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Es gab eine fröhliche Nacht, eine Nacht voller Gesang, voller Lachen, voller Blicke, Küsse in der Luft.
Der Himmel tiefblau, Sterne, viele Sterne, Friede ringsum, heiliger Friede, im Walde, im Tale. Hundert Kerzen brennen in meinem Zimmer, wir feiern das Fest der Genesung.
Lachen, Gesang, fröhliche Worte und Wein.
Was geschah alles in dieser Nacht? Ich weiß es nicht mehr. Wir waren fröhlich und guter Dinge, hundert Kerzen brannten in meinem Zimmer. Wie ein flammendes Blumenbeet, weiße Stengel, brennende Blüten.
Es blitzte und funkelte, nie habe ich eine solche Helle wieder gesehen, solche Augen, solche Lippen, solche Hände, nie wieder.
Wir tranken, Ingeborg und ich und Karl. Karl lachte, trank auf Ingeborg, auf mich, auf alle Heiligen, die im Kalender stehen.
Er las eine kleine Geschichte vor, eine geniale, feine Arbeit. Sie hieß »Der Verschwender«.
Ich liebe die Verschwender, die Verschwender, die immer verschwenden, Gold, Gedanken und Gefühle, die alles, alles und immer verschwenden!
Ja, das war Karl! Ich hasse die Bürger, die Krämer, die Rechner, nieder, nieder mit den Bürgern, ja, nieder mit den Bürgern!
À bas, à bas!
Das war Karl.
Wir tranken auf das Wohl der Verschwender, wir tranken auf den Untergang der Bürger.
Ingeborg sang. Sie sang nie so schön wie in dieser Nacht, zum erstenmal dachte ich nicht mehr, daß es Ingeborg war, die da sang, es war eine Stimme, die Stimme einer Sängerin. Ich war fröhlich, leicht war mein Herz. Alles war vergessen, alle Schatten. Hatte ich an Schatten gedacht? Ich war wohl töricht.
Ingeborgs Blick suchte den meinigen, er sprühte Verführung. Ingeborg küßte mein Ohr, als ich am Flügel saß und Karl es nicht sehen konnte. Ich schrie leicht auf. Der Flügel kicherte und lachte.
Ich hörte Ingeborgs alte Stimme wieder, ich sah Ingeborgs alte Augen.
Karl sprühte von Ideen und wir lachten und staunten in einem fort. Er erzählte eine Geschichte von den Obdachlosen, traurige und abscheuliche Einzelheiten, aber er erzählte sie so, daß wir über alles lachen mußten.
Die Nacht verging.
Ein Hahn krähte. Da brachen wir alle in Gelächter aus, aber niemand hätte den Grund angeben können, weshalb wir lachten, denn der Hahn krähte wie ein ganz gewöhnlicher Hahn. Ich erhob mich.
»Freunde,« sagte ich, »hört! Ich mache euch einen Vorschlag. Ihr seid Freunde, du Ingeborg und du Karl, ich wünsche, daß ihr Geschwister seid. Könnt ihr das, so nennt euch du!«
Ingeborg wurde verlegen. Ihr Blick flackerte. Karl sagte, daß er mir danke, das könnten sie ja einmal versuchen.
Und Ingeborg sagte: »Ja« und lächelte.
»Gut!« rief ich. »So küßt euch.« Ich lachte. Es wurde still.
Welche Kinder sie doch waren, diese beiden!
Ingeborg blickte Karl an, und diesen Blick kannte ich. Ich hatte irgend ihn einmal gesehen, ja, es war droben auf der Höhe, damals als der Wind wehte.
»Nun, so küßt euch doch!«
Karl nahm Ingeborgs Kopf sanft zwischen die Hände und sah sie an. Er wurde bleich und seine Augen strahlten. Er sah schön aus, verlegen und triumphierend zugleich. Das war Karls wirkliches Gesicht. Und er küßte Ingeborg auf den Mund. Ingeborg errötete. Sie schloß die Augen.
Dann waren sie beide verschämt und still.
Solche Kinder waren sie.
»Man muß neue Kerzen aufstecken,« sagte Ingeborg verlegen, und Karl goß sich das Glas voll und trank auf mein Wohl, mit verlegener Miene. –
Später befahl ich den Wagen und wir fuhren hinein in den Wald, der Tag kam herauf.
Ingeborg wurde still und schläfrig und schloß die Augen.
»Bist du müde, Ingeborg?« fragte ich.
»Nein,« sagte Ingeborg. »Ich bin gar nicht müde.« Sie lächelte mit geschlossenen Lidern. – – – – –
Ingeborg geht herum und hat ein Lächeln auf den Lippen, Träume in den Augen. Wenn ich sie anrufe, so erschrickt sie und sie lächelt mir zu.
»Woran denkst du, Ingeborg?«
Ingeborg lächelt und geht.
»Ich sage es nicht, Axel,« sagt sie und lächelt über die Schulter zurück.