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Unter allen Menschen hat ein Fürst die meiste Veranlassung und Entschuldigung, ein Menschenfeind zu werden; die Menschen taugen nichts, wenn man sie, anstatt zu Freunden, zu Untertänigen, Suchenden hat.
Ich kann keine Freude über mein Rechttun haben – z. B., daß ich einem andern sein Eigentum zurückgebe –, dies setzte etwas Schlimmes voraus; aber ich kann eine Freude über mein Wohltun haben; aber dann ist's nicht etwan eine über mein Tun und Gutsein, sondern über das fremde Glück und insofern ein Wert mehr.
Liebe, es sei eheliche oder jungfräuliche, ist ein noch besseres Schirm(Sieg)mittel gegen jeden Anfall auf ihre Tugend als diese selber.
Die deutschen Damen lassen das französische Sprechen schon darum nicht, weil es das einzige Wissenschaftliche ist, womit sie glänzen können; so auch der gemeine Edelmann.
Wenn die Namen der Soldaten abgelesen werden; antwortet jeder mit einer andern Stimme: hier!, die bezeichnend ist.
Was dem berühmtesten Manne wie dem mittelmäßigsten es so schwer macht, einen andern so zu behandeln, daß dieser zufrieden ist, ist, daß er selten bestimmt wissen kann, was dieser andere nicht bloß für eine Meinung von sich selber hat, sondern auch von ihm. Denn nach dieser zweifachen Schätzung richtet sich das Urteil über das Behandeln. Derselbe berühmte Mann kann bei einem anstoßen, bei welchem er eine große Verehrung voraussetzt, bei einem andern, wo er eine zu kleine annimmt usw.
Fürstinnen regierten immer gut, weil sich Weiber von niemand lieber Rat geben lassen als von Männern, die eignen ausgenommen.
Je größer die Stadt, desto mehr Enthusiasmus für einzelne (individuelle) Fälle – sowie desto mehr Kälte für allgemeine.
Ist einer als ein Mann von großem Verstande bekannt: so gewinnt er in Gesellschaft durch Schweigen mehr als durch Reden; fängt er aber dieses an, so muß er mit dem Besten beginnen.
Verdorbne Frauen reden untereinander oder mit Männern tadelnd von fremden unkeuschen Handlungen, bloß um sie länger sich vorzustellen und vorstellen zu hören.
Eigentlich bestechen gegen die Wahrheit rechtlose Beleidigungen weit mehr als rechtlose Schmeicheleien.
Der Mensch ist nie besser und wärmer, als wenn er dem andern eine Freude vorbereitet.
Kinder über Eltern ausfragen spionierend: heißt Briefe erbrechen, ja noch schlimmer, da man (in Briefen) gegen den Freund nicht so viel Schwachheiten zeigt als gegen Kinder.
Wie anders ist das Los eines Helden oder Kollegiumsmenschen oder Fürsten, welcher seine schönsten Ideale nur mit fremden Beihülfen erreichen kann, gegen den Dichter und Weltweisen, der nur eigne braucht. Ein Held ist in ewigem Doppelzank mit außen.
Leider gewöhnt man sich immer mehr an die Tugenden des Bekannten und haßt entwöhnt immer mehr dessen Fehler, je länger man mit ihm umgeht.
Nicht die einzelnen Anreden, sondern die zufälligen Äußerungen der Eltern und die absichtlose Fortsetzung und Offenbarung eines Charakters wirken so unglaublich auf die Kinder, denen durch ihre Verehrung alles so fest anfliegt.
Was Freundschaft, Ehe, Dienstbotenliebe so bald schwächt, ist, daß man alle die Tugenden, womit jemand anfängt, nur kurz im Anfange, aber später nur als notwendige Basis schätzt, von der man anfängt, die Fehler und die Tugenden zu berechnen. Ein kleiner Fehler oder Abgang wird einem Tugendreichen schwerer verziehen als einem Tugendarmen seine ganze Armut. An nichts leichter gewöhnt sich der Mensch bis zur Vergessenheit und Undankbarkeit als an den Wert des andern. – So können 2 Eheleute ihre Verdienste steigern; da es aber beide tun, rechnet es kein Teil dem andern zum Verdienst an.
Kleine Mädchen scheinen am leichtesten gut erzogen, weil ihre Natur nicht heftig, sondern immer furchtsam ist und also jeden Schein der Erziehung leichter nachspiegelt.
Zum Ausführen braucht man 1 Mann (General), der die Entschlüsse von hundert realisiert; aber zum Entwerfen, zur Ansicht einer ganzen Zeit ist 1 Fürst nicht hinlänglich; an 1 falschen Idee gehen Völker verloren. Daher von jeher Konsilien; daher Republiken. 100 Augen sehen mehr als 2; aber 2 Arme tun mehr als 100.
Wer seine Gesinnungen verbergen will, langt mit bloßem Verstellen (dissim(ulare)) nicht aus, sondern er muß Anstellen (simul(are)) dazunehmen; ihr Ausdruck wird am besten durch einen Widerschein und Annäherung der entgegengesetzten verborgen.
Ich erziehe Kinder nicht zu etwas, sondern in etwas.
Den meisten Menschen, besonders den Gelehrten, fehlt zum Gutsprechen nichts als die Freiheit zu sprechen.
In der Ehe besonders – aber eigentlich überall – ist der große Irrtum, daß man glaubt, sobald man seinen Wert, sei es schreibend oder handelnd, dem andern feurig gezeigt und eingeprägt, man habe in den matten Tagen des Lebens dieselbe feurige Darstellung des Innern nicht zu wiederholen, sondern auf die erste zu bauen. Das Wiederkommen der Zeit fodert Erneuerung des ersten Eindrucks und um so mehr, je größer er war.
Ich fühle im Hassen des Bösen meine Seele so sehr erhoben als im Lieben des Guten. Und jenes Hassen hat nicht(s) Unangenehm(es) bei sich, sondern nur Kraft.
Wie man durch Beisammensein fortliebt unter der Rinde die Frau, so auch den Freund; nur die Unterbrechung zeigt uns, wie so stark wir lieben.
Das größte Vorurteil, daß Dichter, die sich selber hingeben und vergessen, nicht das fremde Sich auffaßten und bemerkten. Sie sehen alles, weil sie sich sehen lassen; der andere sieht wenig, weil er wenig sehen läßt.
Wenn das bloße Lesen die Leser so ausbildete: so müßte man im 6. Jahrtausend zehn mal besser schreiben als im 2. Jahrtausend.
Jedes Leben, zumal eines Autors, ist wert, beschrieben zu werden, aber nicht jeder ist wert und fähig, es selber zu beschreiben.
Knechtschaft der Völker ist nicht so schlimm als Knechtschaft ihrer Herrscher unter einem Oberherrscher, denn seine Knechtschaft müssen sie bei ihrer alten unter ihm tragen.
Feinheit setzt Verständnis voraus, [ist] also nur gegen Feine möglich und zu üben.
Man fodert von Kindern das Unmögliche, daß sie Ehe, Kinder und alles sehen, und rein nichts erraten, auch von weitem her.
In jedem Falle wird bei gleicher Anlage das falsche Vertrauen auf Talente mehr hervorbringen als das falsche Mißtrauen in sie; jenes spannt, dieses lähmt.
In der Ehe helfen große geistige Vorzüge wenig zum Glück, da sie nur selten einwirken; aber kleine Achtsamkeiten und Angewohnheiten und nachgebender Verstand bereiten Glück.
Jede spricht von Hämorrhoiden und niemand von Menses, kein Mann und Weib.
Man sagt doch seine Meinung, die dem andern entgegen ist, sanfter, mäßiger, wenn man sie in dessen Hause sagt, als wenn man mit ihm im fremden ist.
Die Männer müssen den Weibern egoistischer erscheinen, weil sie behaupten, erkämpfen, bekämpfen, herschaffen müssen und diese nur benützen. Jede Kraft nimmt den Schein der Ichsucht an, denn im Ich wohnt sie ja.
An Kindern sieht man am öftersten und stärksten, wie wenig die Vorstellung der Zukunft über anreizende Gegenwart siegt.
In der Ehe schämt man sich mehr, der Gattin die geistige Liebe zu offenbaren als die körperliche; vor der Ehe natürlich umgekehrt.
Jeder Mensch (z. B. Einsiedel) bildet in seiner Persönlichkeit auch bei allem Wert etwas feines Komisches für d(ie) andern.
Ich kann mir denken, daß ein reiner Dichter einen reinen Kaufmann begreift und schätzt sogar; aber nicht umgekehrt.
Wenn der Mensch seine schlimmen Anteile der Natur untersucht: so wird er sie immer klein und fast nicht unmoralisch finden, z. B. Hitze, Bequemlichkeit, Genußliebe, Lobsucht, und er wird mit Recht von sich denken, daß er damit nie dem andern recht verhaßt oder gefährlich sein könne. Indes, wenn diese schlimmen Partikeln durch Umstände, Zeit, Menschen sich verdichten, durch Zorn, Übereilung aufbrausen, so kann er den andern verhaßt scheinen, ohne es sich selber zu werden; oder er kann bereuen und doch seine alte Achtung sich bewahren. Daher denn sein Selbbewußtsein. Wir bedenken gar nicht, wie die kleinste unsittliche Partikel in uns durch Zusammenströmen mehrerer Umstände zu einer Lastertat sich ausdehnen kann.
Bloß bei den Tieren kann ich rein rechnen, daß sie je besser gegen mich sind, je besser ich gegen sie; bei den Menschen nicht, ja oft umgekehrt.
Das Schöne, was man für den Freund im Enthusiasmus ausgedacht, gebe man ihm nachher.
Schrittschuhfahren = jeder Schuh ist ein Schrittschuh; aber der eiserne Schlittenschuh ist eben ein Schlittschuh.
Der Leser leiht dem Autor gewöhnlich die schöne etc. Lage, in der er ihn zum ersten Male las.
Die Menschen – dies beweiset die Liebe der Kinder – werden nicht zu den Menschen erst hingewöhnt, sondern nur spät(er) von ihnen abgewöhnt.
In der Ehe will jeder Teil, daß bloß der andere anfange, pflichtmäßig und edel zu sein, dann woll er sehr erwidern, ja mehr geben als nur gegeben werde; – und unter diesem Wollen zanken sich beide fort, und keines fängt an.
Einer kann bloß dadurch, daß er alle Wetterinstrumente, Regenmesser in jeder Stunde bemerkt und aufschreibt, sich gegen alle Wetter gleichgültig machen und froh erhalten.
Die Kinder sind nie so gehorsam, als wenn sie den Eltern etwas geschenkt oder sonst eine Freude gemacht haben.
Man sollte nur die Gegenmeinungen des andern nicht entgegengesetzt den eignen betrachten, sondern als Meinungen für sich: so würde man sie ebenso leicht dulden, als man allen Aberglauben der Wilden und der Kirchengeschichte vergibt.
Das Streben nach Wahrheit macht uns zu sehr offen für jede neue Ansicht.
Ein Kritiker verdeckt seine Dürftigkeit des Urteils am besten, wenn er ein ganzes ästhetisches Jahrhundert mustert und durch kurze Urteile über bedeutende Größen deren Motivierung verbirgt oder ersetzt, weil man das Interesse an seinem Gegenstande mit dem Interesse an ihm vermengt.
Man denkt vom Verstand eines Menschen zu hoch, dessen Idiom man nur halb versteht.
Mancher sollte sich fragen, was er mit dem Leben machte, wenn ihm Gott Hunger, Durst und alle Lust- und Schmerzgefühle nähme, ob er es nur begehrte oder ob er nicht lieber Lücken begehrte, um sie nur zu füllen.
Man darf nur grob sein, so wird's der andere auch; nichts wird leichter auf der Stelle sogar dem Feinde nachgeahmt als Grobheit.
Man verteile und zersäe eine schwere Arbeit nicht in verschiedne Zeiträume – die Wichtigkeit beginnt und drückt immer von neuem –, sondern man mache sie auf einmal ab, da die Räume ohnehin mehr neuanfangenden Kraftaufwand begehren.
Nicht durch Dichter, sondern durch Leben muß man sich zum Dichter bilden, wie man nicht auf dem glatten Eise zu schnellem Fahren ausholt, sondern auf dem holper(ichten) Boden.
Das eigentlich Originelle am äußern Leben ist alles, was man Fremdes tut, ohne das Gefühl, daß es andern fremd vorkommen werde.
Ich komme leichter mit wahren Spitzbuben aus zu meinem Vorteil als mit wahren liberalen Menschen, welche mich zu meinem Nachteile bezaubern; denn ich kann ihnen nicht unähnlich sein.
Die meisten Menschen schließen aus einer Begebenheit und Handlung die Zukunft; aber die rechten Historiker schließen daraus die Vergangenheit. Jene gehen nur vor-, diese rückwärts, erraten aber desto mehr vorwärts.
Die meisten glauben durch die Heftigkeit ihrer Behauptung, diese stärker dem andern einzudrücken – und ihr eignes heftiges Gefühl mitzuteilen –; aber umgekehrt, durch einfach kaltes Behaupten teilt man das eigne stärker mit.
Im Leben ist der Engländer freier, im Schreiben pedantischer als der Deutsche, der gerade auf dem Papier die republikanische Rolle spielt.
Bei Leidenschaft errat ich den Menschen mehr aus dem Ton als aus der Rede, der Stimme-Ton ist schwer zu verbergen oder zu verheucheln.