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VIII.
Arnheim

 

Im Gastzimmer befanden sich etwa ein Dutzend langer, irdener Pfeifen, an denen eben so viel Holländer hingen, an den Ecken ein Paar messingene Büchsen mit glimmenden Torfkohlen. Man sah nichts als Dampf, hörte nichts als nur den Ruf: Jan, een Flammetje (Fidibus). Alle Kellner heißen Jan. Zum Glück wurde dieser Unterhaltung bald ein Ende gemacht und der Tisch gedeckt. Es geht den Holländern wie den Deutschen, nur in verstärktem Maßstabe, sie sind ein Volk, daß wenn nicht raucht, doch ißt, und wenn nicht ißt, doch trinkt. Sie thun nichts weiter. Wer nicht mit einem von den dreien beschäftigt ist, muß krank seyn. Und wie ißt er! Alles kolossal. Der Tisch brach bei Mynheer Holtermann unter der Last der Fleisch- und Fischspeisen. Von einem Beefsteak hätte eine mäßige Familie in Frankreich acht Tage lang leben und noch Gäste dazu bitten können. Das Kalb, das den Braten geliefert, hätte in Deutschland für einen Ochsen gegolten, so sehr sind wir noch in der Kultur zurück. Uebrigens ist hier das Kalbfleisch wirklich vortrefflich in seiner Art und zu empfehlen, wenn man es einmal überwunden hat, es als eine anständige Speise zu statuiren. Frankreich ist das Paradies der Frauen, Holland das der Ochsen und Kühe. Eine Dame, mit der ich fuhr, jammerte bitterlich darüber, daß sie bei Bonn hatte Pflüge von Ochsen ziehen sehen, als ob ihnen dadurch ein Leid und Unrecht geschehen wäre. In Holland führen sie freilich ein freies Leben und eine Kuh lebt von ihren Renten. Alles aus Sympathie, denn der Holländer hat auch wenigstens vier Magen, um gehörig zu verdauen. Zum Nachtisch kommen Beschuitchen, die in blechernen Büchsen verschlossen sind, damit sich niemand daran vergreife, runder Eidamer Käse und vortreffliches Obst. Und dann wieder Pfeifen. Ehe der Kellner ein Wort mit einem spricht, reicht er eine Pfeife hin: es ist der stumme Gruß. Wer sie ablehnt, gehört nicht zum Handwerk und wird scheu angesehen.

Am andern Morgen gings nach Arnheim. Auf einer Fähre setzt man über die Waal, wie sich der Rhein hier schamhaft nennt. Ein Offizier revidirt erst die Pässe, denn man hat jetzt schreckliche Angst vor Revolutionairen, dann aber geht es um so schneller weiter, immer durch gleich einförmige Gegend bis nach Arnheim, das man nach ein Paar Stunden erreicht. Im Wagen saßen wohl acht Holländer, aber wollte Gott, es hätte ein einziger auf der ganzen Tour ein Wort gesprochen. Alles steif und still, wie Herrenhuter, in Gedanken, als ob sie das Wohl des Staates beriethen. Arnheim aber ist eine freundliche Stadt, gebaut, wie alle andern auch. Bäume, Kanäle und Torfgeruch und man hat eine Holländische Stadt. Die Häuser klein, mit zackigen Giebeln, platt geschnittene und geschorene Bäume davor, damit kein Licht hereinkömmt, und alles sauber geputzt. Mädchen standen mit Spritzen vor den Fenstern und trieben das Wasser gegen den obersten Stock, der durch kleine Vordächer von dem untersten getrennt ist, und stiegen dann auf Leitern und putzten mit langen Besen. Ich hatte einen Empfehlungsbrief an einen Notar dort, einen prächtigen Mann, der mich auf's herzlichste empfing. Der Holländer ist kalt, verschlossen gegen Fremde, mehr noch als der Engländer, aber gibt sich noch mehr hin, wenn ihm jemand von guter Freundeshand empfohlen wird. Er glaubt nur Schuldigkeit zu thun, wenn er ihm Zeit und Vermögen opfert und ihm Haus und Alles anbietet. Das ist jetzt der schönste, ehrenwertheste Zug in seinem Karakter. Der Notar gab mir seinen Sohn mit, einen schmucken jungen Menschen, der in seinem Kostüm als Adelborst in der Flotte, mit der kurzen blauen Jacke, den Dolch an der blanken Kette zur Seite, eine recht hübsche Figur machte. Der junge Mann war erst achtzehn Jahre alt, hatte bald seinen Junkerdienst vollendet und hoffte im nächsten Jahre sich nach Ostindien zu begeben. Er war mit Leib und Leben Seemann, der in Holland, wie in England, mehr geachtet ist, als der Landsoldat, wie das überall seyn muß, wo der Reichthum des Landes von der Marine abhängt. Wir besuchten mit einander zuerst die Hauptkirche, die außer einem ebenfalls nicht bedeutenden Denkmale eines Herzogs von Geldern nichts Bemerkenswerthes hatte, dann die prächtigen Besitzungen des Herrn van Heekeren, der uns am Rhein durch seine Vorliebe für die Rennen bekannt ist. Es ist ein großes, umfangreiches Gut, mit einem schönen Schlosse und bedeutenden Anlagen in Englischem Style, die hier um so kostspieliger sind, weil die Natur nichts, die Kunst alles dafür hat thun müssen. Die Erste gab dazu eben nur die Erde und das Wasser. Die Boskets sind mit Geschmack geordnet, ein hoher Thurm bietet die herrlichste Aussicht über eine ungeheure Strecke Landes. Ein schöner Hirschpark stößt an ein reiches Blumenhaus voll seltener Gewächse. Es ist eben Alles beisammen, was man verlangen kann. Und solcher Besitzungen sind mehre um Arnheim herum, wie denn das ganze Geldernland zu den gesegnetsten im Reiche gehört. Es ist die Kornkammer der Niederlande, aber nicht gut zu sprechen auf die übrigen Provinzen, da es schwer anzukämpfen hat gegen die Handelsinteressen, die ihm seine Existenz durch übertriebene Lasten erschweren. Der echte Holländer gilt hier nichts, und es sitzt hier noch immer etwas von Deutscher Reminiscenz, die noch genährt wird durch die ewige Berührung mit dem alten Vaterlande. Bis Arnheim gehen noch Preußische Posten. Erst später hört der Deutsche Klang auf ein guter zu seyn, und der Deutsche muß sich gefallen lassen, ein Muff gescholten zu werden. Man stellt sich, als wenn man mit Geringschätzung auf unsere Sprache blickte und als ob man uns eine Ehre anthäte, uns zu übersetzen, ob man gleich nichts Originelles an die Stelle zu setzen weiß.

Als ich zurückkam von dem Gute, wurde bei dem Notar eben der Kaffee servirt. Früh trinkt man Thee, Mittags versammelt sich Alles beim Kaffee, zu dem Deventer Kuchen gereicht wird. Wer nicht Lust dazu spürt, trinkt ein Glas rothen Genever, der mit schwarzen Johannisbeeren gewürzreich gemacht wird. Ich mußte leider von meinem freundlichen Gastherrn für jetzt schon Abschied nehmen, da ich mit der Diligence weiter nach Utrecht wollte.



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