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Nichts ist wahr und Alles ist erlaubt. | ||
Das fürchterliche Wort der Assassinen; Mir graust, erwäge ich das »Resultat«. Doch muß ich lachen, denk ich an die Mienen Der Guten mit dem »Tugend«-Apparat. Herr oder Knecht, befehlen oder dienen, Willst du Lakai sein, tanzst du gleich am Draht, Sie füttern dich mit alten Apfelsinen, Und du verkommst in deinem Bettelstaat. |
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Leblose Dinge. |
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Geh ich zur Ruh, und ist mein Tag vollbracht, Seh ich noch einmal mich im Zimmer um: Die Erde schweigt und todstill ist die Nacht. Wer sagt mir dann Schlafwohl noch, heimlich, stumm? Mein Schreibtisch, meine Bilder, Alles wacht, Und Alles grüßt mit Linien grad und krumm. Habt ihr belauscht, was ich getan, gedacht? Das wär mir eigentlich kein Gaudium. |
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Ich las auf einer Sonnenuhr: Horas non numero nisi serenas. |
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Na ja'chen, schön, das laß ich mir gefallen, Daß einer ausstreicht unsre ewigen Wunden. Herrgott, das Leben zeigt doch stets die Krallen, Von Rosen sind wir selten nur umwunden. Doch las ich es mit großem Wohlgefallen, Der zeigte Mut, der diesen Spruch gefunden. Nun einerlei, es klingt wie Nachtigallen: »Ich zähle immer nur die heitern Stunden«. |
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Die bleiche Blume. |
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In einem schmutzigen, sumpfigen Graben fand Ich eine bleiche Nachtlichtnelke stehn. Sie bog ihr Haupt wie ekelübermannt, Als müsse sie vor tiefer Schmach vergehn. Einst hab ich unter ferner Sonne Brand Solch bleiche Mädchenblumenstirn gesehn: Sie bog ihr Haupt und hielt es abgewandt; Es warb um sie ein Dickwanst aus Athen. |
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Herrschsucht und Eitelkeit. |
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Der Herrschsucht hält die Eitelkeit die Schleppe, Nein, das ist ungenau. Ein ander Bild: Die Eitelkeit steht unten an der Treppe, Und oben zeigt die Herrschsucht Schwert und Schild. Die Eitelkeit trägt gar die Trauerschneppe, Wenn ihr die Herrschsucht sagt: ich bins gewillt. Kurzum, sie schneidet Flappe oder Fleppe, Bis sie der Herrschsucht Mütchen hat gestillt. |
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Kindergeplapper beim Erwachen. |
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Welch süß Geplapper Morgens in den Betten. »Wollt ihr wohl ruhig sein, sonst kommt die Rute.« Ja, was hilft das! Sie zwitschern in Duetten Und werfen ihre Kissen nach der Knute. »Das ist zu toll, wie soll ich mich denn retten?« Halloh und Lärm, Getümmel und Getute Weh mir, jetzt hängt mir gar am Hals wie Kletten Die liebe Last der kleinen Tunichtgute. |
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Kalter Frühlingsabend. |
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Kein Vogelruf, verlassen liegt das Feld. Fern grenzt der Wald: Das ist das Große Schweigen Und hinter ihm, als letzte Spur der Welt, Will langsam eine fahle Wolke steigen. Käm doch ein Huf, klippklapp, umstaubt, umbellt, Wär nur ein wenig Grün erst in den Zweigen, Hätt sich der drollige Starmatz eingestellt, Wann werden sich die lieben Primeln zeigen! |
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An die Musik. |
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Fern eine Drehorgel: Sie stimmt mich weich. Erinnrung kommt. Was ist das ganze Leben? Ein Schattenspiel? Ein Traum? Ein Narrenstreich? Da steht der Tod, wir müssen uns ergeben. Die neunte Symphonie: Das Himmelreich. Horch auf, mein Herz: es schweigen Streit und Streben. Es hebt, es reißt dich hoch, dem Phönix gleich, Bald wirst du nicht mehr an der Erde kleben. |
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Wechselnder Beruf. |
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Weit in der Ebne blinkende Trompeten, Husaren und Fanfaren, Sonnenlichter. Mir fällt die Schlacht ein, Trommeln und Drommeten, O Manneszeit, der Tod als Leichenschichter, Die Dörfer loderten, die Fahnen wehten. Statt dessen steckt der »nürnberger Trichter« Mir jetzt im Schädel; Pest euch Musageten! Gräßlich! Ich bin ein teutscher Verschetichter. |
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Regentag im Sommer. |
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Endlich der Schluß des ewigen Sonnenbrandes, Der Regen wird den ganzen Tag regieren. Bravo! Kaum wird ein Streifen des Gewandes Der Menschen heut den Pflasterstein passieren. Ich bin allein, Gottlob! es wird niemandes Geschwätz mein Zimmer grausam profanieren. Ein Sprichwort sagt, ich weiß nicht welchen Landes: Im Regen geht der Pöbel nicht spazieren. |
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Roy ne puis, duc ne daigne, Rohan suis. |
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Der Rohans stolzes, steinumtürmtes Wort, Wie einer Sonnenblume Mittagspracht. Herrn Meiers und Herrn Müllers Lebenssport Hälts minder nicht, wie jeder Mensch, in Pacht. Ein Rohan hat, als ihm der Saft verdorrt, Am Sarg noch dies sein Motto angebracht; Herrn Meiers und Herrn Müllers Ehrenhort Versinkt, nu äben, seicht und sacht in Nacht. |
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Die Wiese. 1. |
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Dreihundert Schritt vor mir liegt eine Wiese Im grellsten Sommersonnenmittagschein Wie tiefste Einsamkeit im Paradiese. Von Knicks gefaßt, ein grüner Edelstein. Ein einziger Baum steht mittendrin, ein Riese, Und bohrt ein Schattenloch ins Feld hinein. Dort, wollt ich, säß ich mit der braunen Lise Und, ich muß dringend bitten, ganz allein. |
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2. | ||
Ich trat auf meine Wiese diese Nacht, Im blanken Vollmondschein tanzt da Undine. Nirgends ein Teichlein. Bin ich überwacht? Ich kam von einer Ananasterrine. Wer tanzt denn weiter in der Silberpracht? Es tanzen Melusine und Zerline, Und alle Elfen tanzen, glutentfacht, Und eine tanzt, weiß Gott, die Serpentine. |
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3. | ||
Der Wiese naht sich seltsamer Besuch: Ein Sarg, beblitzt von einer goldnen Krone, Bedeckt mit Kränzen und Standartentuch. Ein Paukenschläger, Trauerbataillone, Choral, gedämpfte Trommeln, Leichenspruch, Die Kammerherren, Pagen, Reichsbarone, Der fernen Glocken tränenschreiender Fluch – All Leid vorbei und alle Erdenfrone. |
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Indische Weisheit. |
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Die abgedankte Weisheit der Brahminen, Nein, nein, die dankenswerte, sollt ich meinen. Denn keine beßre ist mir je erschienen Und wird mir bis zum Tode nicht erscheinen. Wie anders lauten unsere Doktrinen, Mit denen man uns plagt seit Kindesbeinen. Wer hat nun recht? Wer wird die Welt verdienen? Kopf hoch! Und laß die Krokodile weinen. |
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Der Ruhm. |
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Was ist der Ruhm? Seht euch mal auf der Weide Das Vogelschießen an: Dort, wie bekannt, Verliert der Adler stückweis sein Geschmeide Und dient als Scheibe jeder Zielerhand. Was ist der Ruhm? Der Neugier und dem Neide Ein immer ausgestellter Gegenstand. Ich bitt euch, kommt in meine leere Haide, Von keinem angeglotzt und angerannt. |
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Die tägliche Schlacht auf Erden. |
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Ist jeder Tag nicht eine mörderische Schlacht Für alle, jeden Standes, jeder Bildungsstufe? Belügst, betrügst du nicht von früh bis in die Nacht, Zermalmen dich sofort, mein Lämmlein, Rad und Hufe. Nun also weißt du, wie mans unter Menschen macht, Drum kehr dich nicht an »Tugend« und Entrüstungsrufe, Sonst wirst du noch am Ende weidlich ausgelacht Und weggeschleift ins Grab auf einer Schinderkufe. |
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Die vier weißen Schornsteine. |
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Vier weiße Schornsteine, gleichweit getrennt, Auf einem Dach, drunter vier Kätnerpaare, Dem jedem dort ein eignes Feuer brennt. Ich sehs vom Fenster aus seit manchem Jahre, Hier weht die Friedensfahne permanent: Familienglück, vier Gärtchen, Storch und Staare. Nur einmal log das Sabbathsparlament: Die acht Großmütter lagen sich im Haare. |
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Die beiden jungen, neben einander stehenden Platanen. |
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Drei Meter hoch erst, stehn sie keck und grade, Und freuen sich des heißen Sonnenlichts. Sie stehn so stuhr, als stünden sie Parade Im Schraubstock eines Generalsgesichts. Neulich, in einem blauen Mondscheinbade, Standen sie wie zwei Wächter des Gerichts. Welchen Gerichtes? Eines ohne Gnade? Vielleicht des Reichsgerichtes aus dem Nichts. |
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Eine in der Ferne im brennendsten Sommermittag- sonnenlichte flimmernde, glitzernde, funkelnde, blendend weiße Villenkolonie. |
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Ich habe meinen Standort an der Mühle; Es strahlt, blau wie die Röcke der Dragoner, Der Himmel durch die erste Morgenkühle. Bis sich der Sonnengott, der Nachtentthroner, Großpratschig räkelt auf dem Mittagspfühle. Fern gleißt ein Villendorf, das die Bewohner In ihren Schatten sog, nach dem Gewühle Der dumpfen Stadt ein köstlicher Belohner. |
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Heimliche Liebe. |
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Was muß ich sehn, fern von der großen Stadt, Wo ich am frühen Morgen schon spaziere, Noch rührt sich kaum im Knick ein Haselblatt: Wer kommt denn da? Wer stört mir die Reviere? Wahrhaftig, Er und Sie, und nur ein Rad! Kam Er, kam Sie »per« Rad? Nun, ich pariere, Sie wars, und Er kam mit der Bahn anstatt; Hier trafen sich die näschigen Schnabeltiere. |
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Der Baum im Weltall. |
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Heut hatt ich einen ganz kuriosen Traum: Es wuchs, ähnlich wie Jakobs Himmelsleiter, Aus meiner Brust ein Baum, der Freiheitsbaum, Der immer länger wurde, runder, breiter, Bis ihm aus einem schmalen Wolkensaum Der liebe Gott zurief: Halt! Nun nicht weiter! Sonst sprengst du mir noch meinen Sternenraum; Ein Blitz, und unten liegen deine Scheiter. |
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Aus der großen Hammelherde der Sanften Heinriche. |
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Ich kenne einige berühmte Dichter, Sie sind die Charme der Musenprofessoren, Sie setzen Schatten auf, so fein wie Lichter, Und ich auch schätze sie als Donatoren. Allein, sie haben ewig Schafsgesichter Und treten niemals aus den Anstandstoren. So seid doch endlich einmal »Bösewichter«! Langweilige Engel, macht euch mal zu Mohren. |
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Der Hohenfriedeberger. |
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Die Instrumente her! Daß ihr euch sputet, Wenn einst der Tod macht in mein Buch den Klecks, Den großen Klecks, der Alles überflutet. Den Schlachtentrumpfer blast, und nicht perplex! Den Hohenfriedeberger trommelt, tutet, Mit seinen Pauken sei mein Leben ex! Und komm ich oben an so unvermutet, Aufbrüll ich: Vivat Fridericus Rex! |
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Die Haubenlerche. |
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Liebst, Tierchen, du, gleich mir, die Einsamkeit? Ich find dich immer nur auf stillen Stegen. Scheint dir die Welt, gleich mir, voll Not und Neid? Verzeih mir, solche Vorstellung zu hegen. Glaubst du, gleich mir, an ewigen Haß und Streit? Nun denn, was ist uns beiden dran gelegen, Die Menschheit, denk ich, ist so lang wie breit, Wir bleiben, Vögelchen, auf unsern Wegen. |
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Der wunderschöne Junitag. An A. Borgeest. 9. 6. 03 |
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Du wunder – wundervoller Sommertag! Cyanenblauer Himmel wirkt durchsichtig Durch einen wipfelschwanken Buchenschlag, Die Sonne nimmt ihr hohes Amt nicht wichtig. Heut soll sich freuen, wer sich freuen mag, Ich lad euch ein, die Stunde ist grad richtig: Wir setzen uns gemeinsam zum Gelag, Und alle Sorgen seien null und nichtig. |
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Mein täglicher Spaziergang. |
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Nur ein paar Birken, Einsamkeit und Leere, Ein Sumpf, geheimnisvoll, ein Fleckchen Haide, Der Kiebitz gibt mir im April die Ehre, Im Winter Raben, Rauch und Reifgeschmeide, Und niemals Menschen, keine Grande Misère, Nichts, nichts von unserm ewigen Seelenleide. Ich bin allein. Was einzig ich begehre? Grast ihr für euch, und mir laßt meine Weide. |
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Du sollst Wolfszähne haben. |
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Doch warum immer klagen? Hoch die Welt! Zieh nur dein blankes Schwert: Nun kommt heran! Zuvörderst statt dich aus mit vielem Geld, Sonst häng sofort dich auf, du Lumpenmann. Dann aber breitbeinig ins Feld gestellt: Ihr Wölfe, zögert nicht, und packt mich an: Ich bin ein Wolf gleich euch, der beißt und bellt, Wir wollen sehn, wer besser beißen kann. |
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Geld! |
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Der Hungertod im Schnee auf Haiden ist Ein lustig Schwelgerfest in Hochgenüssen, Viel klaftertief im Sarg erwachen ist Ein fröhlich Augenauf zu Glücksergüssen, Der ewigen Verdammnis Schrecken ist Ein Rosengarten unter Frühlingsküssen, Denk ich der Schmach, wie grauenhaft es ist, Täglich mit Pfennigsorgen kämpfen müssen. |
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Aus der Steinzeit. |
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Als jüngst mein Spaten in die Erde drang, Im Felde wollte ich Kartoffeln setzen, Ergrub ich einen Hammer, armeslang, An dem gewiß dreitausend Jahre wetzen. Wem der entgegensprang, dem wurde bang; Wer einst ihn schwang, der schlug den Feind in Fetzen. Nun dient er Sylvien –– nicht als Behang, Ihr Stiefelchen weiß ihn als Knecht zu schätzen. |