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1. Vom Urprinzip. Da die Seele Gott zum Vater hat, so stammt sie entweder aus dem göttlichen Wesen oder aus einem besonderen Wesensgrunde, kann somit nicht als accidens bezeichnet werden.
2. Vom Samen. Die Seele ist nicht bloße Samenkraft und accidens, sondern das, was in und durch den Samen wirkt und gestaltet.
3. Beweis aus der Herrschaft. Die Seele beherrscht, bewegt und regiert den Körper. Also ist letzterer eher ihr Werkzeug als ihr Prinzip.
1. Beweis des Schaffens. Die Seele entwickelt und organisiert den Körper aus dem Samen und macht ihn für sich und ihre Arbeiten geeignet, und es ist unmöglich, irgend etwas zu denken, was vor Eintritt einer Seele einen Körper in dieser Weise bereiten und zurichten könnte. Also ist sie nicht ein zufälliger Zustand des Körpers, sondern etwas, das zum Körper hinzutritt.
2. Beweis des Architekten. Sie sitzt am Steuer und lenkt die ganze Zusammensetzung, auf ihren Wink wird alles bewegt, schwingen die Nerven und spannen sich die Muskeln. Sie ist also ein frei handelndes und ihr Werk leitendes Wesen.
3. Beweis der Dienstbarkeit. Der ganze Stoff und Körper und die Zusammensetzung dient ihr und scheint ihr völlig untertan zu sein.
1. Beweis der Idee. Es gibt keine Idee eines bloßen Zustandes. Die Idee der Seele aber wird mit Recht die erste Idee genannt; dann erst folgen die Ideen anderer Dinge.
2. Beweis des Werkzeuges. Jeder Zustand besteht nur an einem Subjekt gewissermaßen als dessen Werkzeug. Die Seele aber ist kein Werkzeug des Körpers, durch das etwa der Körper etwas bewirkt, vielmehr ist sie es, die den Körper als Werkzeug ihrer Tätigkeit benutzt.
3. Beweis aus dem Beitritt oder der Hinzukunft. Jeglicher Zustand tritt erst ein, wenn eine Zusammensetzung oder ein Subjekt wesentlich vollendet ist. Die Seele aber übernimmt es, einen Gegenstand erst wesentlich zu vollenden, sie bildet einen Körper zur Gestalt eines Menschen aus und befähigt ihn erst durch diese wesentliche Vollendung für besondere Zustände.
1. Beweisgrund vom Sohne der Venus. Keine zufällige Form erhebt sich über den Träger, dessen Zustand sie ist. Die Seele aber erhebt sich an Adel und Würde hoch über den Stoff, den sie beherrscht und von dem sie sich ablösen kann. Also ist sie nicht dessen Zustand.
2. Beweisgrund der plötzlichen Erzeugung. Jegliches accidens tritt an einem Gegenstande in allmählicher Veränderung seiner Anlagen zeitlich und beweglich hervor, die Seele aber augenblicklich. Also liegt ihr eine wesentliche (substantielle) Form zugrunde, vermöge deren Erzeugung, nicht Veränderung stattfindet.
3. Beweisgrund eines einzigen Erzeugers. Die Seele entstammt einem Vater ohne Mutter; wenn sie einen Entstehungsgrund hat, so ist dieser schaffend, nicht stofflich: als unteilbares Wesen ist die Seele unstofflich. Jedes accidens aber entsteht aus dem Schoße der Materie oder eines Untergrundes.
1. Jegliches accidens verhält sich wie eine Farbe, jede Materie ist gewissermaßen Finsternis. Die Seele gehört aber in das Reich des Lichtes. Also ist sie weder accidens noch Stoff, sondern ein immaterielles Wesen. Der Obersatz wird hier bewiesen durch das Voraufgehende, da die Seele die Materie beherrscht, regiert und belebt.
2. Aus der Vervielfältigung. Die Seele gestaltet nach Verschiedenheit des Stoffes alle verschiedenen Gestalten. Also ist sie kein Zustand, sondern wirkende Substanz, nämlich das Prinzip jeder Besonderheit und jedes individuellen Lebens. Denn sie selbst ist die Natur aller vollkommenen Zusammensetzungen.
3. Jede bloß zuständliche Form wohnt in einem Träger, den sie bezeichnet und von dem sie abhängt. Die Seele aber wird gekennzeichnet und läßt sich erschließen, und aus ihr selber tritt das Kennzeichen hervor; von ihr abhängig ist Vermögen und Kennzeichen.
1. Beweis aus der Unterscheidung der Zwecke. Die Seele ist der Zweck, zu dem alle Teile der Materie geordnet sind. Denn offenbar ist eher der Körper um der Seele willen, als die Seele um des Körpers willen da. Also werden wir weniger fehlgreifen, wenn wir den Leib als Zustand der Seele bezeichnen, als wenn wir das Gegenteil annehmen. Denn allgemein darf der Träger einer Erscheinung im Verhältnis zur Erscheinung für würdiger gelten. Will man aber keins von beiden für das accidens des anderen ansehen, so muß man zwei getrennte Substanzen annehmen, von denen dann die eine die erhabenere, die andere die niedere ist.
2. Beweis vom Mittel und Zweck. Die Seele ist die letzte und höchste Art in der Rangfolge der göttlichen und natürlichen Wesen, ihr ist alles Niedere untergeordnet, wie die Stufenleiter der Natur es verlangt. Also ist sie notwendig als Substanz zu denken.
3. Im Reiche des Körperlichen und Stofflichen ist die Seele der Endzweck. Unmöglich kann aber der Endzweck einer Substanz ein bloßer Zustand sein.
4. In der intelligiblen Welt (im Reiche des reinen Gedankens) gilt die Seele als letzter Zweck. Es ist unmöglich, eine solche Stellung irgend einem accidens zu geben, einem Etwas, das an sich gar nicht existiert, sondern dessen Begriff darin besteht, die bloße Entelechie (vollendete Wirklichkeit) eines Körpers zu sein.
1. Beweis aus der räumlichen Ausdehnung. Keine bloß zuständliche Form und bloße Entelechie des Körpers überschreitet und kann überschreiten die Grenzen des Körpers. Die Seele verläßt aber manchmal ihren Körper, und bezeugt dadurch, daß sie nichts dem Wesen nach mit ihm gemein hat. Also ist ihr Zusammenwohnen mit dem Körper vorübergehender Art, sie ist kein accidens des Körpers.
2. Beweis der Gestaltung. Jede bloß zuständliche Form ist eine Gestalt. Die Seele aber ist das gestaltende Prinzip (das Pferd hat diese Bildung und diese Gliedmaßen, weil es eine solche Seele hat). Also ist die Seele kein accidens, sondern der Architekt der Akzidenzen.
1. Beweis der Anlage. Die Seele ist, wie unsere Gottesgelehrten und Theologen sagen, ein Ebenbild Gottes und eine Tochter des Geistes. Folglich kann sie weder ein accidens noch eine bloße stoffliche Form sein.
2. Die stoffliche Form selbst ist nichts anderes als Licht, das in die Finsternis strahlt, der Farbe gleich, die aus dem Schatten entsteht. Das Wesen der Seele selbst aber entsteht weder aus der Materie noch ist es an die Materie gebunden.
Nur, um durch diese unserem modernen Denken so fremdartige Beweisführung nicht zu ermüden, verzichte ich auf die Wiedergabe der sämtlichen in dem ungeachtet seiner lullischen Eigenart so anziehenden Werke: Lampas XXX. statuarum für die Unsterblichkeit der Seele aufgeführten Argumente; die mitgeteilten Sätze bilden nur einen kleinen Bruchteil. Ich schließe lieber diese Darstellung der Seelenlehre des Nolaners mit einigen Versen aus seinem wundervollen Lehrgedicht: De Triplici Minimo (I. C. III).
Geh' nun, Tor, und fürchte des Tod's Dräu'n und des Geschickes,
Geh, zum Geschwätze der Toren dahin, die Träume des Pöbels
Laß mit tödlicher Furcht dich erfassen, als ob du in Wahrheit
Wärst ein Zusammengefügtes aus stofflichen Teilen bestehend!
Wird nicht selbst im Strome der Zeit die Masse verändert,
Wie sie aus eigner Bewegung in nie versiegendem Wechsel
Neue Teile beständig ergreift und die früheren ablegt?
Oder des eigenen Leibes Stoff ist nun er derselbe
Teilweis' oder im ganzen, wie kürzlich er dir noch zuvor war?
Blieben des Knaben Blut und Fleisch und Knochen dem Jüngling
Unverwandelt? Veränderte nicht im Wechsel dem Mann sich
Alles? Fließen die Glieder nicht und entäußern erneuert
Sich der verbrauchten Form, – gleichwie die Nägel und Haare
Uns andeuten dem Sinn, – dieweil ohn' Wandel des Zentrums
Wesen inmitten des Herzens beharrt, die lenkende Vollkraft,
Durch die Einer du bist, derselbige bleibst und ein Ich bist?
Mag in buntem Getrieb dich rastlos brausend umdrängen
Rings unzähliger Bilder Gewirr und wechselnder Zufall,
Dies, dies bist du selbst, was mächtig die Mitte gefaßt hält!
Wie das äußerste, wie dir sämtliche Teil' unteilbar,
Dessen der mindeste Leib Urstoff ist oder auch kein Leib,
Das zu trennen keiner Naturkraft irgend vergönnt ist,
Das der Blitz nicht rührt, die verzehrende Zunge der Flamme
Nimmer verletzt, das Atom, gleichwie des Leibs Elemente
Unzerstörbar, so daß nur die Ordnung allein und die Stelle
Und der Teile Gebrauch stets wechselt, doch unverändert
Ruhig im Wechsel beharrt der Ding' unteilbares Wesen.
Wahrhaft Wesen und Grund ist nie Zusammengefügtes,
Sondern das Fügende, du, und der letzte Teil des Gefügten,
Welches du rings anbauest um dich. So wirst du ermessen,
Daß du schlechter in nichts, als der unterwürfige Leib bist,
Der doch nimmer in Nichts zurücksinkt, sondern beharret,
Jetzt sich hier, jetzt dort ergänzend, daß sich die Glieder,
Die du bewegst, nach festem Gesetz zum Dienste dir fügen.
Es ist mindestens ein Mißverständnis, wenn einige Abhandlungen über Brunos Weltanschauung, wenn anscheinend sogar Brunnhofer in seiner übrigens von gründlicher Quellenforschung zeugenden Schrift Brunnhofer, Giordano Brunos Weltanschauung und Verhängnis, S. 303. (»Bruno glaubt nicht an die persönliche Unsterblichkeit usw.«), auch seine Unsterblichkeitslehre im pantheistischen Sinne deuten und meinen, Bruno habe keine bewußte Fortdauer angenommen. Seelenfortdauer ohne Erinnerung ist zweifellos ebenso eine bloße Phrase, wie ein unpersönlicher, unbewußter Gott. Richtig ist nur, daß Bruno zeitweilig zum sog. Reinkarnationsglauben neigte.
Ich habe aber bereits in meinen Erläuterungen zum Spaccio und insbesondere zu den Eroici furori (II, p. 268 ff., V p. 243 ff.) klargestellt, daß seine Auffassung der Reinkarnation nicht mit der gewöhnlichen Seelenwanderungslehre zu verwechseln ist, daß sie vielmehr auf Platos Ansicht (de rep., c. f.) zurückgeht, derzufolge der Tod kein Vergessen, sondern ein wahres Erwachen des Geistes mit sich führt. Nicht der Tod ist sinnbildlich Lethes Strom der Vergessenheit, vielmehr die Geburt; die Inkarnation erscheint ihm durch ein zeitweiliges Vergessen der vorgeburtlichen Daseinsformen bedingt. »Lethe, Vergessenheit trinkt man nicht im Tode, der vielmehr das Bewußtsein uns steigert, sondern in der Geburt.« Vgl. auch Bd. VI, p. 250. Übrigens erweckt eine Stelle in der Kabbala, die dort in Frage kommt, den Eindruck, daß Bruno doch auch mit dem Gedanken der Reinkarnation nur rein spekulativ gespielt hat, und daß er nicht heuchelt, wenn er bei seinem Geständnis vor dem Inquisitionsrichter (VI, 184) die vernünftigen Seelen davon ausschließt. Er hätte dafür auch die schönen aus dem Herzen kommenden Worte anführen können, die er am Grabe seines fürstlichen Freundes, des Herzogs Julius von Braunschweig, gesprochen: »Mit Gottes Segen und des Himmels Gunst hat unser bester Fürst alles vollendet und ist nun nach vollbrachtem Tagwerk entschwebt den Händen des Schicksals und der Gewalt der Parzen! Aus diesem Tal der Tränen zu jenem Berge der Seligkeit? Aus diesem höllischen Egypten zu jenem himmlischen Jerusalem! Aus diesem dunklen Abgrunde der Finsternis zu jener Fülle unzulänglichen Lichtes! Aus diesem Strome des Jammers zu jenen Flüssen unermeßlichen Trostes! Aus dem Kerker der Zeitlichkeit in den weiten Schoß der Ewigkeit! Aus diesem Reiche des Wechsels und plötzlichen Falles zu jenem ewigen Reiche, zu dessen Erlangung ihn Allvater bestimmt hat.« Unter den modernen Philosophen ist neben Schelling (S. dessen Gespräch »Clara«) vor allen du Prel (Monistische Seelenlehre) als kongenialer Darsteller der individualistischen Seelenlehre Brunos und seiner Unsterblichkeitslehre zu erwähnen.