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Es ging nicht besser mit mir, nein.
Ich dachte es zuweilen, aber ich täuschte mich. Ich arbeitete viel. Ja, ich kann sagen, nie in meinem Leben habe ich soviel gelesen und studiert wie in diesem Winter. Ich studierte ferne Länder, lernte ihre Sprachen, denn es konnte sein, daß ich bald dorthin reisen würde, wohin keine Geleise mehr laufen. Ich habe keinen eigentlichen Beruf, keine besonderen Anlagen und Talente, ich habe keine Lust und keine Zeit dazu. Ich bin aus altem Geschlechte, degeneriert, gehöre zu jener Klasse der Luxusmenschen, die allmählich ausstirbt. Ich wünsche es nicht; aber man wird bald nur noch Gemüse pflanzen und Rindvieh züchten, der Mensch wird praktisch.
Ja, ich habe viel gearbeitet.
Ich arbeitete, um mich zu vergessen. Ich ging auf die Jagd, wanderte mich müde, ich war ruhig. Aber plötzlich tauchte Ingeborg vor mir auf, so herrlich, so wunderbar – dann war die Ruhe vorbei, der Schmerz schüttelte mich und ich wußte, daß ich immer noch auf dem Grunde lag und nie mehr Frieden haben sollte da drinnen.
Ich schrieb viele Briefe an Ingeborg, ich sandte sie nicht ab, nur um Ruhe zu bekommen, schrieb ich sie.
Ich schrieb einen, der lautete:
Ingeborg, es ist ein finsterer Gedanke in mir, mit dem ich immerzu ringen muß. Er lockt mich, er gaukelt mir Dinge vor – er winkt und ruft – ich ringe mit ihm, es ist schwer, es ist ein verzweifelter Kampf!
Hilf mir! Jeden Tag bekommt der Gedanke mehr Kraft. Er lockt nicht mehr, er höhnt und spottet und lacht. Er triumphiert im geheimen.
Ich schrieb einen, der lautete:
Komme, Ingeborg, Ingeborg! Ich breite die Arme aus! Komme, hier ist deine Heimat.
Komme, komme, eine Pforte aus Rosen will ich bauen, jeder Baum im Walde soll eine lichte Flagge haben, tausend Kerzen zünde ich dir an in jedem Saale, ich will niederknien und deine Füße mit Tränen baden und mit Küssen trocknen. Ingeborg will ich sagen, bist du da? Gebenedeiet seist du, ich bin dein!
Komme, komme, Ingeborg, ich bin auf dem Grunde, ich kann nicht mehr, ich flehe dich an um ein Wort, ein einziges Wort.
Mit Tränen in den Augen schrieb ich diesen.
Dann schrieb ich einen, zerknirscht, bleich: Ingeborg, nicht von Liebe spreche ich heute zu dir.
Nein, ich will dir beichten, Ingeborg, beichten! Ich habe verbrecherische Wünsche, Ingeborg, verbrecherische Gedanken. Ich möchte meine Hand um deinen Gürtel legen und dich an mich pressen. Einmal noch! Ich möchte deinen Scheitel ansehen, leicht darüber streichen über deinen schönen, göttlichen Scheitel. Ich möchte dich auch auf den Mund küssen, nur einmal noch – einmal noch! Ja – haha – so bin ich nun! Ingeborg, einmal möchte ich noch meine Lippen auf deine Brust pressen – einmal noch möchte ich eine Stunde um Mitternacht bei dir sein –
Es ist auch ein böser Gedanke in mir aufgewachsen, ein Unkraut, ich kann nichts dafür, eine böse Hand säte es. Ich dachte: vielleicht hast du schlecht an mir gehandelt?
Da begann mein Herz zu klopfen und es klopfte so fürchterlich, einige Minuten lang, daß ich bestraft genug war. Verzeihe!
Ich liebe dich. Ich küsse oft meine Kissen, die Stelle – – –
Dann schrieb ich einen, ich schrieb ihn mitten im Schrecken: O, ihr Freunde, ihr! Wüßtet ihr es! Ich empfinde jeden Kuß, ich empfinde jeden Händedruck, jeden Blick. Er fällt mir wie ein glühender Tropfen auf mein Herz. Ich empfinde alles, alles, was martert ihr mich denn! Ihr quält mich zu Tode, zu Tode, zu Tode!!
Ich arbeitete, arbeitete, sah nicht links noch rechts, vergrub den Kopf in die Hände. Manche Zeile las ich zwanzigmal, ich zwang mich.