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IX.
Utrecht

 

Fast unmittelbar hinter Arnheim verläßt man das Ackerland, und man sieht nichts als ungeheure Triften, mit Heerden besetzt und von Graben durchschnitten, hier und da, statt der grünen lebendigen Hecken, die das Limburg so malerisch machen, von glänzend weiß angestrichenen Barrieren abgetheilt. Doch entbehrt die Gegend nicht eines freundlichen Ausdruckes. Man fährt zum Theil längs eines Kanals, der hier und da von Schiffen belebt ist, darneben und weiter in der Ferne erblickt man hübsche Gruppen dichtbelaubter Bäume und von Zeit zu Zeit stößt man auf Dörfer, die wohlhabiger und wohnlicher aussehen, als bei uns; die Häuser mit ihren buntgemalten Fensterladen haben, nach Englischer Sitte, kleine Gärten vor sich, die von Blumen prangen, und alles ist so sauber, daß man sieht, der Eigenthümer hat noch Zeit und Geld, auch etwas für das Aeußere zu thun und es sey an keine Noth zu denken.

Es war noch früh, als wir in Utrecht einfuhren, eine ziemlich große, belebte Stadt, die jedoch nur wenig Karakteristisches hat. Torfgeruch, ein Gracht, und längs der Häuser platt geschorene Bäume, wie eine grüne Wand, als ob die Leute darin sich fürchteten, es möchte ihnen Gottes herrliche Sonne durch die Fenster hineingucken und sie in ihrem Stillleben belauschen. Utrecht zehrt, wie so manche Stadt, von seinem alten Namen, an dem sich so gewaltige Erinnerungen knüpfen. Hier schlossen die Provinzen den Bund, welcher einen Staat in's Leben rief, der aus seinem kleinen Landnetze die riesigen Spinnenarme über alle Meere auszustrecken wagte, hier ward Europa nach langem Kampfe der Friede zurückgegeben, und noch jetzt zeigt man die Feder, mit welcher dieser Vertrag unterzeichnet wurde, hier ward Papst Adrian VI. geboren; aber alle Spuren des ehrwürdigen Alters sind jetzt verwischt.

Das Rathhaus wird eingerissen und durch ein modernes ersetzt, in der ganzen Stadt hat sich nur Ein Gebäude aus früheren Jahrhunderten gehalten, und darin wohnt jetzt ein Hornist, um es mit seinem Instrumente, wie die Mauern Jerichos, je eher je lieber umzublasen; die Kathedrale, das merkwürdigste Gebäude der ganzen Stadt, steht nur von außen noch zum Theil in alter Ehrwürdigkeit da. Sie soll aus dem eilften Jahrhundert stammen, und der Styl widerspricht der Angabe nicht; aber der schlanke Thurm, der früher dazu gehörte – man weiß nicht, auf welche Weise er damit verbunden war – ist jetzt durch einen freien Platz von der Kirche getrennt und steht verlassen, wie ein Ausrufungszeichen, nach einem langen Gedankenstrich, wie ein Monolith, der schmerzlich auf die Vergangenheit zurückblickt, und das Innere des Doms selbst ist verbaut durch Chöre und Bänke, und Gallerien von nacktem, nüchternem Holze. Es ist bequem für die Betenden und gegen den Zugwind gesorgt, aber so eng und unheimlich zwischen den hohen Säulen, die sonst frei hinaufstrebten nach der himmelhohen Decke und das jämmerliche Holzwerk erster Tage zerdrücken zu wollen drohen. Der Protestantismus bedarf eines für seinen strengen Sinn eigens gebauten Hauses, und paßt nicht in die feierlichen alten Gothischen Säulenwölbungen. Vorn im Chore liegt der alte Admiral van Ghent begraben. Das Denkmal, das man ihm gesetzt, ist nicht der Rede werth. An die Kirche stößt ein weiter Hof, hinter dem sich ein gewölbter Gang zieht, der zu einer ehemaligen Abtei führt. In diesen Räumen ist jetzt die Universität, auf die, so wie auf seine wirklich schönen Promenaden, die sich um die ganze Stadt ziehen, jetzt der Utrechter seinen Stolz setzt. Aber in den Gebäuden selbst wird nicht gelesen, da jeder Professor seine Studenten bei sich im eigenen Hause versammelt.

Ein alter, gar lieber Bekannter von Belgien aus, der Professor Birnbaum, den der König wieder für seine Staate gewonnen hat, gab mir interessante Aufschlüsse über das ganze Universitätsleben in den Niederlanden.



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