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Asali

Wenn mich der Hoffnung Schwingen führen wollen
Ersehntem Himmel zu aus meiner Haft,
Da steigen vor die Seele schwarze Schatten,
Und nicht mehr länger trägt der Hoffnung Kraft.

Kann sie den Knecht wohl lieben, den sie löste?
Gefesselt war ich durch der Knechtschaft Band.
Verschmäht sie höhnisch meine offnen Arme,
Will nur zur Hilfe reichen ihre Hand?

Kann sie wohl glaubend mir vertrauen,
Sich dreist ergeben meiner Liebesglut?
Muß sie nicht glauben, daß die schwere Knechtschaft
In mir getötet habe Kraft und Mut?

Sie darf es nicht, ich ward geboren
Als Königssohn, nicht als ein Knecht,
Die Fesseln, die mich banden, sind gefallen,
Und trotzig fordre ich mein gutes Recht.

Ja, ich bin König, zu mir blick sie auf,
Voll Zutraun sinke sie an meine Brust,
Sie teile meinen Thron, ihr hehrer Name
Sei noch dem fernesten Geschlecht bewußt.

68. Geht an.

An Asali

Wie waren mir früher die Träume lieb,
Ich hätte dein Herz gewonnen,
Ach, war der Tag da dunkel und trüb,
Wenn wieder das Düster zerronnen.

Jetzt quält mich das schwere Traumgesicht:
Ich sei deinem Herzen entwichen,
O ist der Tag da klar und licht,
Wenn das Dunkel sich fortgeschlichen.

66 oder 67. Ein kleines Meisterwerk, was die Symmetrie anbetrifft. Düster und Dunkel sollten ausgetauscht werden, aber dann würde »Dunkel« zweimal in einer Strophe vorkommen. Es würde vorzüglich zu entweichen und schleichen passen. Ein Jahr, nachdem es geschrieben war, sah ich ein Gedicht von A. Munck in »Kummer und Trost«, dessen Gedanke derselbe war; da jedoch meins besser ist als das seine, ließ ich es stehen.

Da helfen nicht Träume

Da helfen nicht Träume, da hilft kein Gedicht,
Und wären die Schätze auch reich und licht;
Die Liebe verweht, darf das Leben nicht tragen
In Miene und Wort seinen Hauch hinein,
Kann nicht die Erinnrung aus lebenden Tagen
Darin als tönender Chorgesang sein.

Wohl ward eine Kindheit mir reich und gut,
Doch Kindheit ist nichts als die glimmende Glut,
Und niemals durchlebt ich der Jünglinge Leben,
In Träumen ich nichts als Schatten gewann,
Hab niemals dem Leben mich hingegeben,
War niemals ein Jüngling – und jetzt bin ich Mann.

68. Kurz nach dem Philosophikum. Schwer, schwer, schwer – aber gut. Das wichtigste Gedicht in der ganzen Sammlung, weswegen ihm auch das Motto entlehnt ist.

Fern

Jetzt öffnet sie wohl ihr Fenster,
Jetzt senkt sich dunkel die Nacht,
Der Mond strahlt nieder vom Himmel,
Umgeben von Sternenpracht.

Den Steinen sendet sie Blicke,
Sie funkeln zu mir zurück,
So grüßt mich durch weite Räume
Mein milde leuchtendes Glück.

Der Silbermond sendet Schauer
Von Strahlen vom Himmel her
Und legt eine schimmernde Brücke
Aufs leicht gekräuselte Meer.

Im Geiste seh ich sie schreiten
Zur Brücke, ich tue wie sie,
Bald treffen wir uns da draußen,
Ach, nur in der Phantasie.

Sie kommt – mit Feuer im Auge,
Es lächelt der Purpurmund,
Bald zieh ich dich in meine Arme
Und küß sein glühendes Rund.

Ich ahne den milden Atem,
Erwarte den süßen Kuß,
Ich strecke den Arm, zu umfassen,
Was mein jetzt werden muß.

Ach, nur die Luft faßt der Arm,
Der Nachtwind rührt eisig die Stirn,
Wie Seufzen entweicht mir der Kuß,
Und Nebel verhüllt das Gestirn.

65.

Sonnuntergang

Schwimmende Wolken, herrliche Zykladen,
Rosen, gewiegt auf des Luftmeeres Brüsten,
Feucht von der Sphären tönenden Kaskaden,
Schäumendes Sonnenlicht an euren Küsten:

Euch nur ward gegeben
Über Zeit und Leben

Lande von Asalis hehrem Reich zu sein.
Dort soll sie thronen, träumend dort verweilen,
Stumm bei ihr kniend, bin ihr ich geweiht,
Ich will vergessen – mögt ihr weiter eilen –
Leben und Welten, Gott und Ewigkeit;

Eins nur gibt mir Leben,
Kann mich aufwärts heben:

Hoher Liebe Kunde aus Asalis Reich.

Empfangen in den Sommerferien eines Abends bei Sonnenuntergang auf Odinshöh bei Hellebäk. 68. Geschrieben in Kopenhagen nach den Sommerferien. 68. Gut. – Vielleicht nach vielen, vielen Jahren werden eines Abends zwei Studenten auf Odinshöh stehen und es weit, weit über den Sund hinaussingen, und meine Manes werden sie umsausen.

Die Erde ist also ein Kupferstier

Die Erde ist also ein Kupferstier,
Gottvater findet Gefallen,
Daß Flammen von Enttäuschung und Schmerz
Den mächtigen Stier umwallen.

Er hört dort oben vom Himmel froh
Gemarterter Seelen Klagen,
Doch erst wenn der Dichter auch dabei ist,
Kann wirklich der Chor ihm behagen.

So habe auch ich meinen Part von ihm;
Er weiß, con espressione
Hab stets ich gesungen, und so will er,
Daß wieder mein Leid ich vertone.

So singen wir, aber seid dessen gedenk,
Wir wagen nie mehr zu schweigen,
Und selbst der Tag des Jüngsten Gerichts
Ist nur eine Pause im Reigen.

Ja, stimmet nun an, ihr Seelen der Welt,
Doch hütet euch vor minuendo!
Laßt brausen es durch alle Ewigkeit
Mit Kraft in gewaltgem crescendo!

Dann singen wir Sonne und Mond hinaus,
Zersingen der Sterne Gewimmel,
Dann singen wir selbst die Zeit in Ruh
Und singen die Hölle zum Himmel.

Wir singen den göttlichen Thron entzwei,
Den Herrgott mordet das Singen,
Wir singen uns schließlich selbst ins Grab,
Und Tote zum Leben wir bringen.

68.

Fahr hin, mein Boot

Fahr hin, mein Boot, fahr hin, mein Boot,
In unbekannte Weiten,
Der Leidenschaften Strom dich führt,
Laß steuerlos dich gleiten.

Fahr hin, mein Boot, fahr hin, mein Boot,
Längst sank der Hoffnung Fahne,
Du findest keinen Hafen mehr
Geöffnet solchem Kahne.

Fahr hin, mein Boot, fahr hin, mein Boot,
Dir leuchten keine Sterne,
Bald wirbelst du im Wasserfall,
Er braust schon in der Ferne.

66 oder 67.

Die Wünsche

Wie sicher du dastehst, du düstere Burg,
Mit Gräben und Wällen so fest,
Die Brücke gehoben, die Tore gesperrt,
Geschützt wie des Bergadlers Nest.

Und aufmerksam, spähenden Auges geht
Der Wächter umher auf der Mauer,
Die Lanze im Arme, das Schwert an dem Gurt,
So steht er getreu auf der Lauer.

So stark er auch Tore und Wälle versperrt,
Und trotz seiner Blicke, der strengen,
Er sieht nicht, daß über die Wälle so dick
Sich zahllose Heerscharen dringen.

Es eilt ungehemmt jener farbige Zug
Vorbei an dem ragenden Turme,
Sie folgen einander wie Wellen am Strand,
Wie Wolken gejagt von dem Sturme.

Sie drängen sich um den gesegneten Ort,
Wo Signe im Schlafgemach ruht,
Den Schlummer der Jungfrau, den stören sie nicht,
Doch fehlts ihnen sonst nicht an Mut.

So sanft übers Lager der eine sich beugt,
Zur schneeweißen Stirn sieht er nieder,
Der träumenden Augen ein andrer gedenkt
Und schaut auf die schwellenden Lider.

Der trinkt ihren Hauch, das geschmeidige Gold
Der Locken läßt jener ergleißen.
Der blühenden Wange schmiegt der sich an,
Der spielt mit den Fingern, den weißen.

Der schlingt seinen Arm um den schneeweißen Hals,
Am Herz hat sich jener verloren,
Nicht wenige drängen sich um ihren Mund,
Es seufzen genug an den Ohren.

Doch aufmerksam, spähenden Auges geht
Der Wächter umher auf der Mauer,
Die Lanze im Arme, das Schwert an dem Gurt,
So steht er getreu auf der Lauer.

66 oder 67.

Dämmerung

Hinweg, eh die Sonne zündet
Die westlichen Wolken in Brand,
Eh schweigendes Dämmer kündet
Das Sinken der Nacht auf das Land.

Hinweg von der Wälder Klagen,
Von rollender Wogen Pracht,
Nicht kann meine Seele hier wagen
Den Kampf mit der Dämmerung Macht.

Hinweg von süßen Träumen,
Nicht träumen will ich mehr,
Erinnerungsströme schäumen:
Ich fürchte dieses Meer.

Hinweg zu klingenden Saiten
Und schäumender Becher Klang,
Ich töte vergangene Zeiten
Mit Küssen und Jubelgesang.

68. Gurre See zur Dämmerstunde. Recht gut.


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