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Wieder im Park vor dem Jagdschloß des Königs. Der Morgen graut, bald kommt die Sonne. Der Lakai steht vor der Türe und späht in den Park hinaus, dann horcht er plötzlich auf, wendet sich um und verbeugt sich, denn in der Türe erscheint der Hofbeamte.
Hofbeamter Haben Majestät meine Abwesenheit bemerkt?
Lakai Keineswegs, Exzellenz!
Hofbeamter sieht sich um: Wo steckt er denn?
Lakai Im Park.
Hofbeamter Noch immer?
Lakai Schon seit Stunden. Mit der blonden Dame, Exzellenz –
Hofbeamter Jaja, es ist eine warme Nacht.
Stille.
Lakai Exzellenz, es ist etwas Entsetzliches passiert. Ein Exzeß, Exzellenz –
Hofbeamter Was?!
Lakai Vor zirka zehn Minuten taucht hier plötzlich der Herr Graf von Hermannstadt auf und begehrt mit einem direkt irren Blick nach Seiner Majestät. Wir sagen, wir hätten keine Ahnung, wo sich Seine Majestät befände – da begehrt er nach jener blonden Dame. Wir sagen wieder, daß wir nichts wüßten – da zieht er den Degen –
Hofbeamter fällt ihm ins Wort: Den Degen?!
Lakai Er wollt uns alle massakrieren!
Hofbeamter War er betrunken?
Lakai Nein, Exzellenz, ich glaub, er ist verrückt geworden –
Hofbeamter Verrückt?
Lakai Immer wieder hat er geschrien, er hätt sein Weib auf seiner Burg wie eine Gefangene gehalten, aber nur, um sie nicht zu verlieren –
Hofbeamter unterbricht ihn: Was heißt das?
Lakai Lauter ungereimtes Zeug! Sein Weib sei eine Hexe, aber er liebe sie trotzdem, er hätt sie ja immer geliebt und würde sie auch immer lieben, selbst noch in der Höll, trotzdem sie nur Unheil brächt, die Pest, den Krieg, den Tod etcetera – etcetera! Wir mußten Gewalt anwenden, die Wache hat ihn überwältigt – jetzt sitzt er im Keller.
Hofbeamter denkt nach: »Sein Weib«, hat er gesagt? – Ah, nun geht mir allmählich ein Lichtlein auf –
Lakai lauscht plötzlich in den Park: Pst! Majestät – Er zieht sich mit dem Hofbeamten zurück; ab durch die Türe.
Matthias kommt mit der Blonden aus dem Park, hält mit ihr unterhalb der Terrasse und deutet nach dem Horizont, Jetzt kommt bald die Sonne.
Blonde blickt auf den Horizont: Schön.
Stille.
Matthias Wie heißt Ihr eigentlich mit dem Vornamen?
Blonde Ist das so wichtig?
Matthias Ja.
Blonde Ich sag ihn aber nicht. Weil er mir nicht gefällt.
Matthias Vielleicht gefällt er mir.
Blonde Sicher nicht. Ich kenn ja Eueren Geschmack – Sie lächelt. Stille.
Matthias Wollt Ihr nicht bei mir bleiben?
Blonde Ich sagt Euch doch schon, daß ich verheiratet –
Matthias fällt ihr ins Wort: Wir werden die Ehe für ungültig erklären lassen. Ich bin schon mit schwierigeren Dingen fertig geworden.
Blonde Na!
Matthias Wer ist denn Euer Mann?
Blonde Er kümmert sich nicht um mich.
Matthias Liebt Ihr ihn noch?
Blonde Wenn er mich lieben würde – Sie lächelt.
Stille.
Matthias Wer seid Ihr?
Blonde als hätte sie seine Frage überhört: Ihr werdet ihm doch nicht den Kopf nehmen?
Matthias verwirrt: Wem?
Blonde Diesem Herrn Grafen von Hermannstadt.
Matthias Ich begreif es nicht, was kümmerts Euch? Jetzt fragt Ihr mich schon das vierte Mal!
Blonde Einen Kopf zu verlieren, ist doch keine Kleinigkeit –
Matthias Er hat mich betrogen.
Blonde Aber gleich dafür den Kopf zu nehmen, das wäre doch ein bisserl ungerecht. Der König ist doch ein christlicher Monarch und kein despotischer Sultan – Sie lächelt. Mein Gott, man betrügt doch so leicht, und oft weiß mans garnicht –
Matthias betrachtet sie: Dieser Graf sagte vorhin, Ihr wäret eine Hexe –
Blonde traurig: Ja, das sagt er immer. Immer gibt er mir alle Schuld.
Stille.
Matthias Ich ahn es nicht, wer Ihr seid, ich fühl es nur, Ihr seid irgendwie gefährlich – verflucht gefährlich –
Blonde entsetzt: Sagt das nicht! Nicht dieses Wort!
Matthias perplex: Welches? »Gefährlich«? Das ist bei mir ein Kompliment!
Blonde Nein, das andere! Bitte, nicht –
Matthias Was hab ich denn noch gesagt? Weiß ich gar nicht mehr!
Blonde Ihr habt gesagt: verflucht.
Matthias Na und?
Blonde Es gibt Kinder der Sonne und Kinder der Nacht.
Stille.
Matthias Ihr glaubt, daß es verfluchte Menschen gibt?
Blonde Ich weiß es.
Stille.
Matthias fixiert sie: Jemand, der so schön singen kann –
Blonde Vielleicht gerade deshalb.
Stille.
plötzlich. Ich muß jetzt weg.
Matthias Warum?
Blonde Laßt mich, bitte! Ich warn Euch vor mir – ich bring ja nur Unheil, immer nur Unheil, Unheil –
Matthias Wer könnt denn Euch verflucht haben!
Blonde Mich persönlich niemand. Aber meine Familie –
Matthias Dann gehen wir doch gleich bis Adam und Eva –
Blonde fällt ihm ins Wort: Macht keine Scherze! Ich hab schon soviel leiden müssen –
Matthias fällt ihr ins Wort: Ich scherze nicht! Ich glaub so wenig an verfluchte Geschlechter, wie an Hexen!
Blonde starrt ihn an: Ihr glaubt nicht, daß es Hexen gibt?
Matthias Nein. Ich bin ja nicht blöd.
Stille.
Blonde Glaubt Ihrs denn auch nicht, daß man mit Teufelsrezepten Gold machen kann?
Matthias Ich glaub an keine Teufelsrezepte, der Satan braucht keine Rezepte, um eine Seele für sich zu kurieren – und leider glaub ich auch nicht daran, daß man Gold machen kann. Leider, leider!
Stille.
Blonde Darf ich Euch noch etwas fragen?
Matthias Nur zu! Ich antworte gern!
Blonde langsam: Glaubt Ihr, daß sich die Erde um die Sonne dreht?
Matthias perplex: Die Erde um die Sonne?
Blonde Ja.
Stille.
Blonde Mein Onkel hats irgendwo gehört und hats dann im Casino erzählt. Sie haben ihn vom Fleck weg verhaftet und haben ihm beide Ohren abgeschnitten.
Matthias Beide Ohren?
Blonde Ja.
Matthias Das war aber noch vor meinem Regierungsantritt?
Blonde Damals war ich noch nicht auf der Welt.
Matthias Drum. Also wenn sich jemand für eine solche Behauptung die Ohren abschneiden läßt, dann dürft schon etwas Wahres dran sein. Vielleicht drehen sich halt beide umeinander – die Erde um die Sonne und die Sonne um die Erde.
Blonde lächelt: Vielleicht!
Matthias Es dreht sich im ganzen Leben immer alles so umeinander herum – nicht?
Blonde Ja. Sie seufzt, leise. Jetzt, zum Beispiel, seid Ihr die Sonne –
Matthias Nein, die Erde – Sie sieht ihn groß an.
Stille.
Leise. Bleibt bei mir. Ich war immer allein.
Blonde Ihr seid ja auch der König.
Stille.
Matthias Was denkt Ihr jetzt?
Blonde Es steht jemand hinter der Tür und schaut uns zu.
Matthias Wer? Wo? Er tritt rasch zur Türe und ergreift den Lakai, der hinter der Türe lauscht. Ach!
Lakai entsetzt: Gnade, Majestät.
Matthias Du spionierst?
Lakai Nein, um Gottes Willen, Majestät! Majestät, ich wollte ja nur gerade etwas Fürchterliches melden – Er spricht leise auf Matthias ein, damit ihn die Blonde nicht hört.
Matthias kriegt große Augen: Was?!
Lakai Sehr wohl, Majestät!
Matthias Einen Augenblick! Rasch ab durch die Türe mit dem Lakai.
Blonde sieht ihm überrascht nach.
Hofbeamter der ebenfalls hinter der Türe lauschte, tritt nun vor, sieht sich heimlich um und verbeugt sich leicht vor der Blonden: Wir hatten bereits das Vergnügen –
Blonde Ja.
Hofbeamter Ich warne Euch. Weiß der König bereits wer Ihr seid?
Blonde wird unsicher: Ich versteh Euch nicht –
Hofbeamter Hm. Ratet mal, wer im Keller sitzt.
Blonde unsicher: Im Keller?
Hofbeamter Euer Gatte.
Blonde fährt herum: Wer?! Was redet Ihr da?!
Hofbeamter Euer Gatte, Frau Gräfin. Der Graf von Hermannstadt.
Blonde starrt ihn außer sich an.
Stimmts?
Blonde wie zuvor: Woher wißt Ihr, daß ich –
Hofbeamter fällt ihr ins Wort: Er hat es mir selber erzählt. Ich hab ihn im Keller besucht –
Blonde unterbricht ihn: In was für einem Keller?!
Hofbeamter Ja ja, Gräfin, unheimliche Situation. Wie konntet Ihr auch nur derartig leichtfertig handeln? Zuerst betrügen Graf und Gräfin den König mit dem Muster, dann wandelt Ihr mit ihm die halbe Nacht im Park herum, und dann erscheint gar Euer Gatte und möcht uns hier alle massakrieren –
Blonde Massakrieren?!
Hofbeamter Getobt hat er, daß drinnen im Saal die Geweihe von den Wänden gefallen sind – alles wegen seinem Geweih! Wie konntet Ihr nur damit rechnen, daß Euer Mann Euch so liebt!
Blonde Liebt? Er liebt mich?!
Hofbeamter Er ist ja schon wirr vor lauter Liebe!
Blonde Wunderbar!
Hofbeamter perplex: »Wunderbar«?
Blonde Oh Himmel, ist es denn zum fassen! Er liebt mich, er liebt mich, daß die Geweihe von den Wänden fallen – ich habs ja immer geahnt, immer geahnt!
Hofbeamter Habt Ihr denn keine Angst vor dem König?
Blonde Nein, nein! Jetzt fürcht ich keinen König, keinen Kaiser, keinen Sultan! Oh, wie dank ich meinem Schicksal! Jetzt hab ich endlich die Kraft und den Mut, ihm zu beweisen, daß ich kein Unheil bring! Er liebt mich, er liebt mich – Sie lacht leise und glücklich vor sich hin.
Matthias tritt mit dem Grafen, der einen Verband um die Stirne trägt, durch die Türe auf die Terrasse: Gräfin von Hermannstadt! Darf ich Euch Eueren Gatten vorstellen – er liebt Euch so blind, daß er sich dabei ein bisserl den Kopf angestoßen hat. Ja, und dabei solls auch bleiben, denn es ist richtig, was Ihr mir vorhin sagtet: man betrügt doch so leicht und oft weiß mans gar nicht – Er lächelt ein bisserl traurig.
Graf horcht etwas mißtrauisch auf.
Matthias zum Grafen. Du verdankst es ihr, nur ihr – ich bitt dich, schau nicht so grimmig! Sie blieb dir treu.
Graf fixiert die Blonde: Ist es wahr?
Blonde Was der König sagt, ist immer wahr.
Matthias Viermal hat sie um deinen Kopf gebeten –
Blonde Nur dreimal.
Matthias So? Zum Grafen. Also den Kopf hätten wir ja wieder – aber die dreihundert Männer für Selischtje, die siedeln, mir scheint, im Mond.
Blonde Warum im Mond, Majestät? Selischtje ist doch so lieblich – die Erde ist gut, der Wald ist dicht, sauber die Höfe und jeder hat sein Feld. Gewiß, die Frauen sind wirklich nicht schön, das stimmt – aber sind denn alle Männer schön? Gibts denn unter Euch Männern nur Schönheiten? Gebt doch den häßlichen Weibern häßliche Männer – Ihr werdet schon welche finden, und wenn nicht, dann will ich Euch, Majestät, gerne beim Suchen helfen.
Matthias lächelt und wendet sich an den Grafen: Glaub es mir, diese Frau bringt kein Unglück, im Gegenteil: seit ich sie kenne, geht alles besser. Der Weizen steht herrlich, seit Jahren gabs nicht mehr soviel Trauben, in der ganzen Zeit kein einziger Fall von Pest, und der Sultan ist unwahrscheinlich friedlich – und Selischtje kriegt dreihundert Männer, häßlich wie der Teufel selber –
Graf lächelt: Ihr lacht mich aus?
Matthias Ja. Es kommt nicht darauf an, ob man einer verfluchten Rasse angehört, es kommt darauf an, ob man Rasse hat. Lebt wohl, Gräfin von Hermannstadt! Und wenn Euch Euer Gatte wieder einsperren möcht, dann kommt nur zu mir, ich hör Euch an, denn es ist wichtig, daß es der Frau gut gehe – schließlich seid Ihr Frauen ja immerhin die größere Hälfte meines Volkes. Lebt wohl, Graf und Gräfin von Hermannstadt!
Graf und die Blonde verbeugen sich und ab in den Park.
Blonde hält nochmals; zu Matthias; leise: Auf Wiedersehen – Ab.
Matthias sieht den beiden nach: Auf Wiedersehen? – Er nickt nein und lächelt. Schad darum! Er will ab in das Schloß und winkt dem Hofbeamten.
Hofbeamter Majestät?
Matthias Das Nächste!