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Osterdienstag. Auf heute hat Athen seine Gäste zu einem Imbiss mit archäologischer Führung in die Ruinen des Weihetempels von Eleusis eingeladen. Zugleich aber steht auch der berühmte Ostertanz der Frauen von Megara auf dem Festprogramm. Beide Orte, obgleich nahe beieinander gelegen, sind für einen Tag zu viel. Nach schwerer Wahl entscheiden wir uns für Eleusis, hauptsächlich darum, dass man uns versichert, auch dort werde getanzt, ja Eleusis sei der eigentliche Ursitz dieser in das graue Altertum zurückreichenden Tänze, wofür ein homerischer Hymnus als klassisches Zeugnis angerufen wird. Die Freikarten für den Extrazug, der am Mittag abgeht, sind uns schon früher zugestellt worden. Wir haben aber überlegt, dass einem Massenbesuch der Ruinenstätte jede Stimmung fehlen muss, und dass auch die Führung einer so grossen Festmenge nur eine eilige und oberflächliche sein kann. Daher wir beschliessen, die stillen Morgenstunden allein im heiligen 76 Bezirk der Demeter zu verbringen und uns selbst zu führen.
Um 7 Uhr wird nach dem peloponnesischen Bahnhof aufgebrochen. Noch schöner wäre es, zu Fuss auf der »Heiligen Strasse« über den Gebirgspass und längs des Meeres zu pilgern, wo die Prozession der Eingeweihten hinzog, an der Kephissosbrücke zu rasten, wo das Volk sie mit Spässen aufzuhalten pflegte, und unterwegs die zwei geheiligten Salzseen zu begrüssen, aber der Weg ist weit und zu ermüdend, als dass man noch die nötige Frische für die Ausgrabungen mitbringen könnte.
Auf dem Bahnhof ist der Andrang gross, denn auch andere haben die Erleuchtung gehabt, den Tempel lieber in der Vormittagsstille zu besuchen. Eben wird ein Zug in der Richtung nach Eleusis abgelassen, alles läuft und schiebt, aber ein Schaffner weist uns zurück, denn es ist der peloponnesische Zug, der keine Passagiere in Eleusis absetzt. Mit Mühe werden die Fahrkarten erkämpft, denn die uns gratis übersandten gelten nur für den Extrazug, der am Mittag abgeht. Hier ist auch schon der Lokalzug, der uns mitnehmen soll. Es ertönt der Ruf zum Einsteigen, und mich ergreift es wundersam wie so oft schon in Griechenland, solche Dinge des täglichen Lebens in der Sprache der Götter ausdrücken zu hören. Der Kyrios, immer mit Sprachstudien beschäftigt, muss sich mit der Tatsache abfinden, dass es für Sitzplatz und Wagenklasse nur ein Wort (thesis) gibt, wodurch leicht Verwirrung entsteht. Wir haben glücklich beides erobert, und der Zug setzt sich in Bewegung.
77 Es ist unsere erste Landreise in Griechenland, und die Erwartung ist gross. Da das Geleise schmalspurig ist wie fast auf allen griechischen Bahnen, und die Masse der Wagen dem entsprechen, hat man den Eindruck, in einem Tram zu sitzen. Aussen turnen die Schaffner hin und her, wie es in meiner Kinderzeit auch »in Europa« üblich war. Hymettos und Lykabettos, letzterer einmal in seiner seitlichen Verlängerung als Turkowuni sichtbar, bleiben allmählich zurück, das Pentelikon blickt von rechts herüber. Eine Strecke weit geht die Fahrt zwischen Feldern, wo die Frucht grünt, und vereinzelten Vignen. Dass die Rebe ohne Stütze niedrig am Boden kriecht, war mir schon in Aegina aufgefallen, aber ich hatte dort meine Gründe gehabt, nicht nach der Ursache zu fragen. Jetzt belehrt mich ein in Athen ansässiger Landsmann, dass man den Rebstock am Boden halten muss, weil die magere attische Erde sonst nicht Blätter genug treiben könnte, um die reifende Traube zu beschützen. Der Oelbaum, der zerstreut zwischen Korn und Gemüse steht, ist niedrig, mit ausgeschnittenem Wipfel, wie in der Umgegend von Florenz. Tiefroter Mohn, der in weiten Strecken flammt und leuchtet, versöhnt das Auge mit der Dürftigkeit des Bodens. Eine üppigere Anpflanzung etwas abseits der Bahn wird uns als das Landgut der ehemaligen Königin Amalia gezeigt, das einen schätzbaren, auf ihren Namen getauften Wein hervorbringt.
Mit einem Male befinden wir uns in einer erschreckenden Steinwüste. Eingeklemmt zwischen einem Hügelrücken und einer flacheren Bodenwelle, die über 78 und über mit Steinen besät sind, windet die Bahn sich hin. Nirgends ein grünes Hälmchen; es sieht aus wie das Strafgericht eines Gottes, der die Landschaft für immer unter einer Aufhäufung toter runder Steine begraben hätte.
Die bedrückte Brust atmet freier, als endlich wieder magere knorrige Pinien zwischen den dünner gesäten Steinen zum Vorschein kommen. Dürftigste Kornfelder und Weideplätze schliessen sich an, worauf schönvliessiges Wollvieh wandelt, die Ebene erweitert sich, und plötzlich erscheint etwas Blaues: die See. Eine Bucht wölbt sich tief ins Land herein, die Berge weichen vor ihr zurück; was sich jenseits des Wassers in so kühnen Formen erhebt, kann nur der Höhenzug von Salamis sein. Weiter Blick über die grüne thriasische Ebene, wo Feigen, Korn und Oliven wachsen, rote Mohnfelder, eine Zypressenreihe, dann eine kleine Station mit der Aufschrift Eleusis.
Fast durchweg sind in Griechenland die antiken Ortsnamen amtlich wiederhergestellt und von der Bevölkerung mit Feuer aufgenommen. Wenn man vielleicht noch da und dort von einem alten Weiblein die späteren Bezeichnungen zu hören bekommt, die Jugend ist mit Begeisterung klassizistisch. Der Umschwung muss sich sehr rasch vollzogen haben, denn viele Oertlichkeiten, die in unserem Baedeker von 1908 noch die neugriechischen Namen tragen, finden wir an Ort und Stelle im Mund der Leute mit den althellenischen benannt. Es ist auch wahrlich nicht gleichgültig, ob man seinen Sonntag in Lévsina oder in Eleusis verbringt, und ob die Bergspitzen überm Meere drüben zu Kuluri oder 79 zu Salamis gehören. Wenn Byron dem griechischen Volke vorwarf, dass ihm aller Sinn für seine vergangene Grösse fehle, so ist heute im überschwenglichsten Masse das Gegenteil der Fall. Jedes Gespräch, das der Reisende mit einem Einheimischen anknüpfen kann, stimmt sich ganz von selber auf diesen Grundton. Die alten Namen erwecken ein glühendes Nationalgefühl und erfüllen die Jugend mit Vorstellungen aus der alten heroischen Vergangenheit. Ist es zu kühn gehofft, dass mit diesen Namen auch die Gesinnung der grossen Vorzeit wieder aufleben werde?
Dies also ist Eleusis, der Ort wo die grosse Göttin von ihrer langen Wanderfahrt nach der verlorenen Tochter rastete und wo sie zum Dank für empfangene Gastfreundschaft mit dem ersten Saatkorn den ersten Keim der staatlichen Ordnung und Gesittung in den Boden senkte! Hier war es, wo sie selbst die heiligen Mysterien stiftete, die die griechische Welt beseligten! Aus dieser Bucht sandte sie den jungen Triptolemos auf dem geflügelten Schlangenwagen mit der goldenen Aehre hinaus, damit er ihre Segnungen über die ganze Erde verbreite! Und zu dem Wasser dieser Bucht drängten sich jahrhundertelang die nach der Weihe verlangenden gläubigen Scharen, wenn in der heiligen Nacht der Aufruf zur Reinigung erscholl: »Ans Meer, ihr Mysten!«
Wir sind ausgestiegen und haben das mitgebrachte Frühstück in der neuen gelben Ledertasche neben dem kleinen Bahnhöfchen auf gut Glück in einem offenen Schuppen untergestellt. Denn ein Aufbewahrungsort für Gepäckstücke ist nicht vorhanden, und »in 80 Griechenland gibt es keine Diebe«, hat mir ein erfahrener Landsmann in Athen gesagt; diesem Ausspruch wollen wir vertrauen.
Dann schlagen wir gleich die Landstrasse ein, die nach dem heiligen Bezirke führt, indem wir auf dem ganzen Weg einen knöcheltiefen gelblichen Staub um uns aufwühlen. Der Tag wird heiss, doch ist der Himmel nicht so strahlend rein wir gestern in Aegina, sondern mit leichten weissen Wolkenstreifen durchzogen. Nach wenigen Minuten zweigt der Weg zum Eingang der Trümmerstätte ab. Dein Werk, Alarich! Und doch wusstest du, was Ehrfurcht heisst. Oder konnte dich nur der Gorgonenschild und die funkelnde Lanzenspitze der Promachos erschüttern, und die gütige Herrin dieses Tempels, die hier die erste Feldfrucht den Menschen wachsen liess, war dir zu mild, zu mütterlich, um sie zu schonen?
Der Anblick ist niederschmetternd, man denkt eher an einen Marmorbruch als an einen Tempel. Keine Säule steht mehr, griechische und römische Reste liegen nebeneinander am Boden hingeworfen. Nur mit Widerstreben geht der Fuss über zerbrochene Stufen und geglätteten Marmorboden weiter und weiter durch die trostlose Vernichtung. Wo die Trümmermassen am unkenntlichsten sind, ahnt man irgendein Herrlichstes, doch das Auge vermag sie nicht zu deuten. Während eine französische Gesellschaft sich plaudernd unter den Ruinen lagert, flüchten wir uns über eine Felsentreppe auf den Rand der Bergterrasse, an die der Demetertempel angebaut war. Unter uns haben wir die achtfach übereinander erhöhten Sitzreihen, 81 die die Wände des Tempels umliefen und die auf der Bergseite aus dem lebenden Gestein gehauen sind, das einzige, was die Wut der Zerstörer nicht vernichten konnte, während die aufgebauten Stufen der andern Seiten zusamt den umgebenden Mauern verschwunden sind.
Auf der obersten Stufenreihe lassen wir uns im Schatten einer kleinen christlichen Kapelle nieder und suchen vor allem nach dem Plan des Baedeker einen Ueberblick zu gewinnen. Leider haben wir bei der Abreise einen wichtigsten Ausrüstungsgegenstand vergessen, den Kompass. Erst müssen also nach dem Stand der Sonne die Himmelsgegenden festgestellt werden, und nun löst sich allmählich vor dem suchenden Auge der Wirrwarr. Die grossen und die kleinen Propyläen, das Hekatetempelchen, die Plutongrotte sondern sich aus dem Schutt. Und jetzt steht der grosse Weihetempel mit seinen beiden, auf schweren dorischen Säulen ruhenden Stockwerken und der lang vorgelagerten Halle wieder da, wenn auch in den luftigsten Umrissen. Man sieht den Weg, auf dem die Mysten das Heiligtum betraten.
»Schweigt andachtsvoll, es weiche zurück, wer nicht die Weihen empfangen!«
Wählen wir uns einen athenischen Gastfreund zum Mystagogen, damit auch wir Fremdlinge eintreten und an der heiligen Feier teilhaben können. Was wird in dem geheimnisvollen Innern des Tempels vorgehen? Die Sitzreihen an allen vier Wänden, welche Wunder werden sie im Halbdunkel des heiligen Raumes oder bei Fackelschein den Eingeweihten schauen lassen? 82 In welcher Form strahlt ihm das überwältigende »Licht von Eleusis« auf? An welcher überirdischen Glückseligkeit bekommt er Anteil, dass uneingeweiht zu sterben dem Griechen das schwerste aller Missgeschicke ist, und Sophokles singen kann:
Dreimal selig sind
Die von den Sterblichen, die jene Weih erblickt,
Eh sie zum Hades wandern. Ihnen ist allein
Das Leben, und den andern ist dort alles Leid.
Unsre Erwartung muss unbefriedigt bleiben, denn der Augenschein versagt völlig, und die Phantasie bringt nur nebelhafte Bilder hervor. Aber es ist gut so. Und gut ist es auch, dass der späte Pausanias, als er seinen Lesern von den eleusinischen Weihen erzählen wollte, durch ein warnendes Traumgesicht abgeschreckt wurde; das Unerfüllte, das Unenthüllte bewahrt auf immer seinen Reiz. Uns genügt das mystische Jakchoslied:
Jakchos, dem der Tanz lieb, komm, geleite mich!
und der trunkene Uebermut des Alkibiades, der mit seinen Freunden den heiligen Hokuspokus nachäfft.
So sitzend und rätselnd merkt man nicht, wie die Stunden vergehen. Aber es macht die Augen und die Gedanken müde, immer auf die Trümmerwüste hinunterzustarren, man verlangt wieder nach Lebendigem, und wäre es nur das dürftige Gras, das da oben am Burgberg wächst. Es tut wohl, den steilen Hang zu erklimmen, den der alte fränkische Befestigungsturm überragt, und auf der meerwärts gelegenen Seite zwischen 83 Geröll und grober Scholle wieder hinabzurutschen. Reizende Muscheln, vielleicht Ueberreste eines alten eleusinischen Festmahls, liegen von Erde leicht bedeckt umher; sie sind so hart, als wären sie schon versteinert.
Gerade unter uns liegt, was sich heute Eleusis nennt: eine armselige Häuserflucht mit Fabrikschlöten untermischt am Strande. Zu solchem Elend ist die glänzende Geburtsstadt des Aeschylos herabgesunken. Aber herrlich ist der Blick auf die blaue vom Aegaleos und den Bergen der Megaris eingeschlossene Bucht mit der stolz geschwungenen Linie von Salamis gerade gegenüber, und eine stattliche Palme hart am Meer versöhnt ein wenig mit der Verkommenheit ihrer Umgebung.
Nachdem wir auch noch durch den gemauerten Eingang in das mykenische Felsengrab gekrochen sind, von dem unser Baedeker spricht, glauben wir unsere Pflicht als gewissenhafte Reisende erfüllt zu haben. Geschäftige Hände haben unterdes auf der langen Terrasse mit den Säulenbasen an der Südostseite des Weihetempels, die die »Vorhalle des Philon« heisst, einen Tisch von unendlicher Länge aufgestellt und mit allerlei Leckerbissen beladen. Dieser Anblick weckt uns die sehnsüchtige Erinnerung an die gelbe Ledertasche, die wir am Bahnhof zurückliessen, und im Kyrios die bange Frage, ob sie samt ihrem Inhalt noch der freundlichen Welt des Indikativ Präsens angehört oder ob schon die schwierige Form des neugriechischen Perfektums auf sie angewendet werden muss, daher wir uns in beschleunigter Gangart nach dem Bahnhof in Bewegung setzen. Aber friedlich steht die Gelbe in ihrem Schuppen, 84 umgeben von einer ganzen Anzahl anderer Frühstückstaschen und Körbe, und beschämt uns durch den Anblick ihrer Unversehrtheit.
Jetzt aber, wo sich mit ihr niederlassen, da draussen nichts ist als Staub und Mittagsglut und weisser Glast? Nur in dem Wirtsgarten hart an der Eisenbahn gibt es Schatten. Wir schwanken, ob wir einen der Tische für unser Mitgebrachtes benützen dürfen, doch durch Herumstehende ermutigt, setzen wir uns und packen aus. Und nun zeigt sich die griechische Gastlichkeit in einer neuen Form: weit entfernt, uns an ihre Anwesenheit zu erinnern, eilen Wirt und Kellner immer in breitem Bogen an unserem Tisch vorüber, damit wir uns ja nicht gestört fühlen sollen; es kostet sogar schliesslich einige Mühe, den türkischen Kaffee zu erhalten, der nachträglich unser Eindringen rechtfertigt.
Mittlerweile ist der Mittagszug mit den Orientalisten angekommen. Eine breite Menschenwelle, der wir uns anschliessen, ergiesst sich in den heiligen Bezirk. Vielleicht hat dieser, seitdem die letzten Eleusinien gefeiert wurden, keine solche Anzahl von Besuchern mehr beisammen gesehen. Auch die Einwohner von Eleusis sind alle in die Ruinen hinausgeströmt, darunter schöne kräftige Weiber von zigeunerhaftem Aussehen, in sehr bunte Farben gekleidet, wie man sie sonst kaum in Griechenland zu sehen bekommt, mit fast afrikanisch dunklen Kindern. Die Herren vom deutschen archäologischen Institut geben Erklärungen; um jeden Sprecher bildet sich eine grosse Ansammlung, die mit ihm von Hauptpunkt zu Hauptpunkt eilt; wir indessen, schon von eleusinischer Weisheit durchsättigt, 85 hören zu, wo wir eben beikommen können, um ein wenig zu naschen, und erfahren auf diese Weise, dass wir selber schon auf der richtigen Spur waren. Bekannte tauchen auf, mit denen man eilig ein paar Worte tauscht, und verschwinden wieder im Gewühl. Dann schiebt sich die ganze Menge, und wir mit ihnen, in das kleine Museum, das so viele Menschen gar nicht fassen kann. Da sind schöne Reliefs, die sich auf den Triptolemosmythos beziehen, Statuen der Demeter und Kora, und der prächtige Kopf einer Karyatide. Doch die Luft wird zu eng, wir retten uns ins Freie.
Draussen auf dem Boden der Philon-Halle drängt sich's ganz dicht und schwarz um den Schenktisch. Dem Kyrios gelingt es, ein Glas Bier zu ergattern, was in Griechenland, wo es eigene Brauereien gibt, ein sehr beliebtes Getränk ist; und ich lange mir einen von den köstlichen portokalia, um doch auch die Gastfreundschaft der Stadt Athen zu verkosten. Der Boden bedeckt sich ganz mit Eier- und Orangenschalen, ein unheiliger Anblick in dem heiligen Raum. Alles wartet mit Spannung auf den Tanz. Wir lassen uns bei dem altberühmten tiefen Brunnenhaus neben den »Grossen Propyläen« nieder, um das sich vor Alters der schöne Reigentanz der Eleusinierinnen zu schlingen pflegte, denn wir hoffen, er werde auch heute an der klassischen Stelle stattfinden.
Dort ist indessen unseres Bleibens nicht; ein paar kleine Albanesenkinder haben sich von ihren Müttern losgemacht und geben dem Bedürfnis nach, ihre Köpfchen auf den Schoss der Kyría zu legen, was ich als Ausdruck des Wohlwollens zu schätzen weiss, aber aus 86 besonderen Gründen lieber vermeiden möchte. Wegrücken ist nutzlos, denn sie rücken nach, und da wir nun durch einen Kundigen erfahren, dass die Frauen von Eleusis, um der Neugier der Fremden zu entgehen, ihren Reigentanz den Tag zuvor in aller Stille und Scheue abgehalten haben – ein edler Zug des Volkes, das sein Eigenstes und Innerstes nicht öffentlich zur Schau stellen will –, da kommt uns mit dem Nachlass der Spannung plötzlich zum Bewusstsein, wie lange und inhaltsreich dieser Tag gewesen, und dass es an der Zeit ist, ihn zu beschliessen. Wir nehmen also den nächsten Zug und fahren nach Athen zurück.
Nicht gering ist aber unser Verdruss, als wir nun im Mégas Aléxandros bei Tische vernehmen, dass in Megara der Tanz wirklich stattgefunden hat und dass uns da etwas Bedeutsames und Schönes entgangen ist. Ein altvererbter religiöser Reigen, vielleicht ein Rest der gottesdienstlichen antiken Tänze, ist etwas zu Merkwürdiges, als dass man sich über die Versäumnis so leicht trösten könnte. Aber die Kellner, auf deren Angaben hin wir Megara entsagten, beeilen sich uns zu versichern, dass wir noch gar nichts verloren haben, weil an einem der nächsten Tage die Ostertänze in dem nahen Menidhi aufgeführt werden, die, wie sie sagen, denen von Megara völlig gleich sind.