Washington Irving
Die Alhambra
Washington Irving

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Statthalter Manco und der Soldat.

Wenn Statthalter Manco, oder der Einarmige, sich einigermaßen mit seiner Besatzung in der Alhambra zeigen wollte, so ärgerte er sich über die Vorwürfe, die man seiner Vestung immer machte, sie sey ein Heckenest für Schurken und Schleichhändler. Plötzlich beschloß der alte Herrscher eine Reform; er ging kräftig zu Werk, und warf ganze Vagabunden-Nester aus der Veste und den Zigeunerhöhlen, von welchen die Hügel umher durchlöchert sind. Auch sandte er Soldaten aus, welche die Wege und Stege durchstreifen, und alle Verdächtige aufgreifen mußten.

Eines klaren Sommer-Morgens saß eine solche Streifwache, bestehend aus dem mürrischen alten Korporal, der sich in der Notarsgeschichte ausgezeichnet hat, einem Trompeter und zwei Gemeinen, unter der Gartenmauer des Generalife, an der Straße, welche von dem Sonnenberg herab führt, als sie das Trampeln eines Pferdes und eine männliche Stimme hörten, welche in rauhen, obgleich nicht unmusikalischen Tönen ein altes kastilianisches Kriegslied sang.

Alsbald erblickten sie einen starken, sonneverbrannten Kerl, der, in die zerlumpte Uniform eines Infanteristen gekleidet, ein kräftiges arabisches Pferd, auf die alte maurische Art herausgeputzt, führte.

Der Korporal war über den Anblick eines fremden Soldaten, der, ein Roß am Zügel, diesen einsamen Berg niederstieg, sehr erstaunt, schritt vorwärts und rief ihn an.

»Wer da?«

»Gut Freund.«

»Wer und was seyd Ihr?«

»Ein armer Soldat, der eben aus dem Felde kommt, und als Lohn einen zerschlagenen Hirnschädel und leeren Beutel mitbringt.«

Sie waren unterdessen in den Stand gesetzt worden, ihn genauer zu betrachten. Er hatte ein schwarzes Pflaster über der Stirne, was, nebst einem graulichen Barte, den dem Teufel trozenden Charakter seines Gesichtes noch erhöhte, während ein leichtes Schielen über das Ganze einen gelegentlichen Strahl schelmischer Laune warf.

Als der Soldat die Fragen der Streifwache beantwortet hatte, schien er sich berechtigt zu erachten, auch dergleichen vorzubringen. »Darf ich fragen,« sagte er, »welche Stadt ich am Fuße des Hügels sehe?«

»Welche Stadt?« rief der Trompeter: »nun, das ist zu arg. Treibt sich dieser Bursche hier um den Sonnenberg herum, und fragt nach dem Namen der großen Stadt Granada!«

»Granada! Madre de Dios! ist es möglich?«

»Vielleicht nicht!« versetzte der Trompeter; »und Ihr habt vielleicht keine Vorstellung davon, daß jenes die Thürme der Alhambra sind?«

»Sohn einer Trompete,« versetzte der Fremde, »scherze nicht mit mir; und wenn jenes wirklich die Alhambra ist, so führt mich hin, ich habe dem Statthalter seltsame Dinge zu berichten.«

»Dazu werdet Ihr Gelegenheit haben,« sagte der Korporal, »denn wir gedenken euch vor ihn zu führen.« Mittlerweile hatte der Trompeter den Zügel des Pferdes gefaßt, jeder der beiden Gemeinen hatte sich eines Arms des Soldaten bemächtigt, der Korporal selbst stellte sich an die Spitze des Zugs, kommandirte »Vorwärts – marsch!« und dahin ging der Zug der Alhambra zu.«

Der Anblick eines zerlumpten Infanteristen und eines schönen arabischen Pferdes, welche die Streifwache eingebracht hatte, zog die Aufmerksamkeit aller Müßiggänger der Veste und jener geschwätzigen Gruppen an, die sich gewöhnlich früh Morgens um die Brunnen sammeln. Das Rad der Cisterne ruhte, und die Magd in ihren Schlarren stand gaffend, den Krug in der Hand, als der Korporal mit seinem Fang vorbei kam. Ein bunter Zug schloß sich nach und nach dem Nachtrab des Geleites an.

Weise Winke, Bemerkungen und Vermuthungen machten die Runde. »Es ist ein Ausreißer,« sagte der Eine. »Ein Schmuggler,« sagte ein Anderer. »Ein Räuber,« sagte ein Dritter; – bis es sicher und hergestellt war, daß der Hauptmann einer verzweifelten Räuberbande durch die Kühnheit des Korporals und seiner Leute gefangen worden sey. »Gut, gut,« sagten sich die alten Basen, »Hauptmann oder nicht – er mache sich einmal aus den Händen des Statthalters Manco los, wenn er kann, obgleich jener nur einhändig ist.«

Der Statthalter Manco saß in einem der innern Säle der Alhambra, und trank in Gesellschaft seines Beichtvaters, eines feisten Franziskanermönchs aus einem benachbarten Kloster, seine Tasse Morgen-Chocolade. Ein sittsames, schwarzäugiges Mädchen von Malaga, die Tochter seines Wirthschafters, bediente ihn. Die Welt gab zu verstehen, dieses Mädchen, die bei aller ihrer Sittsamkeit eine schlaue, dralle Hexe war, habe ein weiches Fleckchen in dem Eisenherzen des alten Statthalters gefunden, und habe ihn ganz unter dem Pantoffel. Doch still davon – die häuslichen Angelegenheiten dieser mächtigen Herrscher der Erde sollte man nicht so genau untersuchen.

Als die Nachricht kam, ein verdächtiger Fremder, der um die Vestung herumgeschlichen, sey eingefangen worden, und bereits in dem äußern Hof unter der Aufsicht des Korporals, der die Befehle Seiner Ercellenz erwarte, schwellte der Stolz und die Würde des Dienstes die Brust des Statthalters. Er gab die Chocoladetasse in die Hände des sittsamen Mädchens, ließ seinen Säbel mit dem großen Korbe holen, gürtete ihn um, drehte seinen Schnurrbart aufwärts, setzte sich in einen großen, hochrückigen Stuhl, nahm eine sauere und abschreckende Miene an, und forderte den Gefangenen vor sich. Der Soldat wurde hereingeführt, von seinen Gefangennehmern noch gehörig festgehalten, und von dem Korporal bewacht. Er zeigte jedoch ein entschlossenes, selbstvertrauendes Wesen, und gab den scharfen, forschenden Blick des Statthalters mit einem leichten Schielen zurück, was dem empfindlichen alten Potentaten keineswegs gefiel.

»Nun, Beklagter,« sagte der Statthalter, nachdem er ihn einen Augenblick schweigend angeblickt hatte, »was könnt ihr zu eueren Gunsten sagen – wer seyd ihr?«

»Ein Soldat, der eben aus dem Feld kömmt, und nichts davon getragen hat, als Narben und Wunden.«

»Ein Soldat – hem – ein Infanterist nach dem Rock. Ich höre, ihr hättet ein schönes arabisches Pferd. Ich vermuthe, ihr habt das auch aus dem Krieg davongetragen neben euern Narben und Wunden.«

»Ich habe, mit Eurer Excellenz Erlaubniß, etwas Seltsames in Betreff dieses Pferdes zu erzählen. In der That, ich habe eines der wunderbarsten Dinge zu berichten; etwas, das auch die Sicherheit dieser Veste, ja von ganz Granada angeht. Allein es ist ein Gegenstand, den ich euch nur allein anvertrauen kann, oder nur in Gegenwart solcher Leute mittheilen darf, welche euer Zutrauen haben.«

Der Statthalter dachte einen Augenblick nach, und befahl dann dem Korporal und seinen Leuten, sich zu entfernen, sich aber außen an der Thüre aufzustellen, und auf den ersten Ruf zur Hand zu seyn. »Dieser fromme Mönch,« sagte er, »ist mein Beichtvater, und ihr könnt alles in seiner Gegenwart sagen – und dieses Mädchen« – auf die Dienerin deutend, die mit dem Ausdruck großer Neugierde geblieben war – »dieses Mädchen ist sehr verschwiegen und bescheiden, und man kann ihr in allem vertrauen.«

Der Soldat sah mit einem halb schielenden, halb streifenden Blick auf das sittsame Mädchen. »Es ist mir ganz recht,« sagte er, »daß das Mädchen bleibt.«

Als sich die Uebrigen alle entfernt hatten, begann der Soldat seine Geschichte. Er war ein Kerl von geläufiger und geschmeidiger Zunge, und hatte eine Sprache zu seinem Befehl, die über seinen scheinbaren Stand ging.

»Mit Eurer Excellenz Erlaubniß,« sagte er, »ich bin, wie ich bemerkt habe, ein Soldat, und habe harte Tage im Dienste verlebt; da meine Zeit aber aus war, wurde ich vor kurzem aus der Armee von Valadolid entlassen, und trat zu Fuß meinen Weg nach meinem Vaterorte in Andalusien an. Gestern Abend ging die Sonne unter, als ich eine große dürre Ebene von Alt-Kastilien durchzog.«

»Halt!« rief der Statthalter; »was sagt ihr da? Alt-Kastilien liegt etwa zwei- bis dreihundert Meilen von hier.«

»Ganz recht,« versetzte der Soldat kalt. »Ich sagte Eurer Excellenz, ich hätte seltsame Dinge zu erzählen; allein nicht seltsamer als wahr, wie Eure Excellenz finden wird, wenn sie mich eines geduldigen Gehörs würdigt.«

»Weiter, Beklagter,« sagte der Statthalter, seinen Schnurrbart empordrehend.

»Als die Sonne unterging,« fuhr der Soldat fort, »warf ich meine Augen umher, um ein Lager für die Nacht zu suchen; allein so weit meine Blicke reichen konnten, war keine Spur einer Wohnung. Ich sah, daß ich mein Bett auf der nackten Erde, und den Schnapsack zum Kissen würde machen müssen; aber die Excellenz ist ein alter Krieger, und weiß, daß für den, der im Felde war, ein solches Nachtlager kein großes Unglück ist.«

Der Statthalter nickte Beifall, während er sein Taschentuch aus dem Säbelkorbe nahm, um eine Fliege, die um seine Nase summte, zu verscheuchen.

»Nun, um eine lange Geschichte abzukürzen,« fuhr der Soldat fort, »ich trollte mehrere Meilen weiter, bis ich zu einer Brücke kam, die über eine tiefe Schlucht ging, durch welche ein kleiner Bach floß, den die Sommerhitze fast ausgetrocknet hatte. An dem Ende der Brücke war ein maurischer Thurm, dessen oberer Theil ganz verfallen war; ein Gewölbe an dem Fundamente aber war wohlerhalten. Hier, dachte ich, ist ein guter Platz zum Anhalten; so stieg ich zum Bache nieder, und trank tüchtig, denn das Wasser war rein und gut, und ich war ausgetrocknet vor Durst; dann öffnete ich meinen Sack, und nahm eine Zwiebel und einige Krusten, aus denen mein ganzer Mundvorrath bestand, heraus, setzte mich auf einen Stein am Rand des Baches, und fing an mein Abendmahl zu verzehren, worauf ich mein Nachtquartier in dem Thurmgewölbe aufzuschlagen gedachte; und es wäre ein herrliches Quartier für einen Soldaten gewesen, der eben aus dem Felde kam, wie die Excellenz, als ein alter Soldat, sich wohl denken kann.«

»Ich habe zu meiner Zeit wohl schlimmeres freudig mitgenommen,« sagte der Statthalter, indem er sein Taschentuch wieder in den Korb seines Säbels legte.

»Während ich meine Kruste ruhig zermalmte,« fuhr der Soldat fort, »hörte ich, daß sich etwas in dem Gewölbe regte; ich horchte – es war der Tritt eines Pferdes. Allgemach kam aus einer Thüre in dem untern Theil des Thurms, nahe an dem Rande des Wassers, ein Mann heraus, der ein mächtiges Pferd am Zügel führte. Ich konnte bei dem Sternenlichte nicht genau sehen, wer er war. Es hatte etwas Verdächtiges, in den Ruinen eines Thurmes, an diesem wilden, einsamen Orte herumzustöbern. Er konnte ein bloßer Wanderer seyn, wie ich; er konnte ein Schmuggler seyn; er konnte ein Bandelero seyn. Was lag daran! dem Himmel und meiner Armuth Dank, ich hatte nichts zu verlieren; drum saß ich still, und nagte an meiner Kruste. Er führte das Pferd an das Wasser, ganz nahe dem Flecke, wo ich saß, so daß ich die beste Gelegenheit hatte, ihn näher in's Auge zu fassen. Zu meinem Staunen war er in maurische Tracht gekleidet, hatte einen Panzer von Stahl, und eine polirte Kopfbedeckung, wie ich aus dem Widerschein der Sterne darauf unterschied. Auch sein Roß war nach maurischer Art geschirrt, mit großen schaufelartigen Steigbügeln. Wie gesagt, er führte es an den Rand des Baches, in welchen das Thier seinen Kopf fast bis zu den Augen steckte und trank, bis ich dachte, es müsse bersten.«

»Kamerad,« sagte ich, »dein Pferd trinkt brav; es ist ein gutes Zeichen, wenn ein Pferd den Kopf tüchtig in das Wasser steckt.«

»Es darf wohl trinken,« sagte der Fremde in maurischem Accent;»es ist ein gutes Jahr, daß es seinen letzten Trunk erhalten hat.«

»Bei Santiago,« sagte ich, »das läßt selbst die Kameele, die ich in Afrika gesehen habe, hinter sich zurück. Doch kommt, ihr scheint etwas von einem Soldaten – wollt ihr euch setzen, – und eine Soldaten-Mahlzeit theilen? In der That, ich fühlte den Abgang eines Gefährten an diesem einsamen Platze, und wollte mich gern mit einem Ungläubigen begnügen. Ueberdieß ist ein Soldat, wie die Excellenz wohl weiß, nicht eben sehr eigen in Bezug auf den Glauben seiner Gefährten, und Soldaten aller Länder sind zur Friedenszeit Kameraden.«

Der Statthalter nickte wieder Beifall.

»Gut, wie ich sagte, ich lud ihn ein, meine Malzeit, wie sie war, zu theilen, denn ich konnte der gewöhnlichen Gastfreundschaft zufolge, nicht weniger thun. »Ich habe keine Zeit,« sagte er, »zu weilen, um zu essen und zu trinken, denn ich muß vor dem Morgen eine große Reise machen.«

»In welcher Richtung,« sagte ich.

»Andalusien,« sagte er.

»Genau mein Weg,« sagte ich;»da ihr nun nicht bleiben und mit mir essen wollt, laßt ihr mich vielleicht aufsteigen, und mit euch reiten. Ich sehe, euer Pferd ist von mächtigem Bau, und Bürge dafür, daß es doppelte Last trägt.«

»Zugegeben!« sagte der Reiter, und es wäre nicht höflich und soldatenmäßig gewesen, es abzuschlagen, besonders da ich ihm angeboten hatte, mein Abendessen mit ihm zu theilen.«

»Haltet euch fest,« sagte er, »mein Roß geht wie der Wind.«

»Keine Sorge,« sagte ich, und wir brachen auf.

»Das Pferd ging bald vom Schritt zum Trabe, vom Trabe zum Gallop, und vom Gallop zu einem wüthenden Laufe über. Es war, als wenn Felsen, Bäume, Häuser – alles windschnell hinter uns flöge.«

»Welche Stadt ist dieß?« sagte ich.

»Segovia!« sagte er, und ehe das Wort aus seinem Munde war, waren die Thürme von Segovia schon aus den Augen. Wir flogen die Quadarama-Berge empor, am Escurial herab, berührten die Mauern von Madrid, und flogen über die Ebenen der Mancha. So kamen wir Bergauf und Thalab, an Thürme und Städte, all in tiefem Schlaf begraben, über Berge und Ebenen und Flüsse, die flüchtig im Sternenschein glänzten.«

»Um eine lange Geschichte abzukürzen, und Eure Excellenz nicht zu ermüden – der Reiter hielt plötzlich an der Seite eines Berges an. »Hier sind wir,« sagte er, »am Ziel unserer Reise.« Ich blickte umher, konnte aber keine Spur einer Wohnung sehen; nichts als die Oeffnung einer Höhle. Während ich umschaute, sah ich Schaaren von Leuten in maurischer Tracht, einige zu Pferd, andere zu Fuß, wie vom Sturm von allen Punkten der Windrose herbeigetragen, und wie Bienen in ihren Stock in die Oeffnung der Höhle eilen. Ehe ich fragen konnte, stach der Reiter seine langen maurischen Sporen in des Rosses Seite, und stürzte mit der Menge hinein. Wir kamen einen steilen gewundenen Weg entlang, der in die Eingeweide des Berges hinabführte. Als wir weiter kamen, zeigte sich nach und nach der Schimmer eines Lichtes, wie das erste Dämmern des Tages; woher es aber kam, konnte ich nicht bemerken. Es wurde heller und heller, und ließ mich bald alles umher genau sehen. Ich bemerkte jetzt, während wir dahin stürmten, große Höhlen, die sich, wie Hallen in einem Zeughaus, rechts und links öffneten. In einigen dieser Gewölbe waren Schilde und Helme und Panzer und Lanzen und Schwerter an den Wänden aufgehängt; in andern lagen große Haufen Kriegsvorräthe und Feldgeräthe auf dem Boden.«

»Es würde dem Herzen der Excellenz, als einem alten Soldaten, wohl gethan haben, solch einen großen Vorrath von Kriegsbedürfnissen beisammen zu sehen. Dann waren in andern Höhlen lange Reihen von Reitern, bis zu den Zähnen bewaffnet, mit erhobenen Lanzen und wallenden Fahnen, alle zum Kampf bereit; aber sie saßen alle regungslos in ihren Sätteln, gleich eben so vielen Statüen. In andern Hallen schliefen Soldaten auf der Erde neben ihren Pferden, so wie Fußvolk in Gruppen, bereit, sich in Reih und Glied zu stellen. Alle waren in altmodischer Maurentracht und Rüstung.«

»Gut, Excellenz, um eine lange Geschichte kurz zu machen, wir kamen endlich in eine unermeßliche Höhle, oder in einen Palast, darf ich sagen, dessen Wände mit Gold und Silber geädert, und von Diamanten, Saphirn und allen Arten edler Steine zu funkeln schienen. An dem obern Ende saß ein maurischer König auf einem goldnen Throne, seine Edlen an seiner Seite, und eine Wache von afrikanischen Schwarzen mit gezogenen Säbeln. Die ganze Schaar, die fortwährend hereinströmte, und zu Tausenden und Tausenden anschwoll, ging einer nach dem andern an seinem Thron vorüber, und jeder beugte sich tief, während er vorüber ging. Viele aus der Menge waren in prächtige Gewänder ohne Flecken und Makel gekleidet, und funkelten von Juwelen; andere trugen polirte und emaillirte Rüstungen; während andere vermoderte und verwiterte Kleider und Rüstungen trugen, welche ganz zerschellt, zerschlagen und mit Rost bedeckt waren.«

»Ich hatte bisher geschwiegen, denn es paßt, wie die Excellenz weiß, nicht für den Soldaten, viele Fragen zu thun, wenn er im Dienste ist; aber ich konnte mich nicht länger halten.«

»Höre, Kamerad,« sagte ich, »was bedeutet denn alles dieß?«

»Das ist ein großes und furchtbares Geheimniß,« sagte der Reiter. »Wisse, o Christ, daß du den Hof und das Heer Boabdils, des letzten Königs von Granada, vor dir siehst.«

»Was sagt ihr mir da?« rief ich. »Boabdil und sein Hof sind vor Jahrhunderten aus dem Lande verbannt worden, und alle in Afrika gestorben.«

»So wird es in euern lügenhaften Chroniken erzählt,« versetzte der Maure; »aber wißt, Boabdil und die Krieger, welche zuletzt für Granada gekämpft haben, sind alle durch mächtigen Zauber in dem Berge eingeschlossen. Was den König und die Armee betrifft, welche zur Zeit der Uebergabe von Granada wegzogen, so war dieß ein bloßer Schattenzug von Geistern und Dämonen, welche diese Gestalten annehmen durften, um die christlichen Herrscher zu täuschen. Und ferner laßt mich euch erzählen, Freund, daß ganz Spanien ein in Zaubermacht befangenes Land ist. Es gibt keine Höhle auf den Bergen, keinen einsamen Wartthurm auf den Ebenen, kein zerfallenes Schloß auf den Höhen, in deren Gewölben nicht von Jahrhundert zu Jahrhundert bezauberte Krieger schlafen, bis die Sünden gebüßt sind, wegen welchen Allah es zuließ, daß die Herrschaft eine Zeitlang aus den Händen der Gläubigen kam. Einmal im Jahr, am h. Johannistag, werden sie, vom Sonnenniedergang bis zum Sonnenaufgang von dem Zauber erlößt, und dürfen hierher kommen, um ihrem König zu huldigen, und die Menge, welche ihr in die Höhle eilen seht, sind Moslemin-Krieger, welche aus ihrem Aufenthaltsort in allen Theilen Spaniens hierher kommen. Mich betreffend, so saht ihr den verfallenen Thurm an der Brücke in Alt-Castilien, wo ich jetzt so viele Jahrhunderte Winter und Sommer hingebracht habe, und wohin ich bei Tagesanbruch zurück muß. Die Abtheilungen Reiter und Fußvolk, welche ihr in Schlachtordnung in den umliegenden Hallen aufgestellt sahet, sind bezauberte Krieger von Granada. Es ist in dem Buche des Schicksals geschrieben, daß wenn der Zauber gebrochen wird, Boabdil an der Spitze seines Heeres aus dem Berge kömmt, seinen Thron in der Alhambra und seine Herrschaft über Granada wieder einnimmt, die bezauberten Krieger aus allen Theilen Spaniens sammelt, die Halbinsel wieder erobert und sie der Herrschaft der Moslemin zurückgibt.«

»Und wann wird dies eintreffen?« sagte ich.

»Allah allein weiß es: wir hatten gehofft, der Tag der Befreiung sey gekommen; aber es gebietet jetzt ein wachsamer Statthalter in der Alhambra, ein tapferer alter Soldat, als Statthalter Manco wohl bekannt. So lange ein solcher Krieger über den ersten Posten befiehlt und stets fertig ist, den ersten Ausfall aus dem Berge zu vereiteln, fürchte ich, müssen Boabdil und sein Heer sich begnügen, auf ihren Waffen zu ruhen.«

Hier richtete sich der Statthalter etwas senkrecht empor, zog seinen Säbel an sich und drehte seinen Schnurrbart empor.

»Um eine lange Geschichte kurz zu machen und die Excellenz nicht zu ermüden, – der Reiter stieg, nachdem er diese Kunde gegeben hatte, von seinem Rosse.«

»Bleibt hier,« sagte er, »und gebt auf mein Pferd acht, während ich gehe und vor Boabdil das Knie beuge!« Bei diesen Worten eilte er weg zu dem Haufen, der sich dem Thron entgegen drängte.«

»Was ist zu thun?« dachte ich, als ich so mir selbst überlassen war: »soll ich hier warten, bis dieser Ungläubige zurückkömmt und mich auf seinem Kobold-Pferde wieder hinweg huscht, der Himmel weiß wohin? Oder soll ich die Zeit benutzen und von dieser Spuk-Gesellschaft mich zurückziehen? Ein Soldat ist schnell entschlossen, wie die Excellenz wohl weiß. Was das Pferd anging, so gehörte es einem offenbaren Feinde des Glaubens und des Reichs und war nach dem Kriegsrecht eine gute Prise. So schwang ich mich von dem Kreuz in den Sattel, wendete die Zügel, preßte die maurischen Steigbügel in die Seiten des Pferdes und trieb es auf dem Wege, den wir hereingekommen waren, auf das rascheste vorwärts. Als wir an den Hallen, wo die Moslemin-Reiter in bewegungslosen Abtheilungen saßen, vorüber kamen, glaubte ich Waffenklang und ein hohles Murmeln von Stimmen zu hören. Ich ließ das Pferd die Steigbügel nochmals schmecken und verdoppelte meine Eile. Es ließ sich jetzt hinter mir ein Ton, wie ein Rauschen des Windes, vernehmen; ich hörte das Trappeln von tausend Pferdehufen; ein zahlloser Haufe holte mich ein. Ich wurde in dem Gedränge mit fortgerissen und stürzte aus der Höhle, während Tausende von dunkeln Gestalten von den vier Winden des Himmels in allen Richtungen verweht wurden.«

»In dem Wirbel und der Hast dieser Scene wurde ich besinnungslos vom Pferd geworfen. Als ich zu mir kam, lag ich am Rand eines Hügels und das arabische Roß stand neben mir; denn beim Fallen war mein Arm in den Zügel geschlüpft, was, wie ich glaube, es hinderte, nach Altkastilien zurückzujagen.«

»Eure Excellenz mag leicht urtheilen, mit welchem Staunen ich Aloegebüsche und indische Feigen und andere Beweise eines südlichen Klima's um mich, und eine große Stadt mit Thürmen, Palästen und einer Kathedrale unter mir sah.«

»Ich stieg sorgfältig den Hügel nieder, indem ich mein Pferd führte, denn ich fürchtete mich, es wieder zu besteigen und mir einen mißlichen Streich von ihm spielen zu lassen. Beim Herabsteigen stieß ich auf eure Streifwache, welche mir das Geheimniß enthüllte, daß Granada vor mir liege, und daß ich unter den Mauern der Alhambra sey, der Veste des gefürchteten Statthalters Manco, des Schreckens aller bezauberten Moslemin. Als ich dies hörte, beschloß ich sofort, Eure Excellenz aufzusuchen, euch von allem, was ich gesehen hatte, zu unterrichten und vor den Gefahren zu warnen, welche euch umgeben und untergraben, damit ihr bei Zeiten Maßregeln ergreift, eure Veste und selbst das Königreich vor diesem innern Heere zu sichern, das in den Eingeweiden des Landes lauert.«

»Und höret, Freund,« sagte der Statthalter, »was würdet ihr als alter Soldat und als Krieger von vieler Erfahrung mir zu thun rathen, um diesem Uebel zuvorzukommen?«

»Es ziemt sich nicht für den demüthigen gemeinen Soldaten,« sagte der Fremde bescheiden, »einen General von Eurer Excellenz Scharfsinn belehren zu wollen; allein es dürfte gut seyn, wenn Eure Excellenz alle Höhlen und Eingänge in die Berge mit gutem, festem Mauerwerk vermachen ließ, so daß Boabdil und sein Heer in ihrer unterirdischen Wohnung vollkommen eingepfropft wären. Wenn auch der gute Pater,« fügte der Soldat hinzu, beugte sich ehrerbietig vor dem Mönch und kreuzte sich fromm, »die Vermache mit seinem Segen weihen und einige Kreuze und Reliquien und Heiligenbilder darauf setzen wollte, würden sie, glaube ich, aller Macht unchristlichen Zaubers widerstehen.«

»Sie würden ohne Zweifel von großem Nutzen seyn,« sagte der Mönch.

Der Statthalter stemmte jetzt seinen Arm unter, legte seine Hand auf den Korb seines Toledo, heftete sein Auge auf den Soldaten und wiegte seinen Kopf lächelnd von einer Seite auf die andere.

»Also, Freund,« sagte er, »ihr glaubt wirklich, ihr könntet mich mit euren Märchen von bezauberten Bergen und bezauberten Mauren hinter's Licht führen? Hört, Beklagter – kein Wort mehr! Ein alter Soldat möcht ihr seyn, aber ihr sollt sehen, daß ihr es mit einem alten Soldaten zu thun habt, und mit einem, den man nicht so leicht übertölpelt. Heda. Wache! Legt diesen Burschen in Eisen.«

Das sittsame Mädchen wollte eine Fürbitte für den Gefangenen einlegen, aber der Statthalter brachte sie mit einem Blick zum Schweigen.

Als sie den Soldaten banden, fühlte einer von der Wache etwas hartes in seiner Tasche; er zog es heraus und sah, daß es eine lange lederne Börse war, welche wohl gespickt schien. Er nahm sie an einem Ende und leerte den Inhalt vor dem Statthalter auf den Tisch und nie zeigte sich eines Freibeuters Tasche stattlicher gefüllt. Ringe und Juwelen und Perlenschnüre und funkelnde Diamantkreuze und eine Fülle alter Goldmünzen fielen heraus; viele der letztern flogen klingend auf die Erde und rollten in die fernsten Theile des Zimmers.

Die Verrichtungen der Justiz wurden eine Zeitlang aufgehoben; die glänzenden Flüchtlinge setzten alles in Bewegung. Nur der Statthalter, der von dem echten spanischen Stolz durchdrungen war, behielt seinen ernsten Anstand bei, obgleich sein Auge einige Angst verrieth, bis die letzte Münze und der letzte Juwel wieder in dem Sack waren.

Der Mönch war nicht so ruhig; sein ganzes Gesicht glühte wie ein Ofen und seine Augen blitzten und zuckten bei dem Anblick der Perlenschnüre und Kreuze.

»Ruchloser Frevler, der du bist!« rief er: »welche Kirche, welches Heiligthum hast du dieser heiligen Gegenstände beraubt?«

»Keins von beiden, frommer Vater. Wenn sie Kirchenraub sind, muß der ungläubige Reiter, von dem ich gesprochen habe, sie vor langer Zeit gestohlen haben. Ich wurde eben unterbrochen, als ich Eurer Excellenz erzählen wollte, daß ich bei der Besitznahme von dem Pferde des Reiters einen ledernen Sack losmachte, der an dem Sattelbogen hing und wahrscheinlich das enthielt, was er ehedem, als die Mauren das Land besetzten, in dem Felde erbeutete.«

»Ganz trefflich; für jetzt werdet ihr euch gefallen lassen, euer Quartier in einer Kammer des rothen Thurmes zu nehmen, welche, obgleich sie nicht unter einem Zauber steht, ein eben so sicherer Aufenthalt für euch seyn wird, wie irgend eine Höhle eurer bezauberten Mauren.«

»Eure Excellenz wird nach ihrem Belieben handeln,« sagte der Gefangene kalt. »Ich werde Eurer Excellenz für jede Bequemlichkeit in der Veste dankbar seyn. Ein Soldat, der im Felde war, ist, wie Eure Excellenz wissen, wegen seiner Lagerstätte nicht eigen; wenn ich einen reinlichen Kerker und regelmäßige Mahlzeit habe, werde ich mir es schon behaglich zu machen wissen. – Nur wollte ich bitten, daß die Excellenz, während sie so sehr für mich sorgt, auch der Vestung nicht vergesse und des Winks gedenke, welchen ich wegen Vermachens der Bergeingänge fallen ließ.«

Hier endigte die Scene. Der Gefangene wurde in einen starken Kerker in dem rothen Thurm, das Pferd in der Excellenz Stall und des Reiters Sack in der Excellenz Koffer gebracht. Gegen letzteres äußerte, es ist wahr, der Mönch einige Bedenklichkeiten, indem er die Frage aufwarf, ob die heiligen Gegenstände, welche offenbar Kirchenraub wären, nicht in Verwahrung der Kirche gegeben werden müßten; da aber der Statthalter über die Sache kurz gebunden und unbeschränkter Herr in der Alhambra war, ließ der Mönch klug die Unterhandlung fallen, beschloß aber, den kirchlichen Würdenträgern Granada's Kunde von dem Vorfall zu geben.

Um diese raschen und strengen Maßregeln des alten Statthalters Manco zu erklären, muß bemerkt werden, daß um diese Zeit die Alpuxarra Berge in der Nachbarschaft von Granada von einer Bande Räuber unsicher gemacht wurden, an deren Spitze ein kühner Bursche stand, Manuel Borasco mit Namen, der gewohnt war, aus dem Lande zu plündern, und in manchen Verkleidungen selbst in die Stadt zu schleichen, um Nachrichten über den Abgang von Handelsgütern oder von Reisenden mit wohlgespickten Börsen zu erhalten, welchen sie dann in den entfernten und einsamen Gebirgspässen auflauerten. Diese kecken und wiederholten Unbilden hatten die Aufmerksamkeit der Regierung auf sich gezogen und die Befehlshaber der verschiedenen Posten hatten die Weisung erhalten, auf ihrer Hut zu seyn und alle verdächtigen Umzügler aufzugreifen. Statthalter Manco war, zufolge der manchfachen Schmach, welche auf seiner Veste ruhte, besonders eifrig und bezweifelte jetzt nicht, einen furchtbaren Waghals aus dieser Bande ertappt zu haben.

Mittlerweile verlautete die Geschichte und wurde das Tagsgespräch nicht nur der Veste, sondern der ganzen Stadt Granada. Es hieß, der berüchtigte Räuber Manuel Borasco, der Schrecken der Alpuxarras sey dem alten Statthalter Manco in die Krallen gefallen und von ihm in einem Verlies des rothen Thurmes eingesperrt worden; und jeder, der von ihm geplündert worden war, eilte hin, um den Schelm sich anzusehen. Der rothe Thurm steht, wie man wohl weiß, von der Alhambra gesondert auf einer Schwester-Höhe und wird von der Hauptveste durch eine Schlucht getrennt, durch welche der Hauptweg führt. Außenmauern waren keine da, sondern eine Schildwache ging vor den Thüren auf und ab. Das Fenster des Gemachs, in welches der Soldat eingesperrt war, war mit starkem Gitter versehen und hatte die Aussicht auf einen kleinen freien Platz. Hierher eilten die guten Leute von Granada, um ihn anzustarren, wie eine lachende Hyene, die durch den Käfig einer Menagerie grinzt. Niemand erkannte ihn jedoch für Manuel Borasco, denn dieser furchtbare Räuber war wegen seiner wilden Gesichtszüge berüchtigt und hatte keineswegs das launige Schielen des Gefangenen. Nicht allein aus der Stadt, sondern aus allen Theilen des Landes kamen Besucher und in den Köpfen des gemeinen Volkes stiegen allmählig Zweifel auf, ob doch nicht etwas Wahres an seiner Erzählung seyn könnte. Daß Boabdil und sein Heer in dem Berge eingeschlossen, war eine alte Sage, welche viele der alten Einwohner von ihren Vätern gehört hatten. Haufen von Menschen bestiegen den Sonnenberg, oder vielmehr den Berg der heiligen Elena, um die von dem Soldaten erwähnte Höhle aufzusuchen, und blickten und schauten in das tiefe dunkle Loch, das, niemand weiß wie weit, in den Berg hinab geht und hier bis auf den heutigen Tag – der fabelhafte Eingang zu der unterirdischen Wohnung Boabdil's – zu sehen ist.

Allmählig wurde der Soldat bei dem gemeinen Volke beliebt. Ein Freibeuter des Gebirgs ist keineswegs der verhaßte Charakter in Spanien, wie es ein Räuber in andern Ländern ist: im Gegentheil, er ist eine Art ritterlicher Person in den Augen der niedern Klasse. Auch läßt sich stets eine Neigung verspüren, das Benehmen der Vorgesetzten zu bekritteln, und manche begannen jetzt über die strengen Maßregeln des alten Statthalters Manco zu murren und den Gefangenen in dem Lichte eines Martyrs zu betrachten.

Ueberdies war der Soldat ein lustiger, possierlicher Bursche, welcher für jeden, der in die Nähe seines Fensters kam, einen Scherz, und für jedes weibliche Wesen ein freundliches Wort bereit hatte. Er hatte sich auch eine alte Guitarre verschafft und saß an seinem Fenster und sang Balladen und Liebeslieder, zur großen Lust der Weiber der Nachbarschaft, die sich an den Abenden auf dem Platze versammelten und Boleros zu seiner Musik tanzten. Er hatte seinen krausen Bart hübsch aufgeputzt und sein sonneverbranntes Gesicht fand Gnade vor den Augen der Schönen und die sittsame Dienerin des Statthalters erklärte, man könne seinem schiefen Blicke durchaus nicht widerstehn. Dieses mildherzige Mädchen hatte von Anfang her eine innige Theilnahme an seinem Loose gezeigt und da sie sich vergebens bemüht hatte, den Statthalter zu erweichen, fand sie Mittel, die Strenge seiner Gefangenschaft heimlich zu mildern. Jeden Tag brachte sie dem Gefangenen einige Brosamen des Trostes, die von des Statthalters Tafel gefallen oder seiner Speisekammer entzogen worden waren, so wie auch manchmal eine erheiternde Flasche guten Val di Pennas oder trefflichen Malaga.

Während dieser Verrath an dem Herrn in dem Mittelpunkt der Citadelle des alten Statthalters vor sich ging, zog sich ein Sturm offenen Kriegs bei seinen äußern Feinden zusammen. Der Umstand, daß ein Sack mit Gold und Juwelen an der Person eines angeblichen Räubers gefunden worden sey, wurde zu Granada mit vielen Uebertreibungen erzählt. Alsbald erhob des Statthalters eingefleischter Feind, der General, einen Streit über die Territorial-Gerichtsbarkeit. Er bestand darauf, der Gefangene sey außerhalb des Gebietes der Alhambra, und innerhalb seines Bereiches festgenommen worden. Er begehrte sonach den Mann und die an ihm gefundenen spolia opima. Da auch der Großinquisitor durch den Mönch von den Kreuzen und andern heiligen Gegenständen, welche in dem Sack enthalten, gehörige Nachricht erhalten hatte, nahm er den Angeklagten, als des Kirchenraubs schuldig, in Anspruch und bestand darauf, seine Beute gehöre der Kirche, sein Körper aber dem nächsten Auto da fe an. Der Streit ward grimmig, der Statthalter wüthete und schwur, ehe er den Gefangenen übergebe, werde er ihn in der Alhambra als Spion aufhängen, der innerhalb des Bereichs der Veste aufgegriffen worden.

Der General drohte, er werde eine Abtheilung seiner Mannschaft schicken, um den Gefangenen aus dem rothen Thurm in die Stadt zu versetzen. Der Großinquisitor neigte sich auch dahin, eine Anzahl Diener des heiligen Gerichtes abzusenden. Die Nachricht von diesen Umtrieben kam spät Nachts zu den Ohren des Statthalters. »Laßt sie kommen,« sagte er, »sie werden mich bereit finden; der muß früh aufstehen, der einen alten Soldaten überrumpelt.« Er gab sonach Befehl, mit Tagesanbruch den Gefangenen in einen Kerker innerhalb der Mauern der Alhambra zu bringen. »Und hörst du, Kind,« sagte er zu der sittsamen Dienerin, »klopfe an meine Thüre und wecke mich ehe der Hahn kräht, damit ich selbst nach der Sache sehe.«

Der Tag dämmerte, der Hahn krähte, aber niemand pochte an der Thüre des Statthalters. Die Sonne erhob sich hoch über die Bergspitzen und glänzte durch seine Fenster herein, ehe der Statthalter aus seinen Morgenträumen von dem alten Korporal geweckt wurde, der mit einem Gesicht, auf welches der Schrecken gestempelt war, vor ihm stand.

»Er ist fort! er ist auf und davon!« rief der Korporal und schnappte nach Athem.

»Wer ist fort – wer ist auf und davon?«

»Der Soldat – der Räuber – der Teufel – nach allem, was ich gesehen habe. Sein Kerker ist leer, aber die Thüre verschlossen – niemand weiß, wie er heraus kam.«

»Wer sah ihn zuletzt?«

»Eure Dienerin! sie brachte ihm das Nachtessen.«

»Laß sie sogleich rufen.«

Jetzt gab es neue Verwirrung. Die Kammer des sittsamen Mädchens war gleichfalls leer, ihr Bett war unberührt; sie war ohne Zweifel mit dem Angeklagten davon gegangen, da sie, wie es sich herausstellte, seit mehreren Tagen schon häufige Unterhaltungen mit ihm gepflogen hatte.

Dies verwundete den alten Statthalter an seiner empfindlichen Seite, aber er hatte kaum Zeit, deshalb zu klagen, als sich ihm schon neues Unheil darbot. Als er in sein Wohnzimmer ging, fand er seinen Koffer geöffnet und den ledernen Sack des Reiters gestohlen, und mit ihm ein paar dicke Säcke mit Dublonen.

Aber wie und auf welche Weise waren die Flüchtigen entwischt? Ein alter Bauer, der in einer Hütte an der nach der Sierra führenden Straße lebte, erklärte er habe kurz vor Tagesanbruch den Trab eines starken Pferdes gehört, das sich den Bergen zugewendet. Er habe aus seinem Fenster gesehen und gerade noch einen Reiter mit einem vor ihm sitzenden Mädchen erkannt.

»In den Ställen nachgesehen!« rief Statthalter Manco. Die Ställe wurden durchsucht; alle Pferde waren an ihrer Stelle, nur nicht der Araber. Statt seiner war ein dicker Prügel an die Krippe gebunden und daran ein Zettel, auf welchem die Worte standen: »Geschenk für Statthalter Manco, von einem alten Soldaten.«


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