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Die erste Hälfte des folgenden Tages brachte Torriswood in Lindsay's Hause zu, wo er wiederum mit mehreren Häuptern der Covenanter sich sah. Hier kam man über die Instruction überein, mit der man ihn nach London absenden wollte. Am folgenden Tage sollten seine Freunde ihn bei seiner Schwester sehen, wo sie dann nach feierlichem, ernsten Gebete scheiden wollten; wie sie denn immer die Schmerzen der Trennung sich damit zu lindern, und im Hinblick auf die Gefahren sich damit zu stärken suchten, daß sie die ganze Zukunft mit völliger Hingabe Gott überließen. Torriswood begab sich inzwischen zu seiner Familie.
Sie erwarteten ihn alle gemeinschaftlich, mit niedergeschlagnen Gesichtern. Vergeblich versuchte selbst Colville bei Torriswood's Eintritt etwas froher auszusehen; und Florentine, die mit einem Lächeln auf ihrem bleichen Gesichte an ihren Vater herantrat, mußte bei seinen ersten freundlichen Worten sich abwenden, um ihre Thränen zu verbergen. Torriswood setzte sich, seine Kinder dicht um ihn.
»Ich habe nun mit meinen Freunden alles in Ordnung gebracht,« sagte er. »Nun müssen auch wir unsre Pläne noch genauer entwerfen, als bisher. Ich rede grade heraus, meine lieben Mädchen!« sagte er zu seinen Töchtern. »Eure Tante will euch mit nach Dalcluden nehmen. Dort werdet ihr, denk' ich, ruhig und ganz zurückgezogen leben, und, was ihr da zu lernen habt, ist, daß Gott die Welt regiert, und alles, was er thut, weise und gut ist, so schmerzlich seine Fügungen uns auch seyn mögen, weil uns seine Wege unerforschlich sind. Du, meine liebe Olivia, bist für solche Zeiten von zu zarter, ängstlicher Natur; aber, liebes Kind, eine schwache Natur kann stärker werden; und ich sage es dir hier vor den Andern, weil ich wünsche, daß alle es eben so wissen sollen, wie du, wenn deine Tante es nöthig finden sollte, in ernstere Studien und Beschäftigungen dich einzuführen, als dir grade wohlgefällt, so thut sie es auf meine ausdrückliche Bitte, und zu deinem eignen Besten.« Torriswood schloß diese Anrede damit, daß er Olivien zärtlich in seine Arme schloß. Das arme Mädchen suchte ihre Wehmuth zu unterdrücken, aber vergebens, und weinte bitterlich an ihres Vaters Brust.
»Was dich betrifft, meine Liebe,« fuhr Torriswood fort, indem er sich zu Florentinen wandte, »unternimm nicht zu viel, wenigstens nicht in deiner eignen Kraft. Du verstehst mich; Gott sey Dank weiß ich das. Trachte mehr nach der Kraft von oben, die dir so noth thut, und fürchte dich nicht, daß du zu sehr auf sie dein Vertrauen setzest. Mehr will ich nicht sagen« ... hier wurde er ganz übernommen, da er Florentinen ansah, die sich bezwang, aber dabei so blaß wie Marmor aussah. Torriswood seufzte tief und schwieg eine Weile. Darauf sah er Erich an, aber sein Blick bleichte die Wange des armen Jungen so sehr, als er seine Thränen unterdrücken wollte, daß sein Vater nicht sprechen konnte.
»Colville, ich wünschte, Ihre Familie wohnte näher bei meiner Schwester,« sagte Torriswood nach einer Pause.
»Ich habe meine Mutter und meinen Bruder gebeten, auf einige Zeit nach meinem kleinen Gute Erinlaw bei Dalcluden zu ziehen,« erwiderte Colville. »Ich wünschte einige Monate so zurückgezogen als nur möglich zu leben, um mit dem hiesigen Zustande der Dinge erst bekannter zu werden, bevor ich thätigen Antheil an den Kämpfen nehme.« Colville sagte dies nicht in seiner gewöhnlichen freien, muthigen Weise, sondern stockte und erröthete dabei.
Torriswood sah ihn scharf an. »Meinen Sie in der Zurückgezogenheit das zu lernen, was Sie sich wünschen, Colville?« fragte er.
»Finde ich, daß es nicht geht, dann verlasse ich meine Einsamkeit,« setzte er fester hinzu.
»Ich bin so sehr in die Gewohnheit gekommen, Ihnen Rath zu geben, daß ich vielleicht nicht mehr den Punkt recht kenne, wo ich damit aufhören sollte; steht es aber wirklich bei Ihnen fest, daß Sie die Partei ergreifen wollen, zu der Sie sich bekennen, dann muß in einer Zeit, wie die unsrige, den ersten Platz in allen ihren Gedanken an die Dinge dieser Welt immer Ihr Vaterland einnehmen; und ich könnte mich nicht mehr für Ihren Freund halten, Colville, wenn ich Sie nicht davor warnte, daß Sie doch ja in die schwierigen und gefährlichen Umstände, die Ihnen unfehlbar drohen, mit keinem getheilten Herzen sich hinein begeben möchten.«
Colville antwortete nichts, sondern sah ernst, ja etwas verletzt, aus.
»Mein theuerster Vater,« sagte Florentine bewegt, »Colville hat heute den Covenant unterzeichnet; kannst du wohl eine noch entschiednere Probe der Hingabe an sein Vaterland von ihm fordern?«
»Wie? Sie haben den Covenant unterzeichnet, Colville?« rief Torriswood.
»Ja, das hab' ich,« erwiderte Colville.
»Wo thaten Sie es denn, und wer weiß darum?« fragte Torriswood angelegentlich.
»Kaum weiß ich selbst, wo,« entgegnete Colville. »Der junge Rowallan sagte mir, er beabsichtige ihn zu unterzeichnen, ehe er von Edinburgh abreise, und da ich ihm sagte, das sey auch meine Absicht, so erbot er sich, mich in ein Haus zu führen, wo ein Pergament mit vielen Namen derer, die früher die eifrigsten in dieser Sache gewesen waren, insgeheim aufbewahrt wurde, und wohin diejenigen sich jetzt begaben, die so kühn waren, ihre Namen dem geächteten Bunde hinzuzufügen.«
»Ich weiß wohl, wo es war,« bemerkte die Lady Dalcluden. »Sie kamen durch eine Gasse nach dem Hause, die vom Schloßberge ausging.«
»Ja wohl, aber erst, nachdem wir viele enge Straßen und Durchgänge passirt hatten. Das Haus liegt an den äußersten Grenzen der Stadt, dahinter ist ein großer Garten, und hinter demselben liegen Felder.«
»Ganz richtig,« erwiderte Mrs. Leslie, »und der Herr des Hauses ist jetzt im Gefängniß von Canongate, und seine Frau und Familie aus Edinburgh verbannt, das alles, weil sie privatim das Evangelium von einem der Prediger haben verkünden hören, die der Herzog von Rothes auf seinem Sterbebett zu sprechen verlangte.«
»Wer war als Zeuge bei Ihrer Unterzeichnung, Colville?« fragte Torriswood aufs Neue sehr angelegentlich. »Wen fanden Sie in dem Hause des armen Ardwallan?«
»Ein alter Bediente empfing uns, der Rowallan kannte, und da dieser ihm etwas von mir ins Ohr gesagt hatte, was mich betraf, ließ er sogleich uns beide hinein, und nachdem er die Thür, durch welche wir hineingekommen waren, sorgfältig verschlossen hatte, bat er uns, ihm zu folgen. Darauf ging er uns voran queer durch einen großen finstern Saal, dessen Fenster alle zugesetzt waren, darauf mehrere Treppen hinauf, und auf dem Landungsplatze oben hieß er uns ein wenig warten. Dann trat er in ein Zimmer, dessen Thür er hinter sich zumachte, und sogleich hörten wir drinnen Stimmen. Nach einigen Minuten ging die Thür wieder auf, und ein Mann trat uns entgegen, den Rowallan mit Freuden begrüßte, und der uns hineinkommen hieß. Wir traten in ein großes Zimmer, das sein Licht durch das niedrige Dach empfing, und in welchem nichts als ein Tisch und einige Stühle standen. An dem Tische saßen sechs oder sieben Manner, die bei unserm Eintritt aufstanden. Den Mann, der an der Thür uns empfangen hatte, stellte mein Freund mir vor als Herrn Gabriel Blair, einen abgesetzten Geistlichen.
»Blair! Ja, ich kenne ihn wohl,« sagte Torriswood, sichtlich erfreut, da er seinen Namen nennen hörte. »Er ist kein Mann von raschem, übereilten Entschluß.«
»Alle andern,« fuhr Colville fort, »waren gleichfalls Geistliche, Herr Semple, Herr Hamilton, Herr Primrose, die Namen der Uebrigen weiß ich nicht mehr. Nie aber werde ich die Gesichter von einigen vergessen, so voll Leben und Feuer, und doch so abgezehrt, so wenig Irdisches in ihren Mienen! Mir war, als stände ich vor einer Anzahl von Bekennern, die sich zum Märtyrertode vorbereiteten. Bald saßen wir unter ihnen, und während Rowallan ihnen die Absicht unsers Besuches auseinandersetzte, sah ich mich im Zimmer um. Die kahlen Wände und der rohe Fußboden hatten ein kaltes, trostloses Aussehen. Auf dem Tische lagen mehrere Bibeln aufgeschlagen, die meisten Griechische, und neben ihnen lagen Papiere mit Bemerkungen, die Resultate ihrer Studien. Es war noch früh, und die Prediger schienen während des Studirens gefrühstückt zu haben. Einige Stücke Gerstenbrod lagen daneben, und ein Wasserkrug stand auf dem Tische, welcher die Runde gemacht zu haben schien, um ihr trocknes Mahl hinunterspülen zu helfen. Herr Hamilton, der zunächst neben mir saß, hatte bemerkt, wie ich das Zimmer mir ansah; als meine Augen nun auf dem Brod und Wasser ruhen blieben, deren Anblick mich mehr bewegte, als dergleichen Dinge einen Mann rühren sollen, schlug ich die Augen auf, und begegnete seinem Blick; er lächelte freundlich und sagte:
›Da sehen Sie, Herr Colville, wie es in Erfüllung geht, was der Herr seinen Dienern für den vergänglichen Leib verheißen hat: »Ihr Brod wird ihnen gegeben, ihr Wasser haben sie gewiß.« Jes. 33, 16.
›Ja,‹ erwiderte ich; ›aber die, um derentwillen Sie alles daran geben, sollten Sie doch reichlicher mit irdischen Dingen versorgen. Gehört dies Haus einem, der es wagt, Sie aufzunehmen, warum gibt er Ihnen denn alles so ärmlich?‹
›Das nennen Sie ärmlich, Herr Colville?‹ fragte Herr Hamilton, ›und mit diesem Sinne kommen Sie her, um den Covenant zu unterzeichnen? Besinnen Sie sich noch ein wenig, ehe Sie weiter gehen! Es ist keine geringe Sache, einen Bund mit dem ewigen Gott zu brechen.‹ Ich mußte mich schämen, versicherte ihn aber, ich habe dabei nicht an mich gedacht, sondern der Anblick von Männern seines Standes unter solchen Entbehrungen sey mir neu gewesen.
Er lächelte und blickte gen Himmel. ›Ein Bett von Rasen,‹ fuhr er fort, ›ein Kissen von Stein, und Brod, wenn Gott es schickt, dabei der Tod von allen Seiten drohend, das haben jetzt diejenigen in Schottland zu erwarten, welche die ewigen Wahrheiten des Evangeliums ihren Brüdern verkündigen, und die Gewissensfreiheit vertheidigen.‹
›Mag es so gehen,‹ sagte ich, ›so lange Gott es zuläßt; dennoch ist und bleibt es die Sache, für die ich bereit bin zu leben und zu sterben.‹
›Ja wohl, mag es so gehen!‹ rief er freudig. ›Er, der alle Dinge lenkt nach dem Rathe seines Willens, wird es schon ändern zu seiner Zeit, wenn seine stets weisen, heiligen Absichten in Erfüllung gegangen sind. Dennoch aber müssen die, welche in diesen Krieg ausziehen, wohl zusehen, daß sie Ihn kennen.‹
Damit stimmte ich von Herzen überein, und legte ihm dann noch einige Fragen vor, die dahin führten, daß er mir erzählte, wie er und seine Freunde gestern Abend zusammengekommen seyen, um wegen neuer Spaltungen sich zu berathen, die unter den Presbyterianischen Geistlichen ausgebrochen seyen. Die längst schon abgesetzten hatten nämlich mit denen nicht gemeine Sache machen wollen, welche durch sündliche Nachgiebigkeit, wie sie es nannten, gegen die stets wechselnden Anerbietungen der Regierung in ihren Stellen sich erhalten hatten. Auch erzählte er mir, das Haus, wo sie sich aufhielten, glaube man von niemand bewohnt, als dem alten Bedienten, der uns hineingelassen habe; und ihm verdankten sie allen Unterhalt und jede Fürsorge, die sie genossen hätten. ›Jene Indulgenzen der Regierung,‹ sagte Herr Hamilton, ›sind recht listig eingerichtet, unsre Sache zu Grunde zu richten, und haben auch die gehoffte Frucht schon getragen, nämlich Spaltungen unter uns hervorzurufen. Darum ist es durchaus nothwendig, daß wir zusammenzukommen und uns zu verständigen suchen. Jeder von denen, die hier anwesend sind, wird das Resultat unsrer Berathungen andern mittheilen, die an ihrem Theile auch wieder Zusammenkünfte mit unsern Brüdern gehabt haben. Wir haben einen Theil der Nacht hindurch bis jetzt den Gegenstand unsrer Berathung erwogen; doch sind wir noch nicht alle darüber einig, was unsre Pflicht ist. Wir haben um des Herrn Licht und Leitung gebeten, wir haben alle Schriftstellen durchdacht, die auf die schwierigen Punkte sich bezogen; obgleich wir aber der Vereinigung viel näher gekommen sind, als da wir uns anfingen zu berathen, so sind doch noch einige Punkte, die uns allen nicht gleich klar sind.‹ Während Herr Hamilton mir dies sagte, verließ Herr Blair das Zimmer durch eine Thür, welche derjenigen, durch die wir gekommen waren, gegenüber lag, und Rowallan hatte sich mit Herrn Semple in ein Gespräch vertieft. Auch die andern Geistlichen waren so emsig beschäftigt, daß sie sichtlich unsre Anwesenheit vergessen hatten, und ich bat nun auch Herrn Hamilton, in seinen Forschungen fortzufahren, und auf mich keine Rücksicht zu nehmen; er versicherte mich aber, er sey schon zu einer festen Ueberzeugung gekommen, und er habe, ehe wir kamen, sich mit dem Entwurfe einer Predigt, die er am folgenden Tage halten wollte, beschäftigt.«
»Wo will er denn predigen?« fragten Torriswood und seine Schwester wie aus Einem Munde.
»In einer Thalschlucht bei Kinneil,« antwortete Colville.
Torriswood bedauerte, ihn nicht hören zu können, weil es für morgen zu weit sey; fragte aber, wo Blair predigen werde?
»Zwischen den Pentland-Bergen. Jeder seiner Freunde, sagte mir Herr Hamilton, werde irgendwo predigen; und sie würden an jene Orte sich in der Nacht hinbegeben, von denen einige sechs Meilen entfernt seyen.«
»Können wir uns wohl wundern,« bemerkte Torriswood, »daß Menschen, die nach der Predigt des Evangeliums nichts fragen, sich denken, dieser Eifer müsse aus Ursachen herstammen, die ihnen begreiflicher sind – aus Hochverrath oder irdischem Interesse?«
»Nun, und der Covenant?« sagte Erich, der an Colville's Schulter angelehnt stand. »Waren viele Unterschriften darunter, als Sie ihn sahen? Wie sah er aus?«
»Der Covenant,« fuhr Colville fort, »wurde bald durch Herrn Blair hineingebracht. Es war eine lange Pergament-Rolle, auf welcher oben das feierliche Bündniß (die Solemn League) stand; und darunter waren mehrere Columnen mit Namen.«
»Sahen Sie auch Montrose's Namen?«
»Nein, auf dem Exemplar, was ich unterzeichnete, stand er nicht.«
»Nun gut, erzählen Sie uns noch etwas davon.«
»Als nun Herr Blair die Rolle auf dem Tische auseinander gebreitet hatte, und ich eine Feder genommen, um zu unterschreiben, legte er seine Hand auf die meinige, und sagte feierlich ernst: ›Diesen Bund zu unterschreiben, sah man sonst für keine geringe Sache an. Ehe Sie unterschreiben, sehen Sie einmal, Arrondale, diese Liste von Namen durch, und bedenken Sie, wie viele früher ihre Hände gen Himmel erhoben und geschworen haben, ihn zu halten, welche jetzt bis aufs Blut alle verfolgen, welche das selbe Gelübde abzulegen wagen.‹ Er zeigte mir darauf Lauderdale's und Andrer Unterschriften.«
»Auch meines Bruders Walter Unterschrift stand da!« sagte die Lady Dalcluden.
»Ja wohl,« sagte Colville, »und ein wenig weiter unten meines Vaters, die ich Herrn Blair zeigte. Er war bewegt, und schob die Rolle mir hin zum Unterzeichnen. Ich las indeß die Namen noch weiter. Auch Ihren sah ich« (indem er Torriswood ansah) »und vieler andren, – auf die ich zeigte: Rathillet, Burleigh, Gilston, den schändlichen Carmichael, und viele Namen aus Fife. Herr Hamilton wies mich darnach auf einen Theil der Rolle hin, wo die meisten Namen in einer Columne etwas abseits von den andern standen. ›Sehen Sie einmal,‹ sagte Herr Hamilton. ›Ich erinnere mich noch wohl dieses Werkes der Eitelkeit. Alle diese Namen wurden auf Ersuchen eines sehr thätigen Agenten daruntergesetzt, welcher durch diesen Erfolg denen, bei welchen er damals sich einschmeichelte, seinen Eifer zeigen wollte. Sehen Sie, sein eigner Name steht obenan.‹ Ich sah hin, und erblickte mit großen Buchstaben geschrieben: ›James Sharpe, Geistlicher der Presbyterianischen Kirche von Schottland.‹«
»Warum lassen sie denn seinen schändlichen Namen drauf stehen?« fragte Erich unwillig. »Schrieben Sie Ihren Namen auf das selbe Pergament, wo der seinige stand?«
»Meines Vaters Name stand da, Erich, und Ihres Vaters, und Rowallan fand seines Vaters Namen dort, und so waren noch viele, viele Namen darauf, mit denen ich den meinigen dereinst verbunden zu sehen wünsche, wenn wir droben davon Rechenschaft ablegen werden, wie wir den Covenant gehalten haben.«
»Nun,« sagte Erich, indem er sich noch fester an Colville anschmiegte, »und unterzeichneten Sie dann?«
»Auch Mochrum von Meldrum stand darunter,« sagte Colville, indem er Erich lächelnd ansah.
»Der alte Schuft!« rief Erich; »nun, Sie unterzeichneten also den Covenant?«
»Ja, wir thaten es. Rowallan und ich erhoben unsre rechte Hand gen Himmel, und schwuren, in diesem Bunde zu leben und zu sterben. Und nachdem Herr Blair noch ein kurzes inbrünstiges Gebet gesprochen hatte um die Gnade und Kraft, den Bund halten zu können, schrieben wir unsre Namen darunter.«
In dem Augenblick kam ein Bedienter ins Zimmer, trat dicht an Torriswood heran, und sagte ihm leise, ein Matrose sey im Vorsaal, der in einer wichtigen Angelegenheit ihn zu sprechen wünsche.
»Bring ihn hieher,« antwortete Torriswood; »es ist niemand hier, der nicht alles wissen könnte, was man einem Matrosen an mich bestellen wird.«
Der Bediente ging hinaus, und kam sogleich wieder mit einem kräftig gebauten Mann, der mit einer für einen gewöhnlichen Matrosen oder vielmehr Fischer, dessen Kleidung er trug, etwas zu vornehmen Haltung eintrat. Sein Hut war indeß dicht über sein Gesicht gezogen, und er stand schweigend da, bis der Bediente hinaus war und die Thür wieder zugemacht hatte. Darauf näherte er sich Torriswood. Beim ersten Blick auf ihn, da er den Hut abgezogen hatte, rief Colville:
»Rathillet!«
»Rathillet!« wiederholte Torriswood, erschrocken auffahrend; und dann, mit leiserer Stimme: »warum verkleidet? Ach! Ach!« rief er, die Hände zusammenschlagend, »ich fürchte mich, den Grund zu hören.«
Rathillet sah ganz ermattet aus; seine Augen waren hohl, seine Lippen blaß, und jeder Blick zeigte Unruhe und Angst.
»Wird uns niemand hier unterbrechen, Torriswood? Entfernen Sie jede Störung, niemand darf mich hier sehen.«
»Ich will dafür sorgen,« sagte Colville, indem er aus dem Zimmer eilte, um die nöthigen Befehle zu geben.
»Was sollen wir denn hören, Rathillet?« fragte Torriswood. »Sind Sie schon in irgend ein Unternehmen verwickelt, das« ...
»Ich bin in nichts verwickelt, Torriswood,« unterbrach ihn Rathillet.
»Gott sey Dank! Gott sey Dank!« rief Torriswood lebhaft. »Womit aber kann ich Ihnen dienen? Was soll denn diese Heimlichkeit?«
Rathillet schien nicht sprechen zu wollen, und blickte ungeduldig nach der Thür, ob Colville noch nicht wiederkomme. Er kam.
»Wird uns nun niemand stören?« fragte Rathillet, als ob er Eile hätte.
»Niemand.«
»Torriswood,« sagte Rathillet, »Sie müssen auf der Stelle Edinburgh verlassen. Es ist nur zu wahrscheinlich, daß Ihre Anwesenheit bei unsrer Versammlung in Fife nicht unbemerkt geblieben ist; und ist das der Fall, dann sind Sie in drei Stunden hier nicht mehr in Sicherheit.«
»Mein Vater?« rief Florentine. »Er war ja gegen Ihre Zusammenkunft.«
»Ja wohl, aber das rettet ihn nicht vom Verdacht,« entgegnete Rathillet. »Ist Ihnen die Angelegenheit wichtig, um derentwillen Sie reisen wollten, so müssen Sie auf der Stelle fort. Ist das geschehen, dann können Sie in die That nicht weiter verwickelt werden – die ist geschehen.« Die letzten Worte sprach Rathillet mit schauerlich gedämpfter Stimme.
»Was denn für eine That?« fragte Colville rasch.
»Geht hinaus, liebe Kinder,« sagte Torriswood.
Florentine sah ihren Vater bittend an: »Und Sie sollen so bald schon fort?«
»Laßt uns einige Minuten allein, liebe Kinder,« sagte er mit einem so schmerzdurchdrungenen Blick, daß Florentine sogleich gehorchte, und Olivien und Erich winkte, daß sie folgen möchten.
Als sie hinaus waren, sagte Torriswood: »Nun erzählen Sie uns auch das Schlimmste, Rathillet. Haben sie wirklich den verruchten Carmichael seinem Richter zugesandt?«
»Carmichael nicht.«
»Aber einen andern? Sie schweigen?«
»Den Judas!« sagte Rathillet mit Strenge; dann wurde er weicher: »Der elende, jämmerliche alte Mann! Ich habe ihn in der letzten Zeit nicht mehr gesehen. Ich wußte nicht, daß sein Haar so weiß war. O, die That war schrecklich!«
Torriswood seufzte tief. »Schauderhaft! Schauderhaft!«
Colville sah Mrs. Leslie an; sie war todtenbleich geworden. »Judas?« fragte er sie leise; »er meint Sharpe selbst?«
»Ja wohl; sein Vaterland nennt ihn so mit Recht.«
»Wo geschah die That?« fragte Torriswood. »In St. Andrews? Ist dort die Empörung schon ausgebrochen?«
»Die Empörung!« sagte Rathillet, indem ihm die Augen funkelten.
»Nun, nennen Sie es, wie Sie wollen, Rathillet. Ist das nun der Anfang?«
»Ich habe Ihnen schon gesagt, Torriswood, daß ich an der That keinen Antheil habe. Diejenigen, welche den elenden alten Mann zur Rechenschaft vor seinen Richter geschickt haben, glaubten eine heilige Pflicht zu erfüllen. Haben sie geirrt, so werden sie vor dem selben Richter, der keine Person ansieht, sich dafür zu verantworten haben. Sie vollzogen, was sie für sein Urtheil hielten, an einem Mörder und Verfolger seiner Kirche, unweit des Moores bei Ceres.«
»Bei Magus-Moor?«
»Ja, dort. Die Verschworenen hatten davon Nachricht erhalten, daß Carmichael heut Morgen auf dem Wege nach Ceres dort vorbeikommen sollte. Sie lauerten von früh an auf ihn, aber er kam nicht, und eben wollten sie schon auseinandergehen, weil er seinen Vorsatz müsse geändert haben, als ein Knabe von einem ihrer Freunde in Ceres mit der Botschaft kam, der Erzbischof werde bei ihnen vorbeifahren. Er war in Ceres, und wollte eben auf dem Wege, an welchem sie Carmichael aufgelauert hatten, fortreisen. Alle waren erschüttert von dieser unverhofften Nachricht, und mit Einem Munde erklärten sie, auf das Werkzeug hätten sie gewartet, Gott habe aber in seiner Gerechtigkeit ihnen den Thäter selbst gesandt. Sogleich kam einer der Verschwornen, suchte mich auf, und bat mich, ihr Anführer zu seyn. Ich ging mit ihm zu den Andern. Auch ich war ganz betroffen von dem unerwarteten Ereigniß, was auf diese Weise den eigentlichen Verbrecher in die Hände der Vollstrecker des Urtheils überlieferte. Einige Augenblicke Nachdenken machten mich aber unsicher. Ich sah meinen Weg nicht klar vor mir, und darum sagte ich meinem Begleiter, er möge nur weiter reiten, ich könne an dem, was sie vorhätten, keinen Theil nehmen, aber ich wolle ihm folgen, und den Verschwornen beistehen, wenn es mißglücken, oder wenn ihre Flucht auf Hindernisse stoßen sollte. Er verließ mich, und bald darauf sah ich schon des Erzbischofs Wagen kommen, und wurde aufs Neue davon betroffen, daß er, ganz gegen seinen stehenden Brauch, mit einer nur kleinen Zahl von Bewaffneten reiste. Mein Begleiter gallopirte zurück. »Seine Stunde hat geschlagen, Rathillet!« rief er, zeigte auf den schwach verteidigten Wagen, und drang noch einmal in mich, ich möchte die Gerechtigkeit vollstrecken helfen, um welche das blutende Vaterland gegen diesen meineidigen, blutdürstigen ... doch er ist jetzt in des Richters Händen. Ich schlug es wieder ab, und mein Freund sprengte davon, um zu den andern Verschwornen zu stoßen. Sie hatten sich hinter eine Hecke und einige Bäume neben dem Dörfchen Magus gestellt. Als der Erzbischof durch das Dorf gefahren war, sah ich einen Verschwornen dem Wagen nachreiten, und daran vorübereilen, indem er dabei hineinsah. Darauf ritt er langsamer, und als der Wagen ihm wieder voran war, winkte er, und sogleich sprengten die andern vor, zu ihm hin. Darauf sah ich jemand sich aus dem Wagen lehnen, und Bewegungen mit dem Arme machen, worauf die Postillione außerordentlich geschwind fuhren. Als die Verschwornen den Wagen erreicht hatten, gaben einige der Begleiter des Wagens auf sie Feuer. Darauf sprengte auch ich hinzu. Bald wurde ich gewahr, daß das ganze Gefolge von einigen der Verschwornen entwaffnet und gebunden war, während die andern dem Wagen nacheilten. Er fuhr wie mit Windeseile; endlich kamen aber doch zwei ihm zuvor, hieben mit ihren Degen die Stränge durch, und der Wagen stand still. Es wurden noch ein Paar Schüsse gethan; dann öffnete einer der Verschwornen die Kutschenthür, und es folgte eine Pause, in der sie mit denen im Wagen sich besprachen. Nun war ich nahe genug, um das Geschrei einer weiblichen Stimme zu vernehmen.«
»Schauderhaft!« rief Colville. »War jemand von seiner Familie bei ihm?«
»Ja, seine Tochter.«
»Und konnten sie dennoch ihr Werk fortsetzen?« fragte Torriswood, zusammenschaudernd.
»Ihr Entschluß war nicht so leicht gefaßt, daß ihn das Geschrei eines Weibes hätte wankend machen können,« erwiderte Rathillet; »und überdies mußte, da die That einmal begonnen war, entweder er sterben, oder sie.«
»Fahren Sie fort, Rathillet,« sagte Torriswood.
»Als ich hinkam, hatte man den armen Mann bereits aus dem Wagen gerissen, sein Haupt war entblößt, und der Wind spielte mit seinen weißen Haaren. Er warf sich auf die Kniee, und bat die Verschwornen, sie möchten ihm das Leben schenken; und versprach ihnen in seiner Todesangst, er wolle sie vor aller Gefahr wegen des schon Begonnenen sicher stellen. Aber einer sagte ihm mit strengem Tone: ›Sharpe, bilden Sie sich denn ein, daß man Ihren Worten glaube?‹ Ein andrer sagte feierlich: ›Wir nehmen Gott zum Zeugen, daß wir aus keinem persönlichen Haß gegen Sie oder wegen irgend einer Sache, die Sie uns gethan haben, jetzt das Strafurtheil an Ihnen vollziehen wollen; sondern weil Sie ein erklärter Feind des Evangeliums gewesen sind und noch sind, und ein Mörder der Heiligen Gottes, deren Blut Sie wie Wasser vergossen haben.‹ Auf diese feierliche Anrede sagte Sharpe weiter nichts, als: ›Meine Herren, schenken Sie mir das Leben, so will ich gewiß Ihnen das Ihrige retten!‹ – ›Sie haben keine Macht, uns zu retten oder uns zu tödten,‹ sagte mein Freund; ›jetzt stehen Sie am Rande der Ewigkeit. Sie haben früher das Evangelium gekannt. Können Sie dort jetzt Zutritt erlangen, wo schon andre Mörder der Kinder Gottes noch Gnade gefunden haben, so steht es Ihnen noch frei, zu beten. ‹ – Er wollte nicht beten,« fuhr Rathillet fort, indem seine Stimme zitterte; »er dachte bloß an sein Leben; und da er mich sah, rief er mich bei Namen, und flehte darum. Ich sah die Verschwornen an, und wollte schon für ihn bitten, aber Aller Augen waren mit ernstem, festen Entschlusse auf ihn gerichtet; ich drang in ihn, er möge beten, da ich keine Hoffnung für ihn sah; aber er wollte, oder konnte nicht beten, und nach einer furchtbaren Pause traten die Verschwornen nun dicht an ihn heran. Indem sie ihn mit ihren Schwertern durchbohrten, rief einer: ›Das ist für dein Blutvergießen, und deinen schändlichen Verrath an der Kirche von Schottland.‹ Ein andrer: ›Das vergoßne Blut schreit gen Himmel um Rache gegen den Mörder!‹ Ein dritter: ›Thu Buße, Judas!‹ Ein vierter: ›Stirb, Judas!‹ Als ich den ersten Blutfleck auf seinen weißen Haaren sah, versuchte ich es, ihn zu retten; aber es war zu spät. Bald war alles vorbei. Es folgte eine tiefe Stille, und der blutige Leichnam wurde den Bedienten übergeben. Die Verschwornen eilten davon, ich weiß nicht, wohin. Ich bewog einen Fischer, seine Kleider mit mir zu wechseln, und eilte hieher. Es ist erst vier Stunden, seit die That geschehen ist.«
»Und wohin wollen Sie sich zunächst wenden, Rathillet?« fragte Torriswood. »In Edinburgh können Sie nicht bleiben.«
»Ich gehe sogleich nach dem Westen. Ich erfahre durch Hamilton von Preston, daß dort Hoffnung zu einem Aufstande ist.«
Torriswood wandte sich um, und verließ das Zimmer.
Florentine, die immer nach der Thür gesehen hatte, ob sie nicht aufgehen würde, kam sogleich zu ihrem Vater.
»Was ist denn geschehen, bester Vater? Ist denn etwas so Schauderhaftes vorgefallen?«
»Sharpe ist todt, liebes Kind!«
»Sharpe? Und ermordet?«
»Ja – ja – doch bringe uns etwas Wein, meine Liebe. Bring ihn selbst; wir müssen Rathillet wegschaffen, er scheint furchtbar erschöpft.«
»Ist er einer der Mörder?« fragte Florentine mit Entsetzen.
»Nein, nein, Liebe. Er wollte ihn retten.«
Florentine eilte weg, und Torriswood winkte Erich, der an der Thür des Zimmers stand, in welches die Schwestern gegangen waren.
»Erich, lieber Junge, halt hier Wache, und laß unter keiner Bedingung jemand in unser Zimmer!« Darauf kam Torriswood zu Rathillet zurück.
»Nun muß ich fort,« sagte Rathillet, als er hereintrat; »und Sie, Torriswood, dürfen auch nicht zögern.«
»Das will ich auch nicht, Rathillet; aber wo werden Sie heut übernachten? Dieser Anzug macht Sie verdächtig, sobald Sie landeinwärts gehen.«
»Ich gehe zu einem Freunde, eine halbe Meile von hier; er gibt mir Bauernkleider, und in denen gehe ich fort, um zu Preston zu stoßen. Gott sey mit Ihnen, Torriswood.«
Nun trat Florentine herein.
»Ah! Schön! Sie verpflichten mich Ihnen aufs Neue.« Rathillet trank begierig den Wein, den Florentine ihm eingeschenkt hatte; und gleich darauf noch ein Glas.
Florentine bat ihn, auch etwas Frühstück zu genießen, das sie ihm gebracht hatte.
»Nein, essen kann ich nicht. Leben Sie alle wohl. Behalten Sie es ja, Torriswood, ich habe keinen Theil an der That. Wollte Gott, ich wäre nicht dabei gewesen! Warum mußte er aber auch mich anrufen, ich solle ihn retten! – Ich konnte ihn doch nicht retten! – Doch das ist nun alles vorbei. Gewiß, wenn ihm auf gesetzlichem Wege das Todesurtheil gesprochen worden wäre, würde das ganze Land es gerecht gefunden haben. Und jetzt haben wir doch keine Gesetze mehr; sie thaten bloß, was das Gesetz hätte thun sollen; sie handelten als Bluträcher. Doch noch einmal, leben Sie wohl, Torriswood!« Darauf nahm er von Allen Abschied.
»Halt, Herr Hackstoun,« sagte Florentine, da er ihr dir Hand drückte, »das wird Sie da verrathen,« indem sie auf ein Stück von seiner Halskrause zeigte, das, abgerissen, aus der Fischerjacke vorsah. »Ich will es abschneiden,« sagte sie, indem sie seine Hand abzog; ehe sie aber damit zu Stande kam, sank ihr die Hand und sie fuhr zurück, denn es waren mehrere Blutstropfen daran.
»Ach!« rief Rathillet, »ich dachte, meine Hand sey bloß befleckt worden. Der arme Gilston berührte mich da, als wir Abschied nahmen.«
»Ich will das Befleckte abtrennen,« sagte Colville, indem er Florentinen freundlich wegzog.
Darauf verließ Rathillet das Haus, begleitet von Colville, der, weil Torriswood so ängstlich besorgt war für seine Sicherheit, ihm in kurzer Entfernung von Straße zu Straße folgte, bis er ihn endlich, ohne daß er Aufmerksamkeit erregt hatte, durch das Thor gehen sah. Colville ging darauf noch einige Straßen weiter, um, falls man ihn etwa beobachtet hätte, sich zu verbergen; und kehrte dann rasch zurück, um Torriswood wegen seines unglücklichen Freundes zu beruhigen.
Er fand ihn schon mit Zurüstungen zur Abreise beschäftigt. Daß Rathillet sicher aus der Stadt gekommen war, machte ihm große Freude zu hören.
»Der arme Rathillet!« rief er, »wie wenig denkt er an sein eignes Leben! Erst ist er ganz ohne Noth Zeuge eines Mordes, und mag er ihn noch so sehr haben verhindern wollen, immer gibt es auch dem Härtesten, was ihn treffen kann, wenn er seinen Feinden in die Hande fallen sollte, den Anstrich von Gerechtigkeit; und nun überliefert er sich ihnen beinahe schon, indem er in die Hauptstadt kommt, wo so viele ihn kennen, in einer so unvollkommnen Verkleidung, die den Verdacht erst recht auf ihn zieht; und das alles thut er, um die Männer zu retten, die seinen Ansichten widersprochen und seinen Plänen sich widersetzt haben! In Bezug auf mich aber hat er Recht, und ich will daher Edinburgh sogleich verlassen.«
Torriswood beabsichtigte, zu Pferde, von einem Bedienten begleitet, die Stadt zu verlassen, so daß es aussähe, als wolle er nur einen gewöhnlichen Spazierritt machen. Dem Bedienten, welcher bis London mit ihm reisen sollte, befahl er, später erst in gewöhnlicher Kleidung ihm nachzukommen, so daß er wie ein jeder andre Reisende von geringem Stande aussähe, der sein nothwendigstes Gepäck hinter sich auf dem Pferde hatte.
In weniger als einer Stunde hatte Torriswood einige kurze Nachrichten und Verhaltungsregeln für seine Freunde, die er nöthig fand, niedergeschrieben, und alles andre, was noch nicht vollendet gewesen war, in Ordnung gebracht; nun war alles zum Aufbruch fertig. Da trat er noch einmal mitten unter seine Kinder, seine Schwester und ihre Familie, hielt ein kurzes, inbrünstiges Gebet, worin er um Gottes Schutz, Segen und Beistand für sie alle bat, dann drückte er die Kinder an sein Herz, umarmte die andern, und eilte davon. Colville begleitete ihn. Eine Zeit lang ritten sie schweigend neben einander, dann bemerkte Torriswood gegen Colville, es dürfte vielleicht auffallen, wenn er ohne ihn wieder zurückkäme, er möchte daher voranreiten; »und noch besser würde es vielleicht seyn, lieber Colville,« fügte er hinzu, »wenn Sie mich gar nicht begleiteten.«
Colville war damit durchaus nicht zufrieden. Er hatte Florentinen versprochen, ihren Vater nicht eher zu verlassen, als bis der Bediente, der mit ihm reisen sollte, sie eingeholt haben würde. Dieser war indessen gleich allein vorausgeritten, hatte aber dann sein Pferd angehalten, bis Torriswood ihn eingeholt hatte.
Colville hatte auch noch einen andern Grund, weshalb er Torriswood zu begleiten wünschte; er verlangte sehr nach einer Unterredung mit ihm, bevor sie sich trennten, über einen seinem Herzen sehr theuren Gegenstand, und er hoffte nun auf dem Wege darauf kommen zu können. Torriswood indeß schien grade jetzt mit seinen Gedanken ganz anderwärts zu seyn, und sie ritten schweigend neben einander. Mehrmals versuchte es Colville, ihn in ein Gespräch zu ziehen; obgleich er aber immer sehr freundlich antwortete, ging doch die Unterhaltung nach wenigen Worten gleich wieder von seiner Seite zu Ende; und er brach niemals sein Schweigen, außer dadurch, daß er Colvillen von Zeit zu Zeit bat, wieder umzukehren.
»Sie werden sich so sehr verspäten, daß es finster wird, wenn Sie die Stadt erreichen, und Sie könnten dann auf Schwierigkeiten stoßen,« sagte Torriswood endlich, nachdem sie schon sechs Stunden Weges zurückgelegt hatten. »Ich bitte Sie dringend, kehren Sie um,« fügte er hinzu, hielt sein Pferd an, und reichte ihm die Hand zum Abschiede. Colville sah hinter sich, und erblickte einen Mann, welcher in starkem Trabe ihnen nachgeritten kam. Er vermuthete, dies sey der Bediente, den sie erwarteten, und ward auf einmal ganz verlegen und niedergeschlagen.
»Leben Sie wohl, lieber Colville,« sagte Torriswood noch einmal.
»Ich habe noch Ein Wort mit Ihnen zu sprechen,« versetzte Colville; und Torriswood ritt weiter.
»Ich habe heut Morgen Sie nicht ganz verstanden; ich kann nicht ruhig werden, bis ich weiß, ob«... Es war, als käme er hier ganz außer Athem.
»Was meinen Sie denn, Colville?«
»Ihre Warnung in Bezug auf meine Erklärung, ich wünsche für jetzt in Erinlaw zu bleiben.«
»Haben Sie mir wohl alle Ihre Gründe gesagt, weshalb Sie es wünschen?«
»Nein, das habe ich nicht. Ich gestehe Ihnen nun ein, was, wie ich sah, Sie damals schon errathen hatten. Ihre Kinder sind meinem Herzen alle so theuer, als wären es wirklich meine Brüder und Schwestern; Sie habe ich lange Jahre mich gewöhnt, als meinen Vater anzusehen; warum sollte ich mich scheuen, zu sagen, daß ich nun auch innig wünsche, Ihr Sohn zu werden?«
»Sie sind nur Eine Woche unter uns gewesen. Können Sie wohl in so kurzer Zeit einen wohlbegründeten Entschluß in einer Sache gefaßt haben, welche für ihr ganzes künftiges Leben entscheidend ist? wenigstens für Ihr ganzes häusliches Leben? Und von Ihrer Kindheit an konnte man Ihnen immer anmerken, welche Freude Sie an dem Familienleben hatten.«
»Es ist wahr, ich bin nur Eine Woche unter Ihnen gewesen, aber ich habe Florentinen schon früher gekannt und geliebt. Da ich ins Ausland ging, wurde mir der Abschied von ihr schwerer, als der selbst von meiner Mutter. In der Fremde mischte sich ihr Bild in jeden Gedanken an die Heimath, ungeachtet meine Fantasie stets als das liebliche Kind sie mir malte, was sie bei meiner Abreise war. Und nun habe ich sie in Allem weit liebenswürdiger gefunden, als ich jemals früher ihre Entwickelung mir dachte.«
»Mein theuerster Colville,« erwiderte Torriswood freundlich, »es gibt niemand auf Erden, den ich lieber zu meinem Sohne hätte, als Sie. Ja, ich will noch mehr sagen: ich glaube, Florentine würde mit Ihnen glücklicher seyn, als mit irgend jemand sonst, den ich kenne. Ihr Character scheint mir ganz von der Art, daß er sie glücklich machen würde. Aber ist die gegenwärtige Zeit geeignet, an solche Dinge zu denken? Ist es nicht sogar grausam von uns Männern, wenn wir unter solchen Umständen junge, zarte Herzen zu gewinnen suchen, die vielleicht vor Gram brechen über das, was jeden Tag uns treffen kann? Sie sehen, was für einen dunkeln Schatten der Schwermuth schon jetzt die Zeitumstände über Florentinens Gemüth ausgebreitet haben; Sie sehen, wie sehr sie leidet durch ihre Besorgnisse, und ...«
»Ja,« unterbrach ihn Colville, »wer kann dies alles sehen, ohne von einer so innigen Liebe, einer so völligen Selbstvergessenheit eingenommen zu werden!«
»Aber, Colville, je zärtlicher sie die Ihrigen liebt, desto mehr sollten sie fühlen, wie sie durch ein solches Verhältniß noch weit unglücklicher werden kann, als durch ein andres, in welchem sie bis jetzt mit ihrem liebenden Herzen gestanden hat. Sie wissen, wie munter und launig sie sonst immer war, und wie verändert ist sie jetzt! Nun ich will alles dies ganz Ihnen anheim geben. Ich liebe Sie jetzt schon, wie meinen Sohn; aber wie viel lieber wäre es mir, wenn Sie Florentinens leiblicher Bruder wären, der meine armen Mädchen beschützen, ermuthigen und trösten könnte, als einer, der ihre ohnehin schon zarten Naturen noch weicher macht.«
»Nun gut, so sey es denn, mein theurer Vater,« erwiderte Colville, »und vielleicht wenn ich Ihnen sieben Jahre zu Ihrer Zufriedenheit gedient habe, dann geben Sie mir diese Rahel.«
»Ja, bester Colville.«
»Wenn ich nun aber einen Andern kommen sehe, der gern das Herz gewinnen möchte, an das ich mich noch nicht heranwagen darf« ...
»Dann haben Sie vom Vater die Erlaubniß, hervorzutreten. Leben Sie wohl!«
Der Bediente hatte sie jetzt eingeholt; Colville nahm nun endlich auch Abschied, sah sich noch von Zeit zu Zeit um, bis eine Biegung des Weges Torriswood verbarg, und dann gab er seinem Pferde die Sporen, und ritt so schnell, als er konnte, nach Edinburgh, so daß er wirklich die Stadt erreichte, noch ehe das Abendroth verblichen war. Am Thore fand er keine Schwierigkeit; aber auf der Straße, durch welche er ritt, bemerkte er einen großen Zusammenlauf von Menschen. Es standen ungewöhnlich viele Soldaten umher, und das Volk rottete sich zu eifrigen Gesprächen zusammen. Vor einem Hause bewachte eine Truppenabtheilung die Thür, und um sie herum hatte sich ein solcher Menschenhaufe zusammengedrängt, daß Colville mit großer Vorsicht zwischen ihnen hindurch sein Pferd leiten mußte. Dies that er wirklich mit so großer Sorgfalt, daß das Volk, das von jungen Leuten seines Standes damals eine ganz andre Behandlung gewohnt war, sich beeiferte ihm Platz zu machen. »Tritt zurück, Johnny,« sagte eine Frau zu ihrem Knaben; »siehst du nicht, wie der Herr sich vorsieht, daß dich das Pferd nicht trete?«
Colville hielt an, wandte sich an die Frau, und fragte sie, wozu die Soldaten dort aufgestellt seyen.
»Sie suchen nach den Mördern, wie sie sie nennen, gnäd'ger Herr; nach einem von den Herren, die heut früh dem Sharpe seinen Letzten gegeben haben. Noch haben sie aber keinen gefunden.«
»Wisset Ihr vielleicht, wer es ist, den sie suchen?«
»Rathillet, gnädiger Herr, den Herrn Hackstoun von Rathillet. Sie sagen, er sey von Fife nach der That übergesetzt, und in dies Haus soll er gegangen seyn.«
Colville dankte der Frau für die Nachricht, und eilte so schnell, als es vor dem Volke ihm möglich war, nach der Lady Dalcluden Hause, indem er fürchtete, Rathillets dortiger Besuch möchte bekannt geworden seyn. Doch fand er alles ruhig, und der Abend ging, zwar in Betrübniß Aller, aber ohne Störung hin. Colville erzählte ihnen nichts von dem, was er gesehen und gehört hatte, horchte aber aufmerksam auf jeden Lärm; und als sie zur Ruhe gegangen waren, blieb er noch einige Stunden auf, um bei der Hand zu seyn, wenn vielleicht eine Haussuchung vorgenommen werden sollte.