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XVI.

Peng …

Ich beobachtete den Geschoßaufschlag … Die Kugel riß in den weißen Anstrich des Kutterdecks eine dunkle Rinne.

Peng …

Diese Kugel saß schon besser. Der Karabiner war gut.

Die dritte und vierte zwangen Paloma zum Stoppen, und das wollte ich. Sie rief Robb etwas zu, winkte wiederholt, wendete, warf die Trossen los und ließ das große Boot dann mit offenbar festgebundenem Steuer herrenlos ins offene Meer schießen.

Der junge Lord schien hiermit wenig einverstanden, denn er bewegte sich jetzt vorsichtig an einem Stock (für einen frischen Lungenschuß nach einem solchen Ritt und nach der soeben überstandenen Aufregung Charlies wegen ein wunderbarer Beweis für seine zähe Natur) der offenen Falltür der Insel zu. – Sie war hochgeklappt, und mein Stahlheim war fremder Besitz.

Vor der Falltür trafen Paloma und Robb zusammen. Sie gestikulierte heftig und er schaute wiederholt nach mir aus, und es machte den Eindruck, als ob die Kruxa und er böse aneinander geraten wären.

Meine Teilnahme für die beiden war geringer geworden –, ich verfolgte den Kutter, und ich setzte all meine Hoffnung nur auf ihn, da ich bestimmt wußte, daß er sehr bald im Bogen irgendwo auflaufen müßte. Sein Bug hatte sich bereits nach Osten gewandt, und eine stärkere Woge drängte ihn noch mehr zur Seite: kein Fahrzeug mit starrem Steuer hält den Kurs!

Es kam, wie ich erwartet hatte. Gerade als die Kruxa dem Lord die Treppe in die Innenräume hinabhalf, war das große Boot vollständig aus der Richtung gekommen und würde nach meiner Berechnung etwa tausend Meter westlich wieder den Buchtstrand berühren. Ich lief hin und gab genau acht, damit es sich nicht im flachen Wasser festrenne. Ich watete in Kleidern ihm entgegen, schwang mich hinein, hatte das Messer schon bereit und zerschnitt die Leine, die das Steuer hielt. Als der Kutter meiner Insel sich zuwandte, war es bereits wieder meine Insel, und Paloma und Robb würden nun wohl auf alle weiteren Absichten, mochten diese geartet sein wie sie wollten, verzichten müssen.

Zu spät.

Da die steilen Ufer, die das Innere zur Schüssel formten, mir nun die Aussicht auf die Falltür verwehrten, sah ich erst, daß sie zugeklappt war, als ich den Kutter vertäut und den Inselrand erstiegen hatte.

Der Zugang zu den stählernen Räumen war versperrt.

Ein Schuß vom hohen Festlandsrand meldete mir Bell Dingos Ankunft.

Er stand genau vor den leeren Gräbern, die niemals fünf Tote, sondern nur fünf Ledersäcke mit Goldkörnern enthalten hatten, und neben ihm saß Ethel Murray, seit einiger Zeit Witwe eines Mannes, der nur ihr väterlicher Freund gewesen, und ihr Kopf lehnte an Dingos Hüfte, und seine Hand ruhte auf ihrem Haar …

Ein leiser Schmerz durchzuckte mich. Nur für Sekunden …

– Also doch: Ethel und Dingo!! So unmöglich es schien, es war Tatsache geworden.

Die Stellung der beiden sagte genug und Ethels Frage nach meiner Ansicht über die Rassenfrage war ja bereits vielsagend genug gewesen.

Und – war es im Grunde so wunderbar, daß Ethel, eine tiefe Natur und jeglichem Äußeren abhold, einen Mann erwählte, der trotz seiner Hautfarbe der besten, der allerbesten einer war?!

Es war nur natürlich. Gerade sie wußte seinen Wert zu schätzen –, er hatte sie mit Beweisen seiner Treue und demütigen Anhänglichkeit überhäuft, daß nur ein Wesen oberflächlichsten Charakters diese Selbstverleugnung nicht richtig bewerten konnte.

Ethel war ein zartrosa Blatt meines Lebensbuches – – gewesen, und ich schlug die Seite um; blätterte nie mehr zurück. Noch andere Seiten von derselben Farbe hätte ich angetroffen …: Seifenblasen … Namen nur noch, deren Glück anderswo blühte. –

Ich winkte hinüber …

Dingo verstand. Und Dingo verstand alles. Ethel und er klommen zum Strande hinab, wo übergenug Treibholz lag. Ethel holte dann von der Stelle, wo die Pferde standen, Stricke und Leinen, und ein plumpes Floß trieb auf meine Insel zu, die ich nicht verlassen wollte, weil Paloma Ruxa sie dann so leicht hätte verteidigen können. Ich gab mein Eigentum nicht mehr preis.

Sie landeten. Dingo half Ethel aufs Trockene, und sein Gesicht war abermals durchleuchtet von jener inneren Glückseligkeit, die dieser seltene, seltsame Mann kraftvoller als jeder andere zu empfinden imstande war, weil an ihm alles nur Kraft, Treue und Selbstlosigkeit bedeutete.

Ethel lächelte mir zu, und als sie mir die Hand reichte und etwas scheu das kahle Innere der Insel überschaute, sagte ich nur: »Paloma und Robb haben das Gold hierhergeschafft, haben das Eiland ganz emportauchen lassen und sind nun in meinen Gemächern. Bluß aber und Charlie sind tot, und der Hund starb für Robb; die Kugel ging fehl.«

Ethel preßte die Lippen zusammen. Sie wurde einen Schein bleicher.

»Wir … werden die beiden nie mehr sehen … Mein Gott –, Paloma weiß die Hebel zu bedienen …«

Dingo hielt ihre Hand. »Sei unbesorgt … Abelsen, wir schleppen die Insel in flaches Wasser.« Er sprach dumpf und voller Angst, und diesmal war er ein schlechter Komödiant. »Sollte Paloma etwa die Absicht haben, sich, Robb und das Gold zu versenken, so werden wir dies vereiteln.«

Er hatte nicht mehr den Glücksschimmer in den Augen … Er drängte zur Eile.

Wir machten die Trossen fest. Ethel bewachte die Falltür. »Wird sie hochgeklappt, halten Sie sich hinter ihr und schieben Sie diesen Balken in die Spalte«, hatte ich ihr gesagt.

Dingo ließ den Motor an. Die Trossen spannten sich straff, und die Insel wurde langsam so weit gedreht, daß wir wieder auf die große Sandbank zuhalten konnten.

Bell stand neben mir, seine gespannte Miene und die Unruhe in seinen Augen machte mich jedoch nicht so bestürzt wie ein Zug von Härte um den leider so breiten Mund.

»Abelsen«, sagte er mit zurückgewandtem Kopf und behielt das Eiland dauernd im Auge, »man sollte niemals Vorsehung spielen, wenn die Verhältnisse so trostlos liegen wie hier. Gewiß, wir müssen es tun, es ist sogenannte Nächstenpflicht … Aber – wie denken Sie sich das Weitere, falls Paloma und Robb lebend aus den stählernen Räumen wieder emporsteigen? Haben Sie es sich ausgemalt, wie Robb die Wahrheit hinnehmen wird?! Und diese Wahrheit kann nicht länger verschwiegen werden, sobald Robb das Kreuz sieht, und er würde es sehen, denn wo böte sich den beiden anders eine sichere Zuflucht als auf der Farm?! Ich könnte das Kreuz beseitigen –, Paloma würde rasen, Paloma kennt keine Rücksicht, keine Hemmungen, sie ist völlig unbeherrscht, wenn es um ihre fixe Idee geht: ihre Rache!« Und nach kurzer Pause kam der Kern seiner Gedanken: »Den beiden wäre besser, daß der Tod sie jäh dahinraffte, denn beider Dasein ist verpfuscht und nie wieder neu aufzubauen! Was hinter ihnen liegt, läßt sich nicht tilgen. Liebe, Haß, Heuchelei von Palomas Seite mit dem Endziel, den Mann zu vernichten, der sie vergöttert und sie schützte und der gutzumachen suchte, was sein Vater gefehlt hat … – das sind Dinge, Abelsen, über die niemand hinwegkommt. Wohl ihnen, sie stürben!«

Es klang hart, aber es war der Weisheit letzter Schluß.

Er schwieg, ich schwieg, und unser Schleppzug schlich der Sandbank zu.

Dingo behielt den Kopf rückwärts gedreht, und dann sagte er leise: »Es wird Zeit, Ethel aufzunehmen.« Seine Stimme klang rauh. Ich wandte mich jäh um.

»Bell –, die Insel sinkt ja!« – und mir schoß das Blut zu Kopfe.

»Können wir es hindern?!« meinte er nur. »Ich beobachte es schon eine geraume Zeit … Geradeaus ist helles Wasser, also eine Untiefe … Vielleicht erreichen wir sie noch …«

Es war höchste Zeit, Ethel auf den Kutter zu holen, denn mein Eiland versank bedrohlich schnell. Paloma mußte sämtliche Ventile der Schwimmkörper geöffnet haben.

Der kalte Schweiß trat mir auf die Stirn. Wollte Paloma etwa wirklich sich, Robb und das Gold für alle Zeit in ein nasses Grab betten?! War das vielleicht von vornherein ihre Absicht gewesen, Robb im letzten Augenblick, wenn es keine Rettung mehr gab, all ihren Haß ins Gesicht zu schreien?!

Ich spürte eine Erschütterung des Kutters: Dingo mit seinen Riesenkräften bewältigte selbst die Kraft des Motors und zog eine Trosse ein und brachte das Boot so der Insel näher.

»Wir vermeiden auf diese Weise Zeitverlust«, meinte er nur. »Zurren Sie die Trosse fest, Abelsen, ich springe hinüber …«

Er kletterte hastig das Steilufer hinan, das bereits bis zur halben Höhe im Wasser lag.

Als er dann mit Ethel wieder erschien, hatte er sie wie ein krankes Kind in den Armen. Sie weinte fassungslos, und ihr jämmerliches Schluchzen schnitt mir ins Herz und trieb mich zu verzweifelten Anstrengungen an, irgendeinen Weg der Rettung zu finden –, denn das, was sich vielleicht da unten hinter dem dicken Glasfenster abspielte, mußte mehr als grauenvoll sein.

Dingo trug Ethel in die kleine Kajüte, und ich hörte, wie er die Weinende tröstete, wie er ihr Mut zusprach und Worte fand, die mir kaum zur Verfügung gestanden hätten.

Ich beugte mich vorwärts … Ich spähte nach dem hellen Strich im Wasser aus …

Wie Fieberfrost schüttelte mich die Erregung. Würden wir die dreißig Meter bis dorthin noch schaffen?!

Ich lockerte die Trosse wieder … Die Zugkraft des Kutters wirkte besser, wenn beide Trossen beträchtliche Länge hatten.

Dingo kam. Er fragte nichts … Er blickte nur vorwärts und zuckte unmerklich die Schultern. Auch er hatte keine Hoffnung.

Diese Minuten damals, dieses Hangen und Bangen, dieses verzweifelt Herbeisehnen einer Entscheidung so oder so zermürbte die Nerven.

Und – – die Insel sank …

Und weil sie sank und ihre Wasserverdrängung dadurch größer wurde, verlangsamte sich unsere Fahrt immer mehr …

Die Falltür mußte bereits überflutet sein … Das Innere war ein See, die Schüssel war gefüllt, – es war ein riesiger, wunderbarer, entsetzlicher Topf, in dem zwei armselige Menschlein vielleicht schon jetzt ihren Haß und ihre Liebe und ihre Heuchelei und Treue in die verzerrten Gesichter keiften …

Die … Insel … sank …

Nur noch der Kranz ihrer höchsten Gestade lag über den Wogen …

Gott im Himmel, – zwei Menschen dort unten, und keine Hilfe …!! Ohnmächtig zusehen zu müssen, wie das Letzte sich vorbereitete …

Dann – – schrie Dingo hell auf …

»Abelsen … sie hat Grund gefunden, da – die Nordseite hebt sich … sie liegt fest!«

Ich schaute hin …

»Dingo, sie liegt so lange fest, wie die Zugkraft des Kutters sie in der Schwebe hält. Lockern sich die Trossen, rutscht sie in die Tiefe.«

Ich warf die Kleider ab …

»Abelsen, was wollen Sie?!« Bell starrte mich an, und sein Gesicht war grau.

»Ich werde tauchen, Dingo … Was Robb fertig brachte, werde auch ich wohl schaffen: Ich will hinab vor das Fenster und ein Letztes versuchen … Sorgen Sie, daß der Kutter das Eiland in der Schwebe hält …! Mag Ethel ein Plakat für die beiden schreiben – rasch – irgend etwas, das Paloma zur Vernunft bringt, wenige Worte, – – aber rasch …!«

Dingo stürmte in die Kajüte …


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