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Sechstes Bild

Im Hofgasthaus. Wieder im Appartment des Musters. Der Morgen dämmert, aber es ist noch Nacht. Der Bader in Unterhosen packt rasch seine Gala ein. Der Hofwirt kommt von links in Schlafrock und Zipfelmütze; er hat eine Kerze in der Hand und ist sehr neugierig.

Hofwirt  Man hat mich grad geweckt, Ihr seid schon zurück – Wie wars denn beim König? Was hat sich denn getan?

Bader  läßt sich beim Packen nicht stören; grimmig: Getan hat sich allerlei –

Hofwirt  Was hat denn der König gesagt?

Bader  Garnichts hat er gesagt.

Hofwirt  Wie soll ich das verstehen? Sprecht! Werdet deutlicher!

Bader  Schön, dann werd ich deutlicher! Der König war garnicht da.

Hofwirt  perplex: Garnicht da?!

Bader  Wann fährt die nächste Post?

Hofwirt  Wohin?

Bader  Nach Hermannstadt.

Hofwirt  Ihr wollt auch bereits retour?

Bader  Wieso auch?

Hofwirt  Weil schon zwei nach Hermannstadt fahren, aber die sind derart verliebt ineinander, daß man nichts aus ihnen herausquetschen kann – die sehen und hören nur sich –

Bader  unterbricht ihn: Von mir aus!

Hofwirt  Wenn Ihr wüßtet wer die Beiden sind –

Bader  wie zuvor: Mir ist das wurscht!

Hofwirt  Ich täts Euch ja gern erzählen –

Bader  wie zuvor: Es interessiert mich nicht, Herr! Ich hab jetzt andere Sorgen!

Rote  kommt von links; sie macht einen mitgenommenen Eindruck und ist noch immer etwas beschwipst; zum Bader: Servus, Majestät!

Bader  erblickt sie und greift sich an den Kopf: Großer Gott!

Hofwirt  zur Roten: Ah, Küßdiehand, Gnädigste, ergebenster Diener, meine Verehrung.

Rote  fällt ihm ins Wort: Servus, servus! Sie setzt sich. Püh, hab ich müde Füß –

Bader  Eine Frau soll nie sagen, daß sie müde Füß hat. Weil das desillusioniert.

Rote  macht eine wegwerfende Geste: Die Illusion ist ein schwankendes Rohr im Winde – Zum Hofwirt. Der Herr Statthalter haben mich hergefahren. Ein netter Mensch, ein flotter Gesellschafter und sehr belesen! Aber ein bisserl geizig –

Bader  Benimm dich! Zum Hofwirt. Also seiens so gut und beschaffens mir einen Postplatz nach Hermannstadt, Raucher, Fenstersitz, in der Fahrtrichtung – Er schreit ihn plötzlich an, weil der kaum hinhört und nur die Rote betrachtet, die sich das Strumpfband richtet. Aber express, express, express!

Hofwirt  braust auf: Was schreiens mich denn so an?!

Bader  schreit: Weil ich nervös bin!

Hofwirt  wütend: Adieu! Ab nach links und schlägt hinter sich die Türe zu.

Bader  ruft ihm nach: Sie hauens da keine Türen zu, Sie sind nicht bei mir zuhaus! – Auch ein Hotelier!

Rote  Du fährst schon retour?

Bader  Wir sind nicht per du.

Rote  ruhig: Kusch.

Bader  fixiert sie: Wieviel haben wir denn getrunken?

Rote  Zirka zwei Liter.

Bader  Dann seis dir verziehen.

Stille.

Rote  Ich fahr aber noch nicht retour. Morgen bin ich nämlich wieder mit dem Statthalter verabredet, er läßt mich in einer Sänfte abholen, hat er gesagt – er soll mir lieber drei Taler schenken, was hat man schon von einer Sänfte? Man sitzt drin und das ist alles. Er will mir seine türkischen Degen zeigen, aus Damaskus. Er sagt, er war der größte Privatsammler. Eigentlich ist er ein ordinärer Mensch. Da ist mir ja der Graf noch lieber, der hat wenigstens etwas Gefährliches –

Bader  hat nun fertig gepackt, zieht sich seinen Reiseanzug an und nähert sich langsam der Roten: Ich hab mir jetzt was überlegt. Du stehst mir von Euch drei Weibern ohne Zweifel am nächsten, schon rein beruflich – also hör her: laß den Statthalter Statthalter sein, bleib nicht hier, sondern hau ab, und zwar so hurtig wie nur möglich!

Rote  Warum?

Bader  Weil es sich herausgestellt hat, daß das Muster nicht aus Selischtje ist.

Rote  Was?! Also ich hab kein Wort, kein Wort!

Bader  Möglich! Aber ich hab mit diesem Ratgeber gesprochen und ich laß mir die Händ abhacken, wenn dieser Bursche nicht alles weiß! Hau ab! Ich mein das jetzt direkt väterlich!

Rote  Wohin? Nach Hermannstadt?

Bader  Aber keine Idee! Ich hab doch zuvor das Billett nur bestellt, damit ich die Häscher auf eine falsche Spur lock! Ich fahr in die Türkei – und, weißt was? Fahr mit!

Rote  In die Türkei?

Bader  Was hast du denn hier schon verloren? Man sperrt dich ein, schneidet dir die Haar ab, man stellt dich auf den Pranger und spuckt dir ins Gesicht – ein so begabtes Kind! Wirst sehen, in der Türkei machen wir beide unser Glück. Wir ergänzen uns ja, ich werd dich offerieren und bring dich garantiert in einen glänzenden Harem hinein und schon haben wir beide ausgesorgt!

Rote  Du im Harem? Was willst denn du dort werden?

Bader  Was kann ich schon in einem Harem werden? Eunuch!

Rote  Wie du das sagst! Als wär das nichts –

Bader  Für mich ist das nichts, verlaß dich drauf!

Graf kommt verstört von links und sieht den Bader finster an.

Schauens mich nicht so an, Herr Graf! Ich bitt Sie nur, machens lieber kurzen Prozeß und bringens mich gleich um!

Graf  Ich bin jetzt zu müde dazu, um dich zu töten – Er lächelt wehmütig und setzt sich langsam. Stundenlang irr ich schon herum – ich find und find keinen Ausweg mehr. Mein Kopf, mein Kopf!

Rote  Tut er Euch weh, Herr Graf?

Graf  Das auch.

Rote  Dann hol ich ein Pulver – Sie will nach rechts ab.

Graf  Danke, danke! Er soll mir ruhig wehtun. Jetzt soll er noch machen, was er will. Ich hab ihn eh nimmer lang –

Bader  entsetzt: Herr Graf!

Graf  ruhig: Du halt den Mund. Dir passiert nichts. Dieser König pflegt ja immer nur den Kopf zu bestrafen, das Hirn, den Führer – jaja, die kleinen Diebe läßt er laufen und die großen hängt er auf. Er liebt uns halt nicht, uns Aristokraten – Er lächelt wieder wehmütig.

Bader  horcht erfreut auf: Der König wird mir nichts tun?

Graf  Nein. Aber ich. Ich laß dich rösten.

Rote  Geh, Herr Graf, seiens doch nicht immer gleich derart pessimistisch!

Graf  lächelt selbstironisch: Hast recht – ich hab ja allen Grund, um befriedigt zu sein! Sieg auf der ganzen Linie! Seine Majestät, der König, geben dem Grafen von Hermannstadt dreihundert tüchtige Männer!

Rote  Ist das wahr?! Graf  Er hats mir selber gesagt.

Bader  Na also!

Graf  Aber Seine Majestät wollen diese Männer höchstpersönlich nach Selischtje bringen, um sich höchstpersönlich zu überzeugen, ob die dreihundert Damen von Selischtje so schön sind, wie mein Muster es ist. Sind sies nicht, verlier ich meinen Kopf.

Bader  Krach in die Melone!

Graf  Er hats mir selber gesagt.

Rote  zum Grafen: Ihren Kopf?!

Bader  Ich wunder mich nur, wieso hat mich heut noch nicht der Schlag getroffen – Er will ab nach links.

Graf  automatisch: Wohin?

Bader  Bin gleich wieder da – Ab nach links.

Stille.

Rote  nähert sich langsam dem Grafen: Jetzt müßt Ihr fliehen?

Graf  lächelt wehmütig: Vertrieben von Haus und Hof – Er starrt ernst vor sich hin. Ich kann ohne Geld nicht leben.

Rote  Das kann niemand.

Stille.

Graf  Wie verdient man Geld?

Rote  Mit oder ohne Arbeit?

Graf  Ohne.

Stille.

Rote  betrachtet ihn ernst und liebevoll: Verlaß dich auf mich.

Graf sieht sie erstaunt an.

Rote  wie zuvor. Du liegst auf der Straße?

Graf  Ja.

Rote  Dann bleib ich bei dir. Sie setzt sich neben ihn.

Graf horcht etwas auf und wirft einen Blick auf sie; dann nimmt er seinen Degen und zeichnet am Boden.

Was zeichnest da?

Graf  Manderln.

Stille.

Rote  Eigentlich hast du mir immer gefallen und ich habs mir immer heimlich gewünscht, wenn er nur nichts hätt, wenn er nur nichts wär, wenn er nur ganz zugrund gehen würd – dann würd er mir nämlich erhalten bleiben.

Graf  Das hast du dir gewünscht?

Rote  Ja.

Graf  ohne jede Bitterkeit: Das ist lieb von dir.

Rote  lächelt leise: Komisch. Jetzt ists mir, als hätt ich uns hier schon mal sitzen gesehen – Komm, gib mir einen Kuß. Graf gibt ihr einen Kuß. Ich küß nämlich sonst garnicht gern –

Bader kommt wieder von links. Thomas kommt rasch mit der Schwarzen reisefertig von rechts.

Bader  schreit entsetzt auf: Thomas!

Thomas  lächelt glücklich: Da schreist, was?! Habe die Ehre, Herr Graf! Auf gehts! Nach Hermannstadt! Und in drei Wochen ist Hochzeit!

Schwarze  Der König hats uns erlaubt!

Bader  Wer hats Euch erlaubt?!

Schwarze  Seine Majestät, Matthias Corvinus, König von Ungarn!

Thomas  Ja, ich hab ihn bestochen

Rote  Bestochen?

Schwarze  Mit einem Taler.

Bader  völlig verwirrt: Mit nur so wenig?! Wo, wo habt Ihr denn den König bestochen, wollt sagen: getroffen?

Thomas  Draußen im Schloß.

Bader  Der war draußen?!

Schwarze  Ihr habt ja auch mit ihm dischkuriert!

Bader  Ich?!

Schwarze  Auf der Terrasse. Der König war niemand anderer als dieser Ratgeber – Sie lacht leise.

Bader  außer sich: Dieser?! Jener?! Jetzt häng ich mich auf!

Rote  Das war der König?!

Thomas  Ja.

Rote  Wenn ich das gewußt hätt!

Bader  völlig verzweifelt: Er hat mir noch gesagt: »Wer den König betrügt, der verliert den Kopf« – Ich bitt Euch, schauts hinaus, ob die Häscher nicht schon nahen –

Schwarze  Aber der König nimmts doch nicht so tragisch! Er ist ein gerechter Mann –

Thomas  fällt ihr ins Wort: Komm! Höchste Zeit, sonst verpassen wir noch unsere eigene Hochzeit! Zum Grafen, der während der ganzen Szene kaum reagierte und nur seine Manderln zeichnet. Habe die Ehre, Herr Graf! Zum Bader und zur Roten. Auf Wiedersehen in Siebenbürgen!

Schwarze  Beim Einhorn, beim Einhorn! Ab mit Thomas nach links.

Rote  plötzlich: Wenn ich das gewußt hätt!

Bader  Was?

Rote  Daß dieses Bürscherl er selber ist! Dann hätt ich mich doch nicht mit dem Statthalter abgegeben, sondern gleich mit ihm selber – ein so ein Pech! Jetzt hat sie ihn.

Bader  Wer?

Rote  Sie ist mit ihm auf einer Bank gesessen, im Mondschein – Hand in Hand, wie die Kinder. Ich habs deutlich gesehen vom ersten Stock und hab mir noch gedacht, da schau her, die gibt sich mit einem Schreiber ab, wo ich einen Statthalter hab! Ich war noch stolz, recht geschiehts mir!

Graf  lauernd: Mit wem ist der König auf der Bank gesessen?

Rote  Na mit der Blonden!

Bader  schluckt: Das ist zuviel.

Graf faßt sich ans Herz.

Bader  schreit den Grafen plötzlich an. Ich bitt Sie, bringens mich aber jetzt endlich auf der Stell um, ja?! Nur nicht wieder verschieben, meine Nerven halten das nicht mehr aus!

Rote  perplex zum Grafen: Was hat er denn?

Graf  Laß mich in Ruh!

Stille.

Rote  Wer ist denn eigentlich diese blonde Person? Zu uns gehört sie mal sicher nicht, aber raffiniert ist dir die für zwölfe! Der Teufel soll mich auf der Stelle holen, wenn die uns nicht alle in die Tasche steckt! Ich täts auch beschwören, sie hat es schon vorher gewußt, daß dieses Bürscherl der König ist!

Graf  unheimlich ruhig: Sie saß auf der Bank?

Rote  Ja.

Graf  Mit dem König?

Rote  Ja.

Graf  Und?

Rote  Und – no und: nichts. Eigentlich war nichts –

Graf  grimmig: Eigentlich –

Rote  Was habt Ihr denn mit dieser Blonden, daß Ihr so aus dem Häusel seid?

Graf  zum Bader: Sags ihr!

Bader  erschöpft: Ich kann nicht mehr.

Graf  zur Roten: Sie ist meine Frau.

Rote  außer sich: Frau?! Euere Frau?! Die Gräfin von Hermannstadt?! Ujjegerl!

Bader  hält sich die Ohren zu: Kreisch nicht!

Rote  Ich sags ja immer: man lernt nicht aus, man lernt nicht aus! Eine Gräfin von Hermannstadt! Armer Herr Graf!

Graf  Bemitleid mich nicht!

Rote  Nanana! Gar so von oben herab – Stille.

Bader  verwirrt: Das Beste ist, Herr Graf, Ihr geht, wies Tag wird, zum ersten nächsten Advokaten und laßt Euere Ehe für ungültig –

Graf  unterbricht ihn: Hier wird nichts für ungültig erklärt, nichts, nichts! Nein, das laß ich nicht zu! Und wenn sie mir alles Unheil der Welt bringt, diesseits und jenseits – ich laß es nicht zu, ich laß es nicht zu!

Rote  Ihr seid besessen!

Graf  Das wär kein Wunder! Er will nach links ab.

Bader  entsetzt: Wohin, großer Gott?! Graf  Jetzt hol ich sie mir! Rasch ab nach links.

Bader  Ein Narr, ein Narr! Rennt sich in sein Verderben!

Rote  Sie hat ihn behext, sie hat ihn behext – Sie lehnt ihren Kopf weinend an des Baders Brust.

Bader  Aber Täubchen! Eine Frau soll nie weinen, das verdirbt den Charakter!


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