Martin Luther
Predigten durch ein Jahr
Martin Luther

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Am 24. Sonntag nach Trinitatis

Markus 5,21-43

Und da Jesus wieder herüber fuhr im Schiff, versammelte sich viel Volks zu ihm, und war an dem Meer. Und siehe, da kam der Obersten einer von der Schule, mit Namen Jairus. Und da er ihn sahe, fiel er ihm zu Füßen, und bat ihn sehr und sprach: meine Tochter ist in den letzten Zügen; du wollest kommen und deine Hand auf sie legen, daß sie gesund werde und lebe. Und er ging hin mit ihm; und es folgte ihm viel Volks nach, und sie drängten ihn. Und da war ein Weib, das hatte den Blutgang 12 Jahr gehabt, und viel erlitten von vielen Ärzten und hatte alle ihr Gut darüber verzehrt, und half sie nichts, sondern viel eher ward es ärger mit ihr. Da die von Jesu hörte kam sie im Volk von hinten zu und rührete sein Kleid an. Denn sie sprach: Wenn ich nur sein Kleid möchte anrühren, so würde ich gesund. Und alsbald vertrocknete der Brunn ihres Bluts; und sie fühlte es am Leibe, daß sie von ihrer Plage war gesund worden. Und Jesus fühlete alsbald an ihm selbst die Kraft, die von ihm ausgegangen war, und wandte sich um zum Volk und sprach: Wer hat meine Kleider angerühret? Und die Jünger sprachen zu ihm: Du siehst, daß dich das Volk dränget, und sprichst: Wer hat mich angerühret? Und er sah sich um nach der, die das getan hatte. Das Weib aber fürchtete sich und zitterte (denn sie wußte, was an ihr geschehen war), kam und fiel vor ihm nieder und sagte ihm die ganze Wahrheit. Er sprach aber zu ihr: Meine Tochter, dein Glaube hat dich gesund gemacht; gehe hin mit Frieden und sei gesund von deine Plage. Da er noch also redete, kamen etliche vom Gesinde des Obersten der Schule und sprachen: Deine Tochter ist gestorben, und was mühest du weiter den Meister? Jesus aber hörete bald die Rede, die da gesagt ward, und sprach zu dem Obersten der Schule: Früchte dich nicht, Glaube nur. Und ließ niemand ihm nachfolgen, denn Petrus und Jakobus und Johannes, den Bruder Jacobi. Und er kam in das Haus des Obersten der Schule und sahe das Getümmel und die da sehr weineten und heuleten. Und er ging hinein und sprach zu ihnen: Was tummelt und weinet ihr? Das Kind ist nicht gestorben, sondern es schläft. Und sie verlachten ihn. Und er trieb sie alle aus und nahm mit sich den Vater des Kindes und die Mutter und die bei ihm waren, und ging hinein, da das Kind lag. Und ergriff das Kind bei der Hand und sprach zur ihr: Talitha kumi, das ist verdolmetscht, Mägdelein, ich sage dir, stehe auf. Und alsbald stand das Mägdelein auf und wandelte; es war aber 12 Jahre alt. Und sie entsetzten sich über die Maße. Und er verbot ihnen hart, daß es niemand wissen sollte, und sagte, sie sollten ihr zu Essen geben.

Im heutigen Evangelium hören wir von zwei Wunderwerken, die beide groß und trefflich sind. Das erste, von dem kranken Weiblein, daß so einen festen Glauben an den Herrn Jesu hat, daß sie hofft, wenn sie nur sein Kleid heimlich, ohne sein Wissen, anrühren möchte, sie wollte sobald gesund werden. Das andere, vom Obersten der Schule, der auch Glaube, obwohl seine Tochter gestorben ist, so könne doch der Herr ihr das Leben wieder geben. Das also in beiden Wunderwerken der Glaube trefflich gepriesen wird; uns zum Beispiel, weil der Glaube an Christum so große Dinge ausgerichtet, daß wir dadurch uns reizen lassen, und auch gern zu diesem Mann uns finden, zu welchen niemand je sich etwas Gutes versehen hat, daß ihm nicht gewiß widerfahren wäre, wie er geglaubt hat.

Die erste Geschichte ist von dem armen Weiblein, welches eine gefährliche, schwerer Krankheit hatte. Da sagt Markus besonders von, sie habe alt ihr Gut unter den Ärzten verzehret; denn sie habe diese Plage 12 ganze Jahr gehabt, und sei mit ihr von Tag zu Tag ärger geworden; daß es ein Wunder ist, daß sie es so lang hat können aushalten; und wird ihr doch so leicht vom Herrn geholfen: daß sie nicht mehr tut, denn, wie sie gehört hat, daß etliche gesund geworden sind, die nur sein Kleid an gerührt haben, denkt sie, sie werde auch so gesund werden; drängt deswegen unter dem Volk zum Herrn, darf ihn nicht darum bitten, sondern vor großer Demut gedenkt sie, sie wolle es ihm heimlich stehlen, und rührt sein Kleid an. Alsbald, wie sie geglaubt hatte, ward ihre Sache besser, und die Krankheit ließ nach, mit der sie zuvor so viel Mühe gehabt hat, aber umsonst und vergebens, ja, auch mit ihrem großen Schaden. Denn, wie Markus sagt, ist’s mit ihr je länger je ärger geworden.

Hier ist besonders zu merken, daß der Herr solche Hilfe sich nicht will stehlen lassen, daß es niemand erfahren soll; sondern fragt, wer ihn angerührt hat? Die Apostel denken dieses sei eine närrische Frage, daß er so genau fragt, wer ihn angerührt hätte, weil das Volk sich so um ihn her drängte. Aber der Herr wußte, was ihnen verborgen war. Denn es war nicht ein schlechtes anrühren mit den Händen; sie rührete ihn mit dem Herzen und festem Vertrauen auf seine Gnade und Allmächtigkeit an. Darum auch eine besondere Kraft von den Herrn Jesu ausgegangen war, die er fühlte. Solch ein anrühren will der Herr nicht heimlich geschehen lassen; und zum Beispiel. Treibt also das Weib mit seinem Fragen, daß sie hervor muß, und muß sich sehen lassen, und alles, was sich mit ihr zugetragen, öffentlich vor jedermann bekennen; auf das er Ursache habe solchen Glauben zu rühmen, und uns alle lehre, daß es ihm ein lieber Dienst für uns sei, wo wir uns seine Hilfe trösten und Gutes bei ihm suchen; rühmt deswegen das Weiblein sehr hoch, und redet sie herzlich an: «sei getrost, meine Tochter, dein Glaube hat dir geholfen.» Da müssen die Jünger selbst bekennen, der Herr hat nicht vergebens gefragt; es sei nicht ein schlechtes Anrühren, sondern etwas besonderes, da den Herrn und uns allen an gelegen sei.

Es ist aber eine wunderliche Rede, die der Herr hier tut, wenn wir es nur recht bedenken wollten. Er bekennt, es sei eine Kraft von ihm ausgegangen. Wie nun das Weiblein da vor dem Herrn steht, und bekennt die Wohltat, die er ihr erzeigt hat, läßt sich der Herr nicht merken, daß solche Kraft von ihm ausgegangen sei; sondern schreibt es dem Glauben dieser Frau zu, so doch nicht sie selbst, sondern der Herr ihr geholfen hatte. Solches tut der Herr darum, uns damit anzuzeigen, was für eine große Lust er daran habe, wenn du alles Gute und Hilfe bei ihm suchst. Als wollte er sagen: sehet zu und lernet nur getrost glauben, es sei die Not gleich groß wie sie ist; denn ich will euch viel lieber helfen, denn ihr es erhoffen könnt. Ich will viel lieber vom Tod erlösen, denn ihr das Leben habt. Wie er es hier mit dem Werk beweiset, da es so leicht zugeht, und er die Kraft so gern von sich gehen läßt.

Darum sollten wir an solchem Beispiel lernen, daß wir auch glaubten, und uns alles Gute von Christo erhofften in allerlei unserer Not und Anliegen. Aber was geschieht? Wie hören solches in der Predigt, man sagt es uns im Haus, wir greifen seine Wunder, die er noch täglich tut; dennoch will es mit dem Glauben nicht besser werden. Wer Kasten und Keller von hat, der glaubt, wie schwer er für das nächste Jahr mit Essen und Trinken haben werde. Wer gesund ist, der glaubt, daß ihm Gott helfen könne. Wenn wir aber in Armut und Krankheit kommen, dann ist der Glaube aus. Mehr tun wir nicht, denn daß wir klagen und schreien, und denken, es sei nirgends eine Hilfe mehr, ob wir wohl alle Tage hören, Gott wolle durch Christum uns gnädig sein und gern helfen.

Wie treibt sich aber solches mit diesem Weiblein hier? Daß vielleicht nur ein oder zweimal von dem Herrn Christo und seinen Wundern gehört hat, und fällt ihn doch mit einem solchen starken Glauben an, daß, selbst wenn der Herr Christus oben im Himmel gesessen, hätte sie mit solchem Glauben den Himmel zerrissen und ihn herunter gebracht, daß er ihr hätte helfen müssen. Denn wie gesagt, er kann die Hilfe nicht abschlagen, wo man sie mit Ernst rechtem Glauben bei ihm sucht.

Darum sind wir wahrlich, Gott sei es geklagt, heillose Leute, die wir Gottes Wort so reichlich haben, und doch mit dem Glauben nicht vorwärts kommen wollen. Solches ist des Teufels und unseres schändlichen alten Adams Schuld. Sonst sollten wir ja, wenn wir ernstlich verlangen hätten, gerecht und selig zu werden, und zu haben, was wir bedürfen, auch an Christum Glauben und durch ihn alles hoffen. Denn wie gehört, der Glaube kann nicht fehlen. Darum rühmt ihn der Herr hier sehr und sagt: «Dein Glaube hat dir geholfen.» Derselbe Glaube an Christum wird auch uns helfen, und von den Toten zum Leben auferwecken, den Teufel überwinden, die Sünde verjagen und uns selig machen. Solche Werke, obwohl sie Christus tut, so heißen sie doch des Glaubens Werke. Denn ohne den Glauben kann man nicht dazu kommen; wie wir wißt, daß Christus selbst, die Heiligen Sakramente und das Wort Gottes oder die Predigt außerhalb des Glaubens nicht helfen oder nützen können. Der Glaube muß es tun, oder es bleibt ungetan. Das ist das erste Wunderwerk.

Das andere Wunderwerk ist von dem gestorbenen Mägdelein, daß ebenso alt, wie Lukas sagt, gewesen ist, solange diese Krankheit gedauert hat. Da wußte nun niemand anders, denn daß das Mägdelein gewiß Sterben würde; darum war alles schon zugerichtet, was man bei verstorbenen Leuten, die man beerdigen wird, zu tun pflegt. Die Pfeifer standen im Haus; denn die Juden haben keine Glocken gehabt, sondern wie wir bei den Toten läuten, also haben sie vor der Tür einen Trauergesang posaunen lassen. So hatte sich das Volk zum Leichengang gesammelt, daß es ein großes Getümmel im Haus war; wie es an solchen Orten eben zugeht.

Indem geht der Vater des Mägdelein hin, da alle Welt keine Hoffnung mehr hat (denn was kann man menschlich hoffen, wenn ein Mensch dahinstirbt, mit einem seltsamen, wunderlichen Gedanken, daß er hofft, wenn er Christum habe, so könne seine gestorbene Tochter wohl wieder lebendig werden. Denn also Zeugen seine Worte. Er fällt vor dem Herrn nieder, und spricht: «Herr, meine Tochter ist gestorben; aber kommt, und lege da der Hand auf sie, so wird sie wieder lebend.» Denn obschon Markus und Lukas sagen, er sei zu Jesu gekommen, da die Tochter noch in den letzten Züge gelegen; so melden sie doch, ehe Christus ins Haus gekommen, sei das Mägdelein gestorben, und zeigen fein an, daß der Vater dennoch geglaubt und solche Zuversicht zum Herrn behalten habe, er werde ihr helfen und sie vom Tode aufwecken. Wer hat doch sein Lebtag wunderlichere Leute gesehen oder gehört? Das Weiblein, daß an der ganzen Welt Hilfe verzagen muß, fast den Gedanke, sie wollen gesund werden, wenn sie nur dem Herrn so nahe könne kommen daß sie in einen Zipfel seines Rockes anrühre. Und ihr Gedanke fehlet nicht; wie sie es glaubt, also widerfährt es ihr. Also der Vater hier, dem seine Tochter gestorben war, fast den Glauben, so der Herr nur seine Hand auf das tote Mägdelein lege, so werde sie wieder leben.

Ja, möchtest du sprechen, wenn es ein schlechter Schlaf, nicht der bittere Tod selbst wäre, so möchte man mit der Hand etwas ausrichten. Aber da wird keine Hand, kein rütteln, kein stoßen, kein anschreien, noch etwas anderes helfen, alles scheint verloren. Also kann und muß die Vernunft denken. Aber der Oberste hatte nicht solche Gedanken; sonst würde er daheim geblieben und dem Herrn Christo nicht fein nachgelaufen.

Hier sehen wir aber einmal, wie so ein herzlich Wohlgefallen der Herr an solchem Glauben habe, welchen die Vernunft für lauter Narrheit achtet. Denn ob er wohl da Nötiges zu schaffen und eine scharfe Diskussion mit Johannes seinen Jüngern hatte: trotz des selben alles, sobald er diesen Glauben und Zuversicht sieht, macht er sich auf, folgt dem Oberste nach, wohl denkt, er müsse tun, wie dieser Mann glaubt. Darum, da er ins Haus kommt, sieht, daß alle Dinge so zugerichtet sind, wie bei gestorbenen Leuten: besorgt er, es möchte dem Vater das Elend unter die Augen schlagen, und andere Leute Beispiel und Unglaube möchte ihn abwendig machen; fährt er bald zu und tröstet den Vater mit Worten, heißt das Volk aus dem Hause gehen, daß sich zum Leichengang versammelt hatte. Als wollte er sagen: Ihr Leute, was macht die hier? Meint ihr, ihr wolltet mit der Leiche gehen? Oh nein, geht an Orte, wo jemand gestorben ist, hier ist niemand gestorben; das Mägdelein schläft nur.

Nein, sprechen die anderen, es schläft nicht, es ist gestorben, wir sind darum da, daß wir es wollen zur Erde bestatten. Du mußt wohl nicht Weise sein, daß du meinst, wir wissen den Unterschied nicht, ob ein Mensch schläft oder gestorben ist. Darum meldet der Evangelist, sie haben ihn verlacht, und für einen Toren gehalten, der nicht wisse, was Schlaf oder Tod sei. Aber der Herr beruht auf seiner Meinung, und liegt ferner allein daran, daß er es mit dem Werk beweise, ob er recht habe oder nicht. Da ist kein Mensch, der es mit ihm und für wahr hielte, denn des Mägdeleins Vater. Dar läßt sich der Herr genügen um seinetwillen, das ist, um seines Glaubens willen, beweist er es mit dem Werk; da sonst, wo solchen Glauben der Vater nicht gehabt, daß Mägdelein gewiß tot geblieben, und nicht geschlafen hätte. So ein treffliches Ding ist es um den Glauben, daß man sich zum Herrn Christus etwas Gutes versehen kann.

Darum tritt der Herr hinzu, greift das Mägdelein an, schüttelte es ein wenig mit der Hand, nicht anders, wie wir mit einem schlafenden Kind umgehen, wenn wir es aufwecken wollen. Denn also glaubte der Vater; und der Herr will nicht anders tun, denn als der Vater glaubte. Bald richtet das Mädchen sich auf, nicht anders, denn als wäre es in einem feinen, sanften Schlaf gelegen.

Diese Worte sollten wir fleißig merken, daß der Herr hier spricht: «Das Mägdelein ist nicht tot, sondern es schläft»; denn es sind tröstliche Worte, da wir, wo sie zu kaufen möglich wären, gern alles darum geben würden, daß wir sie erhalten und behalten, verstehen und glauben könnten. Denn wer eine Toten Menschen also könnte ansehen, als läge er auf einem Bett, und schliefe; wer sein Gesicht so verkehren, und den Tod für einen Schlaf könnte halten: der möchte sich wohl rühmen, er könnte eine besondere Kunst, die sonst kein Mensch kann.

Aber wir erfahren und sehen es an uns und anderen Leuten, je höher die Vernunft bei einem Menschen ist, um so weniger glaubt er solches und lacht. Wie man hier sieht, daß sie des Herrn spotten, und denken: Sollte dieser die Toten lebendig machen? Er wird nicht bei Sinnen sein, daß er dafür hält, ein verstorbener Mensch schlafe und sei mit einer Hand wieder lebendig zu machen. Also geht es; denn Gottes Weisheit ist so hoch, daß sie die Vernunft für lauter Narrheit hält. Denn denke du, so dir ein Kind wäre gestorben, und ich sagte zu dir: Ei, es ist nicht gestorben, siehst du nicht, daß es nur schläft und mit einem Finger aufzuwecken ist? Da würdest du denken, wie spotte deinem Elend, und würdest zu mir sagen, ich sollte dich zufrieden lassen. Eben also haben diese hier dem Herrn Christus auch getan.

Darum lerne du aus dem heutigen Evangelium dies, daß der Tod gegen den Herrn Christum nichts anderes ist, denn ein Schlaf; wie wir hier sehen, daß er das gestorbene Mägdelein mit der Hand aufweckt, als aus einem Schlaf. Das Weiblein hat ihre Krankheit, und hat sie doch nicht, da sie zu Christus kommt. Und die Krankheit ist dem Herrn Christus keine Krankheit. Wie das andere Beispiel mit den Weiblein zeigt, welches sehr krank war; aber sobald sie zu Christus kommt und sein Kleid anrühret, muß die Krankheit weichen.

Also erzeigt sich der Herr in anderen Nöten und Gebrechen auch. Die Blinden, so Hilfe bei ihm suchen, werden sehend, die Sünder gerecht, die Verlorenen selig. So wunderbar kann er mit uns umgehen. Was er redet, ist vor unseren Augen nicht allein nichts, sondern gerade das Widerspiel. Also, daß Mägdelein ist vor aller Menschen Augen tot; aber vor meinen Augen, spricht Christus, lebt und schläft sie. David ist vor seinen und aller Welt Augen ein armer Schafhirte; aber vor mir ist der ein König. Ihr alle, die ihr an mich glaubt, seid vor euch arme Sünder; aber vor mir große Heilige und wie die Engel Gottes. Denn es ist mir nicht mehr, denn um ein Wort zu tun, so muß Sünde, Tod, Krankheit weichen, und Gerechtigkeit, Leben und Gesundheit statt dessen sein. Wie ich rede, so muß es durch ausgehen, und nicht anders, es scheine gleich vor der Welt möglich oder unmöglich. Darum redet unser Herr Gott hier auch so ein wunderlich Wort, welches eine große Lüge vor der Welt ist, da er sagt vom Mägdelein, es sei nicht tot, sondern er schlafe. Wenn er allein gesagt hätte, es schläft, hätte in die Leute wohl sagen mögen, es ist ein Schlaf bis an den jüngsten Tag. Aber er sagt rund heraus: Sie ist nicht tot, sondern sie lebt! Vor euch und in euren Augen lebt sie nicht; aber vor mir lebt sie. Und das ihr sehe, daß es wahr sei, wecke ich sie nur mit einem Finger, wie ihr eure Kinder vom Schlaf aufweckt.

In der Summe, daß alles geht dahin, daß wir unsere Not nicht ansehen sollen nach der Vernunft, mit fleischlichen Augen, sondern mit Christenaugen. Das sind solcher Augen, wenn sie in den Tod, Sünde und Hölle sehen, können sie gewiß sagen: Ich sehe keinen Tod, ich fühle keine Sünde, ich bin nicht verdammt; sondern wie sehe durch Christum lauter Heiligkeit, Leben und Seligkeit. Also, wenn ich arm bin, fühle ich keine Armut, ich denke, ich habe alles genug; denn ich habe Christus, der mir alle Stunden geben kann, was sich bedarf, ob ich’s gleich nicht habe.

Wer solche Augen hätte, der möchte sich rühmen, er hätte Christenaugen, der würde weit anders die Sache ansehen, wenn eine teure Zeit oder die Zeit des Sterbens, als die Welt zu tun pflegt. In der Teuerung sieht jedermann, was er im Keller und auf dem Boden habe; danach er da findet, danach steht ihm der Sinn. Findet er viel, so ist der fröhlich; findet er wenig, so ist der betrübt und will verzweifeln. Also in solch einer Zeit: wer da fliehen kann, der fliehe, und denkt, er wolle an einem anderen Ort sicher sein. Aber ein Christ, der einen festen Glauben an Christum hat, würde so denken: Wenn ich denn, wo es möglich wäre, gleich tausend Mal die Pest an meinem Leibe hätte, will ich nicht darum nicht zu Tode fürchten; denn ich habe Christus. Ist es sein Wille, so soll mir die Pest wenig schaden, als ein Floh unter meinem Arm; der frißt und sticht wohl ein wenig, er kann mir aber das Leben nicht nehmen. Und ist gewiß, wer ein solchen Herz könnte fassen, der würde sicher bleiben ohne Furcht guter Dinge sein. Aber weil wir nicht glauben und solche geistlichen Augen nicht haben, kommt es, daß wir uns so fürchten und verzagen, und in so närrische Gedanken geraten, als könnten wir dem Zorn Gottes über zehn oder zwanzig Meilen entfliehen.

Nun zeiget der Herr Christus, daß auch die, so vor unseren Augen gestorben, begraben und längst verfault sind, weil Gott leben. Daher sagt der Herr im Evangelium, Matthäus los 22,32: «Es steht geschrieben: Ich bin der Gott Abraham, Isaak und Jakob; Gott aber ist nicht der Toten, sondern der Lebendigen Gott.» Darum müssen Abraham, Isaak und Jakob leben, und nicht tot sein; so sie doch länger als dreitausend Jahre in der Erde gelegen, und längst zur Asche geworden sind, daß weder Haut noch Haar von ihnen da ist. Aber Christus beweist stark, daß sie leben. Ursache: Gott muß es alles leben, uns aber ist alles tot. Denn Welt und Vernunft kann anders nicht, denn den Tod sehen. Aber der Christen Augen sollen sehen, daß sie nicht sehen und nur im Wort hören; wie ihr der Vater und Christus daß gestorbene Mägdelein ansehen.

Gleich wie ich nun hier vom Tod sage, also ist es mit der Sünde auch. Ich soll wissen und bekennen, daß ich ein Sünder bin, und sollte dennoch eitel Heiligkeit und Gerechtigkeit glauben und hoffen. Denn der steht unseres Herrn Christi Wort in der Taufe: «Wer glaubet und getauft ist, wird selig werden»; also, im Abendmahl: «Esset, daß ist mein Leib, der für euch gegeben wird; trinket, das ist mein Blut, daß für euch vergossen wird zu Vergebung der Sünden.» Solchem Wort soll ich glauben, daß es wahr sei; und ob ich gleich das Widerspiel bei mir sehe und fühle, so soll ich doch mich nichts daran kehren, sondern allein auf das Wort sehen und hören, was es mir sagt. Also, so du einen Christen siehst sterben, da sehen deiner Augen einen Toten Menschen; aber solche Kuhaugen tue zu, und tue die geistlichen Augen auf, die auf das Wort sehen; so wirst du finden, daß solcher Mensch nicht tot ist, sondern vor Gott lebet. Denn der sieht das Wort Christi: «Der an mich glaubet, der wird den Tod nicht sehen ewiglich.»

So sollen wir nun aus dem heutigen Evangelium lernen, daß alles Unglück, wie groß es vor deinen Augen ist, vor unseren Herrn Christus weniger denn nichts ist. Denn so der Tod an einem Christen nichts sein soll, so wird je Blindheit, Aussatz, Pest und andere Krankheit noch geringer und weniger sein müssen. Darum, so du Sünde, Krankheit, Armut oder anderes an dir siehst, sollst du nicht erschrecken; tue die fleischlichen Augen zu, und die geistlichen auf, und spricht: Ich bin ein Christ, und habe einen Herrn, der mit einem Wort diesem Unrat allem wehren kann. Was will ich mich darum so sehr bekümmern? Denn gewiß ist es, ebenso leicht Christus diesem Mägdelein von dem leiblichen Tode, darin es lag, hilft: so leicht will er uns auch helfen, wenn wir nur glauben und uns der Hilfe zu ihm versehen.

Nun sollen wir hier auch das bedenken, daß diesem Mägdelein geholfen wird nicht durch seinen Glauben (denn wer tot ist, der glaubt nicht, ebensowenig als er hört oder sieht); aber ihr Vater glaubt, und ist solcher fremder Glaube so mächtig, daß sie wieder lebendig wird. Denn wie Christus sagt, alle Dinge sind dem Glauben möglich. Also ein gewaltig Ding ist es um den Glauben. Es sei ein Ding so groß es wolle, kannst du es glauben und auf Christus hoffen, so soll es Ja sein; uns soll weder Teufel noch Tod so stark sein, daß sie es wehren könnten. Wie wir in beiden Wunderwerken hier sehen: die werden uns darum vorgehalten, und der Glaube wird darum vom Herrn Christus selbst so hoch gelobt, daß er uns dazu reize, daß wir die Kreatur vor Gott viel anders ansehen lernen, denn vor uns.

Darum, ob wir uns arm und tot scheinen, in Sünden stecken, an der Pest oder anderen Krankheiten danieder liegen; sollen wir doch glauben, vor Gott habe es ein ganz anderes Ansehen, und fröhlich sagen: obgleich Armut, Pest und Tod da ist, so weiß ich doch, als ein Christ, von keiner Armut, Tod noch Pest; denn vor meinem Herrn Christus ist es lauter Reichtum, Gesundheit, Heiligkeit und Leben. Ob ich’s aber noch nicht sehe, ist es ihm nur um ein Wort zu tun, so werde ich es auch mit leiblichen Augen sehen, daß es wahr ist, und geschieht gewißlich also. Gott gebe uns um Christi, unseres Erlösers und seines Sohnes, Willen, durch seinen Heiligen Geist auch solche geistliche Augen, daß wir uns alles Unglück anders, denn die Welt, ansehen, und solchem Trost behalten, und endlich mögen selig werden, Amen.

 


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