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An Giseke

(1748)

            Geh! ich reiße mich los, obgleich die männliche Tugend
    Nicht die Thräne verbeut,
Geh! ich weine nicht, Freund. Ich müßte mein Leben durchweinen,
    Weint' ich dir, Giseke, nach!
Denn so werden sie alle dahin gehn, jeder den andern
    Traurend verlassen, und fliehn.
Also trennet der Tod gewählte Gatten! der Mann kam
    Seufzend im Ozean um,
Sie am Gestad, wo von Todtengeripp, und Scheiter, und Meersand
    Stürme das Grab ihr erhöhn.
So liegt Miltons Gebein von Homers Gebeine gesondert,
    Und der Zypresse verweht
Ihre Klag' an dem Grabe des Einen, und kennt nicht hinüber
    Nach des Anderen Gruft.
So schrieb unser aller Verhängniß auf eherne Tafeln
    Der im Himmel, und schwieg.
Was der Hocherhabene schrieb, verehr' ich in Staube,
    Weine gen Himmel nicht auf.
Geh, mein Theurer! Es letzen vielleicht sich unsere Freunde
    Auch ohne Thränen mit dir;
Wenn nicht Thränen die Seele vergießt, unweinbar dem Fremdling
    Sanftes edles Gefühls.
Eile zu Hagedorn hin, und hast du genung ihn umarmet,
    Ist die erste Begier,
Euch zu sehen, gestillt, sind alle Thränen der Freude
    Weggelächelt entflohn,
Giseke, sag' ihm alsdann, nach drey genossenen Tagen,
    Daß ich ihn liebe, wie du!

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