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Der Kamin

(1770)

          »Wenn der Morgen in dem May mit der Blüthen
    Erstem Geruch erwacht;
So begrüßet ihn entzückt vom bethauten
    Zweige des Waldes Lied;
So empfindet, wer in Hütten an dem Walde
    Wohnet, wie schön du bist,
Natur! Jugendlich hellt sich des Greises
    Blick, und dankt! lauter freut
Sich der Jüngling; er verläßt mit des Rehes
    Leichterem Sprung den Busch,
Und ersteigt bald den erhöhteren Hügel,
    Stehet, und schaut umher,
Wie der Wecker mit dem röthlichen Fuß
    Auf die Gebirge tritt,
Und den Frühling um sich her durch das Wehn
    Der frühen Luft sanft bewegt.
Wenn der Morgen des Dezembers in des Frostes
    Düften erwacht, und glänzt;
So begrüßet ihn mit Hüpfen von dem Silber-
    Zweige der Sänger Volk,
Und ersinnet für den künftigen May
    Neue Gesänge sich;
So empfindet, wer in Hütten auf dem Lande
    Wohnet, wie schön du bist,
Natur! Munter erhellt sich des gestärkten
    Greises Blick! mehr noch fühlt
Sich der Jüngling; er enteilt mit des Rehes
    Leichterem Sprung dem Heerd',
Und im Laufe zum besternten Landsee
    Blickt er umher, und sieht,
Wie der Wecker mit dem röthlichen Fuß
    Halb im Gewölke steht,
Und der Winter um sich her das Gefilde
    Sanft schimmernd bedeckt, und schweigt.
O ihr Freuden des Dezembers! er rufts,
    Säumt nicht, betritt den See,
Und beflügelt sich mit Stahle den Fuß.
    Ein Städter, sein Freund, verließ
Den Kamin früh. Er entdeckt von dem hohen
    Roß in der Ferne schon
Den Landmann, wie er schwebt, und den Krystall
    Hinter sich tönen läßt.
O ihr Freuden des Dezembers! so ruft
    Der Städter nun auch, und springt
Von dem Rosse, das in Wolken des Dampfes
    Steht, und die Mähne senkt.
Jetzt legt auch die Beflüglung des Stahls
    Der Städter sich an, und reißt
Durch die Schilfe sich hervor. Sie entschwingen,
    Pfeilen im Fluge gleich,
Sich dem Ufer. Wie der schnellende Bogen
    Hinter dem Pfeil' ertönt,
So ertönet das erstarrte Gewässer
    Hinter den fliegenden.
Mit Gefühle der Gesundheit durchströmt
    Die frohe Bewegung sie,
Da die Kühlungen der reineren Luft
    Ihr eilendes Blut durchwehn,
Und die zarteste des Nervengewebs
    Gleichgewicht halten hilft.
Unermüdet von dem flüchtigen Tanze,
    Schweben sie Tage lang;
Und musiklos gefällt er. Wenn am Abend
    Rauchender Winterkohl
Sie gelezt hat, so verlassen sie schnell
    Die sinkende Glut des Heerds,
Und beseelen sich die Ferse, die Ruh
    Der schimmernden Mitternacht
Durch die Freuden des gewagteren Laufs
    Zu stören. Sie eilen hin,
Und verlachen, wer noch jetzo bey dem Schmause
    Weilet, und schlummernd gähnt.
Die gesünderen, und froheren wünschet
    Der kennende Zeichner sich,
Und vertauschte das gelohnte Modell
    Gern mit dem freyeren.«
Da der Weichling Behager so gesprochen,
    Gürtet er fester noch
Sein Rauchwerk! und die Flamme des Kamins
    Schwinget noch lermender
In dem neuen Gehölze sich empor!
    Dicker und höher steigt,
Aus der vollen unermeßlichen Schale,
    Duftend von weissem Rak,
Der Punschdampf! An des schwatzenden Stahlen
    Naget indeß der Rost.

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