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Der Hodscha Nass'r Eddin, den sie den türkischen Eulenspiegel nennen, kletterte eines Tages auf die Moschee und machte ein Gesicht, als hätte ihn Allah erleuchtet: also daß die Gläubigen sich sammelten und gespannt zu ihm aufblickten.
»Wisset ihr, was ich euch sagen will?« fragte der Hodscha.
»Nein«, rief es aus der Menge.
»So seid ihr zu bedauern«, sagte der Hodscha, »denn ich werde es euch nicht sagen.« Und er ging von dannen.
Am anderen Tage aber war er wieder da und fragte: »Wisset ihr, was ich euch sagen will?«
»Ja!« rief es aus der Menge, denn die Leute wollten ihm einen zweiten Triumph nicht gönnen.
»So seid ihr glücklich zu preisen«, sagte der Hodscha, »und ich brauche es euch nicht zu sagen«. Und er ging von dannen.
Als er aber am sechsten Tage wiederum seine Frage tat: »Wisset ihr, was ich euch sagen will?« – da waren die Gläubigen denn doch neugierig geworden und wollten seine Botschaft hören. »Einige wissen es, andere wissen es nicht!« rief es aus der Menge.
»Wohlan«, sagte der Hodscha, »so sollen diejenigen, die es wissen, es denen sagen, die es nicht wissen!« Und er ging von dannen und kam nicht wieder.
Ein deutscher Reisender kam um die Mitte des vorigen Jahrhunderts in eine größere türkische Stadt und unternahm mit seinem Gastfreund, einem reichen Kaufmann, einen Spaziergang durch die Straßen, als eben vom Minarett herab der Muëzzin die abendliche Gebetstunde verkündete.
»Ist es nicht wunderbar«, sagte der Deutsche, »wie klar die Stimme dieser Priester klingt und auf wie weite Entfernung sie vernehmlich ist?«
»Ja, es ist wunderbar«, antwortete der Türke stolz, um nach einer Weile hinzuzusetzen:
» Es kostet aber auch Derwische.«
»Dein Charakter ist so weich wie eine Schnecke«, sagte der Sultan Suliman der Zweite verächtlich zu seinem Großvezir.
»Beherrscher aller Gläubigen«, sagte der alte Herr mit einem weisen Lächeln, »meine Zähne, die hart waren, sind mir ausgefallen; aber meine Zunge, die immer weich gewesen ist, habe ich noch gut in Ordnung.«
Im Jahre 1807 schickten die Engländer eine Anzahl von Kriegsschiffen unter dem Kommando des Admirals Duckworth durch die Dardanellen, um so nach dem schon damals üblichen Verfahren ihr Mißfallen darüber auszudrücken, daß die Hohe Pforte sich zu den Gegnern Großbritanniens gesellt hatte. Die englischen Schiffe fuhren dicht unter den Schlünden der martialisch am Ufer aufgebauten türkischen Kanonen entlang, und man war durchaus darauf gefaßt, daß es zu artilleristischen Auseinandersetzungen kommen würde. Die türkischen Geschütze indessen beschränkten sich darauf, lustlos ein paar Steinkugeln ins Wasser zu spucken, worauf sie platzten und (sofern man das von Kanonen sagen kann) ihren Geist aufgaben.
Ein türkischer Kanonier, der bei dieser Gelegenheit ins Wasser gefallen und von den Engländern aufgefischt worden war, wurde nach der Ursache dieser militärischen Enthaltsamkeit gefragt:
»Allah«, sagte der Türke gelassen, »ist allmächtig. Wenn es, o Ihr Ungläubigen, Sein Wille war, daß unsere Kugeln Euch trafen, so hätten sie Euch getroffen; und wenn es nicht Sein Wille war, so hätten wir nichts dawider vermocht. Wenn Er es befahl, so wären die Kugeln in der Luft umgekehrt und auf die Häupter der Schützen gefallen. Wozu also, o Ihr Ungläubigen, hätten wir zielen sollen?«
Als der große Hexenmeister Bartolommeo Bosco, dessen Name für alle Zeiten mit der hohen Kunst des taschenspielerischen Blendwerks verknüpft ist, in die Türkei kam, führte er Mahmud dem Zweiten, dem Beherrscher aller Gläubigen, ein artiges Kunststück vor: Er nahm zwei Tauben, eine graue und eine weiße, schnitt ihnen die Köpfe ab und setzte sie vertauscht auf die blutenden Hälse; worauf die beiden sanften Vögel, der weiße mit dem grauen und der graue mit dem weißen Kopf flügelrauschend durch den Thronsaal flogen und munter die Körner pickten, die Bosco dem Großwesir mit leichter Hand aus dem Bart zog.
»Hoho!« lachte der Großherr. »Bei Allah, das gefällt mir! Damit wollen wir's im großen treiben!« Er klatschte in die Hände und rief ein paar kurze Befehle. Und rasch, als hätte Bosco sie hingezaubert, standen zwei Sklaven da, ein kohlschwarzer Mohr und ein weißer Zirkassier, und hinter ihnen ragte ein Soldat von der Palastwache auf, das nackte Schwert in der Hand.
»Ich lasse ihnen die Köpfe herunterschlagen!« brüllte der Sultan, und die Lachtränen schossen ihm aus den Augen. »Und du, o Franke, vertauschst sie! Meinem ganzen Hofstaat lasse ich die Köpfe vertauschen! Beim Barte des Propheten, das gibt einen Spaß!«
Der Hexenmeister kam ins Schwitzen, aber er wußte selber nicht, ob ihm heiß oder kalt war. »Erhabener Herrscher!« sagte er mit leichtem Stottern. »Mein Zauberstab ist nur für Tauben eingerichtet. Vergönnt mir drei Tage Zeit, daß ich ihn in der Einsamkeit mit magischen Beschwörungen für das Verhexen von Menschen weihe! Dann wird Euer hoher Wille geschehen.«
Der Padischah, obzwar stirnrunzelnd, nickte Gewährung; und man wird sich nicht wundern, zu vernehmen, daß Bosco sich sogleich völlig, spurlos und endgültig aus der Türkei hinwegzauberte, als wäre er nie dagewesen.
Achmed Pascha, Dei von Algier, offenbar ein Mann, der es sich leisten konnte, auf jede diplomatische Sordine zu verzichten, sagte in einer Audienz zum englischen Gesandten:
»Dein Benehmen gefällt mir nicht. Wenn du dich nicht anders benimmst, lasse ich dich auf dem Schindanger lebendig mit Hundekot verbrennen.«
Als zur Regierungszeit Wilhelms des Ersten der Schah von Persien seinen Besuch in Berlin machte, wurden ihm die Mitglieder des preußischen Staatsministeriums feierlich vorgestellt, und zwar bediente man sich dabei, da der Schah kein Deutsch verstand, der französischen Sprache. Da kam denn auch die Reihe an »M. le ministre de la justice«.
»Justice –?« fragte der Schah befremdet. »Justice –?« Dann aber ging ein Leuchten innigen Verständnisses über sein bronzenes Antlitz. »Ah, je comprends – justice!« Und er beschrieb mit dem Zeigefinger der Rechten um seine Gurgel jenen bedeutungsvollen Halbkreis, mit dem man in der internationalen Gebärdensprache den juristischen Vorgang des Hängens zu bezeichnen pflegt.
Bis in die tiefste Wüste war der europamüde Reisende vorgedrungen – in eine Gegend, die vor ihm höchstens Karl May betreten hatte (und wahrscheinlich nicht einmal der). Beglückt saß er im Zeltlager eines Beduinenstammes, der die Zivilisation nicht einmal als Vokabel kannte, und bewunderte die edlen Kamele des Scheichs.
»Welch ein herrliches Tier!« rief er aus, als das Reitkamel des Scheichs, eine wundervolle Stute, vorgeführt wurde. »Wie heißt sie?«
»Ich gab ihr, o Franke, den einzigen Namen, der ihrer würdig ist«, versetzte der Scheich. »Sie heißt Greta Garbo!«
In Persien gab es (vielleicht darf man sagen: gibt es) viele Leute, die sich im Liebesfalle klarer und sozusagen gegenständlicher als durch Briefe durch die Übersendung sogenannter Naturalien auszudrücken vermochten. Und da hat dann jeder dieser Gegenstände eine überlieferte und ungemein poetische Bedeutung. Hier eine kleine Liste, gegebenenfalls zur gefälligen Benutzung:
Wenn ein liebender Jüngling der Geliebten etwas mitteilen wollte, so bedeutete: ein Stück Mastix: »Schönste, ich liebe dich«; ein Stück Aloë: »Einziges Labsal meiner Seele«; ein Seidenfaden: »Du bist meine Herzenskönigin«; etwas Mehl: »Du kränkest mich«; ein Haar: »Was tat ich dir?«; etwas Tabak: »Rechne auf meine Beständigkeit«; eine rote Rübe: »Grausame, deine Sprödigkeit tötet mich«; eine Korallenschnur: »All meine Habe ist dein«; eine Nelke: »Auf ewig dein«; etwas Salz: »Laß uns beisammen sein Tag und Nacht«.
Den persischen Damen standen ebenso viele sinnbildliche Gegenstände zur Verfügung. Bei ihnen bedeutete: eine Birne: »Du darfst hoffen«; eine Feder: »Sei getrost, du wirst erhört«; etwas Erde: »Gib erst einmal deine bisherige Liebschaft auf«; etwas Flachs: »Bist du mir böse?«; eine Bohne: »Die Sorge um dich raubt mir den Schlaf«; ein Goldfaden: »Warum sehe ich dich nicht?«; eine Gurke: »Meine Nebenbuhlerin bringt mich zur Verzweiflung«; eine Olive: »Lieber wollte ich dich tot als ungetreu sehen«; eine Zwiebel (!): »Komm in meine Arme, daß ich dich fest umschließe«; eine Feige: »Tu mit mir, was dir beliebt«.
Gegenstände zur Ablehnung eines Liebeswunsches wird der Leser auf dieser Liste vermissen. Dergleichen kommt in Persien offenbar nicht vor.