine Leibeigene?
Blonde leise: Ja. Sie wirft einen traurigen Blick auf den Grafen und langsam ab durch die Türe.
Graf Sie ist eine Hexe.
Matthias Was sagst du? Hexe?
Graf Ihr Auge ist süß und herb – sie lächelt in der Sonne und sehnt sich nach ewiger Nacht. Sie bringt Unheil, nur Unheil – Verstört ab in den Park.
Matthias sieht ihm nach: Unheil?
Eine Frauenstimme singt im Schloß zur Laute ein trauriges Lied:
Es ist ein Schnee gefallen
Und es ist doch nicht Zeit
Man wirft mich mit den Ballen
Der Weg ist mir verschneit.
Mein Haus hat keinen Giebel
Es ist mir worden alt
Zerbrochen sind die Riegel
Mein Stüblein ist mir kalt.
Ach Lieb, laß dichs erbarmen
Daß ich so elend bin
Und schließ mich in dein Armen
So fährt der Winter hin –
Matthias lauschte, ging langsam zur Türe und winkt hinein.
Der Lakai erscheint.
Matthias Welche singt denn da?
Matthias So?
Blonde singt weiter im Schloß:
Da unten in jenem Tale
Da treibt das Wasser ein Rad
Das treibet nichts als Liebe
Von Abend bis wieder an Tag
Das Rad, das ist gebrochen
Die Liebe, die hat ein End
Und wenn zwei Liebende scheiden
Sie reichen einander die Händ.
Matthias lauscht wieder; zum Lakaien: Was macht denn die Rote?
Lakai verlegen: Die – die ist verschwunden, Majestät. Mit Seiner Exzellenz –
Matthias Ahso.
Stille.
Lakai Majestät –
Matthias Was gibts?
Lakai Majestät, der alte Herr, der mit den Damen aus Selischtje gekommen ist, der ist auch verschwunden, wollt ich nur untertänigst melden.
Matthias Wohin?
Lakai Fort. In größter Eile, Majestät! Es sah fast aus wie eine Flucht –
Matthias lächelt: Aha! Er wird wieder ernst. Wer ist denn noch bei der Blonden?
Lakai Niemand, Majestät. Die Dame sitzt allein im Zimmer.
Matthias Allein?
Lakai verbeugt sich und geht ab.
Die Blonde singt wieder im Schloß:
Da droben auf jenem Berge
Da steht ein goldenes Haus
Da schauen wohl alle Frühmorgen
Drei schöne Jungfrauen heraus.
Die eine, die heißet Elisabeth
Die andere Bernharda mein
Die dritte, die will ich nicht nennen
Die sollt mein eigen sein.
Matthias langsam ab durch die Tür, als würde er dem Lied folgen.