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Es war einmal ein Mann, der hieß Bronckhorst – ein eckiger, ungehobelter Patron mittleren Alters aus der indischen Armee – grau wie ein Dachs und mit einem Tropfen Bauernblut in den Adern, wie die Leute behaupteten. Das jedoch läßt sich nicht beweisen. Frau Bronckhorst war auch nicht mehr gerade jung, wenn auch fünfzehn Jahre jünger als ihr Gatte. Sie war eine große, blasse, stille Frau mit schweren Lidern und schwachen Augen und mit Haaren, die je nachdem das Licht fiel, rötlich oder gelblich schimmerten.
Bronckhorst war in keiner Hinsicht ein angenehmer Mensch. Er hatte nicht den geringsten Respekt vor den hübschen öffentlichen und privaten Lügen, die das Leben etwas weniger scheußlich machen, als es in Wirklichkeit ist. Sein Benehmen gegenüber seiner Frau war ordinär. Es gibt viele Dinge – einschließlich eines tätlichen Angriffs mit geballter Faust – die eine Frau ertragen kann, aber nur selten kann sie sich abfinden, wie Frau Bronckhorst es tat, mit jahrelangen, brutalen, plumpen Hänseleien, die all ihre kleinen Schwächen verspotten: ihre Anfälle von Migräne, ihre seltenen heiteren Momente, ihre lächerlichen, kleinen Versuche, sich ihrem Gatten anziehender zu machen, entstanden aus der Kenntnis, daß sie nicht mehr ist, was sie war, und – sicherlich das Schlimmste von allem – die Liebe, die sie ihren Kindern entgegenbringt. Diese spezielle Art von schwerfälligem Witz war Bronckhorst besonders teuer. Wahrscheinlich war er ihm, ohne sich etwas Böses dabei zu denken, während der Flitterwochen verfallen, in einer Zeit, da Menschen ihren gewöhnlichen Vorrat an Liebkosungen erschöpft haben und zu dem anderen Extrem greifen, um ihre Gefühle auszudrücken. Der gleiche Impuls treibt einen Mann dazu »Scher Dich, alte Mähre!« zu sagen, wenn sein Lieblingspferd die Schnauze an seinem Rocke reibt. Zum Unglück bleibt aber diese Ausdrucksform haften, auch wenn die Reaktion der Ehe eintritt, und verletzt dann, nach erloschener Zärtlichkeit, die Frau mehr als sie sagen kann.
Trotzdem vergötterte Frau Bronckhorst ihren »Teddy«, wie sie ihn nannte. Vielleicht war das der Grund, weshalb er sie nicht ausstehen konnte. Vielleicht – aber das ist nur eine Theorie, die sein späteres infames Benehmen erklären soll – gab er jenem seltsamen, primitiven Gefühl nach, das mitunter einen Ehegatten nach zwanzigjährigem Beisammensein an der Kehle würgt, wenn er an der anderen Seite des Tisches das gleiche Gesicht, immer und immer wieder das gleiche Gesicht, seines ihm angetrauten Weibes sieht und sich vorstellt, daß er ihr so, wie er es jetzt tut, bis an das Ende ihres oder seines Lebens gegenübersitzen muß. Die meisten Männer und Frauen kennen diesen Krampf. Er dauert in der Regel nur drei Atemzüge und muß eine Art »Rückfall« sein in die Zeiten, da Mann und Weib noch um einen Grad schlimmer waren als jetzt, und er ist viel zu unangenehm um erörtert zu werden.
Eine Einladung zu Tisch bei den Bronckhorsts war eine Strafe, der sich nur wenige Menschen freiwillig unterzogen. Bronckhorst fand Freude daran, Dinge zu sagen, die seiner Frau wehe taten. Wenn der Kleine beim Dessert hereingebracht wurde, gab Bronckhorst ihm meistens ein halbes Glas Wein zu trinken, worauf das Kerlchen natürlich ausgelassen wurde und zum Schluß den Katzenjammer bekam und schreiend entfernt werden mußte. Bronckhorst pflegte sich dann zu erkundigen, ob Teddy sich immer so benehme und ob Frau Bronckhorst nicht gefälligst ein wenig von ihrer Zeit darauf verwenden möchte, »dem Bengel einige Manieren beizubringen«. Frau Bronckhorst, die den Jungen mehr als ihr Leben liebte, versuchte nicht zu weinen – die Ehe schien ihren Willen vollkommen gebrochen zu haben. Zum Schluß erklärte Bronckhorst dann: »Nun ist 's aber genug. Um Gottes Willen, versuche, Dich wie ein vernünftiger Mensch zu benehmen. Geh voran in den Salon.« Und Frau Bronckhorst ging, mit dem Versuch, die ganze Sache durch ein Lächeln zu vertuschen, aber der Gast war den ganzen Abend über verstimmt und fühlte sich unbehaglich.
Nach drei Jahren dieses heiteren Lebens – Frau Bronckhorst besaß keine Freundinnen, mit denen sie sich aussprechen konnte – wurde die ganze Garnison durch die Nachricht in Aufruhr versetzt, Bronckhorst hätte Klage wegen kriminellen Ehebruchs gegen einen gewissen Biehl anhängig gemacht, der – das war nicht zu leugnen – Frau Bronckhorst auf Gesellschaften besondere Aufmerksamkeiten erwiesen hatte. Der völlige Mangel an Reserve, mit der Bronckhorst seine eigene Unehre behandelte, verhalf uns zu der Erkenntnis, daß die Beweise gegen Biehl unter allen Umständen nur Indizienbeweise auf Grund von Aussagen Farbiger sein würden. Briefe waren nicht vorhanden; aber Bronckhorst erklärte öffentlich, er würde Himmel und Erde in Bewegung setzen, bis er Biehl im Zentralgefängnis die Fabrikation von Teppichen beaufsichtigen sähe. Frau Bronckhorst setzte keinen Fuß mehr vor die Tür und ließ die lieben Mitmenschen reden, was sie wollten. Die Meinungen waren geteilt. Zwei Drittel der Garnison glaubten auf der Stelle an Biehls Schuld, aber ein halb Dutzend Männer, die ihn gut leiden konnten, hielt zu ihm. Biehl selbst war wütend und überrascht. Er leugnete von A bis Z und schwor, er würde Bronckhorst halbtot prügeln. Wir wußten, keine Jury würde einen Mann, lediglich auf einheimische Zeugenaussagen hin, in einem Lande verurteilen, wo man eine Anklage wegen Mordes, alles komplett, einschließlich sogar der Leiche, für vierundfünfzig Rupien haben kann; indessen hatte Biehl wenig Lust, nur mangels an Beweisen mit einem blauen Auge davonzukommen. Er wünschte restlose Klarheit in dieser Angelegenheit; aber, wie er uns eines Abends erklärte: »Bronckhorst kann auf Grund der Dienstbotenaussagen alles beweisen, und ich habe nichts als mein bloßes Wort.« Das war etwa einen Monat, ehe der Prozeß begann; und wir konnten wenig anderes tun, als Biehl zustimmen. Wir wußten nur, daß die Aussagen der indischen Dienerschaft schlimm genug sein würden, um Biehls Ruf für den Rest seiner Karriere zu ruinieren, denn wenn ein Einheimischer anfängt, meineidig zu werden, wird er es gründlich. Vor Einzelheiten schreckt er nicht zurück.
Irgend ein Genie am Fußende des Tisches, an dem die Affäre durchgesprochen wurde, sagte: »Paßt einmal auf! Ich glaube, Anwälte nützen hier gar nichts. Irgend jemand soll an Strickland telegraphieren und ihn bitten, herüberzukommen und uns rauszureißen.«
Strickland lebte ungefähr hundertundachtzig Meilen landeinwärts. Er hatte sich erst vor kurzem verheiratet, aber er witterte aus dem Telegramm eine Möglichkeit, seine alte Detektivarbeit wieder aufnehmen zu können, nach der es seine Seele gelüstete, und schon am nächsten Abend war er da und ließ sich die Geschichte vortragen. Er rauchte seine Pfeife zu Ende und sagte orakelhaft: »Wir müssen die Zeugen beim Wickel nehmen. Der Sänftenträger, die Kinderfrau und der mohammedanische Aufwärter werden vermutlich die Säulen der Anklage sein. Ich spiele mit in diesem Stück, obwohl ich fürchte, daß mein Dialekt etwas eingerostet ist.«
Er erhob sich und begab sich in Biehls Schlafzimmer, wo man seinen Koffer abgestellt hatte, und schloß die Tür. Eine Stunde später hörten wir ihn die Worte sagen: »Ich brachte es nicht über 's Herz, mich bei meiner Verheiratung von meinen alten Requisiten zu trennen. Wird das genügen?« Dort, in der Tür, verneigte sich mit vielen Salaams ein widerlicher Fakir.
»Jetzt leiht mir bitte fünfzig Rupien«, sagte Strickland, »und gebt mir Euer Ehrenwort, daß Ihr meiner Frau nichts sagen werdet.«
Er erhielt, was er wünschte, und verließ das Haus, während die ganze Tafelrunde auf sein Wohl trank. Was er dann tat, weiß nur er selbst. Zwölf Tage lang trieb sich ein Fakir in der Nähe von Bronckhorsts Grundstück herum. Danach erschien plötzlich ein »Mether«, und als Biehl von dem hörte, meinte er, Strickland sei ein ausgewachsener Engel. Ob der »Mether« Janki, Frau Bronckhorsts Kinderfrau, Liebeswerbungen vortrug, ist eine Frage, die nur Strickland selbst angeht.
Nach drei Wochen erschien er von neuem auf der Bildfläche und erklärte ruhig: »Sie haben die Wahrheit gesprochen, Biehl. Die ganze Geschichte ist von Anfang bis zu Ende fingiert. Bei Gott! Fast überrascht sie sogar mich! Dieses Schwein von Bronckhorst verdiente abgeschossen zu werden.«
Es gab ein großes Halloh und Geschrei, und Biehl fragte: »Wie wollen Sie es beweisen? Sie können doch nicht erklären, Sie hätten sich widerrechtlich und in Verkleidung in Bronckhorsts Grundstück herumgetrieben!«
»Nein,« entgegnete Strickland. »Sagen Sie Ihrem Esel von Anwalt, er solle irgend einen kräftigen Senf über »inhärente Unwahrscheinlichkeit« und die »Diskrepanz der Zeugenaussagen« aufsetzen. Er wird zwar gar nicht erst zu reden brauchen, aber es wird ihn glücklich machen.«
Biehl hielt den Mund und die anderen warteten die Ereignisse ab. Sie hatten Vertrauen zu Strickland, so wie man ruhigen Männern vertraut. Als es zur Verhandlung kam, war der Gerichtssaal überfüllt. Strickland hielt sich inzwischen auf der Veranda des Gerichtsgebäudes auf, bis er dem mohammedanischen Aufwärter begegnete. Dann murmelte er ihm einen Fakirsegen ins Ohr und fragte ihn, wie es seiner zweiten Frau ginge. Der Mann fuhr herum und sperrte, als er in die Augen von »Estrekeen Sahib« blickte, vor Schreck Mund und Nase auf. Man bedenke, Strickland war vor seiner Heirat unter den Eingeborenen eine Macht gewesen. Strickland flüsterte ihm ein etwas ordinäres, einheimisches Sprichwort zu, des Inhalts, daß er über alles unterrichtet sei, und begab sich, bewaffnet mit einer handfesten Trainerpeitsche, in den Gerichtssaal.
Der Mohammedaner war der erste Zeuge, und Strickland strahlte ihn aus dem Hintergrund des Saales wohlwollend an. Der Mann befeuchtete mit der Zunge die Lippen und nahm, in seiner hündischen Furcht vor »Estrekeen Sahib«, dem Fakir, jeden Punkt seiner Aussage zurück; er erklärte, er sei ein armer Mann und Gott sei sein Zeuge, daß er total vergessen hätte, was Bronckhorst Sahib ihm zu sagen befohlen habe. In seiner tödlichen Angst vor Strickland, dem Richter und Bronckhorst brach er weinend zusammen.
Da setzte die Panik unter den Zeugen ein. Janki, die Kinderfrau, die keusch aus den Falten ihres Schleiers hervoräugelte, wurde aschgrau im Gesicht, und der Sänftenträger verließ den Gerichtssaal. Er erklärte, seine Mama läge im Sterben, und es wäre für niemanden ratsam, in Gegenwart von »Estrekeen Sahib« ausgiebig zu lügen.
Biehl sagte höflich zu Bronckhorst: »Ihre Zeugen scheinen nicht zu funktionieren. Haben Sie nicht vielleicht noch ein paar gefälschte Briefe bei der Hand?« Aber Bronckhorst schwankte nur in seinem Stuhle hin und her, und es trat eine Totenstille ein, als man Biehl zur Ordnung gerufen hatte.
Bronckhorsts Anwalt sah den Ausdruck auf seines Klienten Gesicht, warf unverzüglich seine Papiere von sich auf den kleinen grünen Tisch und murmelte irgendetwas von »falsch unterrichtet sein.« Der ganze Saal brach in donnernden Beifall aus, wie Militär in einem Theater, und der Richter begann seine Seele zu erleichtern.
*
Biehl stand von seinem Platze auf, und Strickland ließ auf der Veranda eine handfeste Trainerpeitsche fallen. Zehn Minuten später war Biehl hinter den alten Gefängniszellen dabei, Bronckhorst still und ohne Skandal in Fetzen zu schlagen. Was von Bronckhorst übrig blieb, wurde in einen Wagen gepackt; und seine Frau weinte über den Überresten und pflegte sie, bis sie wieder menschenähnlich wurden.
Später, nachdem es Biehl gelungen war, die Gegenklage wegen Zeugenbestechung niederzuschlagen, meinte Frau Bronckhorst mit ihrem matten, wässrigen Lächeln: es hätte wohl irgendein Irrtum vorgelegen und ganz wäre ihr Teddy ja nicht an der Sache schuld. Vielleicht hätte er sie ein wenig satt bekommen, oder sie hätte seine Geduld auf eine zu harte Probe gestellt; und vielleicht würden wir sie jetzt nicht mehr schneiden, und am Ende erlaubten die Mütter auch, daß ihre Kinder wieder mit dem kleinen Teddy spielten. Er wäre ja so einsam. Dann wurde Frau Bronckhorst überall eingeladen, bis Bronckhorst wieder fähig war, auszugehen, worauf er nach England reiste und seine Frau mitnahm. Nach allem, was man zuletzt von ihm hörte, ist ihr Teddy tatsächlich »zu ihr zurückgekehrt« und sie sind mäßig glücklich. Obwohl er ihr natürlich die Tracht Prügel, die sie ihm indirekt verschaffte, nie verzeihen kann.
*
Biehl möchte gern das eine wissen: – »Weshalb habe ich die Klage gegen das Schwein Bronckhorst nicht weiter verfolgt und ihn ins Kittchen gebracht?«
Frau Strickland möchte gerne wissen: – »Wie ist mein Mann nur zu dem fabelhaft schönen Wallach gekommen, den er von Eurer Station mitgebracht hat? Ich bin ganz genau über seine Geldangelegenheiten unterrichtet und bin überzeugt: gekauft hat er ihn sich nicht.«
Und ich möchte vor allem wissen: – »Wie kommt eine Frau wie Frau Bronckhorst dazu, einen Mann wie Bronckhorst zu heiraten?«
Und mein Rätsel ist von allen dreien am schwersten zu lösen.