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Drittes Kapitel

Von der Versuchung des Treibers und wie Gil Blas vom Regen in die Traufe kam.

 

Ich reiste mit dem Maultiertreiber nicht allein, mit mir fuhren zwei Kinder aus Pegnaflor, ein kleiner Kantor aus Mondognedo, der das Land durchzog, und ein junger Bürger aus Astorga, der mit einer jungen Frau, die er soeben in Verco geheiratet hatte, nach Hause wollte. Wir knüpften gar bald Bekanntschaft an; ein jeder sagte, woher er kam, und wohin er ging. Die Neuvermählte war trotz ihrer Jugend so schwarz und so wenig reizvoll, daß ich kein Vergnügen an ihrem Anblick fand; aber dem Treiber stachen ihre Jugend und ihre Körperfülle so sehr in die Augen, daß er beschloß, den Versuch zu wagen und ihre Gunst zu gewinnen. Den ganzen Tag lang brütete er über seinem Plan, und verschob die Ausführung auf die letzte Nacht. Es war in Cacabelos. Er ließ uns gleich im ersten Gasthof absteigen. Das Haus lag mehr in den Feldern als im Ort, und er kannte den Wirt als einen verschwiegnen und gefälligen Menschen. Er sorgte, daß man uns in ein abgelegenes Zimmer führte und ließ uns dort in Ruhe das Nachtmahl nehmen; aber gegen den Schluß der Mahlzeit sahen wir ihn mit wütenden Gesten eindringen. Hölle und Teufel! schrie er, man hat mich bestohlen. Ich hatte in einem ledernen Beutel hundert Pistolen; die muß ich wiederfinden. Ich geh zum Richter im Ort, der versteht keinen Spaß; ihr sollt mir sämtlich auf die Folter, bis ihr den Raub gesteht und mir mein Geld zurückgebt. Er sagte das in sehr natürlichem Ton; dann ging er hinaus und wir blieben in höchstem Staunen zurück.

Es kam uns nicht in den Sinn, daß dies eine Finte sein könnte, denn wir kannten uns nicht genau genug, um für einander Gewähr zu leisten. Ich hatte sogar den kleinen Kantor geradezu in Verdacht, er habe den Streich vollführt; und vielleicht dachte er nichts andres von mir. Im übrigen waren wir sämtlich junge Dummköpfe. Wir wußten nicht, welche Formalitäten in solchem Fall beobachtet werden, und wir glaubten allen Ernstes, man werde uns zunächst auf die Folter spannen. So folgten wir dem Impuls des Schreckens und schlüpften schleunigst zum Zimmer hinaus: die einen auf die Straße, die andern in den Garten; ein jeder suchte sein Heil in der Flucht; und der junge Bürger, den der Gedanke an die Folter nicht minder ängstigte als uns, brachte sich in Sicherheit, ohne sich um seine Frau zu kümmern. Der Treiber aber schlich sich, wie ich später erfuhr, entzückt, daß seine Kriegslist die erwartete Wirkung hatte, zu der jungen Person, um ihr den schlauen Einfall zu rühmen und die Gelegenheit zu benutzen; diese asturische Lukretia jedoch leistete, da ihr die verdächtige Miene des Versuchers neue Kraft einflößte, kräftigen Widerstand und erhob ein lautes Geschrei. Die Patrouille, die gerade in der Nähe des Gasthofs, der ihr als ihrer ganzen Aufmerksamkeit wert bekannt war, vorbeikam, drang ein und fragte nach dem Grund des Lärms. Der Wirt, der in der Küche sang und tat, als höre er nichts, mußte den Kommandanten und seine Häscher in das Zimmer der Schreienden führen. Sie kamen gerade zur Zeit: die Asturierin war am Ende ihrer Kräfte.

Unterdessen eilte ich, vielleicht noch mehr erschreckt als alle andern, ins freie Land hinaus; ich lief quer über ich weiß nicht wieviel Felder und Heidestrecken, sprang über alle Gräben, auf die ich traf, und kam zuletzt zu einem Wald. Ich wollte mich gerade hineinstürzen, um mich im dunkelsten Dickicht zu verbergen, als plötzlich zwei Reiter vor mir auftauchten. Wer da! riefen sie, und da ich vor Schreck nicht gleich antworten konnte, so ritten sie auf mich zu. Sie hielten mir jeder eine Pistole vor die Kehle und forderten mich auf, ihnen zu sagen, wer ich sei, woher ich komme und was ich in diesem Walde wolle; vor allem solle ich ihnen nichts verhehlen. Auf dies Verhör, das mir die Folter, die der Treiber uns hatte bescheren wollen, reichlich aufzuwiegen schien, gab ich die Auskunft, ich sei ein junger Mann aus Oviedo und reise nach Salamanca; ich erzählte ihnen sogar, welchen Schrecken man uns eben eingejagt, und gestand, daß mich die Angst vor der Folter zur Flucht getrieben hatte. Sie lachten über dies Zeugnis meiner Einfalt auf, und der eine sagte: Beruhige dich, mein Freund; komm mit und fürchte nichts, wir werden dich in Sicherheit bringen. Ich mußte hinter ihm aufs Pferd steigen, und wir ritten in den Wald hinein.

Ich wußte nicht, was ich von dieser Begegnung halten sollte, aber ich vermutete mir nichts Böses. Ich blieb nicht lange im ungewissen. Nach einigen Umwegen, die wir in absolutem Schweigen durchritten, kamen wir am Fuß eines Hügels an und saßen ab. Hier wohnen wir, sagte einer der Reiter. Ich blickte mich überall um, aber ich sah weder Haus noch Hütte, nicht die geringste Spur einer Wohnung. Währenddem hoben die beiden Männer eine große, mit Buschwerk belegte hölzerne Falltür, die den Eingang zu einem langen, abwärtsgeneigten, unterirdischen Gang verkleidete. Die Pferde liefen, als seien sie daran gewöhnt, sofort hinein; ich mußte den Reitern vorangehn. Dann zogen sie die Falltür mit Stricken, die eigens zu diesem Zweck an ihr angebracht waren, wieder vor, und der edle Neffe meines Onkels Perez war wie eine Ratte in der Falle gefangen.


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