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Im Hofgasthaus. Wieder im Appartment des Musters. Der Morgen dämmert, aber es ist noch Nacht. Der Bader in Unterhosen packt rasch seine Gala ein. Der Hofwirt kommt von links in Schlafrock und Zipfelmütze; er hat eine Kerze in der Hand und ist sehr neugierig.
Hofwirt Man hat mich grad geweckt, Ihr seid schon zurück – Wie wars denn beim König? Was hat sich denn getan?
Bader läßt sich beim Packen nicht stören; grimmig: Getan hat sich allerlei –
Hofwirt Was hat denn der König gesagt?
Bader Garnichts hat er gesagt.
Hofwirt Wie soll ich das verstehen? Sprecht! Werdet deutlicher!
Bader Schön, dann werd ich deutlicher! Der König war garnicht da.
Hofwirt perplex: Garnicht da?!
Bader Wann fährt die nächste Post?
Hofwirt Wohin?
Bader Nach Hermannstadt.
Hofwirt Ihr wollt auch bereits retour?
Bader Wieso auch?
Hofwirt Weil schon zwei nach Hermannstadt fahren, aber die sind derart verliebt ineinander, daß man nichts aus ihnen herausquetschen kann – die sehen und hören nur sich –
Bader unterbricht ihn: Von mir aus!
Hofwirt Wenn Ihr wüßtet wer die Beiden sind –
Bader wie zuvor: Mir ist das wurscht!
Hofwirt Ich täts Euch ja gern erzählen –
Bader wie zuvor: Es interessiert mich nicht, Herr! Ich hab jetzt andere Sorgen!
Rote kommt von links; sie macht einen mitgenommenen Eindruck und ist noch immer etwas beschwipst; zum Bader: Servus, Majestät!
Bader erblickt sie und greift sich an den Kopf: Großer Gott!
Hofwirt zur Roten: Ah, Küßdiehand, Gnädigste, ergebenster Diener, meine Verehrung.
Rote fällt ihm ins Wort: Servus, servus! Sie setzt sich. Püh, hab ich müde Füß –
Bader Eine Frau soll nie sagen, daß sie müde Füß hat. Weil das desillusioniert.
Rote macht eine wegwerfende Geste: Die Illusion ist ein schwankendes Rohr im Winde – Zum Hofwirt. Der Herr Statthalter haben mich hergefahren. Ein netter Mensch, ein flotter Gesellschafter und sehr belesen! Aber ein bisserl geizig –
Bader Benimm dich! Zum Hofwirt. Also seiens so gut und beschaffens mir einen Postplatz nach Hermannstadt, Raucher, Fenstersitz, in der Fahrtrichtung – Er schreit ihn plötzlich an, weil der kaum hinhört und nur die Rote betrachtet, die sich das Strumpfband richtet. Aber express, express, express!
Hofwirt braust auf: Was schreiens mich denn so an?!
Bader schreit: Weil ich nervös bin!
Hofwirt wütend: Adieu! Ab nach links und schlägt hinter sich die Türe zu.
Bader ruft ihm nach: Sie hauens da keine Türen zu, Sie sind nicht bei mir zuhaus! – Auch ein Hotelier!
Rote Du fährst schon retour?
Bader Wir sind nicht per du.
Rote ruhig: Kusch.
Bader fixiert sie: Wieviel haben wir denn getrunken?
Rote Zirka zwei Liter.
Bader Dann seis dir verziehen.
Stille.
Rote Ich fahr aber noch nicht retour. Morgen bin ich nämlich wieder mit dem Statthalter verabredet, er läßt mich in einer Sänfte abholen, hat er gesagt – er soll mir lieber drei Taler schenken, was hat man schon von einer Sänfte? Man sitzt drin und das ist alles. Er will mir seine türkischen Degen zeigen, aus Damaskus. Er sagt, er war der größte Privatsammler. Eigentlich ist er ein ordinärer Mensch. Da ist mir ja der Graf noch lieber, der hat wenigstens etwas Gefährliches –
Bader hat nun fertig gepackt, zieht sich seinen Reiseanzug an und nähert sich langsam der Roten: Ich hab mir jetzt was überlegt. Du stehst mir von Euch drei Weibern ohne Zweifel am nächsten, schon rein beruflich – also hör her: laß den Statthalter Statthalter sein, bleib nicht hier, sondern hau ab, und zwar so hurtig wie nur möglich!
Rote Warum?
Bader Weil es sich herausgestellt hat, daß das Muster nicht aus Selischtje ist.
Rote Was?! Also ich hab kein Wort, kein Wort!
Bader Möglich! Aber ich hab mit diesem Ratgeber gesprochen und ich laß mir die Händ abhacken, wenn dieser Bursche nicht alles weiß! Hau ab! Ich mein das jetzt direkt väterlich!
Rote Wohin? Nach Hermannstadt?
Bader Aber keine Idee! Ich hab doch zuvor das Billett nur bestellt, damit ich die Häscher auf eine falsche Spur lock! Ich fahr in die Türkei – und, weißt was? Fahr mit!
Rote In die Türkei?
Bader Was hast du denn hier schon verloren? Man sperrt dich ein, schneidet dir die Haar ab, man stellt dich auf den Pranger und spuckt dir ins Gesicht – ein so begabtes Kind! Wirst sehen, in der Türkei machen wir beide unser Glück. Wir ergänzen uns ja, ich werd dich offerieren und bring dich garantiert in einen glänzenden Harem hinein und schon haben wir beide ausgesorgt!
Rote Du im Harem? Was willst denn du dort werden?
Bader Was kann ich schon in einem Harem werden? Eunuch!
Rote Wie du das sagst! Als wär das nichts –
Bader Für mich ist das nichts, verlaß dich drauf!
Graf kommt verstört von links und sieht den Bader finster an.
Schauens mich nicht so an, Herr Graf! Ich bitt Sie nur, machens lieber kurzen Prozeß und bringens mich gleich um!
Graf Ich bin jetzt zu müde dazu, um dich zu töten – Er lächelt wehmütig und setzt sich langsam. Stundenlang irr ich schon herum – ich find und find keinen Ausweg mehr. Mein Kopf, mein Kopf!
Rote Tut er Euch weh, Herr Graf?
Graf Das auch.
Rote Dann hol ich ein Pulver – Sie will nach rechts ab.
Graf Danke, danke! Er soll mir ruhig wehtun. Jetzt soll er noch machen, was er will. Ich hab ihn eh nimmer lang –
Bader entsetzt: Herr Graf!
Graf ruhig: Du halt den Mund. Dir passiert nichts. Dieser König pflegt ja immer nur den Kopf zu bestrafen, das Hirn, den Führer – jaja, die kleinen Diebe läßt er laufen und die großen hängt er auf. Er liebt uns halt nicht, uns Aristokraten – Er lächelt wieder wehmütig.
Bader horcht erfreut auf: Der König wird mir nichts tun?
Graf Nein. Aber ich. Ich laß dich rösten.
Rote Geh, Herr Graf, seiens doch nicht immer gleich derart pessimistisch!
Graf lächelt selbstironisch: Hast recht – ich hab ja allen Grund, um befriedigt zu sein! Sieg auf der ganzen Linie! Seine Majestät, der König, geben dem Grafen von Hermannstadt dreihundert tüchtige Männer!
Rote Ist das wahr?! Graf Er hats mir selber gesagt.
Bader Na also!
Graf Aber Seine Majestät wollen diese Männer höchstpersönlich nach Selischtje bringen, um sich höchstpersönlich zu überzeugen, ob die dreihundert Damen von Selischtje so schön sind, wie mein Muster es ist. Sind sies nicht, verlier ich meinen Kopf.
Bader Krach in die Melone!
Graf Er hats mir selber gesagt.
Rote zum Grafen: Ihren Kopf?!
Bader Ich wunder mich nur, wieso hat mich heut noch nicht der Schlag getroffen – Er will ab nach links.
Graf automatisch: Wohin?
Bader Bin gleich wieder da – Ab nach links.
Stille.
Rote nähert sich langsam dem Grafen: Jetzt müßt Ihr fliehen?
Graf lächelt wehmütig: Vertrieben von Haus und Hof – Er starrt ernst vor sich hin. Ich kann ohne Geld nicht leben.
Rote Das kann niemand.
Stille.
Graf Wie verdient man Geld?
Rote Mit oder ohne Arbeit?
Graf Ohne.
Stille.
Rote betrachtet ihn ernst und liebevoll: Verlaß dich auf mich.
Graf sieht sie erstaunt an.
Rote wie zuvor. Du liegst auf der Straße?
Graf Ja.
Rote Dann bleib ich bei dir. Sie setzt sich neben ihn.
Graf horcht etwas auf und wirft einen Blick auf sie; dann nimmt er seinen Degen und zeichnet am Boden.
Was zeichnest da?
Stille.
Rote Eigentlich hast du mir immer gefallen und ich habs mir immer heimlich gewünscht, wenn er nur nichts hätt, wenn er nur nichts wär, wenn er nur ganz zugrund gehen würd – dann würd er mir nämlich erhalten bleiben.
Graf Das hast du dir gewünscht?
Rote Ja.
Graf ohne jede Bitterkeit: Das ist lieb von dir.
Rote lächelt leise: Komisch. Jetzt ists mir, als hätt ich uns hier schon mal sitzen gesehen – Komm, gib mir einen Kuß. Graf gibt ihr einen Kuß. Ich küß nämlich sonst garnicht gern –
Bader kommt wieder von links. Thomas kommt rasch mit der Schwarzen reisefertig von rechts.
Bader schreit entsetzt auf: Thomas!
Thomas lächelt glücklich: Da schreist, was?! Habe die Ehre, Herr Graf! Auf gehts! Nach Hermannstadt! Und in drei Wochen ist Hochzeit!
Schwarze Der König hats uns erlaubt!
Bader Wer hats Euch erlaubt?!
Schwarze Seine Majestät, Matthias Corvinus, König von Ungarn!
Thomas Ja, ich hab ihn bestochen
Rote Bestochen?
Schwarze Mit einem Taler.
Bader völlig verwirrt: Mit nur so wenig?! Wo, wo habt Ihr denn den König bestochen, wollt sagen: getroffen?
Thomas Draußen im Schloß.
Bader Der war draußen?!
Schwarze Ihr habt ja auch mit ihm dischkuriert!
Bader Ich?!
Schwarze Auf der Terrasse. Der König war niemand anderer als dieser Ratgeber – Sie lacht leise.
Bader außer sich: Dieser?! Jener?! Jetzt häng ich mich auf!
Rote Das war der König?!
Thomas Ja.
Rote Wenn ich das gewußt hätt!
Bader völlig verzweifelt: Er hat mir noch gesagt: »Wer den König betrügt, der verliert den Kopf« – Ich bitt Euch, schauts hinaus, ob die Häscher nicht schon nahen –
Schwarze Aber der König nimmts doch nicht so tragisch! Er ist ein gerechter Mann –
Thomas fällt ihr ins Wort: Komm! Höchste Zeit, sonst verpassen wir noch unsere eigene Hochzeit! Zum Grafen, der während der ganzen Szene kaum reagierte und nur seine Manderln zeichnet. Habe die Ehre, Herr Graf! Zum Bader und zur Roten. Auf Wiedersehen in Siebenbürgen!
Schwarze Beim Einhorn, beim Einhorn! Ab mit Thomas nach links.
Rote plötzlich: Wenn ich das gewußt hätt!
Bader Was?
Rote Daß dieses Bürscherl er selber ist! Dann hätt ich mich doch nicht mit dem Statthalter abgegeben, sondern gleich mit ihm selber – ein so ein Pech! Jetzt hat sie ihn.
Bader Wer?
Rote Sie ist mit ihm auf einer Bank gesessen, im Mondschein – Hand in Hand, wie die Kinder. Ich habs deutlich gesehen vom ersten Stock und hab mir noch gedacht, da schau her, die gibt sich mit einem Schreiber ab, wo ich einen Statthalter hab! Ich war noch stolz, recht geschiehts mir!
Graf lauernd: Mit wem ist der König auf der Bank gesessen?
Rote Na mit der Blonden!
Bader schluckt: Das ist zuviel.
Graf faßt sich ans Herz.
Bader schreit den Grafen plötzlich an. Ich bitt Sie, bringens mich aber jetzt endlich auf der Stell um, ja?! Nur nicht wieder verschieben, meine Nerven halten das nicht mehr aus!
Rote perplex zum Grafen: Was hat er denn?
Stille.
Rote Wer ist denn eigentlich diese blonde Person? Zu uns gehört sie mal sicher nicht, aber raffiniert ist dir die für zwölfe! Der Teufel soll mich auf der Stelle holen, wenn die uns nicht alle in die Tasche steckt! Ich täts auch beschwören, sie hat es schon vorher gewußt, daß dieses Bürscherl der König ist!
Graf unheimlich ruhig: Sie saß auf der Bank?
Rote Ja.
Graf Mit dem König?
Rote Ja.
Graf Und?
Rote Und – no und: nichts. Eigentlich war nichts –
Graf grimmig: Eigentlich –
Rote Was habt Ihr denn mit dieser Blonden, daß Ihr so aus dem Häusel seid?
Graf zum Bader: Sags ihr!
Bader erschöpft: Ich kann nicht mehr.
Graf zur Roten: Sie ist meine Frau.
Rote außer sich: Frau?! Euere Frau?! Die Gräfin von Hermannstadt?! Ujjegerl!
Bader hält sich die Ohren zu: Kreisch nicht!
Rote Ich sags ja immer: man lernt nicht aus, man lernt nicht aus! Eine Gräfin von Hermannstadt! Armer Herr Graf!
Graf Bemitleid mich nicht!
Rote Nanana! Gar so von oben herab – Stille.
Bader verwirrt: Das Beste ist, Herr Graf, Ihr geht, wies Tag wird, zum ersten nächsten Advokaten und laßt Euere Ehe für ungültig –
Graf unterbricht ihn: Hier wird nichts für ungültig erklärt, nichts, nichts! Nein, das laß ich nicht zu! Und wenn sie mir alles Unheil der Welt bringt, diesseits und jenseits – ich laß es nicht zu, ich laß es nicht zu!
Rote Ihr seid besessen!
Graf Das wär kein Wunder! Er will nach links ab.
Bader entsetzt: Wohin, großer Gott?! Graf Jetzt hol ich sie mir! Rasch ab nach links.
Bader Ein Narr, ein Narr! Rennt sich in sein Verderben!
Rote Sie hat ihn behext, sie hat ihn behext – Sie lehnt ihren Kopf weinend an des Baders Brust.
Bader Aber Täubchen! Eine Frau soll nie weinen, das verdirbt den Charakter!