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Die Bauersleut sein heutzutag in der Lieb grad so fein wie die Stadtleut,« sagte Kirsten, die Schmiedin. Sie war beim Weihnachtsschlachten und saß mitten zwischen den Weibern und speilte Würste ab. Die dicken Messingbrillen saßen ihr vor dem Kopftuch, und die Augen funkelten vor guter Laune und leuchteten im Spiel starker Jugenderinnerungen.
»Wie i sag, die Menschen sein heutzutag viel, zartischer und g'fühlvoller, als wie sie früher waren. Sie hab'n g'lernt, was ma so braucht, sie können's a ausdrücken. Sie müssen alleweil außersag'n, was sie in Herz'n hab'n, und a Goldringl muß da sein, als a Petschaft auf die Red'. Und wann's in Zimmer sein, müssen's schön tun mitanander, und bein Spazier'ngehn horchen's auf die Bögerln. Sie lesen alleweil in die Kalender umeranand. Und uns're geistlichen Herrn? – de sein a von aner andern Art, als wie sie zu meiner Zeit war'n. Die Bauersleut dürf'n heut nimmer sündig'n – und zu meiner Zeit hat's g'heiß'n: der Mensch muß sündigen. Sonst hätt' ja die heilige Gnad gar kan Zweck g'habt. Mag wohl a sein, daß in die Leut setz mehr G'fühl drin is, wie früher. Und das war mir schon recht. Sein halt a viel mehr heute, die 's Mitleid brauchen und 's Mitgefühl. Und wie die Zeit is, so sein die Mensch'n; und deswegen g'fallen's uns a. Aber wie i jung war, da war's ganz anders. Mir war'n aus recht an grob'n Holz g'schnitz'lt, ja rechte Klötz war'n mir, meiner Seel'! Mir hab'n nix g'wußt von dem, was unter uns're Rippen is und was uns führ'n und meistern sollt, mir war'n einfache Leut; da war kaner, der uns behütet hätt', wenn unsereins das nit selber getan hat. – Na, bei der grob'n Arbeit hab'n mir uns ja eh leicht g'holf'n unteranand – und fürs Schlimmste und Beste auf der Welt hat unser Herrgott ja so selber g'sorgt; das braucht kaner z' lernen, wahrhaftig nit; schwarer is, die Sach' z' verlernen. Das war's, was uns plagt hat, glaub' i. Aber heute, da is das freilich anders. Da krieg'n die Leut die Kinder erst nach a Menge G'schicht'n. Hast mi gern' – und ›hast mi nit gern‹ – und ›wer'n mir die Kinder wohl erhalten können und woll'n mir's a tun‹ oder ›sein mir vielleicht z' fein dazu?‹ – und so weiter mit alle Paragraphen. Mir, mir war'n einfach verliebt, und die G'schicht' war g'schehn.«
Die alte Kirsten brauchte da ein derbes Sprichwort zum Nachdruck, plusterte sich auf wie eine Henne und gluckste vergnügt.
»Aber ...« fuhr sie klug und behaglich fort, während sie eine neue Wurst stopfte und die Haut anstach, um die Luftblasen auszutreiben – »aber, wenn uns dabei was passiert, dann hab'n mir a kan Menschen anklagt. War'n nit viel Fehler, die so grob war'n, daß mir sie nit a hätt'n begeh'n können. Und gar so was Schrecklich's kann's ja nie sein, wenn's nirgends g'schrieb'n steht, daß alles gar so gut und brav sein soll. I glaub halt amal fest, wann das, was g'schehn soll, g'schicht, nachher is es zu unsern Segen. I denk' dabei an die Martina, die Justtochter von Stenbäk. Ja, ja, die is schon viele Jahr tot; ihr habt's sie nit kennt, könnt's euch a nit erinnern.
»Schaut's, die Martina ... aber i will euch lieber erzähl'n, wie das Ganze kommen is. Sollt's nit das End' von der G'schicht' z'erst hören, meine lieb'n Diandln, wär ja ka Lehr' für euch, wärt's nachher grad so g'scheit wie zuvor. Die Martina war das bravste und das schönste Diandl von Stenbäk und von der ganzen Umgegend. Sie hätt' an jeden hab'n können, hab'n alle Bursch'n ang'halten um sie, hat aber kan anzigen hab'n wollen. Sie hat no nit heiraten woll'n. War no nit ihr Zeit; die hat erst kommen müssen.
»I war dazumal auf 'n Stenerslevhof in Dienst. Nit, weil i hätt' müss'n in Dienst gehn; aber i hab woll'n die Bräuch' von die feinen Leut lernen. Ich war grad sechzehn Jahr alt und neugierig war i, das könnt's mir glauben. Is nit viel g'schehn in der ganzen Gegend, wo i nit meine Ohren g'spitzt hätt'. I hab immer all's wissen woll'n, justament als wann i a Ahnung g'habt hätt', daß i amal als an Alte diejenige sein wer', die erzähl'n kann. I hab die Martina gut kennt. I war ane von die ersten, die sich auskennt hab'n, wenn a die Tatsach' g'heim g'halt'n wor'n is. Später, wie niemand mehr hat a Ärgernis nehmen können, is die G'schicht' in aller Still bekannt wor'n; alle hab'n's g'wußt, aber kaner hat davon g'red't. Und für die Martina war's ka Schand. Ja, und jetz sein ja a alle Beteiligten lang' tot. – – – Die Martina hat in der Johanninacht aner drankriegt – – ja, ja, notzüchtigt hat er sie. – –«
Kirsten schaute sich um und nickte jedem einzelnen Mädchen schweigend zu. Die machten ihrem Schrecken und ihrer Neugier in seufzenden Ausrufen Luft. Kirsten schwieg lange, um das traurigfragende Mienenspiel der Mädchen zu genießen.
»Ja, ja, notzüchtigt hat er sie,« sagte Kirsten endlich und nickte. Sie war mit der Wirkung ihrer Worte sehr zufrieden. »Ja, ja, Diandln, entehrt is sie wor'n wie in Kriegszeiten. In der Johannisnacht is' g'wes'n. Könnt's die G'schicht' schon hör'n. Das Johannisfeuer is auf der Stenbäker Heid'n ang'steckt wor'n, dort wo sie alleweil die Signalfeuer geb'n. Is mehr als fünfzig Jahr seitdem. I war a dabei und 's erste Mal in mein Leben als ›Lämmchen‹ Das junge Volk gruppiert sich am St. Johannisabend paarweise als Lamm und Lämmchen. (Anmerk, des Übers.). A klan's Bürschl von unsern Hof war mei Bua, und 's hat lang dauert, bis mir uns wieder traut Ham uns anz'schau'n. So viel g'schamt ham mir uns. Die Buam war'n aber a dazumal viel g'schamiger als wie heut, scheint mir. I könnt euch von an Bursch'n erzähl'n, der niederkniet is und inständig gebeten und g'want hat und sich mit aner Flasch'n Schnaps loskauft hat, wie er auf der Wies'n mit die Madln allan blieben is, und wie sie ihn hab'n alle mit G'walt abbuss'ln woll'n. Grad a so a Tepp war der Bua, der damals mi als ›Lämmchen‹ kriegt hat. Sein mir beide allemal feuerrot wor'n im G'sicht, wann mir uns lang nachher wo troffen hab'n. Der Mogens, von den i euch jetz erzähl'n will, war nit aner von der Gattung. Ma kann do a Bursch'n nit g'schamig heiß'n, der si so was untersteht, was der Mogens getan hat. Eifersüchtig möcht' ich ihn grad a nit heiß'n. Er war halt a stiller Mensch; ja, ja, das war der Mogens. Er war aner, der nix außerbracht hat. Er war von an stillen Hof. I kann euch sag'n, in meiner Jugend hat's Hofplätz geben, wo den ganzen Tag nit a Sterbenswörtl g'red't wor'n is; die Leut hab'n stillschweigend ihr Arbeit verricht't, wie's recht war; deswegen hab'n sie sich aber doch gegenseitig gut leiden können. Nit etwa, daß die Leut ka Zeit g'habt hätt'n zum Reden, oh na; aber was häten's denn reden sollen? war ja gar ka Veranlassung dazu. So hab'n sie 's Red'n a nit vermißt. Der Mogens war von so an Platz. No, und der hat's a noch übertrieb'n. I hab nie an Menschen troffen, der weniger g'red't hätt' wie er. Einige Leut hab'n g'mant, der Mogens war stumm; aber das is nit wahr g'wesen, denn i hab ihn selber ja und na sagen g'hert. Wenn er aber eins von die zwa Wörtln außerbracht hat, nachher war's aus. No, der hat sein Redwerk sicher kan Schad'n tan. Was erklär'n, sich so recht ausreden, oder mehr Wort auf amal hersag'n, das war sei Sach' nit. Das hat er nit können. Er war gar so maulfaul.
Der Mogens und die Martina war'n a damals beim Johannisfeuer. Sie sein aber nit als Lamm und Lämmchen z'sammgeb'n worn, na, so hat die G'schicht nit ang'fangen. Aber der Mogens hat sich dennoch den Abend in die Martina verschaut, so verschaut hat er sich, daß er kan Ausweg mehr g'funden hat. Das is übrigens andern a passiert. Alle Bursch'n hab'n bei ihr sein woll'n, sie hab'n ihr durchaus was Lieb's sagen müssen. Der Mogens hat nix g'redt. Er hat nit können, der dalkete Bue – er hat kan Ausweg g'funden. Nit an anzig's freundlich's Wörtl is ihm auf die Zungen kommen. Ma kann's freilich an die Augen absehn, wann a Mannsbild verliebt is, und beim Mogens war's grad a ka Kunst. Aber das müßt a ganz seltsam's Madl sein, die ganz von selber auf so was käm'. Da g'hört mehr dazu. Ehrbare Wort und ›willst mi hab'n‹ und ›bist du aber sauber‹ oder so was; ihr wißts es ja eh. Der Mogens hat aber nix g'redt. Nit a Wörtl.
Wie's Johannisfeuer ausbrennt war und die Martina z'haus gangen is, is ihr auf der Heide der Mogens begegnet. Sie is wohl z'erst nit allein g'wesen, aber die andern hab'n do schließlich a jed's in aner andern Richtung gehn müss'n, und sie is auf amal allan blieb'n. Der Justhof is ganz einsam zwischen die Hügel g'leg'n; drinnen, bein Stenbäkbach. Der Mogens hat ausspekuliert g'habt, daß die Martina das letzte Stückl allan gehn muß, deswegen hat er sich in der Heid'n versteckt. Er hat bloß aufpassen woll'n, ob ihr wohl nix g'schicht. Aber wie die Martina daher kummt, springt er auf amal aus'n Kraut in die Höh – aber ka Wörtl hat er red'n können. Das Diandl is fürchterlich erschrocken – is ja übrigens ka Wunder – und hat schrecklich g'schrien. Die andern hab'n das wohl noch g'hört, aber sie hab'n glaubt, es war a wild's Viech oder an anderer Schreck und sein dem Gebrüll nit nachgangen. Die Martina hat aber z'laufn ang'fangen.
'S hat lang dauert, bis wieder aner was g'hört hat. In der ganzen Zeit is die Martina in die Heid'n eing'laufen um ihr Leben, und der Mogens hinter ihr. Is selten, daß a Diandl an Mann auskummt, wann sie ihm davonlauft. Die Martina hat ihn doch fast a ganze Stund hing'halt'n; sie war ganz b'sonders gut auf die Füß. Und wann aner vor Schreck den Verstand verliert, nachher kann er a gut lauf'n. Der Mogens hat sie aber doch erwischt. Und wann er früher schon schwer g'redt hat, jetz hat er gar nix mehr außerbracht; er hat ja kan Atem mehr g'habt und war gar so gekränkt, daß die Martina vor ihm davong'laufen is. Und weil er nimmer red'n hat können, desweg'n – – no ja – desweg'n hat er zu der Sprach' griffen, die kane von euch, meine liebe Diandln, verstehn derf, bevor ihr sie nit in aller Lieb und Unschuld g'lernt habts. Betets zu Euern Herrgott, daß ihr's nit auf die Art lernts wie die Martina. Ihr brauchts ja nit trotzig sein, damit's euch nit so geht wie der Martina. Die Leut', die in Stenbäk in ihre Betten g'leg'n sein, hab'n g'hört, wie sie gebrüllt und gebeten hat – aber sie hab'n alle 'glaubt, es müßten wilde Viecher sein, die in der Heid'n draußen umeranand arbeiten, und sein nit aufg'standen und den Gebrüll nachgangen. Die Martina hat so furchtbar gebrüllt, daß kaner gedacht hätt', das könnt' a menschliche Stimm' sein. Und so hat das arme Diandl mit'n Mogens g'rungen, daß sie in der Heid'n an Fleck aufgrab'n hab'n, wie wann a Viech die Erden aufg'wühlt hätt'. Dort hat man a später a Menge Kopfhaar gefunden von an Menschen. Auf amal is all's still worn. Nach einer halben Stund' aber, wie's schon fast hellichter Tag war, hat das Gebrüll noch amal ang'fangen. Und so unmenschlich soll sie g'heult hab'n, daß die Bauern g'mant hab'n, die Elbin is', die in der Erden wohnt und in die Wehen liegt. Da hat der Mogens sie derarbeitet und sie Zum Bach abe gedrängt, damit er beide ertränken tunnt. Er is ja ganz verrückt worn, daß er ihr sei Lieb nit hat durch Wort verständlich machen können. Und wie sie ihm davong'lauf'n is, hat er sie zwischen die Hügel umanand g'jagt und nit g'wußt, was er sagen sollt. Und da hab'n sie g'rungen mit anander auf Leben und Tod. Und ma hat a Menge Plätz g'funden, wo die Erden aufgegraben war. Die Martina is a tüchtigs, starks Madl g'wesen – aber da hat sie halt doch nit standhalten können ...
»Na, das hätt' bloß i sein soll'n,« rief Kirsten aus und sah um sich mit Augen, die hinter den stark vergrößernden Brillengläsern Drohungen herausfunkelten – »bloß i hätt' das sein soll'n. I hätt' ihm die Gurgel durchgebiss'n – – – i hätt' ihm gebissen und g'schlag'n und mit die Füß' getret'n und – ganz ausanand' hätt' i ihn gekratzt ... wenn i ihn nit z'letzt gutwillig um den Hals g'fall'n war« – fügte sie plötzlich ganz leise hinzu, schlug die Augen nieder und beugte den Kopf schräg über die Arbeit, die ihr die ganze Zeit ununterbrochen von der Hand ging, während sie erzählte. Kirsten machte einen Katzenbuckel und lachte lautlos in sich hinein.
»No ja – so is es der Martina gangen. – So a schreckliche Nacht erleben z' müssen. Aber mit dem is die G'schicht' no lang nit aus. Am nächsten Tag is der Justhof abbrennt. Kein Mensch hat was g'wußt von dem, was in der Nacht g'scheh'n is. Zu Mittag is das Feuer ausbroch'n. Alle Leut' hab'n g'schlaf'n. Deswegen hat's so lang dauert, bis wer zum Löschen kommen is. Der Hof is ja weit weg g'wesen vom Dorf. War übrigens a schöner Anblick, der brennende Hof. I war mit die Dirn und die Knecht von Stenerslev bei der Heumahd in die Wiesen; mir hab'n grad alle in die Heuschober g'schlafen. A Hund hat g'heult, da bin i wach worn; is gar so was Seltsam's, daß a Hund beim hellichten Tag heult. Wie i in die Richtung schau, in der das G'heul herkommt, siech i von aner Stell' in der Heidn, grad hinter die Hügel schwarzen Rauch in die Höh' schlagen. I hab' glei g'wußt, daß das der Justhof sein muß. Das Feuer is aufg'sprungen und hat im Rauch aufg'flackert – es war furchtbar zum Anschau'n, und i hab g'schrien, und mir sein alle aufg'sprungen. Die Mannsleut hab'n ihre Holzschuh wegg'worfen und sein g'rennt, so viel sie hab'n können. I hab aber meine Schuh in die Hand g'nommen, weil i nit hab mit die bloß'n Füß' auf die glühenden Kohl'n treten woll'n. Mir war'n die ersten beim Brand. Der Hof war schon auf alle Eck'n in Flammen; 's Feuer is kerzengrad in die Luft g'stiegen. War a windstiller Tag, und die Sonn' hat g'scheint. I glaub', die Flammen war'n so hoch als wie a Kirchturm. Es war a reines, klares Feuer, was ma beim Tageslicht kaum g'sehn hat. Aber der Rauch war abscheulich schwarz und is schneller in die Höh g'flogen, als wie a Vogel, kerzengrad in die Höh auf a Viertel Meil'n. Ma hat können schwindlig werd'n, wann ma aufe g'schaut hat. Gekracht hat's in Holz und geknallt, und das Feuer hat g'schnauft und geprasselt, und heiß war's dorten, Kinder! Man sollt's nit glauben, aber viel Ellen von Hof weg, wo ka Feuer und ka Rauch hinkommen is, war die Luft scharf wie a Schröpfmesser und hat einem völlig in die Wangen g'schnitt'n und einen 's Zahnfleisch so austrocknet, daß ma nimmer hat reden können.
Wie mir zun Hof kommen sein, hab'n mir die Pferd schreien und ausschlagen g'hört, daß es nur so gedonnert hat in die Spillbäum. Man hat die Viecher nit aus'n Stall bracht. Die Burschen sein in Hof eine g'lauf'n, das Tor hat ihnen übern Kopf gebrannt. Dort hab'n sie den Just g'fund'n. Der alte Bauer war halb verrückt und is mit an Eimer in der Hand umanand g'lauf'n und hat sich abplagt. Er hat gar nimmer g'wußt, was er tut. Die Burschen hab'n die Stalltür eing'stemmt mit an Heubaum und a klaner Bue is durch Feuer und Rauch in Stall eine g'stürzt und hat die Halfterstrick durchschnitten. 'S is übrigens der g'wes'n, dem i am St. Johannis Abend 's Lämmchen hab g'macht g'habt. Jetz war er gar nimmer g'schamig. Es war aber a die höchste Zeih denn, wann die Pferd noch wilder worden warn, hätt'n's die Tür nimmer finden können. Eins nach'n andern sein sie außer kommen, sie hab'n sich bloß so gedruckt; den letzten hat schon die Mähn' gebrannt. Und wie sie erst draußen im Hof warn, sein sie in Galopp durchs Tor und aufs Feld und sein bloß so getanzt und hab'n die Köpf' gedreht und hab'n gewiehert, wie wann sie hätt'n sag'n mögen: na, i dank schön, von so an Hof hab'n mar aber ganz gnug.
'S Viech war auf'n Feld, den is nix g'schehn. Aber Schwein sein a Menge verbrennt, und es war schrecklich zun anhören, wie sie g'schrien hab'n. Sie hab'n drin in Schweinstall gequiekt und mit die Füß gekratzt, um möcht' sie außer lass'n. Endlich is an eing'fallen, man könnt' an Balken durch die äußere Mauer stemmen und so a Loch für die Viecher mach'n zum außerlauf'n. Aber 's waren alle schon tot, bis auf eins, was mit ganz abbrennte Füß' außerkommen is. Auf die bloß'n Stümpf is es umanand g'lauf'n, das arme, unschuldige Viech, und ma hat's grad grunzen g'hört, wie's abg'stochen word'n is. So a Linderung war ihm's Sterben.
Um die Zeit war'n schon a Menge Leut' auf'n Brandplatz; das ganze Dorf Stenbäk, mit Feuerhak 'n und Leitern. Sie hab'n retten woll'n, was no ze retten war, von löschen war ja ka Idee. Die Leut' hab'n die Tür'n eing'stoß'n und hab'n mit die Feuerhaken Möbel außerziehn wollen; is aber nimmer viel g'wesen. Is fast all's verbrennt. Mir hab'n seh'n können, wie in der Stub'n drin der Tisch brennt hat, bis es Bier in Krug ang'fangen hat z' kochen und der Krug zersprungen is. Mir hab'n a die Schränke brennen g'sehn und die Bilder an die Wand' und die Betten und alles.
Auf amal hab'n alle zu schreien ang'fangt und sein ganz verstört umanand g'laufen. Und 's Weib vom Just hat g'want und g'jammert, daß es nit zum anhör'n war. Seit ihr der Bauer beim Fenster von ihrer Schlafkammer außerg'holf'n hat g'habt, is sie alleweil ohnmächtig im Krautgart'n drauß'n g'legen. Wie sie endlich zu sich kommen is, hat sie die Weiber, die bei ihr war'n, um die Martina g'fragt. Martina? ja wo war denn 's Diandl? – Ja, sie hab'n doch alle geglaubt, daß die Martina mit 'm Knecht und der Dirn' in der Wies'n is und daß alle drei auf'n Heuschober schlafen. – ›Na, na, na – die Martina schläft drinnen im Haus!‹ – – Jesus Maria – – sie hab'n die Mutter mit aller G'walt halt'n müssen, daß sie ihnen nit ins Feuer eine rennt. Das arme Weib is dort g'legen und hat alleweil nach der Martina g'schrien – – no, und mir hab'n ja da a g'wußt, was is – was für a schrecklich's Unglück. Es war ja nit zum aushalten. I hab glaubt, i muß so schrein, daß mir die Brust beim Mund außer kommt. Martina! hab'n mir alle g'schrien – Martina! Martina! – – –
Mir sein so nah zum Haus g'lauf'n, als mir hab'n können und hab'n durch die Fenster g'schaut, ob mir's Madl nit erblicken könnten. Sie war nirgends. Ja, und wenn ma sie a g'segn hätt', es hätt' ja do nix g'nutzt, denn die Stub'n war'n ja eh schon alle mitanander aufgebrannt, die Wänd' war'n schon alle eing'stürzt, und der Dachboden, wo 's Getreid a schon ang'fang'n hat z' brennen, war a zum einfallen. Das ganze Haus war einwendig wie a großer, weißer Feuerofen – es war gar nit z' denken, daß ma die Martina noch lebendig finden könnt. Aber g'wundert hab'n sich doch alle, daß das Madl nirgends zum sehen war. Sie hat ja do no nit ganz und gar verbrennt sein können, a bissl was hätt' ma ja do noch sehn müss'n. Die Mutter hat wohl erklär'n wollen – so gut sie in ihrer Angst und in ihren Leidwesen hat können – die Martina hat sich auf der Bank in der Stub'n zum schlafen niederg'legt, hat die Mutter g'sagt. Wir hab'n nix mehr von ihr g'sehn. In die Ställ' und auf der Tenne war sie a nit, vielleicht war sie in Kuhstall, aber der war ja a eing'stürzt und a Feuerhauf'n. Auf amal schreit die Mutter:
›Der Keller – in Keller is sie.‹
Wie ihr das hat einfall'n können, weiß unser Herrgott. Sehen hat sie ja das nit können. Der Keller war so wie in die meisten Häuser a Grub'n in der Erden unter der Speis'kammer, mit aner Falltür zum Einsteigen ohne an zweiten Ausgang. Aber ganz drunten in der Mauer gegen Krautgarten hin war a Luftloch in Keller eine. Da is aner von die Bursch'n einegekrochen. Die Funken sein bloß so um ihn umanand g'flog'n; er hat an nassen Sack um sein Kopf bunden, daß ihm nix g'schieht. So is er einegebrochen und hat hinab g'schaut. Richtig! – der Martina ihr Mutter hat's g'spürt, wo ihr Kind war. Das Diandl is in Keller unten g'sessen, und sie war no ganz heil und lebendig. Andre Burschen sein a einebrochen und haben sie ganz tief drinn auf an Bierfaß sitzen g'sehn. Sie hab'n den Namen vom Diandl g'ruf'n, und die Martina hat sie ang'schaut. Sie war am Leben.
War das a Freud' und a Durchanand; aber a a schreckliche Angst, daß man sie am End' do nit retten kann. Wann ma sie a sehn kunnt. Durch das klane Loch in der Mauer hat a ka Mensch durchkönnen, und a dicke Steinmauer war's a. Ausbrech'n hat ma's do a bißl können. Aber a schreckliche Angst hab'n mir ausg'stand'n, daß es Dach nit am End' früher einstürzt und den Weg zur Mauer hin absperrt. Und 's war a g'fährlich, weg'n der Speiskammer. Da war ja der Fußbod'n glei' durchbrennt g'wes'n. Und richtig is das Unglück a noch g'schehn. Wie die Leut so hin und her g'redt hab'n, is die Decken einbrochen, 's Feuer is in die Höh gangen und 's hat bloß so glühentige Kohlen und Funken g'regn't, daß ka Mensch zum Haus hat dazue können. Alle hab'n müssen a Stückl weiter weg gehn. Da hab'n wohl alle glaubt, daß mit der Martina aus is. Das ganze Haus war einwendig nix wie a Hauf'n glühentige Sach'n. – – Aber 's Getreid auf'n Dachbod'n hat sie g'rettet. Die Unmenge Rogg'n, die grad über der Speisekammer auf'n Dachbod'n aufg'schüttet war, hat wohl schon a bissl brennt, aber 's Feuer kann do nit auf amal durch so an Kornhauf'n. 's Getreid is auf'n Fußbod'n von der Speis'kammer g'falln und hat die vorläufig vorn Feuer g'schützt. Wie mir das dersegn hab'n, hab'n mir do a klane Hoffnung kriegt. A paar Burschen haben mit Lebensg'fahr Wasser aufs Korn g'schütt', daß es sich länger halten sollt, und so hat die G'schicht' nimmer gar so schlecht ausg'schaut. Aber das Dach hat jeden Augenblick einbrechen können. Da hab'n die Knecht an Wagen in Krautgarten g'führt und schief gegen die Mauer g'lehnt, mit die Räder in die Luft, so daß der Kasten vom Wagen grad' über'n Kellerloch war. Oben auf hab'n sie Säck' g'legt, die mir die ganze Zeit patschnaß g'halt'n hab'n. So hab'n sie do wenigstens untern Wagen einekriechen können, wann 's dort a so heiß war, das mar hätt' können Brot backen. Wenn jetz das Dach eing'stürzt war, hätt's keinen begraben können, und 's Kellerloch war a frei blieb'n. Und nachher hab'n sie Brechstangen genommen und Hämmer und sein auf die Mauer los gangen.« – –
Kirsten seufzte tief auf.
»– – Ja, das war a Tag. Den werd' i mer Leb'n nit vergess'n. A Mann nach'n andern is einekrochen und hat auf die Mauer losg'haut, und mir sein so nah als möglich dabei g'stand'n und hin und her 'treten aus lauter Angst und Zweifel. Und alle hab'n g'want wegen der Martina. Und wann 's die Männer nimmer hab'n aushalten können vor Hitz und Anstrengung, nachher sein 's wieder außerkrochen, und ma hat sie kaum kennt vor lauter Rauch. Aber immer war no aner da, der ungeduldig g'wart' hatt', daß auf ihn die Reih kommt und der gebetet hat, unser Herrgott möcht' ihm die Gnad' schenk'n, daß er die Martina freimachet. Waren ja alle Burschen von Stenbäk auf'n Brandplatz, und war nit aner dabei, der sei Leb'n und Seligkeit für die Martina nit g'wagt hätt'. Und wie alle an der Reih' g'wes'n sein und den Atem ang'halten hab'n und sich mit der Brechstangen an der Mauer abplagt, da war endlich das Loch so groß, daß a Mann durchkönnen hat. Da hab'n mir alle vor Freud' g'schrien. Miv hab'n die Martina g'ruf'n und sein alle so froh g'wes'n. – Da is das Wunder g'schehn. Die Martina hat nit außer woll'n – um kan Preis. Aner nach'n andern is hinterwärts untern Wagen wieder außerkrochen, und jeder hat dasselbe g'sagt: die Martina will nit. Nit, daß sie etwa eingeklemmt g'wes'n war oder etwa 'n Verstand verlor'n hätt'. Na, sie is drunten ganz sicher g'sess'n; es war no nit warm im Keller – und sie hat nit außer woll'n.
Wie da alle konfus worn sein. Wie sie alle g'jammert hab'n um die Martina, daß sie sich nit hat retten lass'n woll'n. Kaner hat sie verstehn können. Sie hat halt die Schand nit überleb'n woll'n. Sie hat lieber sterben woll'n, als nach der Nacht weiter leb'n. Ihr glaubt's vielleicht, sie hat den Hof selber ang'steckt, daß sie auf die Art ihren Tod finden möcht'? – Gar ka Spur; der Mogens hat es getan. Ja, wahrhaftig, der Mogens war's, i weiß es ganz genau. – – Wie's Tag worn is, und wie er die Martina hat gehn lass'n, is ihm klar wor'n, was er getan hat, und er hat sich vor die Folg'n g'furcht'. Wenn ma ihn anzeigt hätt', war er ins Zuchthaus kommen – da hätt' ihn nix davor g'rettet. Den ganzen Vormittag is er draußen blieb'n auf der Heid'n mit sein Schrecken, in den er sich und die Martina g'stürzt hat. Hoff'n mir, daß er da recht viel durchg'macht hat und bet' mar für ihn, daß er den Abgrund g'sehn hat, und das er davor schwindlig is wor'n. Um die Mittagszeit, wie ka Mensch is z'sehn g'wes'n, is er auf'n Just sein Hof g'schlich'n, weil er die Martina hätt' sehn wollen und sie um Verzeihen bitten. Aber wie er bei die Fenster eineg'schaut hat und g'sehn hat, daß alle schlaf'n, da is ihm der schreckliche Gedanken kommen, daß er die ganze Verantwortung los war, wann alle da drinn verbrennen täten. Oder eine gehn und die Martina wecken und sich mit ihr ausreden und sich mit ihr ausreden und sich erklären? – Na, das war ihm ganz unmöglich, das hätt' er nit können; grad so wenig, als wie's Getreid um an Regen bitten kann, wann trockens Wetter is. Das hat er ja schon zeigt g'habt. Und bevor noch die Vernunft in sein Kopf wieder Herr worn is, hat er, von Reu und Elend ganz verwirrt, das Unglück ang'richt. Irgend was hat er ja doch tun müessen. Is ja so einfach, a Zündhölzl anreiß'n und zu an Vordach halten. Ich möcht völlig fragen, warum so was nit an jeden Tag g'schicht. Ka Mensch hat den Mogens dabei g'sehn; hat ihn a kaner nachher erwischt. Aber so is das Feuer auskommen. Wie die Martina wach wor'n is und g'sehn hat, daß es brennt, is ihr der Gedanken an a höhere Fügung kommen. Jetz hätt' sie sterben können, ohne daß an anziger Mensch von ihrer Schand erfahren hätt'. Und damit sie kaner find't und nit etwa doch außetragt, hat sie sich in Keller versteckt. Der Keller hat ihr Grab sein soll'n und 's Feuer ihr Leichentuch.
I hab mein Lebtag kan solchen Kummer und ka solche Aufregung mehr erlebt, wie damals in Stenbäk, wie die Martina nit hat woll'n sich retten lass'n. Die Burschen hab'n g'want und gebettelt und sein auf die Knie g'legen. Is no nie dag'wesen, daß alle Burschen an einzig's Diandl so viel gern g'habt hatten und so nach ihr verlangt. Und wann aner bis zu den Tag nit um sie hat ang'halten g'habt, so hat er's jetz getan, mit alle Gebet und Anrufungen und Tränen, die er g'habt hat. Aber sie hat nit außergehn woll'n. Ihr arme Mutter is auf die Knie bis zum Mauerloch g'rutscht und hat sie g'ruf'n und hat sie außerfoppn woll'n, wie zu der Zeit, wo die Martina noch a ganz klans Diandl g'wesen is. 's war alles umsonst. Die Mutter hat g'want und die Händ' g'falt' in ihr'n Jammer; die Martina hat nit nachgeb'n. A paar hab'n g'mant, 's Madl is verrückt wor'n, und es sollt' aner einesteig'n und sie mit G'walt außerziehn; hat ja ka Mensch g'wußt, warum sie nit außer will. Aber es hat sich kaner 'traut. Kaner hat G'walt anwend'n woll'n; denn, wann a Mensch sterb'n will, nachher derf man's ihm nit wehren. Ma derf den Schicksal nit dreinpfusch 'n. Deswegen derf mar a an Menschen, der sich derhängt hat nimmer abschneid'n und ihm 's Tor aufmach'n, was aus 'n andern Leben in die Welt z'ruck führt.
Wie der Martina ihr Mutter g'sehn hat, daß das Madl auf ka Menschenstimm' mehr hört, hat sie in ihrem Jammer um an Pfarrer g'schickt, daß er ihrer Tochter noch das letzte Sakrament spenden sollt'. Da is aner mit an Wag'n in Pfarrhof g'fahr'n.
Is aber doch aner dem Pfarrer zuvor kommen. Das war der Mogens. Er hat sei Furcht und die Gewissensbiß' nit mehr ertragen können. Wie er von weiten den Hof brennen hat g'seh'n und Rauch und Feuer zum Himmel aufeschlag'n, hat er sich so schrecklich g'fürcht't, die Martina könnt' wirklich drinn verbrennen, daß er's hat nimmer aushalten können. Er hat die Holzschuh wegg'schmijs'n und is z'ruckg'lauf'n. Die Strümpf' sein ihm bloß so von die Füß' g'fall'n, den Hut hat er a verlor'n. Wie er auf'n Hof kommen is, is ihm der Schaum vor'n Mund g'stand'n und die Aug'n sein ihm völlig außerg'fall'n. Er is aber grad no z'recht kommen. – – –
Wie er g'hört hat, wie die Sach' steht, is er zum Loch g'rennt und hat die Martina ang'ruf'n. Amal, zwamal – – und da is die Martina außerkommen. Ja, ja, meine lieb'n Diandln – sie is richtig außerg'stieg'n. Der Mogens war derjenige, der ihr die Ehr' g'nommen hat, er war der anzige, der sie ihr hat wieder z'ruckgeb'n können. Vergeßts das nie, Kinder! – – – Und jetzt will i euch no was sag'n ...«
Kirstens Züge glätteten sich und eine stille Süßigkeit leuchtete aus ihrem Gesicht und ein ernster Mut:
»I will euch bloß sag'n, daß sie den Mogens dann gern g'habt hat, ja, den Mogens, und daß sie für ihn hat leben woll'n. Ja, so war's – und ohne viel G'red.
Ja, der Mogens hat's z'sammenbracht, daß die Martina außergangen is. Ihr könnts mir's glauben, es hat kan schön Anblick geb'n, wie er da g'standen is zwisch'n uns und hat die Martina auf seine Arm g'halten und hat die Augen g'rollt auf die ganze Welt und hat g'schnarcht wie a Pferd. Aber is keiner dag'wes'n, der sie ihm streitig g'macht hätt'! Na, nit an anziger.
Damals nit und später a nit. Vierzig Jahr hab'n sie noch mit anand' g'lebt, und i hab no nit zwa Menschen troffen, die besser z'samm g'lebt hätten. Viel G'red und Verliebtheit hab'n mir zu meiner Zeit nit kennt, das war bloß für die feinen Leut'. Aber auf'n Mogens sein Hof, da war's ganz schweigsam. Der Mann hat nix g'redt und hat bei die andern das viele Reden a nit g'litten. So hab'n halt die andern a nix g'redt. Man hat aber gut zu ihnen geh'n können. Und sie hab'n schöne Kinder g'habt, der Mogens und die Martina. – – Ja, aber das is jetz schon lang her.
Bei der Trauung war'n alle in der Kirch'n neugierig, ob der Mogens wohl ja' sagen werd', wenn der Pfarrer ihn fragt. Die Leut' hab'n glaubt, es werd ihm überflüssig vorkommen und deswegen recht schwer fall'n – gar ka Red' – ja hat er g'sagt, und recht vernehmlich. Aber die Zungen is ihm so müd wor'n von der Anstrengung, daß er bei der ganzen Hochzeit nit a Wörtl mehr g'redt hat.
Das war der Mogens, und jeß is er schon lang tot. Die Zeit geht voran und i bin halt a alte Frau, die z'rückblieb'n is – ja, ja, ja – – es dauert halt nix auf dieser Welt. Und mir kommt vor, wie wann das Ganze erst vor aner Stund g'scheh'n war.« – –