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Das Mittelalter (400-1300 n. Chr.) bildet einen Zeitabschnitt von grosser Bedeutung sowohl für die wirtschaftliche als auch für die allgemeine Geschichte Europas. Es stellt einen langandauernden Uebergangszustand dar, in welchem die Keime einer neuen Welt niedergelegt waren, in welchem jedoch nur wenig zur völligen Ausbildung gelangte. Schwerlich dürfte sich irgend etwas in der späteren Bewegung der europäischen Gesellschaft finden, was wir hier nicht, wenn zum grössten Teile auch nur in unreifer und unentwickelter Form, anträfen. Von Seiten der freidenkerischen Richtungen des vergangenen Jahrhunderts wurde das Mittelalter mit verächtlicher Geringschätzung behandelt, hauptsächlich wegen seiner verhältnismässigen Unfähigkeit auf literarischem Felde. Allein es gibt für die Menschheit wichtigere Dinge als die Literatur; die grossen Männer des Mittelalters hatten ihr bestes Können auf andern Gebieten zu betätigen. Die Entwickelung der katholischen Kirchenverfassung sowie die allmähliche Entstehung und Befestigung einer festen Ordnung nach der Auflösung des Westreiches nahm alle Fähigkeiten der Denker und der durch die Tat wirkenden Männer verschiedener Jahrhunderte in Anspruch. Die erste Phase des Mittelalters, vom Beginn des fünften Jahrhunderts bis zu Ende des siebenten, wurde ausgefüllt durch den langwierigen und stürmischen Kampf um die Gründung eines neuen kirchlichen und staatlichen Systems. Drei weitere Jahrhunderte nahm das Werk seiner Befestigung und Verteidigung gegen die Angriffe nomadischer Völkerschaften in Anspruch. Nur in seiner letzten Phase, während des elften, zwölften und dreizehnten Jahrhunderts, als die vereinte Abwehr der drohenden muselmännischen Ueberflutung die Einigung des Westens herbeigeführt hatte, erfreute es sich eines hinlänglich gefestigten und gesicherten Daseins, um seinen wahren Charakter entfalten und seine edelsten persönlichen Gestalten schaffen zu können. Die Ausbildung des Feudalismus schritt allerdings während des ganzen Zeitraums vorwärts und zeigte sich in der Zersetzung der Gewalt und in der hierarchischen Unterordnung seiner verschiedenen Abstufungen. Nur vorübergehend wurde diese Bewegung in der zweiten Phase durch die heilsame Machthaberschaft Karls des Grossen aufgehalten. Indessen befestigte sich das Lehnssystem erst völlig im ersten Jahrhundert der letzten Phase. Gleicherweise konnte sich das – für alle Zeiten bewundernswerte, obgleich notwendigerweise im grossen Ganzen verfehlte – Streben des Katholizismus nach einer allumfassenden Disziplin erst in der letzten Phase im grossen Massstabe betätigen.
Unter der völligen Herrschaft des Feudalismus war eine umfangreiche oder vielseitige wirtschaftliche Tätigkeit nicht möglich. Zwar war diese Organisation, wie zum Ueberdruss von philosophischen Geschichtsforschern nachgewiesen ist, durchaus notwendig zur Aufrechterhaltung der Ordnung sowie zur Verteidigung des Staates und lieferte wichtige Elemente zur allgemeinen Zivilisation. Wenn wir sie aber als berechtigt anerkennen und ihr eine verhältnismässig wohltätige Wirkung zuschreiben, dürfen wir doch keine Vorzüge von ihr erwarten, welche sich mit ihrem Wesen und ihren geschichtlichen Aufgaben nicht vereinigen lassen. Die in ihr vorherrschende Klasse hatte keine Sympathie für wirtschaftliche Tätigkeit und verachtete alle Handarbeiten, mit Ausnahme derjenigen, welche den Zwecken des Kriegs und des ländlichen Sports dienten. Das gesamte praktische Leben der Gesellschaft war auf dem Grundeigentum begründet. Der Reichtum des Grundherrn bestand in den Erzeugnissen seiner Ländereien und in den Naturalabgaben der Zinspflichtigen und wurde zur Ernährung einer Anzahl von Mietsleuten verwandt, welche durch ihren Unterhalt die Bezahlung für ihre Dienste erhielten.
Unter diesen Verhältnissen war für gewerbliche Tätigkeit wenig Raum vorhanden, und noch weniger für den Handel. Auch der Betrieb der Landwirtschaft hatte nur die Bedürfnisse der Familie oder allenfalls der nächsten Umgebung, nicht jedoch die eines ferneren Marktes im Auge. Die Wirtschaft dieses Zeitraums war daher einfach und zeigte wegen mangelnden äusseren Antriebs keinen Fortschritt.
Diese Verhältnisse erlitten gewaltige Veränderungen durch verschiedene gegen Ende des Mittelalters in Wirksamkeit tretende Umstände. So hatten ohne Zweifel die Kreuzzüge bedeutende wirtschaftliche Folgen, indem sie in zahlreichen Fällen die Besitzungen der Feudalherrn den gewerbetreibenden Klassen überlieferten, während sie andererseits verschiedene Nationen und Rassen in Berührung brachten, den Gesichtskreis und die Vorstellungen der Völker erweiterten, ferner insbesondere anregend auf die Schiffahrt einwirkten und somit dem Welthandel neues Leben verliehen. In den unabhängigen Städten und der wachsenden Bedeutung der Bürgerklasse entstand der Macht der Landaristokratie ein wirksames Gegengewicht; zudem wurde die Stärke der neuen gesellschaftlichen Elemente vermehrt durch die genossenschaftliche Verfassung der städtischen Industrien, und wie die Polizei der ländlichen Gebiete in den feudalen Beziehungen begründet war, stützte sich jene der Städte auf die gewerblichen Gilden. Die wachsende Nachfrage der Städte nach den Erzeugnissen der Landwirtschaft verlieh ihrem Betriebe mehr den Charakter eines geschäftlichen Unternehmens sowie eine grössere Ausdehnung, und dies zog wiederum verbesserte Verkehrs- und Beförderungsmittel nach sich. Der Umfang der Handelsunternehmungen blieb indessen überall ein beschränkter, ausgenommen an einigen günstig gelegenen Mittelpunkten des Verkehrs, wie z. B. in den italienischen Freistaaten, in denen allerdings die Entfaltung der normalen Gewohnheiten des Wirtschaftslebens durch einen kriegerischen Ehrgeiz verhindert oder vernichtet wurde, den hier nicht wie anderwärts eine Aristokratenklasse im Zaume hielt.
Jeder bedeutende Wechsel in den Anschauungen über die Bestimmung des Menschengeschlechts und über die leitenden Grundsätze des Verhaltens muss auf das Gebiet der materiellen Interessen zurückwirken; daher übte auch die katholische Religion einen mächtigen Einfluss auf das Wirtschaftsleben des Mittelalters. Das Christentum lehrt vielleicht nicht eindringlicher als die älteren Religionen die besonderen wirtschaftlichen Tugenden des Fleisses, der Sparsamkeit, des Haltens eingegangener Verbindlichkeiten und des Gehorsams gegen die rechtmässige Obrigkeit. Aber es stellte stärker und beharrlicher die höheren Lebensziele in den Vordergrund und schuf hierdurch eine erhabenere Art und Weise der Betrachtung der verschiedenen gesellschaftlichen Verhältnisse. Es brachte Reinheit in das Familienleben, – eine Vervollkommnung, welche die wichtigsten wirtschaftlichen Ergebnisse im Gefolge hatte. Es lehrte den Grundsatz menschlicher Gleichheit, erhöhte die Würde der Arbeit und predigte mit ungewöhnlichem Nachdruck die Pflichten der Liebe, des Mitleids, der Vergebung und der Wohltätigkeit gegen die Armen. Diese Ideen, deren dogmatische Grundlagen damals schwerlich wie jetzt Zweifler angriffen, wurden dem Volksgeist und dem Volksgewissen beständig vor Augen gehalten und müssen hierdurch eine mächtige sittlichende Wirkung auf das Leben ausgeübt haben. Zu dem Einfluss des Christentums als einer Sittenlehre gesellte sich indessen jener der Kirche als einer Organisation, welche die Aufgabe hatte, die christliche Lehre auf die alltäglichen Handlungen der Menschen anzuwenden. Eine umfangreiche kirchliche Gesetzgebung, besondere Vorschriften für die Gläubigen erteilend, entstand neben den Lehren der heiligen Schriften. Sie befasste sich sowohl mit dem wirtschaftlichen als auch mit andern Gebieten gesellschaftlichen Wirkens. Das Corpus juris canonici, in welchem die Ergebnisse jahrhundertelangen Forschens und Mühens zusammengedrängt sind, enthält neben vielem andern dasjenige, was wir die katholische Wirtschaftstheorie nennen können Vgl. über die wirtschaftliche Seite der kanonischen Gesetzgebung besonders: W. Endemann, Studien in der romanisch-kanonistischen Rechtslehre bis gegen Ende des 17. Jahrhunderts, 2 Teile, 1874-83, und Th. Sommerlad, das Wirtschaftsprogramm der Kirche des Mittelalters, 1903.. Unter Theorie dürfen wir hierbei jedoch nicht ein auf Vernunftschlüssen beruhendes Erklären von Erscheinungen verstehen, sondern eine Summe von Begriffen, welche lediglich Verhaltungsvorschriften bezwecken. Das Leben wird hier unter dem Gesichtspunkte der geistigen Wohlfahrt betrachtet; das Endziel ist die Schaffung und Erhaltung eines wahren Gottesreichs unter den Menschen.
Die Kanonisten neigen aus Gründen des Gefühls zur Gemeinschaft der Güter (»Am lieblichsten ist der gemeinsame Besitz der Dinge«. Dulcissima rerum possessio communis est), obwohl sie den Unterschied zwischen Mein und Dein als eine Satzung betrachten, welche durch den Sündenfall des Menschengeschlechts notwendig geworden sei. Die öffentliche Gewalt hat das Recht, in Fällen der Not »pro hac vice« die ursprüngliche Gemeinschaft wieder herzustellen. Die Armenpflege wird nicht dem freien Belieben überlassen: ihre Betätigung ist eine gesetzliche Pflicht (debitum legale). Der Geiz (avaritia) ist Götzendienst; die Habsucht (cupiditas) ist, selbst wenn sie nicht nach fremdem Gute trachtet, die Wurzel alles Uebels und sollte nicht bloss geregelt, sondern unterdrückt werden. Landwirtschaft und Handwerk werden als berechtigte Mittel zum Erwerbe von Nahrung und Kleidung angesehen; der Handel jedoch unterliegt, als fast stets zum Betruge führend, einer ungünstigen Beurteilung. Daher heisst es von der Landwirtschaft: »Sie missfällt Gott nicht« (Deo non displicet), dagegen vom Kaufmanne: »Er kann Gott nicht gefallen« (Deo placere non potest). Nicht nach dem durch Angebot und Nachfrage bestimmten Preis des Marktes soll sich der Verkäufer mit seinen Waren richten, sondern nach ihrem wahren Wert (justum pretium). Er darf deren Fehler nicht verschweigen, noch die Not oder Unwissenheit des Käufers zur Erzielung eines höheren Preises als des angemessenen ausnützen. Das Nehmen von Zinsen ist verboten. Wie Roscher sagt, bildet das Wucherverbot den Mittelpunkt der gesamten kanonistischen Wirtschaftsordnung und die Grundlage eines grossen Teils der kirchlichen Gerichtsbarkeit. Während es bis dahin hauptsächlich an den Absichten der Parteien gelegen hatte, ob ein Uebereinkommen wucherischer Natur vorlag, blieb es von jetzt ab der Kirche überlassen, über das Unschädliche und Tadelnswerte eines Geldleihgeschäftes durch ihre Kasuistiker oder in ihren Gerichtshöfen zu entscheiden Roscher, Geschichte der Nationalökonomie in Deutschland, S. 5 ff..
Die angeführten Grundsätze zielen auf ein hohes Ideal; durch ihre Uebertreibung im Entsagen bildeten sie jedoch in mancher Richtung ein Hindernis für den wirtschaftlichen Fortschritt. Während z. B. die zunehmende Produktion in natürlicher Weise eine entwickeltere Arbeitsteilung und eine umfassendere Verwendung geliehenen Kapitals hervorrief, suchten die Wuchergesetze diese Ausdehnung zu verhindern. Ihre Wirksamkeit wurde daher durch verschiedene Ausnahmen aufgehoben, oder man umging sie durch Scheingeschäfte. Allerdings nahm man bei Erlass dieser Bestimmungen primitive Verhältnisse an, – eine Gesellschaft, in welcher Gelddarlehen im allgemeinen nur gesucht werden zu verschwenderischen Vergnügungen oder zur Linderung solchen drückenden Elends, welchem vielmehr die christliche Wohltätigkeit steuern sollte. Für eine Zeit aber, in welcher das Leihkapital dem wachsenden Unternehmungsgeist und der Beschäftigung von Arbeitskräften diente, waren sie gänzlich ungeeignet. Der absolute theologische Geist war weder in dieser noch in anderer Beziehung fähig, in den Regeln des allgemeinen Verhaltens Aenderungen zuzulassen, wie sie eine neue gesellschaftliche Lage erforderte, und der gewöhnliche Menschenverstand begriff besser, worin die Grundbedingungen des wirtschaftlichen Lebens bestanden.
Als gegen Ende des mittelalterlichen Zeitabschnittes die geistige Tätigkeit, welche bis dahin durch dringendere gesellschaftliche Erfordernisse zurückgedrängt worden war, anfing, neues Leben zu entwickeln, machte sich der Mangel einer verstandesmässigen Würdigung der Gesamtheit menschlicher Angelegenheiten fühlbar, und es wurde diesem Bedürfnis vorübergehend abgeholfen durch das Zurückgreifen auf die Ergebnisse des gediegensten griechischen Wissens. So begegnen wir in den Schriften des heiligen Thomas von Aquino den politischen und wirtschaftlichen Lehren eines Aristoteles, untermischt mit Bestandteilen des Christentums. Am auffallendsten zeigt sich sein Festhalten an dem Standpunkt seines Meisters in der Tatsache, dass er die Aristotelische Theorie der Sklaverei gelten lässt (wenigstens sofern er der Verfasser des Buches »Von der fürstlichen Gewalt« – de regimine principum – ist Ueber diese Frage siehe: Jourdain, philosophie de S. Thomas, vol. I, p. 141-49 u. 400., obwohl die treibenden Kräfte seiner Zeit bereits die letzten Reste dieser Einrichtung aus der europäischen Gesellschaft ausgeschieden hatten.
Diese wichtige Veränderung – die Befreiung der arbeitenden Klassen – ist das bedeutendste praktische Ergebnis des Mittelalters. Die Verwandlung der eigentlichen Sklaverei in Leibeigenschaft war der erste Schritt in dieser Richtung; die letztere bildete ihrem ganzen Wesen nach einen Uebergangszustand. An den Boden gebunden, besass der Leibeigene feststehende häusliche Beziehungen und nahm teil an dem religiösen Leben der Gesellschaft; alle ihn betreffenden Umstände sowie auch das Denken und Fühlen seiner Zeit zielten auf seine schliessliche Befreiung hin. Dieser Ausgang wurde allerdings von dem ländlichen Arbeiter nicht so schnell als von dem städtischen erreicht. Schon in der zweiten Phase des Mittelalters ist die Leibeigenschaft in den Städten aufgehoben, während sie auf dem Lande nirgends vor der dritten Phase verschwindet. Adam Smith schreibt diese Umwälzung der Wirkung selbstischer Interessen zu, und zwar entdeckte nach ihm einerseits der Grundbesitzer die grössere Ergiebigkeit der Bewirtschaftung durch freie Pächter, während andererseits das Staatsoberhaupt, den grossen Grundherrn gegenüber von Eifersucht erfüllt, die Auflehnung der Hörigen gegen deren Gewalt begünstigte. Ohne Zweifel muss indessen die Mitwirkung der Kirche an diesem Befreiungswerk anerkannt werden: sittliche Antriebe pflegen oft mit politischen und wirtschaftlichen Beweggründen sich in den Wirkungen zu vereinigen. Auf den Besitztümern der Kirche wurden die Leibeigenen am besten behandelt, und die Mitglieder des geistlichen Standes waren seit der Eroberung des Nordens sowohl durch ihre Lehre als durch ihre Stellung Beschützer und Vormünder der unterdrückten oder unterworfenen Klassen geworden.
Aus der Befreiung der Leibeigenen entstanden die ersten Grundzüge der hierarchischen Verfassung der modernen Wirtschaft in der Scheidung von Unternehmern und Arbeitern. Indem die nunmehr erworbene persönliche Freiheit der letzteren zu erhöhter Regsamkeit und selbständigem Handeln anspornte, führte sie zu Ansammlungen von Reichtum, die noch mehr gefördert wurden durch die Ordnung und geregelte Verwaltung, welche die aus der Befreiung erwachsenen städtischen Gemeinden herstellten. So wurde eine tätige Kapitalistenklasse ins Leben gerufen. Sie zeigte sich zuerst im Handel: die Bewohner der Handelsstädte importierten kostbare Luxusgegenstände aus fremden Ländern oder die vollendeteren gewerblichen Erzeugnisse reicherer Gemeinschaften, gegen welche die grossen Grundbesitzer bereitwillig die Rohprodukte ihrer Ländereien austauschten. Ferner eröffnete sich diesen Städten ein stets wachsendes Gebiet für Handelsunternehmungen durch die Herstellung einer Transportzwecken dienenden Verbindung mit andern Ländern. Wie Adam Smith gezeigt hat, förderte der Handel in einer späteren Periode die Produktion gewerblicher Erzeugnisse, die entweder für den auswärtigen Absatz hergestellt oder aus Stoffen des Auslandes verfertigt oder auch den Arbeiten fremder Handwerker nachgebildet wurden. Die erste bedeutende Entwickelung der Gewerbe im modernen Europa gehört dem vierzehnten und fünfzehnten Jahrhundert an; im eigentlichen Mittelalter macht sich der gewerbliche Unternehmer noch nicht bemerklich. Die Landwirtschaft bleibt natürlich zurück, denn obwohl die Feudalherren die Neigung bekunden, sich in landwirtschaftliche Unternehmer zu verwandeln, verzögern doch ihre Gewohnheiten und Vorurteile eine derartige Bewegung, und der Fortschritt der ländlichen Wirtschaft geht nur langsam von statten. Ein Fortschritt ist indessen immerhin bemerkbar, teils infolge des Anreizes, der aus dem Wunsch entsteht, sich die von auswärts eingeführten oder im eigenen Lande durch vermehrte Fertigkeit erzeugten feineren gewerblichen Produkte zu verschaffen, teils infolge der Verwendung des durch den Betrieb städtischer Industrien sich anhäufenden Kapitals zu landwirtschaftlichen Zwecken.
Unter den gewerblichen Körperschaften in den Städten besitzen einige dem Anscheine nach ein sehr hohes Alter, indessen gelangten sie erst im dreizehnten Jahrhundert durch ihre gesetzliche Anerkennung und Regelung zur Bedeutung. Die meisten Nationalökonomen, welche durchaus die Anschauungen des achtzehnten und neunzehnten Jahrhunderts auf das Mittelalter anwenden wollen, haben diese Körperschaften allzu einseitig verurteilt. Es ist allerdings richtig, dass sie für die neue Zeit nicht passten und daher verschwinden mussten; ihr Bestehen wurde in der Tat ganz ungebührlicherweise verlängert. Nichtsdestoweniger erwiesen sie sich von Anfang an als höchst wohltätige Einrichtungen: sie bildeten einen schätzbaren Vereinigungspunkt für die neuen industriellen Kräfte, welche durch den Gemeingeist, wie er in den Körperschaften gepflegt wurde, eine Stärkung erfuhren. Sie vervollkommneten die technische Fertigkeit durch die Vorsichtsmassregeln, welche im Interesse der Güte und vollendeten Ausführung der in jeder Werkstätte erzeugten Waren Anwendung fanden, und der heilige Ludwig hatte die Förderung der gewerblichen Künste im Auge, als er es unternahm, den Pariser Gewerken eine bessere Organisation zu geben. Ferner liessen sich die Körperschaften durch die Art der von ihnen ausgeübten freiwilligen Ueberwachung die Förderung guter Sitte angelegen sein, und sie waren bestrebt, das soziale Gefühl innerhalb der Grenzen eines jeden Berufszweiges zu einer Zeit zu entwickeln, in welcher kaum von einem erheblicheren Gemeinsinn die Rede sein konnte Ueber die volkswirtschaftliche Literatur des Mittelalters vergleiche ausser den in der Vorrede Angeführten: H. Contzen, Geschichte der volkswirtschaftlichen Literatur im M.-A., 2. Aufl., 1872, sowie V. Cusumano, dell' economia politica nel medio evo, 1876. Siehe auch W. J. Ashley, Introduction to English economic history and theory, vol. I, chap. 3, 1888..