Jean Paul
Levana oder Erziehlehre
Jean Paul

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§ 98

Gegen weibliche Eitelkeit habe man fast ebensoviel wie gegen männlichen Stolz, nämlich so wenig. Vorzüge, welche wie Blumen auf der Oberfläche liegen und immer prangen, machen leicht eitel; daher Weiber, Witzköpfe, Schauspieler, Soldaten durch Gegenwart, Gestalt und Anzug es sind; indes andere Vorzüge, die wie Gold in der Tiefe ruhen und sich nur mühsam offenbaren, Stärke, Tiefsinn, Sittlichkeit, bescheiden lassen und stolz. Nelson konnte durch Ordensbänder und den Verlust von Auge und Arm ebenso eitel werden als durch kalte Tapferkeit stolz. Kein Mann setzt sich lebhaft genug in die Stelle einer schönen Frau, die, ihre Nase, ihre Augen, ihre Gestalt, ihre Farbe als funkelnde Juwelen durch die Gassen tragend, mit ihrem stehenden Glanze ein Auge ums andere blendet und mit ihren Verdiensten gar nicht aussetzt. Hingegen gleichsam vergittert und eingefangen schleicht der sehr verständige und gelehrte Rektor hinter ihr – seine innern Perlen mit zwei dicken Muschelschalen zudeckend –, und niemand weiß, was er weiß, sondern der Mann muß sich selber einsam bewundern und blenden.

Der Wunsch, mit einem Werte zu gefallen, der bloß im sichtbaren oder äußerlichen Reiche herrscht, ist so unschuldig und recht, daß der entgegengesetzte eben unrecht wäre, dem Auge und Ohre bedeutunglos oder mißfällig zu werden. Warum dürfte ein Maler für das Auge sorgen und kleiden, aber nicht seine Frau? – Freilich gibts eine vergiftende Eitelkeit und Gefallsucht, die nämlich, welche das innerliche Reich zu einem äußern herabsetzt, Gefühle zu Zug-Netzen der Augen und Ohren ausbreitet und mit dem, was eigentümlichen Wert hat, sich abgeleiteten kauft und bezahlt. Immerhin wolle ein Mädchen mit Leib und Putz gefallen, nur nie etwa mit heiligen Empfindungen; und eine sogenannte schöne Beterin, welche es wüßte und darum kniete, würde niemand anbeten als sich und den Teufel und einen Anbeter. Jede Mutter und jeder Hausfreund bewache daher die eigne Lobsucht – oft so gefährlich als Tadelsucht –, welche so leicht eine bewußtlose Grazie des Seelen-Tons, der Miene, der Empfindung benennt und belobt und sie dadurch auf immer zur bewußten, d. h. zur getöteten macht. Das Zählen der Untertanen nahm diese dem David. Das von Geisterhänden emporgehobene Gold stürzt wieder zurück, sobald gesprochen wird. Wenn der Mann lauter Kothurnen hat, worauf er sich der Welt höher und leichter zeigt, Richterstuhl, Parnaß, Lehrstuhl, Siegwagen u. s. w.: so hat die Frau nichts, um ihren innern Menschen darauf zu stellen und zu zeigen, als ihren äußern; warum ihr dieses niedliche Fußgestelle der Venus wegziehen? Und wenn der Mann immer in einem Kollegium und Corps gleichsam in einer Assekuranzgesellschaft seines Ehrengehaltes steht, die Frau aber nur den einsamen Wert ihrer Persönlichkeit behauptet: so muß sie desto schärfer darauf halten. – Vielleicht ist dies eine zweite Ursache, warum Weiber kein bedingtes Lob vertragen; denn die erste bleibt wohl die, daß ihnen aus Mangel der Selbst-Teilung und in ihrer ewigen Niederlage vor der Gegenwart, die immer das Bittere stärker als das Süße aufdringt, mehr die Schranke des Lobes als das Lob empfindbar wird.

Wir gehen nun zum Kleider-Teufel über, wie sonst die alten Theologen das Toilette-Machen nannten.

Was bedeutet denn das weibliche Toilettenzimmer anders als die theatralische Anziehstube? Und warum gibts denn so viele Kanzeln gegen jene? – Die Kanzelredner auf ihnen bedenken folgendes nicht genug: der Frau ist das Kleid das dritte Seelenorgan (denn der Leib ist das zweite, und das Gehirn das erste); und jedes Überkleid ist ein Organ mehr. Warum? Ihr Körper, ihre wahre Morgengabe, fällt mit ihrer Bestimmung mehr in eins zusammen als der unsrige mit unserer; und ihrer ist, wenn unserer mehr als Pilger- und Grubenkleid mit der Bergschürze ist, ein Krönungskleid, ein Courhabit. Er ist die heilige Reliquie einer unsichtbaren Heiligen, die nicht genug kann geehrt und bekleidet werden; und das Anrühren dieses heiligen Leibes tut allerlei Wunder. Eine männliche Hand abzuhauen, war in frühern Zeiten nicht viel gefährlicher, als eine weibliche zu drücken, auf welchen Druck das salische Gesetz 15 Goldschillinge Strafe legt; ein gewalttätiger Kuß begründete sonst eine Injurienklage, und noch wird man in Hamburg für jeden Kuß um zwei gute Groschen bestraft, den man da aufdruckt in einer Werkstatt. Daher aber müssen den Frauen Kleider und Putz, als Firnis des Gemäldes als Vervielfältigung ihrer Außenseiten und Facetten, wichtig gelten. Meistens besuchen daher Weiber ein Paradebette, um zu sehen, wie man sich unter der Erde bei den Toten trägt. Vielleicht gehört Lust an Gewändern unter die Ursachen, daß wir große Malerinnen, aber keine großen Tonkünstlerinnen haben, weil doch den größern Raum der weiblichen Malerei Gewänder füllen; mit den Tönen aber, denken sie, kann man sich zu wenig sehen lassen, wenn man nicht singt. Dadurch fällt auch auf die weibliche Shawl-Wurf-Kunst einer Hamilton und anderer Licht. Noch im Alter und auf dem Krankenlager – welche beide der Mann so gern benutzt, um sich bequem in Schlafmützen und Schlafröcke zu werfen – legen sie Putzwerk an, nicht um Männern zu gefallen, sondern sich; ja noch im zugesperrten Sarge, der einsamsten La-Trappe-Kartause, die es gibt, weil nicht einmal ein Einsamer da ist, wollen sie nicht hinter den aus Pompeji gegrabenen Gerippen nachbleiben, welche sich daselbst mit Putz und Ohrenringen der Nachwelt vorteilhaft zeigen. Auf einer Insel würde eine Miß Robinson, wäre auch niemand da als ihr Bild im Wasser, täglich die neuesten Moden machen und tragen. – Wie wenig sie der Männer wegen sich zu getriebener Arbeit und zu dreigehäusigen Uhren machen, erschaue man daraus, daß sie sich nie sorgfältiger schmücken als für bloße Weiberzirkel, wo jede die andere studiert und ärgert.

Unbefangen vor Zeugen stellet sich jede vor ihre Idealwelt, vor den Spiegel, und schmückt das Bräute-Paar. In Frankreich trug die Frau sonst einen Spiegel auf dem Leibe, wahrscheinlich um den Freundinnen süßer zu werden und diese an ihren eignen Bildern für die Trägerin derselben zu entschädigen. In Deutschland war sonst den Gesangbüchern vorn ein Spiegel eingelegt – warum nicht noch? Schade für diesen Verlust des göttlichen Ebenbildes einer jeden aus Mangel an Spiegel.

Aus demselben Grunde der Naturbestimmung verzeiht auch die Klügste einen Tadel ihres Körpers nicht; so wie sie ein Lob desselben höher schätzt als ein Lob des Geistes. Von Louis XIV. an schwuren die französischen Könige, bloß zwei Verbrechen nicht zu vergeben, beide nur zwischen Mann und Mann begehlich, den Zweikampf und ein schlimmeres. Die Weiber wollen gern alle verzeihen, ausgenommen eines: nicht etwa das Verneinen ihrer Reize, sondern das laute Bejahen eines körperlichen Wider- und Un-Reizes. Und jede Manns-Zunge ist unmoralisch grausam, über welche dieses Ja gehen könnte. Die Frau, der sinnlichen Gegenwart mehr untertan und mehr dem Scheinen und Meinen als wir, muß, so wie ihre Schönheit, so ihre bejahte Unscheinbarkeit als eine umhergetragene Fortwirkung schmerzlich empfinden. Doch selber dieses Sprechen darüber würd' ich für hart halten, wenn ich nicht aus meiner und fremder Erfahrung dazusetzen könnte, daß ein schönweibliches Herz äußere Flecken so auslösche wie ein schwarzweibliches äußere Reize, und daß die schöne Seele höchstens den ersten Augenblick, die verdorbene aber die Zukunft zu fürchten habe. Der weibliche Leib ist die Perlenmutter; – diese sei nun glänzend und bunt, oder von Geburtsboden rauh und grau, so macht doch die helle weiße Perle darin allein den Wert. Ich meine damit dein Herz, du gutes Mädchen, die du nur das Verkennen, nicht das Erkennen errätst! –

Aus der weiblichen Bestimmung ist vielleicht die größere Kälte und Strenge abzuleiten, womit Weiber von Stande ihre weibliche Dienerschaft behandeln – sie können sich manche Ähnlichkeit und manche Möglichkeit der Verwechslungen nicht ableugnen; worin auch Ehe-Männer, denen mehr an dem Satze des Nichtzuunterscheidenden als des Widerspruchs gelegen ist, sie leicht bestärken. Den Unterschied der geistigen Bildung schlagen die Weiber, zumal schöne, weniger an, – die Männer aber nur diesen im Betracht ihrer Diener, und Pompejus fragte, seiner Siege gewiß, nichts darnach, daß sein Koch so aussah wie er.

Die weibliche Kleider-Liebe hat samt der Reinlichkeit, welche gleichsam auf der Grenzscheide zwischen Leib und Sittlichkeit wohnt, eine Wand- und Tür-Nachbarin, nämlich Herzens-Reinheit. Warum werden alle Mädchen, welche Fürsten mit Reden und Blumen entgegenziehen, weiß gekleidet? – Die Hauptfarbe der geistig- und körperlich-reinen Engländerinnen ist die weiße. Heß fand weiße Wäsche in freien Staaten am meisten; – und ich finde die Staaten desto keuscher, je freier sie sind. – Für eine Frau, welche – als Widerspiel der Dominikaner, die im Kloster weiß, und außerhalb schwarz gekleidet gehen – die Farbe der Reinheit nur auf der Gasse trägt, will ich kein Bürge ihrer innern Reinheit werden.

Ich könnte noch von dem Wäschschrank sprechen, dem weiblichen Bücherschrank – denn unser Weißzeug besteht in Schwarz auf Weiß. – Ich könnte noch fragen, ob nicht die Mädchen die Kleider darum auch mehr lieben, weil sie viele selber machen und folglich ein Gewächs schmackhafter genießen, das sie im eigenen Garten gezogen. Aber näher liegt die Frage, wie die Wasserschößlinge eines von der Natur eingeimpften Blütenzweiges zu unterdrücken oder zu beschneiden sind.

Beseelt das Herz: so dürstet es nicht mehr nach Luft, sondern nach Äther. Niemand ist weniger eitel als eine Braut.

Gebt der Tochter irgendeine lange Laufbahn zu einem bedeutenden Geschäfte: so schauet sie sich seltener um. Ein rechtes Werk verschlingt den Verfasser, wie später den Leser, beide denken nicht mehr an sich. Im Seetreffen ist kein Nelson eitel, im Landtreffen kein Alcibiades, im Staatsrat kein Kaunitz.

Den Kunst-Reiz des Anzugs lerne eine Tochter kennen und schaffen, aber an andern Körpern.

Behandelt sie als eine malerische Gliedermännin und legt den Wert auf die Gestalt an und für sich – sie halte sich für eine Schauspielerin, die sich nicht mit ihrem Putze einer Königin verwechselt. Reiche Kleider machen eitler als schöne.

Lasset nicht Ammen, Kammerjungfern und ähnliches Heuschreckenvolk das bekleidete Mädchen schätzen und verklären; ja habt sogar auf die Gespielinnen, zumal die des niedern Standes, ein scharfes Auge, weil diese das Anstaunen des Hoch-Schmuckes leicht in ein Bewundern der Trägerin verkehren.

Weiset der Reinheit, dem Ebenmaße, der Kleider-Sitte und der ästhetischen Schönheit-Foderung ihren glänzenden und dichten Wert zu: so vergißt die Tochter, wie ein Dichter, sich über die Kunst und Idee; und über die Schönheit die Schöne. Sie werde ein Künstler, der sich selber malt, und den nicht das Urbild am meisten reizt, sondern das Abbild.

Endlich sei nur nicht die Mutter selber ihre eigne Tapeziermeisterin, oder ein unfruchtbares Tulpenbeet der Mode-Farben; dann ist genug getan für die Töchter, wenn nicht alles.


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