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Der große Mann

Der große Mann ist Österreicher, das zeichnet ihn für das ganze Leben. Die Tatsache, daß jemand im alten Reich der Habsburger geboren ist, verleiht ihm zwar keine Nationalität, aber es hinterläßt ein Familienmal, das er weder loswerden noch ableugnen kann. Der große Mann, gegenwärtig Gebieter über ein Land, das nicht seins ist, beruft sich umsonst auf Friedrich von Preußen und Bismarck. Keiner der beiden würde ihn anerkennen. Eine glaubwürdigere Verwandtschaft besteht zwischen ihm und Franz von Osterreich, dem Schwiegervater Napoleons und Kerkermeister der Festung Spielberg. Der sperrte dort die vaterländisch gesinnten Liberalen seiner Zeit ein, gleichviel, ob Italiener, Deutsche, Slaven. Er liebte keine der verschiedensprachigen Bevölkerungen, die unter seinem Szepter lebten, und seinem langen, traurigen Gesicht ist noch jetzt anzusehen, daß die Menschen ihm ein Greuel waren. Die Menschen schienen ihm höchstens erträglich, solange sie in blinder Unterwerfung sich abstumpfen ließen von der unheilvollen Herrschaft seines Hauses.

Mit Karl dem Fünften und Philipp dem Zweiten von Spanien ist es dasselbe, nur größer. Damals ging es nicht um einen Teil des östlichen Europa, sondern der ganze Kontinent sollte unter Habsburg kommen. Das Spiel ging verloren, nur leider nicht auf einmal. Viele Gegner des ungeheuerlichen Hauses mußten fallen, bevor der Albdruck langsam wich. Es gab seine Beute stückweise auf, Flandern, Spanien, Deutschland, Italien. Das Haus schmolz kläglich zusammen, es steckte Niederlagen auf Niederlagen ein, war zuletzt beschränkt auf einige schlecht zusammenpassende Länder, und selbst brachte es nur noch angefaulte oder unbegabte Mitglieder hervor. Deswegen aber verzichtete das Haus Habsburg weder auf seine Ansprüche noch auf seine Methoden, das Gottesgnadentum und das Spitzeltum, das letztere im Dienste des ersteren.

Diese Monarchie hatte sich, um das eigene Leben zu verlängern, die nationale Eifersucht seiner Völkerschaften zunutz gemacht. Immer ließ sie eine durch die andere überwachen, und jede war der Büttel der nächsten. Während des Krieges von 1914 haben die Tschechen keine ärgeren Feinde gehabt als die ungarischen Regimenter, die sich bei ihnen aufführten wie im eroberten Land. Inzwischen sorgten die Polizeispione dafür, daß Mißtrauen und Furcht erhalten blieben. Man kennt ja, in all ihrer grausamen Komik, die Geschichte vom braven Soldaten Schwejk, wie der Tscheche Hašek sie schrieb.

Sogar in Friedenszeiten haben manchmal sonderbare Ausbrüche des Hasses Osterreich erschüttert. Einer der bekanntesten war die antisemitische Bewegung, die gegen 1900 ihr Wesen trieb. Auch sie war schon aufgeschwollen von denselben sinnlosen Ansprüchen und leeren Behauptungen, die viel später und unter günstigen Umständen in Deutschland sich voll auswirken sollten. Zu einer Zeit, die nicht so reizbar und nicht so dumm war, kamen sie noch nicht ganz zur Geltung.

Ein tausendjähriger Despotismus hatte bei den Untertanen der Habsburger Spuren hinterlassen, die jetzt und künftig im Verblassen sind. Dazu gehört die Grausamkeit, aber auch ein gewisses leichtes Vergessen und eine große Genußfähigkeit. Wirkliche Genießer entstehen grade infolge sehr langer Knechtschaft; sie erzeugt Leichtlebigkeit. Skepsis und froher Sinn bilden zwar nur die Oberfläche, dahinter stecken, öfter als anderswo, Wesen, die es in sich haben; ja, grade weil ihre Geschichte sie davon überzeugt hat, daß edle Regungen nie etwas nützen, werden sie jedem sympathisch, der nicht in die Tiefe geht.

Mit Recht sind die Österreicher beliebt wegen ihrer künstlerischen Veranlagung. Die Wurzel davon ist freilich Komödianterei, und diese verrät einen Menschen, der sich über Wirklichkeiten hinwegtröstet, für das Leben den Schein nimmt und sich das Dasein, das sonst zu schwer auf ihm lasten würde, spielend leichter macht. Etwas zu viele bekannte Österreicher waren Schauspieler, das ist festzuhalten. Die begabten Einwohner jener Gegenden haben oft etwas schnell Gewinnendes, und ebenso leicht enttäuschen sie auch. Wenige wahrhaft hervorragende Männer, sowohl Denker als Künstler, werden ausdrücklich ausgenommen. Der mittlere Österreicher indessen, wie sein unwandelbares, den Menschen verfälschendes Reich ihn gestaltet hat, mußte seinerseits Krankheitskeime aussäen, wohin immer er seine Tätigkeit verlegte.

Die deutsche Republik hat zu viele Österreicher gehabt, auch daran ist sie zugrunde gegangen. Sie verschafften sich Zugang in Parteien, Presse, Geschäftsleben und wirkten zersetzend durch ihre angeborene Neigung, sich geschickt durchzuschlängeln unter Nichtachtung von Grundsätzen. Man bleibt dann schwer ehrlich. Alle hingen übrigens zusammen. Ein von dort soeben in Berlin eingetroffener Anfänger saß vierzehn Tage in den Wiener Kaffeehäusern umher, äußerte sich abfällig über Berlin und seinen steifen Ernst, und wenn dann seine Beziehungen zu Landsleuten funktioniert hatten, trat er in eine Redaktion ein, ihm ganz gleich, ob bei Hugenberg oder Ullstein.

Sie schrieben links und rechts, sie waren Parteiführer und Minister, immer ohne fest verankerte Überzeugungen, jede Drehung, jedes Versetzen eines Freundes war ihnen recht, ihr Herz war leicht und ihr Ehrgeiz wach. Deutschland? Die Republik? Für sie waren es Gelegenheiten und kleinere Übel, da nun einmal Wien nicht mehr genug Platz für alle hatte. Sie waren mit dem Land nicht wirklich verbunden und daher auch nicht berufen, im vollen Ernst zu kämpfen für die politische und soziale Gestalt, die dies Volk sich gegeben hatte. Ihre Sache war es nicht, einzustehn für eine noch unfertige, aber höchst lebendige Demokratie, für die sie wenig Verständnis hatten. Zu viele Österreicher in wichtigen Stellungen, glänzend als Macher und angenehm im Verkehr, das hat viel beigetragen, daß dieser ohnehin schwache Staat in Stücke ging.


Der große Mann von österreichischer Herkunft hat sich auf Deutschland gestürzt wie die anderen seinesgleichen, nur daß sein Ehrgeiz weiter ging. Aber auch der seine wurde durch die Umstände bestimmt und richtete sich nach ihnen. Eine Künstlernatur wie die übrigen, betätigte er sich nicht nur als Anstreicher; er malte Bilder und schickte sie der Jury, die sie ablehnte. Gewisse Mitglieder der Jury bereuen es bitter, jetzt, da er es auf einem anderen Gebiet zu etwas gebracht hat. Es hatte nur an ihnen gelegen, daß er, anstatt Diktator zu werden, ein verfehlter Künstler blieb.

Wenn andererseits der Zufall es wollte, hätte er der Republik dienen können, vielleicht sogar in hoher Stellung, wie so viele seiner Gattung. Auch diese Gelegenheit ist verpaßt worden. Niemand ist rechtzeitig aufmerksam geworden auf so viel guten Willen. Der Mann hätte alles gemacht, er mußte nur irgendwo unterkommen. Man hat ihn sich draußen verzehren lassen; es liegt daran, daß gewisse gute Beziehungen zu einem gegebenen Zeitpunkt versagt haben müssen. Schuld trägt aber auch die bürokratische Stufenleiter in den Gewerkschaften und Arbeiterparteien. Denn dort stieg jeder Fügsame nur allmählich auf und verrichtete die laufende Arbeit.

Nun war der große Mann von Natur nicht arbeitsam. Er war sogar der geborene Arbeitslose. Sein ehrliches Handwerk hat er wohl nur um das zwanzigste Lebensjahr ausgeübt. Dann kam der Krieg, dann die Revolution und endlich ein kurzer Augenblick, wo man die Wahl hatte, ob man mittun oder sich empören wollte. Der große Mann hatte aber gar kein Empörertemperament, ihm stand der Sinn eher nach Nichtstun, ohne daß er deswegen auf die Freuden des Lebens hätte verzichten mögen. Er hatte ein paar Genossen, sie waren, wie er, demobilisiert und durch den Krieg arbeitsunwillig geworden. Mit ihnen zusammen sah er zu, wie die Republik sich herumschlug, empfand aber keinerlei Wohlwollen für die Arbeiter, die doch seinesgleichen waren und denen der neue Staat die einzige Aussicht gewährte auf Befreiung und Aufstieg.

Gleichwohl ließ er sich anwerben für die Reichswehr und fand sogleich Verwendung als Spitzel bei staatsfeindlichen Verbindungen, auch bei der Bewegung, die später nach ihm selbst benannt wurde. Damals stand sie zwar erst in ihren schwachen Anfängen. Einigen Unzufriedenen war es versagt, am Bestehenden mitzuarbeiten. Geweigert hätten sie sich sicher nicht, allerdings hätten sie von jeder regelmäßigen Tätigkeit entbunden werden müssen. Statt dessen saßen sie jetzt in einer schlecht besuchten Münchner Kneipe und schmollten. Zuerst waren sie sieben, mitsamt dem großen Mann, der sie bespitzelte. Fast war er beim Elend angelangt, nach einer fast bürgerlichen Jugend. Dem mußte auf alle Fälle abgeholfen werden. Sie hatten erstens, was sie dem Leben nachtrugen, enttäuschte Hoffnungen und ungestillten Hunger. Zweitens hatten sie eine Ahnung, daß dieser Staat eigentlich verwundbar sei. Er bot seinen Feinden zu viele Blößen, denn hervorgegangen war er aus einer militärischen Niederlage. Die sieben Schnapphähne, darunter der große Mann, werden sich in ihrem Eckchen gesagt haben, die Nation sei doch in ihrer Eitelkeit verletzt, und stoße man nur heftig genug an die Wunde, dann werde sie wieder aufgehn. Wer weiß, was dann aus ihnen selbst noch alles werden konnte. Der große Mann war nahe daran, zu vergessen, daß er für die Republik spitzelte.

Indessen ist nicht anzunehmen, daß er schon zu jener Zeit sich den Kopf zerbrochen hat über den Umsturz der Republik, oder den militärischen Wiederaufbau Deutschlands oder die Rettung des kapitalistischen Systems, das vor ihm niemals ernstlich gefährdet war. Nein, sondern er kam nur bis zur Verneinung und ist auch niemals weiter gelangt, selbst nicht, als er später eine Armee und unvorstellbare Geldmittel zur Verfügung hatte. Auch dann war dies alles nur Werkzeug, das zerstörenden Trieben diente und seinen Begierden endlich Befriedigung versprach. Die bestehende Ordnung hatte ihnen keine gewährt.

Der Haß sogar, erster Antrieb der Persönlichkeit und ihrer ganzen Bewegung, war anfangs zögernd und kleinlich. Schwung bekam er erst, großartig und des großen Mannes würdig wurde er erst im Verlauf seiner Taten, die ausschließlich in Reden bestanden. Er ist immer mehr gewachsen, je häufiger er loslegte und sich in Wut redete, zuerst vor zwanzig Personen, und mehrmals kamen noch weniger. Als er nicht ohne schwere Befürchtungen in einen größeren Saal übersiedelte, liefen ihm gleich vierhundert Hörer zu, dann zweitausend, und er war gemacht.

Er verdiente es durch seine wirkliche Rednergabe. Diese äußerte sich darin, daß er jedes beliebige Zeug überzeugend und dramatisch von sich geben konnte. Fremd waren ihm alle Bedenken hinsichtlich der Mittel, zu denen er griff, um die Wirkung zu erzwingen. Hauptsache war, daß diese allabendlich eintrat. Alle mußten weinen wie die kleinen Kinder, und wirklich, wer ihm zuhörte, vergoß heiße Tränen. Er sah zu seinen Füßen alte Professoren der Universität München; sie waren aus Neugier gekommen, wollten diesen ungebildeten Redner mal begutachten, aber ganz unerwartet kriegte er sie dermaßen in seine Gewalt, daß auch ihnen die Wangen naß wurden.

Die Sache war, daß er unbewußt seinen Ausgangspunkt richtig gewählt hatte. München hat tatsächlich anfällige Nerven bekommen durch den hundertjährigen Verkehr mit Künstlern jedes Kalibers, denen dort eine übertriebene Bedeutung zufällt, weil diese Mittelstadt nicht grade der Sitz der wichtigsten Wirtschaftsgruppen ist. Infolgedessen ergreift die Hysterie dort Leute, die anderswo normale Ladenbesitzer wären. Eine ganze Bevölkerung bekundet merkwürdige Anlagen für das Komödiespielen und eine ausschweifende Einbildung, aber andererseits bewahrt sie sich die rauhe Kargheit ihrer bäurischen Vorfahren. Von Zeit zu Zeit bewirkt das Anfälle einer höchst eigentümlichen Verwilderung. Wer die Leute verrückt schwatzen will, hat hier ungewöhnliche Aussichten. Immer nimmt jemand das wahr, nicht umsonst gibt es hier Tausende verfehlter Künstler.

Der große Mann mußte sich noch zehn Jahre lang abzappeln, bis er Deutschland in die Hand bekam. München hatte er gleich. Soziale und seelische Wandlungen, denen er selbst nicht fremd war, brachten es mit sich, daß in der Zwischenzeit ganz Deutschland dem in München heimischen Geisteszustand nahekam, ja, ihn übertraf. Jetzt oder nie war die gute Gelegenheit für einen Massenverführer. Massen aber verführt man durch das Geschlecht.

Er hatte ganz richtig bei den reifen Frauen angefangen; die boten sich ihm als erste Stützen an. Seiner Sendung zuliebe verschmähte er sie nicht, bevorzugte freilich bei weitem die männliche Draufgängerei der Knaben. Er selbst bezauberte hauptsächlich mit weiblichen Reizen besonderer Art. Gleich der Straßenvenus bekam er seine ganze Schönheit erst am Rande des Mordes und mit Schaum vor dem Mund. Dann keuchten die Massen unter seinem überwältigenden Ansturm, und rückhaltlos ergaben sie sich diesem fürchterlichen sex-appeal.

Jeder hat ihn gehört, seit er über den Rundfunk verfügt. Er beginnt mit einer ungepflegten Stimme und hinterwäldlerischen Aussprache, schleppend, aber drohend. Bald steigert sich sein Ton und wird der des schlechten Volksstücks, des pöbelhaften Klamauks, schreiend, vor Wut sich brechend. Endlich gibt er das Letzte her: dann erscheint das nackte Urwesen, die Venus entsteigt ihrer Schlammflut und stellt sich schamlos aus mitsamt ihren Schäden, die offenbar den Trieb der Menge noch mehr aufpeitschen. Man sieht eine bösartige Frau und sieht, warum sie geliebt wird. Sie wendet sich schroff an die Leidenschaften, die niemand eingestehen würde, sie aber reißt ihnen die Maske ab. Vor allem wird sie nie vergessen, dazwischen weinerlich zu werden, wie wenn eine gemeine Komödiantin das arme Opfer spielt. »Wir werden verfolgt!«

Gegen Schluß seiner Reden fragen manche Hörer sich in tiefster Seele beleidigt, ob denn niemand den Kranken, einen Epileptiker offenbar, abführt und zu Bett bringt. Die Ärzte, vorausgesetzt, sie dürften ihre Diagnose stellen, ohne daß sie dafür eingesperrt werden, sprechen wohl von Verfolgungswahn. Nach seinen Taten werden sie den großen Mann, heute in seiner Allmacht, einreihen unter die Verfolgungssüchtigen aus Verfolgungswahn. Der Redner selbst aber, der die Massen vergewaltigt und schändet, hat davon gleichzeitig einen Genuß, würdig seines empfindlichen Künstlertums. Der Künstler in ihm ist verdrängt, ist überreizt, und da die Schaffenskraft nun einmal fehlt, hat er, um zu seiner Wirkung zu kommen, nur eins gefunden. Er zieht sich aus bis auf die Haut vor allen Leuten – sie können nicht genug staunen über diese anstandslose Selbstenthüllung eines Menschen mit allem, was er eigentlich verbergen sollte.

Verdrängung, Überkompensation, Komplexe, der ganze Freudsche Wortschatz wäre anzuwenden; und wäre der große Mann persönlich sich dessen nicht bewußt, einige der Seinen wissen genau, woran sie sind. Es ist ihnen klar, daß er selbst wie auch seine glänzende, erfolggekrönte Bewegung ausgegangen sind von zweideutigen Gegenden der Menschennatur, die eine Aufhellung nur schlecht vertragen würden. Erst unter diesem Gesichtspunkt versteht man, warum sie alles Analytische und daher die ganze Literatur, die davon lebt, so furchtbar hassen. So sieht es aus am Grunde der Anbetung, die der große Mann genießt. Sie wird ihm dargebracht von Zeitgenossen, die dem Irrationalen verfallen sind und sich nach Herzenslust darin wälzen.


In dem Augenblick, als er zur Macht kam, wollte er es gar nicht. Er wurde herangezogen von Leuten, die auf das Ganze gingen, um ungeheure Unterschlagungen zu verdecken. Eine Korruptionsaffäre war der Anlaß. In ihrem Gefolge wurde er der blutige Gebieter eines Landes, das er sonst immer vergebens begehrt hätte. Ein weiterer Anlaß war seine Furcht vor dem Gefängnis. Denn er hatte nur die Wahl, vom General von Schleicher verhaftet zu werden oder sich von den anderen zum Kanzler machen zu lassen. Schon 1923 während eines ersten Putschversuches hatte er sich als feig erwiesen. So außerordentlich feig darf nur jemand sein, der sich für noch ganz andere Gemeinheiten aufspart.

Als Machthaber völlig ohne Aufsicht, besonders ohne die eigene, bekam er endlich die Möglichkeit, sich frei zu entfalten. Zuerst faßt man sich an den Kopf, wenn man die Folgen sieht. Diese werden aber bedingt durch die Herkunft des Diktators. Deutschland hatte das nie gekannt, nie diese peinliche Gesinnungsschnüffelei, nie eine solche Polizei, die vor dem Privatleben der Steuerzahler nicht haltmacht. Verfolgungen waren bei uns nicht üblich, sogar unter dem Kaiserreich lebten wir im Schutz der unverletzlichen Gesetze. Man kann sagen, daß der deutsche Staat hart gewesen war. Wozu er aber niemals gegriffen hatte, waren überlegte Grausamkeit und Haß.

Das war Habsburgisches Erbe. Die hatten ihre Deutschen und Ungarn ausgespielt gegen ihre Slaven und Italiener, und gradeso benutzt der große Mann, als Nachfolger Habsburgs, die deutschen Parteien. Der Rassenhaß war als Regierungssystem unbekannt gewesen im Lande des Freidenkers Friedrich und des heute so liberal anmutenden Bismarck. Der Antisemitismus behielt hier immer etwas von einem verschämten Pechvogel. Er hatte warten müssen, bis der große Mann erschien und ihn ehrlich machte; da erst durfte er sich austoben im Licht der Sonne.

Der Unterdrückung gesellt sich das Belieben eines einzelnen, ein Absolutismus, von dem kein deutscher Fürst uns jemals einen Begriff gewährt hatte. Das geht so weit, daß das Dritte Reich, nach dem Geständnis seiner Anhänger, gleichbedeutend ist mit der Person seines Herrn und Meisters. Nach seinem Fortfall ist sein Reich nicht mehr vorstellbar, und ganz so lag es einst mit Franz Joseph. Zwanzig Jahre, bevor dieser starb, war genau bekannt, daß es nach ihm kein Österreich mehr geben werde. Es sei nicht vergessen, daß der alte Kaiser harmlos geworden war und sich nichts mehr zuschulden kommen ließ. Gleichwohl hat die Unterdrückung, wie auf der anderen Seite auch die Freiheit, ihre Überlieferungen; und die eigentliche Herkunft aller Unterdrückung liegt für ganz Europa in der Wiener Hofburg.

Auch Italien hat zur Knebelung von Italienern nur die Methoden wieder aufgenommen, die es einst der österreichischen Herrschaft abgesehen hatte. Deutschland aber schoß den Vogel ab, sein Herr wurde der echte Österreicher, und nie hat es sich so tief gebeugt. Es grüßt Jahrhunderte der Knechtschaft und tut, was es kann, damit sie auferstehn zu Ehren des großen Mannes, der von manchen Seiten gesehen altertümlich wirkt.

Im Rausch der Unterwerfung findet Deutschland auch nichts bei besonders österreichischen Zügen, über die es sich früher einfach lustig gemacht hätte: das falsche Künstlertum, das von der eignen werten Person nie loskommt, die Verlogenheit, Komödianterei und Gefühlsduselei. Der Betreffende schreckt nicht davor zurück, der Welt, die einfach paff ist, mitzuteilen, er gedenke sich »am Grabe seiner Eltern zu sammeln«. Das Grab liegt in Österreich, und er wollte sich dort keineswegs sammeln, er wollte hetzen. In Wien muß man herzlich gelacht haben. Dort durchschaut man ihn zu eingehend, als daß man seinem Zauber je erliegen könnte, und der Widerstand des kleinen, aber klug und vorsichtig gewordenen Österreich gegen seine Umklammerung ist ein richtiger Familienaufruhr.

Ganz in Anspruch genommen von seiner eigenen, nunmehr berühmten Persönlichkeit, hatte der große Mann immer verschmäht, irgend etwas zu lernen. Dabei beharrt er. Er ist nach wie vor der eingefleischte Arbeitslose, der einst in den kleinen Münchner Kneipen auf Gelegenheiten paßte. Wie damals, drängt er sich vor, unbeschwert von Grundsätzen, Lehren und besonders von vertieften Studien. Man kann versichert sein, daß er Marx nie gelesen hat. Wäre der Marxismus in Mode, sofort wäre er sein Vorkämpfer. Er ist überzeugt, daß Ideen durch sich selbst nichts wert sind. Nicht dem geistigen Schöpfer gebührt dafür Ehre, sondern dem Agitator, der sie unter die Leute bringt und sich selbst herausstellt. Dies betont er in seinen Denkwürdigkeiten, die er vor dem vierzigsten Lebensjahr niederschrieb. Deutschland, sein Verfall und seine Erhebung kommen auch darin vor, aber nur als Begleiterscheinungen seiner eigenen hohen Bedeutung.

Weil er es ist, darf auch sein Wahlvaterland sich alles herausnehmen. Es darf sogar seinem Zusammenbruch entgegeneilen und noch andere damit bedrohen. Vorausgesetzt, daß er sich jeden Tag als Mittelpunkt einer anderen Volks- oder Militärschau fühlen darf, macht es ihm kaum Sorge, was aus einer Nation wird, mit der er dann eben fertig ist. Anders wäre so viel Gewissenlosigkeit nicht zu erklären bei dem großen Mann. Alles was er tut, ist das Gegenteil seiner Versicherungen. Schließlich ist doch er der große Bezwinger des Marxismus – in Worten, denen er Nachdruck verleiht durch Absetzungen und Einkerkerungen, nicht zu reden von den Morden. Aber auch das Zeitalter der Enteignungen hat er eingeleitet. Auf seinen Befehl werden Bankguthaben beschlagnahmt, und die Gewerkschaftshäuser ebenso wie das Eigentum bekannter Persönlichkeiten der Linken werden einfach weggenommen. Man dringt ein, raubt die Autos, verbrennt die Bibliotheken, gleichviel, ob private oder öffentliche. Plündern ist eine Einrichtung geworden.

Die Konzentrationslager dienen nicht nur für Marxisten. Unter den Gefangenen sind einfache Händler, sie haben nichts weiter getan, als daß sie für die Butter verlangten, was sie wert war. Zeitweilig haben sogar mehrere der hochheiligen Industriellen ihnen Gesellschaft geleistet. Mit welchem Recht schließt ein Verteidiger der kapitalistischen Gesellschaft die Nachtlokale, die so wesentlich zu ihr gehören? Wieso zwingt er auf der anderen Seite die Leute, Unternehmungen weiterzuführen, obwohl sie daran nur noch zugrunde gehen können? So viele jüdische Häuser kann man dem Bankrott in die Arme treiben, ungerechnet die nichtjüdischen, die infolgedessen auch zusammenbrechen: und trotz all dem bleibt man immer noch der Retter des Kapitalismus? Die Selbstmörder liegen zu Haufen da, das Land verwandelt sich in ein Schlachtfeld, bedeckt von Dunkel und Geheimnis. Unterhalb der großsprecherischen nationalen Revolution gleitet es unversehens in eine wirkliche, und die wird marxistisch sein. Bevor es etwas merkt, ist es mitten darin. Davor bewahren weder die Rekord-Aufträge an die Rüstungsindustrie noch die Versklavung der Arbeiter; sie kam viel zu schnell und überraschend, um von Dauer zu sein.

Droben, wo der große Mann sich Bewegung macht, rühmt er sich seiner Zertrümmerung des Marxismus, und nach jeder Zertrümmerung verkündet er wieder, er verfolge ihn. Es scheint so. Die Wahrheit ist, daß es ohne ihn in Deutschland überhaupt keinen tatbereiten Marxismus gäbe. Unter der Republik schlummerte er.

Aufgewacht ist er von dem Geschrei der Rassenbrüder: Deutschland erwache! Ein Wiedereinschlafen gibt es für ihn nicht; er lebt fortan dank der Wirksamkeit derer, die ihn in Grund und Boden stampfen wollen. Ihre Gewalttaten, die durchaus in seinem Sinn sind, werden um so schneller sein Glück machen.

Solche Gedanken liegen niemandem so fern wie dem großen Mann. Der hält die Wirtschaftsführer, nach allen ihren Niederlagen und denen des Landes, noch immer für die Krone der »arischen Rasse«, die es gar nicht gibt, und die Arbeiter für den Abfall derselben erfundenen Gattung. Der große Mann ist träge, aber die Beschäftigung mit den gesellschaftlichen Umschichtungen würde ihn zum Nachdenken nötigen. Nicht nur um das Volk zu betrügen, sondern vor allem zu seiner eigenen Bequemlichkeit läßt er vor den wirklichen Vorgängen, so daß sie unsichtbar werden, einen Märchenfilm ablaufen. Die Zuschauer werden mit vorgehaltenem Revolver dahin gebracht, dies für die Wahrheit zu halten. Er selbst aber kennt gar keine andere.

Es liegt ferner an der Geistesbeschaffenheit des großen Mannes, daß er überhaupt nicht unterscheidet zwischen Ideen und Menschen. Wenn er die Menschen hinter schwedischen Gardinen hat, dann ist er überzeugt, er habe auch die Ideen beseitigt. Für ihn bleibt alles, was der Geist vermag, immer darauf beschränkt, daß ein Redner sein Publikum fest in der Gewalt hat. Dafür muß der Redner allerdings in Freiheit sein; und da nicht der Kommunist, sondern er selbst sich der Freiheit erfreut, scheint ihm die Frage endgültig entschieden.

Dann kommt noch etwas hinzu bei diesem erstaunlichen Revolutionär. Seitdem er selbst in Glück und Wohlstand sitzt, bestimmt er von oben herab, daß die Revolution jetzt aber auch vorbei ist. Ja, seine Parteigänger, soweit sie darin anderer Meinung sind, werden von ihm behandelt, als wären sie bloß Marxisten. Das ist nun wirklich neu: das Ende einer Revolution durch amtliche Verfügung. Er ist noch nie auf den Gedanken gekommen, daß sie längst vor ihm, schon 1914 begonnen hatte und daß sie nach ihm weitergehen wird, wahrscheinlich bis 1940. Sie wird erbitterter weitergehen, noch blutiger sogar, als er sie gewollt hatte. Indessen wird nur er der Schuldige sein, so viel äußerstes Geschehen noch folgen mag auf seine Ausschweifungen. Übrigens ist mit Sicherheit anzunehmen, daß er sich jeder Verantwortung entziehen wird. Wenn die Stunde der Abrechnung schlägt, wird er im Flugzeug auf und davon sein. Nicht umsonst ist der große Mann ein glühender Verehrer der technischen Beförderungsmittel.

Natürlich begreift er nicht im geringsten, daß die Geschichte ihn nur als Übergang benutzt. Er nimmt alles wörtlich. In seinem Buch stößt man auf Stellen – vor so viel Mangel an Selbsterkenntnis bleibt einem die Spucke weg. Er schreibt: »Im politischen Leben pflegen solche Nullen, wenn ihnen das Schicksal die Herrschaft vorübergehend in den Schoß wirft, nicht nur mit unermüdlichem Eifer die Vergangenheit zu besudeln und zu beschmutzen, sondern sich selbst auch mit äußeren Mitteln der allgemeinen Kritik zu entziehen.« Weiß er denn Bescheid? Ist ihm seine Lage klar? Ach nein, hier meint er den armen Ebert, der sich zwar keineswegs für den Mann des Schicksals gehalten hat. Er war wohl eher vom Zufall bestimmt. Dafür besaß er gesunde Nerven, hatte sein Leben lang gearbeitet und war Deutscher. Ferner brauchte seinetwegen die Welt keinen Krieg zu befürchten.


Grade darauf beruft sich der große Mann und »entzieht sich der Kritik«. Die Ehre eines Landes fordert, daß es gefürchtet wird. Verrat ist jede Bemühung um einen Frieden, der nicht geladen mit Drohungen ist. Gebrüllt muß werden bis zur Besinnungslosigkeit, daß man sich schlagen will, oder auch, daß man sich zwar nicht schlagen, aber alles mögliche annektieren will, was man nie bekäme, ohne sich zu schlagen. Jedenfalls brüllen! Sonst ist man ein Verräter!

»Sowenig wie die Hyäne von Leichen, werden die Marxisten vom Verrat lassen« – soll heißen, daß sie einfach nichts für den nächsten Krieg tun. Dieser so geschmackvolle Ausspruch des großen Mannes möchte ihn, wie eine ganze Menge ebenso kriegerischer Sätze, als Nachfolger Friedrichs und Bismarcks hinstellen. Indes haben diese beiden Realisten vorsätzlich und zu genau bestimmten Zwecken Kriege herbeigeführt, die durchaus vermeidbar waren, aber wenigstens gingen sie von klaren Tatsachen aus. Er dagegen weiß gar nicht, ob er jemals Krieg führen wird, Lust dazu hat er bestimmt nicht. Durch ihn wird der Krieg allerdings wahrscheinlich; aber darum weiß er immer noch nicht, welche Ausdehnung der Krieg annehmen wird und wozu er überhaupt nützen soll. Der große Mann ist nicht einmal sicher, wer seine Gegner sein werden.

Die Hauptsache ist, vom Krieg zu reden und die Gefahr, sei sie nahe oder fern, dauernd wach zu erhalten. Einmal geht es um die frist- und restlose Wiederaufrüstung, das andere Mal ist man in höchster Sorge über Verfolger, die nicht namentlich aufgeführt werden, aber, wohlverstanden, »wir werden verfolgt«, was vierzehn Jahre lang nicht der Fall gewesen war. Vor seiner Zeit war in der Stimmung Europas, alles in allem, eine solche Beruhigung eingetreten, daß es schon langweilig wurde. Er hat ausfindig gemacht, wie man Stürme entfesselt, ohne daß man sich auf Kampf einläßt oder auch nur die Verantwortung übernimmt für die Folgen der eigenen Reden.

Der große Mann leistet sich heftige Gemütsbewegungen, aber ihn verpflichten sie zu nichts. Die Erregung seiner Hörerschaft bietet dagegen die Gewähr, vorzuhalten und weiteres nach sich zu ziehen. Erstens wird jedes Publikum, wenn es sich erst hat mitreißen lassen, echter als der beste Schauspieler, denn dieser denkt an seine Technik. Den großen Mann nimmt sie sogar dermaßen in Anspruch, daß die Frage entsteht, ob er sich eigentlich für den richtigen Kanzler hält oder nur für den, der die Rolle übernommen hat. Vor seinem tiefsten Bewußtsein steht vielleicht ein schon mal dagewesener Völkerführer, den der Schauspieler nur packend hinzulegen braucht, dann versagt keine Wirkung.

Sein Künstlertum ist hoch befriedigt. Andererseits braucht er die Kriegsgefahr auch, um an der Macht zu bleiben. Es gäbe gar keinen Grund, warum grade er sie hat, wenn das Land nicht durch ihn und seine Bewegung in einen Rachekrieg geraten wäre: Rache für eine unvergeßliche, nie verdaute Niederlage. Eine merkwürdige Erscheinung ist es, daß die Rache sich im Innern und gegen Deutsche austobt. Das ist die allein zulässige Bedeutung der sogenannten nationalen Revolution. Man macht Jagd auf Landsleute, man tötet sie als Ersatz für auswärtige Feinde, und dann lügt man sich selbst vor, diesmal habe man wieder gesiegt. Weil der große Mann sie mitgerissen hat zu eingebildeten Triumphen und wirklichen Exzessen, wird er von all den Unglücklichen gefeiert, als wäre er Sieger in hundert Schlachten. Die Anbetung eines Volkes ist selten so billig zu haben gewesen, und wer durch einen rick zu einem weitverbreiteten Namen kommt, der verekelt anderen den Ruhm.

Eine der Konflikte und Krisen müde Welt möge dem großen Mann einen Preis für Diplomatie erteilen, weil er eines Tages, ganz ausnahmsweise, gegen den Weltfrieden nichts einzuwenden hatte. Seine rein zufälligen Erklärungen können andere vielleicht beirren, ihn nicht. Er weiß, wie es für ihn steht und welche Leidenschaften ihm das Land ausliefern. Hielte man ihn für einen aufrichtigen Freund des Völkerbundes, schon wäre er verloren. So hatte er damals sein Statisten-Parlament auch nur einberufen, um den Leuten das grade Gegenteil von Friedensliebe einzuprägen. Alle seine Ansprüche wollte er schroffer als je in die Welt hinausrufen. Eine Anweisung aus Rom von seinem väterlichen Vorgesetzten bewog ihn, unerwartet zahm zu reden, aber alle, die dabei waren, haben seine Worte richtig eingeschätzt.

Es war eine Kraftleistung, er probierte aus, wie viel das Volk seiner Anbeter wohl vertrug, und tatsächlich wichen und wankten sie nicht. Sie nahmen seine Friedensbeteuerungen glatt hin, sie bejubelten ihn so rasend begeistert, als hätte er ihnen eine Kriegserklärung verlesen. Der große Mann hat ein Maß persönlicher Geltung erreicht, wo es auf das Gesagte nicht mehr ankommt, sondern nur noch auf den Sprecher. Ebensogut hätte er in jener Sitzung schweigen und auf die Toilette gehen können. Bei seiner Rückkehr hätte man ihn gradeso gefeiert.

Er darf sich alles erlauben; er muß es sogar. Jemand, der wie er gegen klare Tatsachen angeht, sich unausgesetzt widerspricht und weder Grundsätze noch Regeln kennt, der bringt die Gehirne zum Sieden. Ebensooft allerdings versagt vor so etwas das Herz. Man höre ihn reden von den vierzehn Jahren innerer Kämpfe – zu denen nur er selbst gehetzt hat – und von der nationalen Erhebung, die Deutschland den Frieden gebracht haben soll – den Frieden des Friedhofes und des Schlachthofes! Da steht er und nennt sich Freund der Arbeiter, nachdem er sie ausgeraubt und klein gekriegt hat. Oder er gibt Blödsinn von sich über die reine, arisch-deutsche Rasse, die ganz allein alle großen geistigen Eroberungen vollbracht habe – und dabei hat er die jüdischen Gelehrten, denen manche zu verdanken sind, soeben fortgejagt. Bewundert ihn, wie er Redensarten macht über die Selbstmordepidemie, deren einziger Urheber er selbst ist! Seht ihn unterschiedslos die Ideen anderer klauen, bolschewistische, faschistische, republikanische: aber alle versteht er falsch und entwertet sie. Welch eine Frechheit gehört dazu, den deutschen Frauen zu versprechen, ihr Dasein würde wieder werden wie zu Olims Zeiten, es sollte ausschließlich im Schoß der Familie verlaufen und unberührt bleiben von allen Bedingungen des wirklichen Lebens!

Man glaubt ihm oder glaubt ihm nicht, das tut nichts zur Sache. Der Zweck ist nur, sich in Schwung zu halten, ob rednerisch oder sonstwie. Darin besteht der famose Dynamismus. Wahrheitswidrigkeiten nehmen Leben an, weil sie für national gelten, und man ergibt sich ihnen, bis Tod eintritt.

Der große Mann ist im günstigen Augenblick erschienen, und seine Größe wurde ihm zugesprochen von einer Nation, die nichts mehr sah und hörte als nur ihn: Grund genug, ihn für den längst Erwarteten zu halten. So übertreibt er denn bewußt seine Hysterie. Es ist einer seiner Vorzüge, ein Hysteriker zu sein. Ein anderer Vorzug ist, daß ihm auf den meisten Gebieten die einfachsten Kenntnisse abgehn, daß er nichts gearbeitet hat; und weiter kommt ihm zustatten sein höchst oberflächliches Verhältnis zu dem Lande, das ihn umschmeichelt wie einen Kino-Vamp.

Die großen Männer werden geschaffen von den Völkern; gegen eine solche Gesamtentscheidung gibt es keine Berufung. Übrigens kommt nicht zum ersten Mal einer von ihnen aus den Randgebieten der Nation, fast schon von draußen. Höchstens könnte man unter den Erwählten bedeutende Unterschiede feststellen; man weiß nicht, ob sie auf Rechnung der Nationen kommen. Vielleicht hat nur etwas Glück dazu gehört, daß Frankreich einen Napoleon fand oder von ihm entdeckt wurde. Deutschland verfiel auf einen Erwählten, der anders aussieht. Es ist der große Mann.


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