Martin Luther
Predigten durch ein Jahr
Martin Luther

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Am Sonntag Estomihi

Lukas 18,31-43

Er nahm aber zu sich die Zwölfe und sprach zu ihnen: Sehet, wir gehen hinauf gen Jerusalem, und es wird alles vollendet werden, daß geschrieben ist durch die Propheten von des Menschen Sohn. Denn er wird überantwortet werden den Heiden; und er wird verspottet, und wird geschmähet, und verspeit werden; und sie werden ihn geißeln und töten, und am dritten Tage wird er wieder auferstehen. Sie aber vernahmen der keines, und die Rede war ihnen verborgen, und wußten nicht, was das gesagt war. Es geschah aber, da er nahe zu Jericho kam, saß ein Blinder am Wege und bettelte. Da er aber hörte das Volk, daß durchging ging, forschte er, was das wäre. Da verkündigten sie ihm, Jesus von Nazareth ginge vorüber. Und er rief und sprach: Jesu, du Sohn Davids, erbarme dich mein! Die aber vorne an gingen, bedrohten ihn, er sollte schweigen. Er aber schrie viel mehr: Du Sohn Davids, erbarme dich mein! Jesus aber stand stille und hieß ihn zu sich führen. Da sie ihn aber nahe bei ihn brachten, fragte er ihn, und sprach: Was willst du, daß ich dir tun soll? Er sprach: Herr, daß ich sehen möge. Und Jesus sprach zu ihm: Sei sehend; dein Glaube hat dir geholfen. Und alsbald ward er sehend, und folgte ihm nach, und preiste Gott. Und alles Volk, daß solches sah, lobte Gott.

In dem heutigen Evangelium sind zwei Stücke. Das erste ist die Prophezeiung oder Weissagung, in welcher der Herr den zwölf Aposteln von seinem Leiden verkündigt. Und dies sind die Worte, welche die Engel am Ostertag den Frauen bei dem Grab vorhalten, da sie sprechen, Lukas 24, 6. 7.: «gedenket daran, wie er euch sagte, da er noch in Galiläa war, und sprach: Des Menschen Sohn muß überantwortet werden in die Hände der Sünder, und gekreuzigt werden, und am dritten Tage auferstehen.» Denn der Herr Jesus ist eben auf der Reise aus Galiläa nach Jerusalem, da ist er geblieben und gekreuzigt worden. Das andere ist das Wunderwerk an dem Blinden.

Von solcher Weissagung meldet der Evangelist wohl dreimal, daß die Jünger es nicht verstanden haben. Denn sie dachten, er redete ungewöhnliche Wörter, die einen besonderen Verstand hätten. Darum war ihnen eben, als würden sie eine fremde, unbekannte Sprache, deren sie kein Wort verstehen konnten. Und das darum; weil ihr Herz so stand, daß sie dachten: Der Mann tut so viel Wunderzeichen, er weckt Tote auf, macht die Blinden sehend, daß wir sehen und greifen müssen, Gott sei mit ihm. Darum muß er ein großer Herr mit der Zeit werden, und wir, seine Diener, werden auch Fürsten und große Herren sein. Denn wer wollte so einem mächtigen Mann, der den Tod und alle Plage mit einem Wort heilen und vertreiben kann, einen Schaden zu fügen? Darum stand ihr Herz so: Gott ist zu wohl an ihm, der wird ihn nichts leiden lassen; das aber seine Worte lauten, als rede er, wie er leiden und sterben solle, das wird eigentlich eine andere Deutung haben. Dieses ist der lieben Apostel Einfalt gewesen.

Damit ist nun angezeigt, daß alle Gottes Werke die Art haben, wenn man davon redet, ehe sie geschehen, so sind sie nicht zu begreifen; aber wenn sie geschehen sind, alsdann versteht man sie und siehts. Also meldet Johannes oft, daß die Jünger Christi erst später verstanden haben, was er mit ihnen geredet hat. Darum hören Gottes Wort und Glaube zusammen. Denn wenn Gott redet, so kann er nicht anders reden, denn von Sachen, die weit über die Vernunft, und wir natürlich nicht verstehen noch fassen können; darum soll man es glauben. Wenn mans nun geglaubt hat, alsdann soll mans auch erfahren, daß es wahr sei, und Recht verstehen.

Als, daß ich ein Beispiel gebe: Gottes Wort lehrt uns von der Auferstehung der Toten; das versteht die Vernunft nicht. Darum sieht man, das weltweise Leute, und vor allen die Gelehrten, uns verspotten und für Narren halten, daß wir es glauben, und uns bereden lassen, es sei ein Leben nach diesem Leben. Also, daß Gott Mensch geworden und von einer Jungfrau in die Welt geboren ist, daß versteht die Vernunft auch nicht; darum muß es geglaubt sein, bis wir dahin kommen und es sehen werden, und sagen: Nun verstehe ich es, ja, sehe es auch, daß es wahr ist, was ich zuvor geglaubt habe. Also, daß man durch die Wassertaufe Gottes Gunst und Gnade, ohne alles Verdienst erlangen, und Vergebung der Sünde durch die Absolution empfangen soll, lautet vor der Vernunft als eine Lüge; darum hält sie die Christen für toll und töricht, daß sie solches glauben. Denn die Vernunft denkt: Soll man Gott versöhnen, so hört etwas Höheres und Besseres dazu, nämlich gute Werke, die uns sauer werden und weh tun. Wie man bei dem Papst vor Augen hat, der die Leute durch seine Predigt auf eigene Verdienste weist.

Denn es will der Vernunft nicht einleuchten, daß sie glauben soll, daß allein durch die Taufe und den Glauben an Christum alles ausgerichtet ist, was zur Seligkeit gehört; denn sie sieht, daß das Wort ein geringes Ding ist; der es führt, ist auch ein armer, gebrechlicher Sünder. Das nun ein Mensch Leib und Leben in Ewigkeit auf solche Wort setzen soll, das ist lächerlich. Darum, ob man gleich Gottes Wort den Leuten so klar und deutlich sagt, es geht der Vernunft nicht ein, sie glaubt es doch nicht. Und muß darum das liebe Evangelium den Namen vor der Welt haben und behalten, es sei Ketzerei und eine Teufelslehre, damit man die Leute verführt, und lehrt sie, daß sie nichts Gutes tun sollen; anders kann die Vernunft darüber nicht urteilen.

Darum sollen wir lernen einfältig dem Worte Gottes zu glauben, und in unserem Herzen sprechen: nun, sehe, greife und fühle ich es nicht, daß es also sei, so höre ich es doch, daß es Gott sagt. Er ist aber so mächtig, daß er es wahr machen kann, daß ich es zu seiner Zeit und in jenem Leben fassen und verstehen, ja, sehen und greifen werde, ob ich’s gleich jetzt nicht verstehe.

Also sieht man auch in Beispielen. Ehe David den Goliath angreift, glaubt er, er wolle ihn schlagen und erwürgen, wie er zu Saul sagt: «Der Herr, der mich von dem Löwen und Bären errettet hat, er wird mich auch erretten von diesem Philister»; also: «Dieser Philister, der Unbeschnittene, soll gleich sein, in wie der Löwe und der Bär; denn er hat geschändet den Zeug des lebendigen Gottes,» 1. Samuel 17, 36-37. Also, zum Philister selbst sagt er Vers 46.: «heutiges Tages wird dich der Herr in meine Hand überantworten, daß ich die schlage, und nehme dein Haupt von dir.» Diese Worte hat jedermann aus dem Munde Davids gehört, und wenn es nicht Gottes Wort gewesen wäre, so wäre es nichts. Aber es sind Gottes Worte, und David glaubt denselben, ehe er es erfährt. Darum geht es auch so aus, und liegt nichts daran, ob es anderen lächerlich war, und konnten nicht glauben, daß es so gehen sollte und wahr werden. Denn die Vernunft konnte es nicht glauben, daß David, der gegen den Goliath eine geringe Person war, sollte mit einem Stein einen so großen, starken Riesen niederwerfen. Aber David glaubt es und tut es. Da konnte man sehen, ja, greifen, daß es wahr und nicht erlogen war.

Aber vorhin, da allein das Wort da war, wo David sagt: «Der Herr wird dich heut mir in meine Hand geben,» da war es die größte Lüge, ja, ein unmögliches Ding. Denn die Vernunft macht ihre Rechnung, wie Saul 1. Samuel 17 also: David ist ein Knabe, ein Hirte, der noch nie in einem Krieg gewesen, und ganz bloß daher kommt mit einem Stock und einer Schleuder, als wollte er einen Hund jagen; wie ihm denn Goliath höhnisch vorwirft und spricht: «Bin ich denn ein Hund, daß du mit einem Stock zu mir kommst? «Aber der Riese kommt mit seinem Harnisch und großem Spieß. Ist solches nicht ein ungleiches Zeug und Rüstung, die lächerlich anzusehen ist, daß solches der kleine junge Schütze David tun soll, daß kein Mann im ganzen Lager sich unterstehen darf? Nun, David sah es selbst nicht, aber er glaubt es, daß Gott die Gotteslästerung an seinem Feinde strafen und ihm helfen würde; und so geschah es.

Also geht es durch und durch: Gottes Wort und Werk hält man immer für unmöglich, ehe es geschieht. Dennoch geschieht es, und geht über die Maßen leicht und gering zu, wenn es ins Werk kommt. Ehe es aber ins Werk kommt, solle man es nicht wissen, noch verstehen, sondern einfältig glauben. Denn wie durch die Taufe die Sünde abgewaschen, und wir am jüngsten Tag von den Toten auferstehen werden, daß wird die Vernunft nie verstehen; besonders weil man sieht, daß mancher heilige Mensch von Vögeln gefressen, von Hunden und Wölfen zerrissen wird; einige werden zu Asche verbrannt, und die Asche in das Wasser geworfen: wie der Papst mit dem Heiligen Johannes Hus getan hat. Da denkt die Vernunft so: Wo wird unser Herr Gott den Leib einmal wieder nehmen? Nun, sagt Gott, ich sag es, es ist mein Wort. Das ist mit der Vernunft nicht zu glauben, sondern auch unmöglich zu sehen. Aber glaubst du es, so soll es wahr werden; denn ich bin allmächtig, und kann aus nichts alle Dinge machen.

Was sind wir doch vor hundert Jahren gewesen? Ebensowenig als das Kind, daß vor 20,30, 40 Jahren nach uns geboren werden sollte. Weil nun Gott die Kunst kann, aus nichts alle Dinge machen, so wird er ja auch das können, daß der aus dem, daß etwas gewesen, wieder etwas machen wird. Darum soll man nicht danach sehen, ob ein Ding möglich sei; sondern so soll man sagen: Gott hat es gesagt; darum wird es geschehen, wenn es auch sonst nicht möglich wäre. Denn wenn ich es gleich nicht sehen noch ergreifen kann, so ist er doch der Herr, der aus einem Unmöglichen ein Mögliches und aus nichts alles machen kann.

Darum sind es über die Maßen verdrießliche Narren, die unserm Herrn Gott sein Wort und Werk nach ihrer Vernunft messen wollen. Denn weil ich einen Toten nicht lebendig machen kann, soll es darum Gott auch nicht können? Darum hüte sich ein jeder davor, daß er Gottes Wort und Vermögen nicht nach seinem Sinn und Vermögen messe. Denn wo es unsere Vernunft alles fassen und begreifen könnte, so hätte unser Herr Gott seinen Mund wohl können zuhalten. Aber weil er redet, so ist das ein Zeichen, daß unsere Vernunft nicht alles weiß noch versteht, und das Gottes Wort über und wider alle Vernunft ist; wie man aus der Erfahrung lernt.

Ich verkündige die Vergebung der Sünden, und absolviere und entbinde dich aus dem Befehl Christi. Da hörst du das Wort, und wenn du es gehört und von Sünden entbunden bist, so fühlst du es doch nicht, daß Gott und seine Engel dich anlachen. Von solcher Freude weißt du gar nichts, davon der Herr sagt: «Die Engel im Himmel freuen sich über einen Sünder, der sich bekehrt.»

Also, wenn du jetzt getauft bist, hast du dieselbe Haut und das Fleisch nach der Taufe, welches du vor der Taufe hattest. Soll es aber darum beides nicht sein, die Absolution und die Taufe? O nein. Darum lerne also sagen: Gott hat mich getauft. Gott hat durch sein Wort mich absolviert und von Sünden entbunden. Darum glaube ich fest, wenn ich es auch gleich nicht sehe noch fühle, daß Gott mich anlachen seinen Sohn heißt, und Christus, mein Herr heißt mich seinen Bruder; und die lieben Engel haben eine besonders große Freude an mir. Solches, sage ich, glaube ich, und habe ganz und gar keinen Zweifel daran. Will es der Papst nicht glauben, das schadet nicht; ich will es glauben; denn Gott wird mir in seinem Wort nicht lügen.

Die Jünger hier konnten diese Kunst nicht; sonst würden sie nicht lange davon diskutiert, oder sich verwundert haben; sie würden beschlossen haben: Eben wie er es redet, also wird es auch gehen; denn der Mann kann nicht lügen, es geschehe gleich, wann oder wie es wolle. Aber der Blinde, von dem der Evangelist meldet, der kann solche Kunst sehr wohl. Seine Augen sind starr und blind, daß er nicht ein Stück damit sieht; aber sobald da das Wort klingt: «sei sehend,» glaubt er es. Darum widerfährt ihm auch, wie er glaubt. Dieses Wort, da es noch allein ist, redet von einem Ding, daß nicht vorhanden ist. Denn die Augen sind dem Blinden noch zu; aber bald auf das Wort, da er es glaubt, folgt das Werk, wie er es geglaubt hat. Also sollten die Jünger auch getan haben. Ob sie gleich nicht sahen, wie es möglich war, sollten sie dennoch geglaubt haben, weil sie sein Wort hatten. Denn auf das Wort gehört nichts denn als allein der Glaube.

Das ist das erste Stück, daß wir aus dem heutigen Evangelium lernen sollen, nämlich dem Wort Gottes mit ganzem Herzen, ohne wanken, glauben. Von solchem Glauben weiß der Papst nichts, lehrt auch nichts davon. Ihr aber sollt es wissen und können, daß ein christliches Herz sei, daß da Gottes Wort von Vergebung der Sünden nicht allein hört, sondern auch fest glaubt, und daran nicht zweifelt, wenn es auch nichts davon sieht oder fühlt. Denn dasselbe soll sich erst später finden und folgen. Wenn wir es fest geglaubt haben, wird sich dann die Erfahrung auch finden, daß wir sagen werden: O wohl mir, daß ich geglaubt habe. Die anderen aber, als, Katholiken, Türken, Juden, die Gott nicht geglaubt haben, werden stehen und schreien: Zeter mordio, daß wir nicht geglaubt haben! Wer hätte das gedacht? Werden also dieses am Ende glauben. Aber es wird ihnen nichts nützen, und ihnen nicht mehr helfen, es ist zu lange gewartet.

Das ist das erste, daß wir uns nicht ärgern sollen an dem Wort Gottes, ob es gleich wunderbarlich, lügerlich und unmöglich lautet; sondern fest auf dem Bestehen: hat es Gott geredet, so wird es auch geschehen müssen. Denn niemand soll danach fragen, ob es möglich sei, sondern allein dahin sehen, ob es Gott geredet habe. Hat es Gott geredet, so ist er so mächtig und wahrhaftig, daß er es auch tun kann. Darum soll man es glauben; wer es aber nicht glauben will, der lästert Gott auf das höchste. Vor solcher Sünde sollen wir uns fleißig hüten, daß wir an Gottes Wort nicht zweifeln, Gott gebe, es laute so lügerlich als es immer kann. Denn was Gott redet, das wird gewiß wahr. Also haben wir Gottes Wort in der Taufe, im Abendmahl, in der Absolution und in der Predigt; da redet Gott selbst mit uns, spricht uns selbst von Sünden los. Solches sollen wir Glauben und für wahr halten, und ja nicht daran zweifeln. Das ist das erste Stück.

Im anderen Stück, von dem Blinden, lehrt uns der Evangelist eine rechte bettlerische Kunst, daß man vor Gott wohl geilen lernen, unverschämt sein, und immer anhalten soll. Denn der blöde ist, der läßt sich bald abweisen und taugt nicht zum Betteln. Man muß die Scham abtun, und denken, unser Herr Gott will es so haben, daß wir geilen und anhalten sollen. Denn es ist seine Lust und Ehre, daß er viel geben will, und gefällt ihm wohl, daß man sich viel Gutes von ihm erhofft. Darum soll man es ja so unverschämt tun, wie er es gern hat. Denn wer so lange warten will, bis er würdig werde, daß ihm Gott etwas gebe, der wird bestimmt nie etwas bitten. Darum ist es am besten, daß man die Scham abziehe, und den Mund schnell auftut, und sage: «Herr, ich stecke hier und da in großer Gefahr und Not meines Leibes und der Seele, bedarf darum deiner Hilfe und Trost; dies willst mir ja nicht versagen, sondern gewiß widerfahren lassen, nach deiner gnädigen Zusage.

Die Bettler auf der Straße und Gasse können diese Kunst wohl, aber die Leute haben es nicht gern, sind dessen überdrüssig, und weisen solche Bettler mit bösen Worten ab. Aber unser Herr Gott hat solche Bettler gern, die getrost anhalten und sich nicht abweisen lassen wollen. Wie wir hier an diesem Blinden sehen, der hätte gern gesunde Augen gehabt. Darum, da er das Geschrei hört von denen die vorüber gehen, fragt er, was das wäre. Da er von Jesu hört, fängt er an zu schreien: «Jesu, du Sohn David, erbarme dich mein.» Die nun vorne gehen, bedrohen ihn, er soll schweigen; aber er kümmert sich nicht darum; ja, je mehr man ihm wehrt, desto getroster schreit er.

Das ist ein rechter Geiler und feiner Bettler, wie ihn unser Gott gern hat. Darum sollen wir an diesem Beispiel merken, und auch vor den Herrn Christum treten, und ihn bitten: O Herr, ich bin ein armer Sünder, gib, daß dein Reich auch zu mir komme, und vergib mir meine Schuld. Hilf hier, hilf da. Wer so bettelt und unverschämt anhält, der tut recht, und unser Herr Gott hat es gern; denn er ist nicht so wie wir Menschen. Uns kann man mit dem Geilen müde, unlustig und unwillig machen; ihm aber ist es eine große Ehre, daß man ihn für einen großen Herren halte, und nicht ablasse, sondern sage: Herr, es ist deine Ehre, dadurch du gerühmt wirst, daß ich von dir bettle. Darum, lieber Herr, siehe nicht an, daß ich unwürdig bin, sondern das ich deiner Hilfe bedürftig bin, und du der rechte einzige Nothelfer für alle Sünder bist. Darum geschieht es dir zu Ehren, daß ich dich anrufe; so kann deine Hilfe auch nicht fehlen.

So ein unverschämtes Gebet, daß fest anhält und sich nicht abschrecken läßt, gefällt Gott wohl. Wie wir hier an dem Blinden sehen, sobald er anfängt zu bitten, schnell fordert der Herr ihn zu sich, muß jedermann aus dem Wege weichen. Und er, der Blinde, schämt sich auch nicht, läßt sich zu ihm leiten. Da fragt der Herr ihn sofort: «was willst du, daß ich dir tun soll?.» Da muß man sehen, wie die Hände dem Herrn offen stehen. Als wollte er sagen: Bitte, was du willst, es soll dir widerfahren. Der Blinde wartet nicht lange, und spricht: Ich bitte, daß ich sehen möge. Da antwortet der Herr: Ja, du sollst sehen. Das heißt ja unverschämt gebeten, aber sehr gnädig erhört. Das sollen wir lernen von dem Blinden, also auch mit unserem Gebet nicht warten und Christus unsere Not bringen, und gewiß glauben, er werde uns erhören und geben.

Im Papsttum haben wir selbst unser Gebet verachtet und gedacht: Wo nicht andere für uns bitten, so werden wir nichts erlangen. Aber solches soll kein Christ tun; sondern, sobald die Not da ist, schnell in die Kammer gelaufen und auf die Knie gefallen, und gesagt: Herr, hier komme ich, muß das und jenes haben, ob ich wohl unwürdig bin. Aber siehe meine Not und meinen Jammer, und hilf um deiner Ehre willen. Also lerne unverschämt beten, und zweifle ja nicht, Gott werde dir um Christi willen geben, was dir nützlich und gut ist. Denn da steht die Verheißung klar und gewiß: «Was ihr im Namen Jesu bittet, daß soll euch widerfahren.» Allein, siehe darauf, daß du nicht müde werdest, sondern fest anhaltest.. Je mehr du es tust, je lieber hat es der Herr; er wird durch dein Geilen nicht müde. Ja, dein Gebet möchte so stark und ernst sein, der sollte dir in derselben Stunde geben, was du begehrst, daß er sonst noch nicht täte und noch lange verzöge; aber er erhört und gewährt dich um deines ängstlichen Betens willen. Wie ich hoffe, daß der jüngste Tag nicht so lange ausbleiben soll, sondern durch das ängstliche Seufzen der Christen eher kommen, denn wir es denken können. Wie der Herr in Lukas 18 von der Witwe ein Gleichnis gibt, die nicht nachlassen wollte, da der Richter, der da weder nach Gott noch den Menschen fragte, sagt: ich kann es nicht länger leiden, daß mich die Witwe so bedrängt; ich will ihr helfen, daß ich von ihr loskomme. «Sollte aber Gott,» spricht Christus, «nicht auch erretten seine Auserwählten, die zu ihm Tag und Nacht rufen, und sollte Geduld darüber haben? Ich sage euch, er wird sie erretten in einer Kürze.» Das ist als wollte er sagen: Das Gebet macht, daß Gott eilt, wo er sonst nicht so eilen würde.

Darum dient das Gebet dazu, daß man ein Ding desto schneller erlange, welches sonst wohl länger dauern würde, ja, wohl überhaupt nichts daraus würde. Das also dies Beispiel dazu dient, daß wir sollen unverschämte Bettler sein und Geilen lernen, uns nicht lassen müde machen, sondern sagen: Herr, wahr ist es, ich bin ein armer, unwürdiger Sünder, das weiß ich wohl; aber nichtsdestoweniger muß ich dies oder jenes haben; gib mir es. Denn hier gilt kein diskutieren, ob ich fromm bin, das einzige Stück ist genug, daß ich eine Not habe und du gern geben willst, was mir zu Leib und Seele nützlich ist.

Wenn du so betest und fest anhältst, so wird er gewiß zu dir sagen, wie zu diesem Blinden: «Was willst du, daß ich tun soll? sei sehend, dein Glaube hat dir geholfen.» Denn beten und nicht glauben, heißt unseren Herrn Gott spotten. Der Glaube aber steht allein auf dem, daß Gott um Christi, seines Sohnes und unseres Herrn, willen uns gnädig sein, erhören, schützen, retten und selig machen werde. Dazu helfe uns unser lieber Herr und Erlöser, Christus Jesus, Amen.

 


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