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Vierter Brief.

W Wir haben zu Anfang des vorigen Briefes gesehen, daß eine der hauptsächlichsten Ursachen der schnellen Verbreitung der Reformation die Verfälschung war, welche sich Luther mit mehreren Stellen der heiligen Schrift erlaubte.

Eine zweite war die Unwissenheit der Geistlichen und die Habsucht und der Ehrgeiz der weltlichen Fürsten seiner Zeit.

Was nun zuvörderst die ersteren anbelangt, so waren die Bischöfe bekanntlich größtentheils die nachgeborenen Söhne der weltlichen Fürsten, und man hätte denken sollen, sie würden sich schon aus eigenem Interesse den reformatorischen Bewegungen haben entgegensetzen müssen. Aber gerade, wie heut zu Tage ein großer Theil des demokratischen Adels blindlings gegen sein eigenes Fleisch und Blut wüthet, so geschah es auch dazumalen. Bei Einigen war es wohl die cavaliermäßige Unwissenheit in der Theologie, welche sie zu Luther hinneigen ließ, eine Unwissenheit, die beiläufig gesagt, durch die späterhin, nach und nach immer mehr erfolgte Säcularisation aller geistlichen Ländergebiete von den bischöflichen Stühlen zum großen Heil der katholischen Kirche dermaßen verschwunden ist, daß der deutsche Episcopat vielleicht seit Gründung des Christenthums nicht besser gewesen ist, als seit der Zeit, wo er nicht mehr zur bloßen Ausfutterung unwissender und innerlich unberufener Fürsten- und Grafensöhne diente. Denn so ist es z. B. notorisch, daß Carl V. von dem damaligen Kurfürsten Hermann von Cöln sagte, als er Bucer und Melanchthon zur Reformation seiner Länder hatte rufen lassen: was der gute Mann reformiren wolle, der kaum lateinisch verstände, in seinem ganzen Leben nur 3 Messen gelesen, und in der einen, die er, der Kaiser selbst gehört, schon im Introitus Fehler gemacht habe. Gesch. der Ref. in Deutschland von Woltmann 1. S. 318. Bei Andern mochten Heirathsgedanken, wie bei ihren reformatorischen Mönchen in's Spiel kommen. Wenigstens verklärte sich das ganze Gesicht des Hochmeisters Albrecht, als Luther ihm rieth, Preußen in ein weltliches Fürstenthum zu verwandeln, und sich zu vermählen. Ranke deutsche Gesch. im Zeitalter der Ref. II. S. 180.

Diesen beiden geistlichen Fürsten folgten der Bischof Franz von Münster, und gewissermassen auch die Bischöfe von Mainz, Trier und Würzburg, indem sie die Auflösung des schwäbischen Bundes herbeiführten. Und wenn nun gar der Bischof von Brandenburg den Churfürsten Joachim II. bereden konnte, den Schwur, katholisch zu bleiben, welchen er seinem Vater auf dem Sterbebette geleistet, zu brechen, und zur evangelischen Religion überzugehen; so ist ganz klar, daß diese Beispiele hoher Kirchenfürsten der reformatorischen Bewegung überall im Volke den größten Vorschub leisten mußten.

Aber ein noch weit größeres Interesse als die geistlichen, fanden hiebei die weltlichen Fürsten. Da Luther ihnen bekanntlich alles Kirchengut preis gegeben: ei, welche bessere Gelegenheit konnte ihnen kommen, als sich mit dieser unvergleichlichen Wünschelruthe zu bereichern, ihre größtentheils so schweren Schuldenlasten zu tilgen und für die Ihrigen auf so wohlfeile und mühelose Weise zu sorgen? Zudem waren Papst und Kaiser noch immer halb und halb ihre Zuchtmeister gewesen. Auch da gab's keine bessere Gelegenheit sich von beiden auf immer loszumachen, als die Reformation, sollten sie auch das arme deutsche Vaterland dadurch in einen Abgrund des Elends und der Zerrissenheit stürzen, den freilich nicht viele vorausgesehen haben mochten, in den sie es aber wirklich gestürzt haben bis auf diesen Tag. Daß ihnen der niedere Adel hierin freudig folgte, und lüstern soviel Kirchengut an sich riß, als er konnte, ist bekannt, auch von Luther selbst an unzähligen Orten ausgesprochen.

Daher hätte ein katholischer Fürst wie Heinrich von Braunschweig, inmitten der protestantischen Länder seßhaft, immerhin eine, für das gemeinsame deutsche Vaterland wohlthätige Reaction herbeiführen können, wie nebst vielen seiner Zeitgenossen auch Kaiser Carl V. zu vermuthen schien. Aber es gebrach ihm leider an Redlichkeit der Gesinnung. Offen schmeichelte er dem Kaiser, durch den er an Macht und Ansehen zu wachsen hoffte, heimlich verleumdete er ihn; um 1529 schien er der Reformation sogar geneigt, und wendete sich nun wieder später von ihr ab, auch wohl zugleich deshalb, um seine Privat-Rache gegen mehrere Fürsten seines Hauses zu befriedigen, bis er kurz vor seinem Tode 1568 dennoch wirklich zur Augsburger-Confession übertrat. Sein Liebesverhältniß zu Eva von Trotta mußten seine Glaubensgenossen noch empörender finden, als das des Landgrafen Philipp von Hessen, der sich mit Luthers Erlaubniß bekanntlich zwei Frauen antrauen ließ.

Aber das Alles wußten die guten Herren nicht, welche ihm zur Wiedereroberung seines Landes in der besten Absicht zu Hilfe eilten, und von welchen ich nun unsern Hager in seiner Erzählung fortfahren lasse:

Die Reise in den braunschweigischen Krieg.

Als wir nu gen Salzburg kamen, zeiget uns Herr Franciscus den hohen Salzburg, wo die verrätherischen Bauern den Cardinal und Erzbischof Matthaeus Lang ao. 25 belägert gehalten, seine und der Thumherren Residenzien geplündert, die ganze Stadt verkehret und allerlei Gräuels an Männern und Weibern verübet, so sich gewegert, ihren thurstiglichen Haufen zu mehrende.

So waren wir teutschen Ritter, sprach er weiters, just von der großen Schlacht bei Pavia zurückgekehret, wo wir den Franzosen die rothe Morgenkost eingebrocket, als wir von so großem Gräuel derer Bauern berichtet wurden, wie selbige hier und anderer Orten im ganzen Süden des teutschen Vaterlandes gewüthet, die Burgen gebrochen und ausgepuffet, den Adel jämmerlich erwürget, die Priester getödtet und verjaget, und ihre freimüthigen zwölf Artikul an Geistlich und Weltlich gesendet, um sie auch zu beschwören. Beriefen sich auf Lutherum Sleidanus a. a. O. lib. V. 129. und die Schrift; wöllten auch die rechte christliche Freiheit haben, ihre Prädicanten selbsten wählen, das reine lautere Wort hören, freie Jagd und Fischfang üben, keinen Zehenten mehr geben, nit mehr am Freitag Schneckenhüsli suchen, Garn winden, Erdbeer und Schlehen gewinnen und die Hund auf das Gejäd leiten, Summa: frei sein von allen Abgaben, Frohnen und Lasten. Auch vermeinten Etzliche: die Creatur müsse nit minder frei werden, als Gänse, Hühner, Enten, Hunde, Pferde, Ochsen, Esel Ranke a. a. O. II. 207 und 293. in Summa alle Creatur, so der tyrannische Mensche gebändiget und geüberwältiget, angesehen die Schrift sage, Römer am 8ten, daß die Creatur frei werden sölle von dem Dienste des vergänglichen Wesens zu der herrlichen Freiheit der Kinder Gottes. Und wären sie diese Kinder Gottes: ergo etc. etc. item, wären alle Menschen gleich von Gott erboren, Bauer wie Edelmann, Knecht wie Freier, müßte auch ein Jeglicher gleich viel fürstellen, und der Reiche mit dem Armen theilen. Es wird hoffentlich für Leute, welche so sehr den Fortschritt lieben, als unsere Socialisten, hier nur eines geringen Winkes bedürfen, um diese großartigen Ideen ihrer früheren Geistesverwandten wieder aufzunehmen und » wissenschaftlich« zu entwickeln und auszubilden. Noch mehr aber werden sie darüber erstaunen, daß man schon zu Plato's Zeiten von einer Freiheit der Hunde und Esel sprach; der einseitige Philosoph aber nicht darauf eingehen wollte ( de republica VIII).

Aber ich und Männiglich haben vor Pavia und Salzburg gelernet, wie der Unterschied zwischen Adelsblut und Bauernblut geschaffen; item wie Gott noch immerdar den Hochmüthigen widersteht und den Demüthigen Gnade giebet.

Kein hochmüthiger Volk, ihr Herren, denn der französische Adel, so sich hommes d'armes benamsete, aber auch kein adlicher Volk auf Erden. Thäten es alle in Pracht und Hoffahrt ihrem ritterlichen König Francisco nach, den ich Euch erstlich beschreibe, daß ihr merket, welcher Pracht vor den Mauern Pavias ritterlich zu Tode ging.

Es truge aber der König daselbsten einen silbernen Harnisch und einen güldenen Helm, auf dem ein güldener Salamander saß, mit der Umschrift: ista vice et non plus d. i. noch einmal und nicht öfter, item so fladderten ihme große, weiße Reiherbusche umb Hals und Schultern. Also saß er auf seinem braunen Streithengst, und umb den Harnisch glitzerte ihm ein Waffenrock von Silberstoff, mit einer gar säuberen Stickerei auf dem rechten Aermel, so seine Dame gefertiget, welcher er davor gelobet: nimmer vor seinen Feinden zurückezuweichen l'heureux présent par lequel te promys point ne fuyr devant mes ennemys. Epître du roi., als er denn auch thät. Ebenmäßig stolzireten alle hommes d'armes; hatten über und über die Harnische mit güldenen Stücken von allerlei Farb und Couleur verkleidet, item auch die Pferde verharnischt und mit sammitnen, bunten Decken und Federbuschen an Schwanz und Kopf verzieret, in währendem sie alle den Leibspruch des Königs: ista vice et non plus mit Perlen oder Demanten sich auf einen Aermel genähet, auf dem andern aber ebenmäßig ein gar sauberes Angebinde ihrer Damen.

Zu solcher Pracht kam der Hochmuth der schwarzen Fähnlein, so bis dato unbezwungen, und sich verrühmet: unser Herr Gott wäre nunmehro alt worden, und hätte ihnen das Regiment befohlen.

Solches verdroß unsern Herrn Gott, item verdroß es den theuren, deutschen Helden Georg Frundsberg. Selbiger zog sich demüthig über seinen Harnisch eine Franziskanerkutte, und griff erstlich die schwarzen Lästerer an, daß ein also großes Blutbad entstunde, wie es nimmer erhört gewesen. Denn dieweil er sie mit seinen Landsknechten ringsum, wie mit einer Kneifzangen einzwängete, und mit den Lanzen einen Igel um sie machete, wurden sie alle niedergestochen wie die Kälber.

Der grimmige Leutefresser brüllete: her, her! und stürzet sich nunmehro mit Pescara's Hakenschützen auf die hommes d'armes, welche in ihrer starken Waffenrüstung zu unmächtig waren und aller Enden niederfielen, wie das reife Obst im Sturmwind. Da kamen die Troßbuben und haueten mit Aexten und Beilen die gewundeten Ritter an, wie sie auf der Erden sich wälzeten, und ruheten nicht ehender, bis sie ihnen das Leben und den Harnisch genommen. Au wehe! das Blut des französischen Adels floß also heftiglich, daß ein Graben, so sie in den Tessino gezogen, ganz von Leichen ginge und wogete, und ward ich im Vorüberrennen gewahr, daß auch hier etzliche Troßbuben einem wunden Edelmann (hab nie ein schöner Mannsbild gesehen) den Arm mit den güldenen Spangen und dem Angebinde seiner Dame abhieben, und ihne treiben ließen, kopfunter kopfüber in den scharlach rothen Strom. Konnts nit wegern; mußte dem schrecklichen Leutefresser auf den König folgen, um den sich aller Adel geschaaret, nachdem die Schwarzen den schwarzen Tod gefunden, und auch die Schweizer, so ebenmäßig bis dato unbezwungen geblieben, vor Pescara in hellen Haufen flohen. Annoch sah man um den Nacken des Königs die weißen Reiherfedern fladdern, so aber schon streuens hin und her mit rothem Blut gebuntet waren, auch sahe man noch deutlich, daß der Großschildhalter seines Königsreiches, Galeas de St. Severin mit seinem vergüldeten, breiten Schwerte die Hiebe von seinem König abkehrete, der sein eigen Schwert mit beeden Händen gefasset und rings, Pinke Panke auf den Helmen der spanischen Ritter spiegelte. Aber als nunmehro auch der Schildhalter vom Rosse stürzte und der Adel entwahr wurde, daß der fürchterliche Münch in der Franziskanerkutten immer näher mähete, schrie er: gute Nacht Frankreich, gute Nacht mein König! und ließ sich also morden, daß eine Bank von Leichen um den König stund, so fast haushoch war, anerwogen wir nichts mehr als den güldenen Salamander über besagter Bank entwahr wurden. Um ein kleines aber war auch der Salamander nit mehr zu sehen, das Schlachtroß des Königs von Nicolao von Salm durchstochen, der König gefangen, und die größte Viktoria der Welt durch teutsche Tapferkeit errungen. Man sehe die ausführliche Schilderung der Schlacht von Pavia in Bartholds Georg Frundsberg S. 302 ff.

Sehet Junkers, so war das adliche Blut vor Pavia beschaffen. Nu merkend auch, wie das Bauernblut vor Salzburg geschaffen war.

Ehe denn der Leutefresser kam, hatte schon König Ferdinandus den Adel aufgeboten, die Bauern in Schwaben zu bezwingen. Dieweilen aber der Cardinal des Menschenblutes verschonen wollte, ward mit ihnen erstlich in Güte unterhandelt, und bin ich selbsten mit andern vom Adel dabei gewest. Aber die Bauern waren also unverschämt, daß sie die Personen vom höchsten Adel dutzeten, auch die Grafen von Hohenlohe, Bruder Georg und Bruder Albrecht benamseten, sprechende: Bauer und Graf wär anjetzo ein Teufel. Würden darumb ihre 12 Artikul nit angenommen, macheten sie nimmer Friede. Beriefen sich auch immer wieder auf Lutherum, und hielten uns seine Scripta, so sie mit sich führeten, unter die Nasen.

Aber als Georg Frundsberg der Leutefresser, der sieghafte, erschröckliche Mann kam, war Bauer und Edelmann nit mehr ein Teufel.

Der theure Held stund mit der Helleparden in der Hand vor seinen Fähnleins, und mußten die Deputirten, gegen 50 an der Zahl vor ihn treten, darunter auch diejenigen, so die Grafen gedutzet. Die andern Bauern stunden und sahen in der Ferne zu.

So hatten die Schelme ihme nu auch zwei Burgen ausgepuffet, auch sich in seinem Abwesen in Italia verrühmet: sie wollten seiner lieben Hausfrauen, Frau Annen die Schürze auf Mindelheim verbrennen. Solches rieb er ihnen unter die Nase, und indem er mit steifem Arm die Helleparde nach seinen Landsknechten ausstreckete, schrie er: ihr verrätherischen, dummen Schelme, wollt ihr Friede halten und nach Hause gehen, oder soll ich wieder wie vor Pavia schreien: her, her!?

Als nun meine Bauern sahen, daß der Leutefresser die Faust ausreckete, duckten sie sich alle 50, wie wilde Enten, wenn das Kraut Pulver. auf dem Zündrohr aufblitzet, und schrieen, nein, nein, sie wöllten alle auch gerne Friede halten, sie wären verführet, hättens auch mit Frau Annen nit so böse gemeint! etc., worauf alle 50 spornstreichs den reißaus gaben, und all ihr Heer hinterdrein.

Sehet Rittern, das war das Bauernblut vor Salzburg, und also ritterlich hat es auch gewallet vor Würzburg, Frankenhausen, Sindelfingen und an andern Orten, nur daß der großmüthige Leutefresser fehlete, dieweil er wie der Leue, das Blut der schnatternde Gänse verschmähete, wenn sie ihme auch die Futterkiste angenaget. Allüberall, so gute Obristen sie etwan hätten, hielten die Schelme kaumb den ersten Angriff aus, und hat dies mein gutes Schwert genugsam Gänseblut gesoffen, als daß ich nit davon zu erzählen wüßte. Denn mehr als 50,000 liegen aller Orten erschlagen, und düngen ihren Kindern den Acker.

Doch will ich hierbei eines weidlichen Bäurleins gedenken, der ein gar vernünftiger Kerl war. Denn nachdeme in der Schlacht bei Frankenhausen die armen Tropfen, statt sich zu wehren, mit lauten Stimmen Lutheri Liedel sungen:

Nun bitten wir den Heilgen Geist
Um den rechten Glauben allermeist,
Daß er uns behüte an unserm Ende,
Wenn wir hinfahren aus diesem Elende,

und an die zweitausend und mehr gefangen und wie die Jagdhunde gekoppelt wurden, begab es sich, als 24 Scharfrichter mit dem blanken Schwert ihnen in den Rücken traten, um sie zu enthaupten, ich zu einem Kerl sprach, der steif auf die Fahne des Landgrafen die Augen geheftet: »welches Regiment gefällt dir nu besser, der Bauern oder der Fürsten?« worauf der arme Tropfen mit einem herzlichen Seufzer zur Antwort gab: o mein lieber Herre, kein Messer schneidet schärfer, als wenn ein Bauer des andern Herr wird. Behüt Gott unser Nachkommen, daß sie verloffenen Pfaffen nimmer gläuben, und segnen alle fürstliche Regiment ihr Lebelang! Matthesius in der 5. Predigt von Luthero p. 45. a.

Solche Red gefiel mir also, daß ich sie an die versammelten Fürsten gelangen ließ, welche auch gnädiglich diesen Bauern sammt etzlichen andern entledigten. – Hieraus sehend aber Junkern, daß der Unterschied zwischen Adelsblut und Bauernblut ist wie Kienruß und Straßburger Mehl, und kein wahrer Wort, denn das alte Sprüchlein:

rustica gens
optima flens,
pessima ridens.
etwa: die Bauern sind am besten, wenn sie weinen,
Am schlecht'sten, wenn lachend sie erscheinen.

Als der Ritter also gesprochen, wollte Leonhard von Harrach es verreden, was selbiger von Luthero gesaget, und daß er die Bauern zum Aufruhr gereitzet, anerwogen er genugsam gegen sie gedonneret.

Aber selbiger gab lächelnde zur Antwort: wisset Ihr nit, wann die Buben sich balgen und der Schulmeister mit dem Bakel herfürspringet, hat Niemand angefangen, und der, so in Wahrheit angefangen, schreiet am meisten über seine Unschuld? Also auch mit Luthero und den Bauern, als der Schulmeister, will sagen der schwäbische Bund mit seinem Bakel kam.

Spricht jener: er wäre nit lutherisch, wölle es auch nimmer werden, aber Recht müsse Recht bleiben. Wüßte wohl, daß der Lutherus auf das geistliche Regiment schimpfiret, aber nit auf das weltliche, und hätt er dieses auch nit ehender angehoben, bis Pabst und Clerisei ihn in den Bann gethan und thürstiglich verfolget.

Ille: Ihr irret Junker, nit Pabst und Clerisei sondern der Münch von Wittenberg war zuerst der thürstigliche Mann. Denn als anno 18 ihm noch Niemand ein Haar gekrümmet und nur der einige Sylvester Prieritas ihn angegriffen ( wie er denn selbsten gesteht, Altenburger Ausg. I. S. 823. daß selbiger der allererst gewest), fordert er schon thürstiglich auf, Pabst, Cardinäl und Bischöfe wie Mörder und Diebe zu tractiren, und sich in ihrem Blut die Hände zu waschen. die in der That abscheuliche Stelle steht a. a. O. S. 69 und lautet wörtlich also:
»So wir Diebe mit Strang, Mörder mit Schwert, Ketzer mit Feuer strafen, warumb greifen wir nicht vielmehr an diese schädliche Lehrer des Verderbens, als Bäbste, Cardinäl, Bischöfe und das ganze Geschwürm der römischen Sodoma, die Gottes Kirch ohn Unterlaß vergiften und von Grund verderben, und waschen unsre Hand in ihrem Blut.« –
Und nichts desto weniger sagt der partheiische Ranke von dieser, nie zu entschuldigenden Antwort Luthers an Sylvester, welche sogar der Herausgeber eine »scharfe und ernste« nennt: »so armselig und leicht zu widerlegen ihm (Luther) die Schrift Sylvesters vorkam; so hielt er doch diesmal an sich« a. a. O. I. 320.
Solch trotziglich Ding verdroß Kaiser Maximilianum also, als welcher bis dato noch nichts von dem Wittenbergischen Münch gehöret Dies gesteht der Kaiser selbst in seinem Schreiben an Pabst Leo X. Altenb. Ausg. I. S. 113., daß er für Zorn mit dem Fuß zur Erden stampfete, und schon unterm 5. mensis Augusti (ich weiß es annoch, als ob es heute geschehen), mit Einem, Namens Julio von Althan, ein Schreiben gen Rom an Pabst Leo X. abfertigte, mit der Bitt: zu sorgen, daß christliche Wahrheit durch solche dumm-kühne Frevel, Disputationes und listige, verführerische Argumenta nit verfälschet werde.

Und was thät nu mein Pabst? Thät er etwan schon jetzo den thürstiglichen Münch in den Bann? Mit nichten, besondern er befahl allbereits unterm 23. mensis Augusti dem Cardinal Cajetan, den Münch fürzunehmen, und wenn er Reue verspüren ließe, ihne zu absolviren, was auch der Cardinal, wie männiglich weiß, gethan, dem Luthero alle Schimpfwort großmüthiglich übersehen, ja ihne seinen lieben Sohn genannt, Eigene Aussage Luthers a. a. O. S. 132. und sölle Alles vergeben und vergessen sein, wenn er widerrufen würd. Da widerrief mein Lutherus in Wahrheit für einem Notar und 4 kaiserlichen Räthen, und sprach:

Ich Bruder Martin Luther, Augustiner-Ordens, bezeuge, daß ich verehre und folge der heiligen Römischen Kirchen in allen meinen Reden und Thaten, gegenwärtigen, vergangenen und zukünftigen. Falls ich aber zuwider oder anders geredet; so will ich, daß solches für nicht geredet solle erachtet werden. Jenaische lateinische Ausgabe. Tom. I. f. 286. R. fol. 164. 2. Die deutsche Jenaische Ausgabe läßt perfide diesen Widerruf aus, ebenso die Altenburger 1. fol. 121 ff. Ob er in den übrigen Ausgaben der Lutherischen Werke vorkomme, ist mir nicht bekannt; doch bezweifle ich es, da sich die historische Lüge »Luther habe nicht widerrufen« überallhin verbreitet hat.

Aber als der Schalk widder der Stadt Augsburg den Rücken gekehret, schimpfirete er nach wie zuvor auf die heilige Kirche, welcher er neuen Gehorsam gelobet; ja, wurd immer thürstiglicher, spricht schon anno 1522: daß alle, so Leib, Gut und Ehre daran setzeten, daß der Bischöfe Regiment vertilget werde, liebe Gotteskinder und wahre Christen wären; hergegen alle, die da hielten über der Bischöf Regiment, des Teufels eigene Diener. Bulla und Reformat. Dr. Lutheri, angehängt der Schrift wider den falsch genannten Stand der Geistlichen. Wittenberg, deutsche Ausgabe Thl. VII. fol. 314. b. und 316. a.

Dieweilen nu meine Bauern gerne Gottes Kinder und nit des Teufels Diener sein wöllten, stund dies Gesinde, welches bis dato so gehorsam, fromm und demüthig gewesen, wie männiglich weiß, auch allererst in denen Landen des Abtes von Kempten und des Bischofes von Augsburg auf, denn was der Lutherus spricht, gilt ja bis zu dieser Stunden noch also unter dem tummen Volk, als wann es ein Engel vom Himmel, ja unser Herr Gott selbsten gesprochen.

Hierauf wollte der von Harrach ihn übermalen entschuldigen, sprach: Lutherus hätte ein hitziges Temperamentum; aber, wie scharf er auch das geistliche Regiment aller Orten angegriffen, wozu er auch in vielen Punkten Ursach gehabt, hab er doch jederzeit des weltlichen verschonet.

Hebet mein Dietrichstein wiederumb an zu lachen und repliciret: Junker, ich sich, Ihr kennt nit die Schriften dieses theuren Mannes Gottes, wie ihn all sein Gesinde benamset. Seind denn die geistlichen Fürsten nicht allzumalen auch weltliche? Und wars nicht in der Ordnung, wenn meine Bauern argumentireten: ist das geistliche Regiment endechristlich, ist es auch das weltliche Dies bestätigt selbst Ranke a. a. O. I. 188., also schlagt Alles todt, Priester wie Adel? –

Aber daß er auch des rein weltlichen Regimentes nicht verschonet, wußten meine Bauern gar wohl, und beriefen sich auf die gräuliche Lästerschrift von weltlicher Oberkeit, so er anno 23 ausgespieen. Denn ihr müsset immer auf das Jahr merken, wenn ihr diesen schlimmen Mann gänzlich wollet kennen lernen. Darinnen aber heißt er alle Fürsten, so nit auf seinen neuen Glauben achten, Narren, Henker, Büttel, die unsinnige weltliche Gewalt, so Gott in einen verkehrten Sinn gegeben, dieweil er ein Ende mit ihnen machen will, wie mit den geistlichen Junkern; könnten nichts denn schinden und schaben, einen Zoll auf den andern, eine Zinse über die andere setzen, dazu sie kein Recht, Treu noch Wahrheit bei ihnen lassen funden werden, und handeln, daß Räubern und Buben zuviel wären. Christen brauchten gar keine Oberkeit, aber hätten sie eine und es käme in den Krieg, wär es christlich und ein Werk der Liebe, die Feinde getrost würgen, rauben und brennen, und alles thun, was schädlich sei. Diese Behauptungen befinden sich, so unglaublich es scheint, in der That sämmtlich in der angezogenen Schrift Alt. Ausg. 258 etc. und damit man etwa nicht mir vorwerfe: ich hätte sie außer dem Zusammenhange hervorgehoben, will ich hier das ganze Argument des großen Reformators hersetzen: weshalb Christen keiner Obrigkeit bedürfen. Es heißt wörtlich S. 270:
»Möchtestu aber sprechen, weil denn nu unter den Christen kein weltlich Schwert sein soll (nämlich auf Luthers Befehl) wie will man sie denn äußerlich regieren, es muß ja Obrigkeit auch unter den Christen bleiben? Antwort: Unter den Christen soll und kann keine Oberkeit sein, sondern ein jeglicher ist zugleich dem andern unterthan, wie Paulus sagt Röm. 12: ein jeglicher soll den andern seinen Obersten halten. Und Petrus 1. Ep. I.: Seid allesammt unter einander unterthan.«
Dies ist das saubere Argument, mit dem sauberen Schriftbeweis. Uebrigens hört der noch immer bei den Protestanten fortwährende Streit, ob Luther wirklich den Bauernaufruhr verschuldet, vollends durch sein eigenes, fanatisches Geständniß auf. Er sagt nämlich geradehin:
»Ich Martin Luther habe im Aufruhr alle Bauern erschlagen; denn ich habe sie heißen todtschlagen; all ihr Blut ist auf meinem Halse; aber ich weise es auf unsern Herr Gott, der hat mir das zu reden befohlen.« (Tischr., Eisl. Ausg. fol. 276 B. Frankfurth fol. 196. a.)
So sprach er und heirathete mitten unter dem Todesröcheln seiner umstrickten Opfer, zum Entsetzen von ganz Deutschland, seine Käthe.
Indeß hatte er Verstand genug, sogleich die Segel einzuziehen, wenn er mit seinen wahnsinnigen Lehren, (die aber, wie wir später zu seiner Entschuldigung sehen werden, consequent aus dem Princip der Unfreiheit des menschlichen Willens hervorgingen) auf den Strand gelaufen war. So hier. Niemand konnte jetzt heftiger auf die frevelhaften Bauern schelten, als er. Er ermahnt die Fürsten, sich durch Blutvergießen »besser denn durch Beten den Himmel zu verdienen.« Liebe Herren ruft er: steche, schlage, würge sie, wer da kann (wider die räuberischen und mörderischen Bauern, Altenb. Ausg. Tom. III. fol. 126. a. b.). So machte er es ferner bei den Karlstadtschen Bewegungen, wie bei denen von Münzer, Johann Strauß, Schwenkfeld u. s. w.
Alle diese Männer, welchen weiter nichts vorzuwerfen war, als die consequente Durchführung seines Systems, mußten dann seinen ganzen Zorn fühlen, während er selbst klüglich einzulenken sucht.
Es ist hier nicht der Ort, dies ausführlich zu beweisen, und nur darauf will ich aufmerksam machen, daß der von Melanchthon drei Jahre nach dem entsetzlichen Bauernaufstand ausgearbeitete und von Luther genehmigte »Unterricht der Visitationen an die Pfarrer« so milde, und seinen bisherigen Lehren durchaus und gänzlich widersprechende Vorschriften enthält, daß sogar ein Ranke sich darüber wundern und diesen Unterricht einen höchst merkwürdigen nennen kann, a. a. O. II, 442. Denn die Prediger werden ermahnt, Papst und Bischöfe nicht zu schelten. Es könne die lateinische Messe, ja das Abendmahl unter einer Gestalt und die Beichte einzelner Sünden in gewissen Fällen beibehalten werden. Und – was das Allerbewunderungswürdigste ist, es heißt sogar: »es stände in des Menschen Gewalt das Böse zu fliehen und das Gute zu wählen. Alt. Ausg. IV. 389. Indeß habe ich diesen Theil der Luther. Schriften nicht gleich zur Hand, um nachsehen zu können, ob Ranke das Unglaubliche recht berichtet. –
Wer ist nu der thürstigliche Mann, wer hat das Blut von 30,000 Bauern auf der Seelen? Ich meine: Niemand anders, denn Lutherus, und wirds bei diesem Blute noch nit bleiben. Denn gewinnet der Fürst, zu dem wir reuten, und den der Lutherus wie Männiglich weiß, Hans Worst tituliret und ihne Meuchelheinze und Teufelsheinze, groben Tölpel, ehrlosen Bösewicht, verzagten Schelmen schimpfiret, eben wie er die römisch kaiserliche Majestät einen Madensack, und ihne und die deutschen Fürsten Lügner, Bestien, Wölfe, Säue, Mörder, verblendete unverschämte, tolle, thörigte, unsinnige, rasende, wahnsinnige Narren und Lästerer, gegen die der Turk viel frömmer und klüger sei, tituliret, Altenb. Ausgab. II. 771. Auch diese Expectorationen des großen Reformators gegen den Kaiser und die deutschen Fürsten fanden noch vor dem Bauernaufruhr, nämlich 1524 statt, wogegen die Schrift gegen »Hans Worst« erst 1541 (Wittenberg bei Hans Lufft) erschien. – gewinnet der Fürst, zu dem wir reuten, sprich ich, sein Land wieder; so wird übermalen der Zapfen aus der Bluttonnen gezogen, daß das arme teutsche Vaterland den rothen Saft seiner Kinder wie Wasser säuft, und die Wolken des Himmels sich aller Orten in ihrem Blute spiegeln.

Da wollte sich mein Harrach abermalen entschüldigen, und sprach: aber wenn der Lutherus in Wahrheit eine so böse Lahr ausgehen lassen: wie möget Ihr es verstehen, daß der edle deutsche Held, Georg Frundsberg, dessen Ihr gedacht, ihme aus voller Kraft angegangen.

So antwortete jener: ja das thät er mit tausend Edlen, geistlichen und weltlichen Standes. Aber als er sahe, welch End das böse Ding gewinnen würd, ist er mit vielen Andern umgekehret, hat das Sacrament nach altem Brauch zu Ferrara und Mindelheim genommen, und obwohlen die Fürsten ihne blutarm gemacht und jämmerlich verlassen, dennoch von seiner Armuth eine Stiftung in seiner Pfarr zu Stertzingen verordnet, vor seine arme Seele. Barthold Georg Frondsberg S. 496. Wenn der Autor aber meinte, das seien keine Zeichen, daß er der lutherischen Lehre entsagt, so kann ich aber darauf antworten: eben die allerzuverlässigsten. Denn wie es in der Reformationszeit als der sicherste Beweis des Uebertritts zum Lutherthum galt, wenn man das Abendmahl unter beiderlei Gestalt nahm, so umgekehrt. Die Stiftung zumal, welche der arme verlassene, hungernde und sterbende Löwe mit seinem letzten Bissen machte, bürgt vollends für die Aenderung seiner Gesinnung.

Hierwider vermochte Niemand Nichts zu sagende, und sahen wir unterweges auch mancherlei sträflichen Unfug derer Lutherischen, so mich aber nit klug machete, wie man weiteres hören wird. Will allhie nur eines Exempels gedenken, dieweil ich nachgehends solcherlei Unfug aller Orten in teutschen Landen noch in einer gräulicheren Kappen gesehen, allwo ichs mit Mehrem notiren will.

Also merkend: als wir in die Landen des Churfürsten von Cöln kamen, begab es sich, daß wir durch einen kleinen Forst ritten, indem ein Sehe belegen war, allwo ein Kahn am Ufer landete, in welchem ein Fischer mit einem Mann saß, dem der Fischer die Hände auf sein Birett geleget, umb welches lange Federn fladderten, woraus wir gleich judicireten, daß es einer vom Adel sein müsse, wie er es denn auch ware.

Spricht Franciscus: Junkern, wollet Ihr wohl gläuben, daß allhie der Fischer dem Edelmann die Sünden vergiebet?

Denn also sollen es die lutherischen Schwarmgeister gar oftermalen im Gebrauch haben. Wollten es aber nit gläuben, und sprengten darumb alle an den Sehe, wo Franciscus sprach: Gott grüß Euch Junker, wohin führet allhie der Weg? Aber ich verstöre wohl Eure Andacht, denn irre ich nicht, seid Ihr in der Beicht begriffen, worauf selbiger zur Antwort gab: er hätte allbereits die heilige Absolution empfangen, und der Fischer wäre schon gestern bei ihme zur Beicht gangen, darumb wir sie gar nit mehr störeten. Ob wir auch Kinder Gottes worden wären, daß wir so genau wüßten, was sie für hätten? Ach ja, es wäre eine wonnesame Zeit; der heilige Geist käme mit Macht vom Himmel gefallen, wie zu den Zeiten der heiligen Apostel, Actorum am 2., und wäre es nit genugsam zu verwundern, daß sein Churfürst, wie wir ohne Zweifel schon in Erfahrung gezogen, auch nach dem reinen lauteren Wort die Ohren recke, wiewohlen noch viel papistische Gräuel in ihme stecken bliebe. Aber hier sehe man recht deutlich wie wahr Jeremias spräch am 23. Capitel: daß Gottes Wort ein Hammer sei, so Felsen zerschmisse; hoffete darumb mit Gott, er würde letzlich auch das harte Herz des Churfürsten ganz zerschmeißen, und zu Pulver klopfen.

Spricht hierauf der v. Dietrichstein: gut, Junker, aber habet Ihr keine Priester um Eure Sünden zu beichten?

Ille: Ei was Priester? Er hätte allerwegen einen verloffenen Münch aufgenommen; dieweilen aber der gierige Schalk den Acker widder haben wöllen, den der alte papistische inne gehabt, und den er vor sich behalten, hätt ihm letzlich sein unverschämtes Geilen verdrossen, und er den Schelmen fortgejaget.

So sahen wir schon, wie mein Dietrichstein braun und blau für Zorn wurde; überwand sich aber noch ein Weil, und sprach als sanft und milde er konnte: was würde aber Lutherus sagen, daß ihr den Priester fortgejagt und eim Fischer beichtet? worauf der Junker zur Antwort gab: ei lieber, der theure Mann Gottes acht ich, würde eine große Freude daran haben, angesehen er ja ausdrücklich warnet, keinem Priester, sondern viellieber den Laien zu beichten, Die Worte Luthers in der Abhandlung von der Beicht etc. Altenb. Ausg. 1, 804 lauten also:
»Darum so ist ein jeglich Christenmensch ein Beichtvater der heimlichen Beichte, welches zu sich gerissen hat der Papst, wie er auch die Schlüssel, Bisthum und alles Andere zu sich hat gerissen, der große Räuber.«
Und ebendas. S. 805: »Ja, ich sage weiter und warne: daß Niemand einem Priester, als einem Priester heimblich beichte, sondern als einem gemeinen Bruder und Christen.«
Auch diese Worte wurden vor dem Bauernaufruhr, im Jahre 1521 geschrieben.
und dieweilen auch Petrus ein Fischer gewest und ein großer Sünder dazu, also daß er sogar seinen Heiland verläugnet, welchen bessern Beichtvater könnt ich also mir erwählen, als einen einfältigen Mann, der auch ein Fischer und großer Sünder ist?

Jetzo brach mein Dietrichstein herfür, indem er die Hand an das Schwert legete; ei, du dummer Esel, hat denn Christus St. Petrum nicht unterrichtet, und ist denn der heilige Geist auf Ochsen, Esel und Menschen zumalen allzugleich gefallen, wie der Platzregen?

Als das der Junker hörete, sprung er über Bord und gab stumm den Reißaus; aber dicht am Walde blieb er auf einem Hügel stehen und schimpfirete uns, als laut er konnte, für papistische und ewig verdammte Buben.

So hätten wir aber noch den Fischer. Selbiger berichtete uns vor ein Stück Geld, daß der Junker Sturtz hieß, und ein gar großer Geizhals wär, der seine Bauern schinde und placke, soviel er könne. Und vermeinte der Fischer: hätt er sich gar nicht darauf eingelassen, seinen Beichtvater zu spielen, wenn er ihme nit etzliche freie Züge davor in dem Sehe verwilliget, darumb käm er doch zu einem Trinkgeld, dieweilen der Junker so fromm wäre, daß er alle 4 Wochen zur Beicht ginge. Aber mein Fischer befahre: Der Junker wurde bald für stinkenden Geiz die Beicht abschaffen, um die Züge wieder zu gewinnen, item das Abendmahl, weil er vor die Bauern Brod und Wein kaufen müße, und sie ihme zu viel des Weins aussöffen, item die Tauf, weil der letzte Priester so er unrechtmäßig verjaget, das silberne Taufbecken, so vor Alters fürhanden gewest; mit ihme habe gehen lassen, und er ein neues kaufen sölle, anerwogen die Bauern die Kinder nicht mehr von einem Fraß-Teller wöllten taufen lassen, wie anjetzo beschähe. Hätte es ihme zwar als sein Beichtvater verboten, aber er hätte sich auf Lutherum, den theuren Gottesmann berufen: daß die Sacramente zu halten, oder nicht, in eines Jeglichen freier Macht stünde. Wüßte nit, ob der herzliebe Gottesmann dieses gesaget, oder nicht?« Er hats allerdings gesagt, und zwar in der vorgenannten Abhandlung pag 792 mit folgenden Worten:
»Es sollen alle Sacrament frei sein Jedermann, wer nicht getauft sein will, der laß anstehen, wer nicht will das Sakrament empfahn, hat sein wohl Macht, also: wer nicht beichten will, hat sein auch Macht für Gott.«
Wenn die Prediger unserer freien Gemeinden nicht so unwissend wären, als sie sind, würden sie längst auf diese Worte des großen Reformators bei der Behörde provocirt haben, um sich von allen Sakramenten loszusagen.

Als wir das gehöret, hatten wir genung, und ritten kopfschüttelnd unserer Straßen. Kamen auch ohne sonderliche Ebenteuer gen Münster; und hoffete mein Dietrichstein sicherlich, der Bischof würde was Rechtschaffenes an Gelde und sonsten für Herzog Henricum hergeben, dieweilen wir dorten annoch aller Orten gewahr wurden, wie die Wiedertäufer vor 6 Jahren in seiner Stadt gehauset. Besahen auch den St. Lambertusthurm, allwo die Leiber der heiligen drei Könige des leidigen Satans, Bocholt, Krechting und Knipperdolling in eisernen Käfigten hingen.

Und dieweilen das Volk fürgab: daß annoch die Teufel in Gestalt von garstigen Fliegen um besagte Leiber burreten, so ganz schwarz von unten anzusehen wären, raffete einen Stein von der Erden und warf ihne hoch an den Käfigt, wo denn auch in Wahrheit ein also schwarzes Geschwürm aus dem Gegitter herfürbrach und umb den Thurm sumpsete und brumsete, als wenn zur Sommerszeit die Immen schwärmen. Doch laß ich es in seinen Würden, ob's Teufel oder natürliches Geschwürm gewest; in Summa: mein Bischof hatte die große Fahr vergessen, in die er noch für wenig Jahren durch diese Bestien gerathen, sprach: er gäbe kein Geld, um Landsknechte anzuwerben; denn Herzog Henricus wäre ein unholdseliger, ungestümer Fürst, dem nimmer zu trauen, wie gut er sich auch anstellte. Hätte durch seine Tyrannei gegen die beiden Städte Braunschweig und Goslar es selbsten verschuldet, daß der Schmalkaldische Bund ihne verjaget, und da der König von Frankreich ihme Geld geben, umb Volk für ihn gegen die Krone England zu werben, hätt er die teutsche Treue also gering geachtet, daß er des Geldes vor sich gebrauchet, umb sein Land wieder zu erobern, unangesehen der Kaiser es ihme verboten und gute Vertröstung gethan, wenn er Seiner Majestät Alles anheim stellete. Hätts aber thöricht in den Wind geschlagen, und wölle sich selbsten rächen. Summa: mein Bischof verredete das Geldgeben, und war wohl Ursach, daß er selbst luthrisch gesonnen war, wie wir nit hatten gläuben wollen, in seinem Lande aber leider Gottes genugsam in Erfahrung zogen.

Solches alles machte uns zwar hinterdenklich; doch kehreten wir nicht heim, sondern zogen über Hildesheim ins Land zu Braunschweig, allwo mein Herzog vor dem Wolfenbuttel lag und ihne belägerte.

So begab es sich, daß der Schmalkaldische Bund, welcher schon abermalen in das Land zu rucken begunnete, an die hundert Ochsen dem Herzog aufgehoben, und heimwärts treiben ließ. Und mochten etwa 60 Landsknechte selbigen Zug begleiten, der nicht fern von uns fürüber ging. Solches zogen wir von eim fahrenden Schüler in Erfahrung, und da mir mein Junker von Schwammberg wieder in den Sinn kam, sprich ich: Ei Rittern, können wir dem Herzogen auch kein Fähnlein Landsknechte zuführen, lasset uns sorgen, daß wir ihme diese Ochsen wieder angewinnen; haben wir doch ein jeglicher einen Knecht, und seind der Zahl wohl gewachsen. Als ich so gesprochen, ward es Allen angenehme, griffen sogleich den Zug mit großem Ungestüm an, erstachen etzliche Landsknechte, und nahmen an die 20 gefangen, in währendem die andern den Reißaus gaben. So wurden wir der Ochsen mächtig; welche wir auf eine grüne Wiese vor eim Walde trieben, dieweil der Tag schon anhob, sich zu senkende, und nun in anbrechender Nacht Raths hielten, was fürder zu thun, inmassen uns die Gefangenen gesaget: das hessische Kriegsvolk stünde unferne von hier, und würden die Flüchtlinge uns sicherlich also anzeddeln, daß wir des nächsten Tages wieder unserer Ochsen ledig würden.

Solches ging uns Allen bei, doch wußte Niemand Raths, bis ich letzlich nach vielem Sinnen sprach: ei gestrenge Ritter, nu mein ich, ich habs gefunden! Lasset uns etzliche Knechte in den Wald senden und dürres Reiserwerk suchen. Selbiges binden wir den Ochsen um die Klauen, und dieweil der Weg fast trucken ist, werden sie einen also großen Staub aufrühren, daß unsere Verfolger Nichtes von den Ochsen entwahr werden, sondern vermeinen, wenn wir eins Theils fürauf und anders Theils hintennach sprengen, es wären lauter Reiter in dem langen Zug verborgen.

Solcher Anschlag gefiel allen Rittern, und belobete mich Herr Franciscus, und daß ich noch einmal ein recht tüchtiger Kriegsobrister werden würde. Summa: es geschahe also, wie ich gerathen, und ließen wir am andern Morgen die Ochsen, damit der Zug fein lang würde, immer zu zween beisammen gehen, worauf ein so greulicher Staub emporwirbelte, daß es nicht zu sagen ist. Und sollten wir auch bald entwahr werden, daß an 200 Reuter aus dem Wald herfürbrachen. Dieweil wir aber mit großem Rumor und Drumeten Schall vor und hinter der Staubwolken ritten, vermeineten sie in Wahrheit, weil sie nur Anfang und Ende sahen, es wäre ein ganzes Reuterregiment, so ihnen entgegenrücke, und kehreten als schnell sie konnten wieder umb.

Das gab ein gemein Ergetzen bei Knecht und Rittern, und kamen wir nach etzlicher Zeit mit unsern Ochsen auch sicher im Lager vor Wolfenbüttel zur großen Freude des Herzogen an.

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Fortsetzung.

Der Herzog von Braunschweig und die Schlacht bei Nordheim.

So war der Herzog Henrikus ein kleines, dickes Männlein: hatte ein Trutzbärtel und kleine glitzernde Augen. Und als er in Erfahrung gezogen, wie das Ding mit den Ochsen gewachsen, ließ mich seine Gnade rufen und belobete mich, daß ich noch ein junger Kerl sei und schon so witziges Anschlages; erkundigte sich auch nach meinem alten Geschlecht, und als er hörete: daß mein Vater ein Feldobrister gegen die Turken gewesen, und sich also wacker gegen Sultan Solymann gehalten, daß sein Bruder Wolf an seiner Seiten gefallen, er selbsten zwar mit dem Leben davongekommen, doch seit der Zeit der Schmerzen in seinen alten Knochen und des Zipperleins nicht müßig gehe, vermahnten mich Ihro fürstliche Gnaden so tapfern Ahnen nachzuleben, und gewann mich von Tage zu Tage lieber, so daß ich gar oft um ihn sein mußte, des Tages, wie des Nachtes.

Inzwischen begab es sich, daß ich zum ersten Male in Versuchunge gerieth von wegen des Frauenzimmers. Denn Männiglich weiß, daß bei denen Kriegsheeren ein groß Hauf schaamloser Dirnen sich einzustellen pfleget, so vor das Volk waschen, nähen, kochen, der Kranken pflegen und anderer Arbeit abwarten müssen. So beschah es auch vor dem Wolfenbüttel. Etzliche der schönsten hatten ihren Zelter und ritten in Sammt und Seide; für allen ein sauberes, glattes, gewachsenes Mägdlein, die schöne Grete genannt, welche sich adeligen Geschlechtes verrühmete und mir aller Orten nachstellete. Lobete meine Adlernase, die großen, klugen Augen, so ich im Kopfe hätt, die gelben krausen Haar, so mir unter dem Helm auf die Schulter niederwalleten, und was sie sonsten fürbrachte.

So hatte der rechtschaffene Ritter Franciscus von Dietrichstein mich allbereits genugsam vermahnet, solcherlei Dirnen wie die Pest zu fliehen, und mich insonderheit für ihrer Rache zu hüten, inmassen es sich nit selten träf, daß sie die Gewundeten, so sie vorhero verschmähet oder verlassen, gar jämmerlich verbluten ließen, oder sonsten zu Tode brächten.

Darumb, und weil ich mich in Gottesfurcht der Vermahnunge meines zweeten Vaters, des alten Klausners gedachte, war mir dieser Handel ein Gräuel, konnte aber der Metzen nit los werden, unangesehen ich fürgab: ich hätt allbereits ein Braut, der ich treu verbleiben wölle, worüber sie in lautes Lachen herfürbrach und sprach: nur eine? Die meisten Junkers haben wohl zwanzig.

Darumb war es mir fast willkommen, als Ihre fürstliche Gnaden eines Tages zu mir sprachen; Junker, ich hab eines treuen und verschmitzten Mannes nöthig, der ein Brieflein an eine Dame zu bestellen hat. So hab ich dich ausersehen, und solltu auf das Schloß zu Stauffenberg mit selbigem Brieflein reuten. Halte dorten dein Roß an, rufe Adam! so wird dir der Burgwart antworten Eva! und also sobald dich hineinlassen. Aber hüte dich, daß dich der Feind nicht bestricket, oder was wolltestu etwan mit dem Brieflein machen, so du doch in seine Gewalt fielest? Hierauf gab ich gleich zur Antwort: »ich friß es auf!« was Ihro fürstliche Gnaden abermal gar wohl gefiel, daß sie sprach: ich sieh in Wahrheit, du hast mehr denn gelbe Hirse im Kopf, reute! und mach es also mein Sohn, so will ichs dir gedenken.

Aber ich bat Ihro fürstliche Gnaden mich zu Fuße abzusenden, anerwogen ich es im Laufen wohl manchem Klepper zuvorthät, auch meines Leibs weit mächtiger wär im Biegen, Schmiegen und Liegen, denn auf dem schweren Roß, was er mir auch gestattete.

Und ginge Alles nach Wunsch. Denn als ein chursächsischer Reuterschwarm mir entgegen kam, dem ich nit zu entfliehen wußte, schmiß mich in einen tiefen Graben, bis er fürüber, kam also des andern Tages vor die Stauffenburg und rief Adam! worauf es Eva! antwortete, und alsobald die Brücke niedergelassen ward. So hätt ich nu gerne gewußt, zu welcher Eva ich gesendet wäre, thät darumb, als ich mit dem Burgwart durch den Zwinger ginge, als hätt ich des Namens vergessen und sprach: was machet denn die werthe Eva? ei, wie heißet sie noch gleich weiters; ich habe schier den Namen aus meinem Kopf gekriegt?

Hierauf sprach der Kerl auch flugs: von Trotta, wollet Ihr sagen, wovor ich mich mächtig entsetzete, anerwogen ich in Erfahrung gezogen: daß der Herzog von Braunschweig seine Geliebte, Eva v. Trotta geheißen, vor etzlicher Zeit gar prächtig habe begraben lassen, und noch alle Tage vor sie die Seelenmessen gelesen würden.

Sagete aber kein Wörtlein, besondern folgete dem Kerl in eine lange Kemenate, Kammer. bis er mich dem Gespenst angemeldet. Aber als ich nach etzlicher Zeit gefordert wurde, fand ich kein Gespenste, besondern ein warmes, rothes, gar schönes und gewachsenes Mägdlein, in schwarzen Sammet gehüllet, die Hände mit glitzernden Handschuhen angethan, so gar säuberlich vernähet und versticket waren.

Hätte auch eine güldene Kette mit einer Medaglie umb den Hals, woran ein klein Leberflecklein befindlich, und ein Kränzel von Perlen auf dem Haupt. Also stund sie in Mitten ihrer prächtigen Stuben, als wärs die Fürstin selbst gewest, und ein Kammerzelter hielt ihr die Schleppe.

So knickbeinete ich und sprach: Ihro fürstlichen Gnaden senden Euch dieses Schreiben, und wenn die liebe Jungfer wohlauf wär, das wollten Ihro fürstliche Gnaden ihr Wohl gegönnet haben. Hierauf besahe sie mich mit ihren großen Augen von oben bis unten, und winkete mir darauf lispelndes Tones zum Niedersitzen auf ein Spannbette, in währendem sie den Zeddul las. So ließ ich nu auch hierzwischen meine Augen umher gehen, und wurde ringsum Nichtes denn einen fürstlichen Pracht gewahr; denn die Wände waren mit Sammet oder güldenen Stucken behänget, die Tresor mit gar schönem Silberngeschirr verzieret, item die Sims mit gar lieblichen Gemählden, und das ganze Gemach duftete von Pomis Ambrae oder wohlriechenden Bisam-Knöpflein. Item hätte sie in einer Fenstereck eine Meerkatz an silberner Kette, und in der andern einen Marder, so zusammen jungen söllten, wie sie sagte (weiß nit ob es geschehen) und beede gar unruhig uf einem Rädel hin und herliefen.

Nachdem ich also ein Weil gewartet, bis sie den Brief gelesen und die Antwort geschrieben, erkundigte sie sich nach Allem, was im Lager fürginge, freuete sich, daß ich und die andern katholischen Ritter Ihrer fürstlichen Gnaden zu Hilf geeilet, und möchten wir nur fein tapfer streiten, daß Ihro fürstliche Gnaden dero Land wieder gewinne; es würde unser Schade nit sein etc.

Hierauf gab sie mir ihre kleine Hand zum Abschied, und verhoffte sie, wir würden uns nit zum ersten und letzten Male gesehen haben, worauf ich mich beurlaubete und alsogleich den Heimgang antrat.

War aber noch nit weit geloffen, als mir das ganze braunschweigische Heer entgegen kam. Erkannt es an den schwarzen Rüstungen und den weißen Feldbinden. Fürauf ritten Ihro fürstliche Gnaden in eim silbernen Harnisch und silbernem Helm, über welchem Seine Gnaden aber ein klein spitziges Käpplein von schwarzem Sammit truge. Denn nachdem als Ihro fürstliche Gnaden in Erfahrung gezogen, daß die hessischen und sächsischen Bundesverwandten sich vor Nordheim gelägert, hatten sie die Belägerung vom Wolfenbüttel aufgehoben, und wöllten bei eim Ort, Kalfelden genennet, und nur bei einer Meilen von Nordheim belegen, auch ein Lager beziehen.

Ihro fürstliche Gnaden verwunderten sich also, daß ich von dem fremden Kriegsvolk nicht umstricket worden, und nachdem sie den Grund erfahren, ich auch das Brieflein, so ich überkommen, abgegeben, hatte Ihro f. Gnaden eine große Freud, und verehrete mir eine güldene Kette mit einer Medaglien, sprechende: ich will dir dieser Tage was Rechtes auftragen, dieweil ich sehe daß ich dein gebrauchen kann; laß uns nur erstlich das Lager geschlagen haben.

Aber schon am andern Morgen, in währendem man noch das Lager aufschluge, ließen Ihro f. Gnaden mich in Ihr Zelt rufen, und thäten mir einen gar ünfürstlichen Fürschlag. Ich sölle zu Ehren Gottes in Sachsen und Hessen reuten, um dort dem Churfürsten und Landgrafen Städte, Dörfer und Schlösser verbrennen, damit das gottlose Ketzergeschmeiß nit blos allhie in der Feldschlacht, sondern auch daheim in seinem eigenen Lager ausgepuffet und vertilget würde. Er wölle mir etzliche wackere Männer zu Hilf geben etc.

Für solchem Antrag entsetzete mich und verredete so böses Ding, als gut ich konnte, und daß ich gerne vor die f. Gnaden, als welche meines geringen Dienstes so großmüthiglich gedacht, in der Feldschlacht kämpfen würde, aber mit nichten als ein Mordbrenner wölle erfunden werden. Diese Sag verdroß ihme und sprach: in der Feldschlacht hab ich genung tapferer Männer: denn wiewohlen der Feind sich rühmet, daß er einen größeren Hauf hab; so seind es doch zusammengeloffenes Gesindel, in währendem ich ein also versuchtes und erfahrenes Volk unter mir hab, daß mir mit Hülfe der allerseligsten Jungfrau, vor die ich gegen diese Ketzer streite, der Sieg nimmer entgehen kann. Darumb mein Junker, brauch ich deiner Faust weniger, denn deines Kopfs. Thu, was ich dir sag, und ich wills bei der Ketten nit bewenden lassen; die Ketzer habens nämlich verdienet, und gewinn ich die Schlacht, so hab ich mit dem Kaiser die Welt.

Aber ich entschüldigte mich übermalen, worauf Se. f. Gnaden mich mit sehr unholdseligen Runzeln vor der Stirne entließen.

Kaumb war ich aber aus dem Gezelt getreten, als das böse Metzlein, die schöne Grete geheißen, mich schon wieder anschwätzete: und wo ich so lange gewest? sie hätte den schmucken Junker ja in ewiger Zeit nit mehr gesehen. Hätte sich heute gar herrlich geschmücket, trug ein grün sammitin Kleid mit einer güldenen Ketten, und wollte einem Feldhauptmann aufwarten, ich sprich nit welchem, so krank vom Marsche worden wär. Ob ich auch nit einmal krank würd? etc.

Solches verdroß mich gar heftiglich, und dieweil ich schon einen Teller voll Aerger zum Frühstück eingeschlucket, vergaß ich der Klugheit, und klagte das Ding, und wies die Metze mit mir seit langer Zeit getrieben, dem Rumor-Meister Nächst dem H…weibel Aufseher über die unzüchtigen Dirnen im Lager. der mir leider Gottes just entgegenrannte. Selbiger war nit zu faul, sondern faßete das Mägdlein alsogleich bei den seidinnen Händleins, hohlte seinen Vergleicher Ein armlanger Kantschu. aus dem Busen, und bläuete sie so wacker abe, daß sie bei jedem Schlag auf dem weißen Rücken eine blau-rothe Schwieme bei eins Fingers Dicke gewann, und sich Zeter schreiende im Koth mit ihrem sammitnen Kleide wälzete. Und wiewohl im Lager ein groß Rumoren, Rennen, Laufen und Klopfen war, kam doch viel Volks ob solchem Zeter herbeigeloffen, unter welchem auch Franciscus vom Dietrichstein war, den ich seit meiner Heimbkunft in dem großen Gewirre nit auffinden können. Als dieser vernommen, was geschehen, wurd er scheltig auf mich, daß ich seinen Rath in den Wind geschlagen. Führete mich abseiten und sprach: au wehe Junker, Ihr seid verloren; denn ihr habts nit mit der Metzen allein, sondern mit den meisten Hauptleuten und Obristen nunmehro auf immer verdorben.

So gab ich zur Antwort: das wär meine geringste Sorg, die größte war vor die Seele des Herzogen; worauf ich ihm von meiner Botschaft auf die Stauffenburg, item von dem schnöden Fürschlag des verlorenen Mannes berichtete, was dem guten Ritter ein gar großes Herzeleid machte, und könne er's unmöglich gläuben.

Dieweilen wir aber den Profoß fragten, der die Evam gekannt, und uns listig stelleten, erfuhren wir, daß die vergrabene Eva von Trotten in Wahrheit die Eva auf der Stauffenburg sein müsse, anerwogen der Kerl ihre Schönheit gar sehr belobete, auch sagte, daß sie am Halse ein Leberflecklein gehabt, und lispelnden Tones geredet. Darum beklage und beweine sie der gute Herzog auch noch alle Tage, und ließe Seelenmessen vor sie lesen, unangesehen sie schon ein halb Jahr unter der Erden. Auch die gute Herzoginne hätte des alten Haders vergessen, und etzliche Seelmessen vor sie im Stift St. Blasii gestiftet, umb ihre Seele zu retten.

Alldieweil nu aber das Stift St. Blasii unferne lag und noch von den Unsrigen besetzet war, item allbereits die Unterhändler des Herzogen Moritz aus dem feindlichen Lager in Kalfelden antrafen, hielten mein Ritter und ich es vors Beste, um ganz hinter den bösen Handel zu kommen, wenn wir uns aufmacheten und zu besagtem Stift in die Meß ritten. Stelleten uns dicht fürs Altar, und hörten in Wahrheit, daß der Priester deutlich sprach: te supplices exoramus pro anima famulae tuae, Evae ab Trotta etc. Wir bitten dich demüthig für die Seele deiner Dienerin Eva v. Trotta.

Als wir das gehört, hatten wir genung, und war der gute Ritter außer sich für Schmerz, daß er sich und mich, wie alle andern in dieses Elend verstricket. Der Herzog wäre weit ärger, denn die ketzerischen Fürsten, und Landgraf Philipp gegen diesen ein Heiliger, obgleich er sich 2 Frauen antrauen lassen. Denn selbiger hätte doch nur Gott und Menschen geärgert, dieser aber ärgere nit blos Gott und Menschen, besondern treibe auch zugleich durch den Mißbrauch der heiligen Meß eine recht große Gotteslästerung, daß der Herr unmöglich den Sieg in die Hände eines so schweren Sünders geben könne. O wehe, wenn wir doch erstlich aus diesem fährlichen Handel wären! Der Bischof von Münster hätts uns genung gesaget, aber wir hättens nicht gläuben wollen, und was er sonsten in seinem Schmerz herfürbrachte.

Doch waren wir kaumb wieder heimgekehret, als der Grafe Otto v. Rittberg, so S. f. G. auch ein Fähnlein zugesichert, sammt andern Braunschweigischen von Adel mich aus der Zeltstraßen anrannte und schrie: was flößet mich der einfältige österreichische Junker? kann der Lasse sich nicht fürsehen, daß er ein Grafen auf freier Straßen stößet? worüber die anderen ein laut Gelächter erhoben.

Nu sah ich gleich, wies gefochten, und gab zur Antwort, indem ich an das Schwert griff: kommet Grafe, ich werd euch den Lassen anstreichen, und verhoffe zu Gott, Ihr habet die letzte Mahlzeit im Leibe.

Solches ließ sich mein Graf nit zweimal sagen; denn, dieweil er ein großer Raufbold und gar trefflicher Fechtmeister war, verhoffete er sicherlich, mich zu überwältigen, und das Metzlein zu rächen.

Aber ich entsetzete mich nicht vor ihme, denn meine Sache war duppelt gerecht für Gott; auch ging es mir wohl bei, wenn ich anjetzo nicht meiner Ehre wahrnähme und mich ritterlich aus dem bösen Handel schlüg, ichs nach und nach mit dem ganzen Gesindlein würde aufnehmen müssen.

So sprungen wir denn alle hinter ein Zelt, und zogen beede alsofort die Wehr; doch hätte ich Niemand zur Seiten, denn den alten Dietrichstein. Und weiß ich nit, wies worden wär, da mir der Grafe im Fintenschlagen weit überlegen war; wenn es nicht Gott gefüget, daß ein Kerl, der oben auf dem Zelte saß, und klopfete, für Schreck ein Zeltstangen hätte fahren lassen, so daß sie dicht hinter dem Grafen niederschlug, und er rückwärts dagegen stoßende mit lautem Rumor zu Boden gestürzet wär.

Da sprung ich hinzu, fatzte ihme den Fuß auf den Bauch und das Schwert in die Fuge zwischen Brust- und Rückenharnisch, und rief: ergebet euch, oder der Lasse wundet Euch das böse Herz noch mehr, denn die Metze; worauf er anhob vor sein Leben zu bittende, und beschämt und stumm mit seinem Gesinde von dannen ging.

Und hatt ich nunmehro Ruhe vor Allen, bis in der Schlacht, wie man weiters hören wird.

Hierzwischen liefen aber die Unterhändler alle Stunden im Lager, und hatte es in Wahrheit den Anschein, daß J. f. G. in alle Conditiones willigen würd, so ihme die schmalkaldischen Fürsten gestellet. Dieweilen aber Seine Gnade wieder Alles verredete, als er mit dem Herzogen Moritz im Stift St. Blasii zusammenkam, umb den Frieden zu schließen, auch sich berühmete: »binnen dreien Stunden muß es sich offenbaren, ob der Landgraf oder ich ein Herre der Welt ist«, item dieweil er freventlich den Anstand Waffenstillstand. gebrochen und die chursächsischen Futterknechte thürstiglich niederstechen lassen, wurden alle Verhandlungen abgebrochen, und stürmete mein Herzog kühnlich in die Schlacht.

Allhier ging das Ding ein Weil gut; doch sollte ich bald mehr Ungunst von den Freunden als den Feinden verspüren, anerwegen ein braunschweigischer Junker mich schier von hinten erstochen, wenn es nit der rechtschaffene Dietrichstein entwahr worden, und dem verrätherischen Schelm mit einem Hieb über die Schnautze das Handwerk geleget hätte. Hielten uns in eim Hohlweg gar wacker, daß bereits ein großer Hauf Feinde erschlagen war. Nachdeme als aber der Landgrafe von Hessen die Artlerei Artillerie. auffahren lassen, stürzete unser Heer in ganzen Schwaden nieder, worauf die feindliche Reuterei durch die Luken brach, die unsrige im Hui in die Flucht schlüge, die Landsknechte auf einen Berg an eim Gehölze zurückwichen und J. f. G. letzlich auf ebenen Felde inmitten weniger Reuter mit dero Sohne verlassen auf eim Stein saßen, auch nit mehr schießen ließen, besondern den Helm mit Ihrem spitzigen Käppel vom Sammet auf die Knie geneiget hätten, und bitterlich weineten. An solchem Käppel hatte denn Herzog Moritz ihne erkannt, und alsbald von dem Landgrafen zur Ergebung auffordern lassen, als er denn auch letzlich thät, und gar viele Thränen vor denen schmalkaldischen Fürsten vergossen, als er so mit seinem lieben Sohne, Carolo Victore in die Umstrickung gerieth. Magna vi lacrymarum profusa sagt Sleidanus von ihm a. a. O. 476. Doch verschweigt er sowohl das Verhältniß des Herzogs zur Eva von Trotta, als seine böswilligen Absichten gegen die protestantischen Länder: daher der Charakter hier nach Thuanus, Seckendorfs und Hortleder ergänzt worden ist.

Hierzwischen wüthete die Artlerei noch immerdar in unser Volk, das nunmehro in hellen Haufen davon lief; denn Landgraf Philipp wollte uns mit nichten entrinnen lassen, damit wir nicht etwan auf ein ander Land uns werfen und selbiges verheeren möchten. Aber auch des bittern Todes wollt er uns großmüthiglich nit sterben lassen. Darumb schloß er den ganzen Haufen derer Flüchtigen ein, und mußten alle mit aufgehobener Waffe schwören, inner 6 Monden nicht den Feinden der Schmalkaldischen Fürsten zu dienen; so könnten wir zu Hause loffen, sprach er.

Solches verdroß aber mein Metzlein, so mit denen Troßbuben auch gefangen wurd.

Hatte sich heute wiederumb gar sauber austaffiret, und als sie die Wort vernahm, rannte sie mit fliegenden Haaren an das Roß des Landgrafen: und wenn J. f. G. alle lösten ließen, so möchten sie einen östreichischen Junker Namens Sigismund Hager nicht loffen lasten, anerwogen er seiner fürstlichen Gnaden 100 Ochsen fortgetrieben, auch den Mordbrenner in Seiner Gnaden Landen spielen wolle. So träte ich nu gleich dreist herfür, schlug das Visir auf und sprach: gnädigster Herre, ich bin der Junker, von dem diese verrufene Metze redet. Da sahen J. f. G. mich mit großen Augen an und sprachen: was sagestu zu so großer Anschuldigung? worauf ich zur Antwort gäbe: was den Handel mit den Ochsen anbetrifft, so ist er wahr; was aber die Beschuldigunge mit dem Mordbrand anbelanget, so ist sie nit wahr, und ein erlogen Ding.

Hierauf erzählete Sr. fürstl. Gnaden, wie der ganze Handel mit der Metzen gewachsen, worauf S. f. G. lachete und sprach: solltestu wirklich also keusch gewesen sein, mein Junker? ich gläubs nit. Dieweil nu aber der redliche Dietrichstein nit zu finden, und ich vermuthete, daß er in der Schlacht geblieben (war aber nur gewundet worden und kehrete nachgehends auch heim), rief ich den Rumormeister zum Zeugen, der mir auch in Wahrheit das Wort redete und sprach, daß er längstens im Stillen gewahr worden, wie das Metzlein mir nachgestellet, und ich ihme nichts Neues verzählet, als ich ihm meine Noth geklaget, und er sie davor weidlich abgebläuet.

Aber die Metze schrie: es wär erlogen, was der Kerl fürbringe, und hätt sie ja selbsten, als sie eines Tags zum Herzogen ins Zelt gehen wöllen, mit ihren Ohren gehöret, daß ich mich ihme zum Mordbrenner in denen protestirenden Ländern gelobet, was sie so entsetzet, daß sie vor dem Zelt stehen blieben, und nicht hineingegangen wär.

Auf solche Sag ergrimmete ich im Geiste, trat näher an das Roß Sr. f. G. und sprach: gnädigster Herre, allhie gilt es mein und meines Geschlechts Ehre vor dem ganzen östreichischen Adel, der mit mir umstricket ist. Lasset die Metze auf die Folter werfen, ob sie solcher Sag geständig bleibet, und thut sies, so schlaget mir mein Haupt ab; denn alsdann acht ich mich nit mehr des Lebens würdig.

Als die Metze solches hörete und sähe, daß S. f. G. hinterdenklich das Haupt senkete, erblassete sie wie ein Kalk und sprach: nein, sie besinne sich, der Junker hätts nit angenommen, und es allewege veredet, auf des Herzogen Befehlig den Mordbrenner zu spielen, so daß Ihro fürstlichen Gnaden aus ihne scheltig worden. Ja, ja, so wärs beschehen, hätte sich in dem großen Rumor hieselbst nur nit gleich besinnen können.

Nu stand der Rumor-Meister dicht hinter ihr und grabbelte in seinem Busen nach dem »Vergleicher«, und als er ihne funden, gab er ihr gleich zwei, dreimal ein also klingend Biergeld, daß sie schreiende unter das Roß des Landgrafen kroch, Sr. f. G. die Sporen küssete und ihn beschwur, sie von diesem Höllenkerl zu entledigen und in sein Lager führen zu lassen, worauf S. f. G. auch dem Rumormeister bedräuete von ihr abzulassen, und eim Junker niedlich lächelnde Befehl gab, sie in sein Lager zu bringen.

Hierauf wandten I. f. G. sich wiederumb an mich, und daß das Ding mit den Ochsen S. f. G. gefiele, obwohl es dero Schaden gewest. Möchte bei I. f. G. in den Dienst treten; ich sölle es gut haben, und sähe ja auch jetzo selbsten klärlich mit meinen Augen, wer den rechten Gläuben hält, die Papistischen oder die Lutherischen; denn wo Gott gesprochen, wär alles Streites und Haders ein Ende.

Als I. f. G. also großmüthiglich gesprochen, verneigete mich, und dankete vor die fürstliche Gnade und Gutheit, daß I. f. G. mich in Ihren Dienst nehmen wöllten, da ich doch gegen Sie das Schwert gezogen; müsse mich aber entschuldigen, anerwegen mein alter Vater, der vor das gemeine teutsche Vaterland sein Blut gegen die Türken verspritzet, davon allgemach solche Schwachheit überkommen, daß er sterben wölle, wie er mir dieser Tage schreiben lassen.

Darumb eilete ich zu Hause, umb ihme, so es Gott gefiele, seine Augen zuzudrücken und seinen letzten Segen zu empfahen.

Da sprach der großmüthige Fürst: so ist's ein Anderes; dann ziehet mit Gott, mein Junker! und winkete mir mit der Hand, den Andern zu folgen, so zum Theil schon fürauf geritten waren.

Aber wir befunden uns nur noch zehen an der Zahl, so zum Theil auch noch gewundet waren; die übrigen hatte das Kriegsfeuer gefressen, und war der Triumph der Protestirenden in allen Landen groß, durch die wir kamen. Trafen auch bald aller Orten und Enden gedruckte Zeddul von Dr. Luthero, worauf er die Haufen vermahnete, den gefangenen Herzog, und seinen Sohn nimmer freizugeben, anerwogen die große Victoria, so sie ohne sonderliches Blutvergießen gewonnen, von dem gerechten Gott hergekommen, der nu Männiglich, so noch Augen zu sehen und Ohren zu hören hält, deutlich fürstelle, daß er des Pabstes und des Teufels Regiment ein Ende wölle nehmen lassen etc.

Und in Wahrheit machete das Ding uns sehr hinterdenklich, insonderheit als wir den Kleinmuth der Unsrigen sahen, auch viele verjagte Pfaffen trafen, und wiederumb etzliche, so plötzlich abtrünnig worden und vor die Stola sich die Weiberschürze umgebunden hätten. Doch blieb ein groß Haus standhaft und ließ sich wohl gar erschlagen, wie wir denn eins solchen Priesters gewahr wurden, der in seim ganzen Meßgewand tobt am Wege lag, den Kelch annoch in den Händen haltende, woraus wir judizirten, daß ihn etwan ein Schlagfluß überkommen, anerwogen man ihm sonsten nicht den güldenen Kelch gelassen. Da er aber viele Wunden hätte, wurden wir Widder zweifelmüthig. – In Summa, wir begruben das Laich mit unsern Schwertern, und dieweil wir in Erfahrung zogen: daß in dem nähisten Markt, Namens Ingersheim, ein gar kühner und unverzagter Priester wär, macheten wir ihme den Kelch zu eim Geschenk vor seine Kirche, was ihm gefiel, und da es Sonntag war, beschlossen wir auch bei ihm die Meß und Predigt zu hören.

Aber mein Pfaff, so kühn und unverzaget er ware, so tumm und ungelehret war er auch. Schimpfirete auf das katholische Volk, daß sie es den lutherischen Säuen nachthäten, und an den Fasttagen allbereits auch anhüben Fleisch zu fressen. Aber, sprach er, welch ein Gräuel es für Gott ist, die Fasten zu brechen, sehet Ihr an Christo und seinen Jüngern selbsten. Hatten nur noch 3 Tage bis zum fröhlichen Ostern, aber konnten sich nit überwinden, so lange zu fasten, nein! mußten allbereits am grünen Donnerstage Fleisch essen und eines Lammbratens nießen. Aber was, geschah? So lieb unser Herr Gott auch Christum hätte, mußt er doch davor schon des andern Tages bluten, item alle Apostel mußten nachgehends auch davor bluten, und ist kein einziger natürliches Todes gestorben. Daher hüthend Euch und brechend nit die Fasten! denn hat unser Herr Gott mit seim eigen Sohn kein Federlesens gemacht, was will ers mit euch machen!

Solches sprach er etwan, weil hier und anderer Orten, wie wir in Erfahrung zogen, die Lutherschen an den Fasttagen sich auf offenbarem Markt zu setzen und Fleisch zu fressen pflegeten, wie die Hunde, umb dadurch das katholische Volk zu ärgern. Aber daß durch solcherlei Ungeschicklichkeit und Dummheit dem Nebel nicht gewehret ward, besondern bei denen Verständigen die Religion immer mehr in Abbruch kommen mußte, ist leichtlich zu greifen. Und solcher dummen Pfaffen haben wir noch immer ein groß Theil, wie man nachgehends noch weiters hören wird.

Hiezu kam die große Verspottunge, so man nach solcher Victoria mit unsern Ceremonien frank und frei für allem Volke triebe, und will ich allhier nur des schwersten Falles gedenken, so uns fürkam. Selbiges geschah ebenmäßig in eint Markt in Schwaben; doch sprich ich nit mehr, wie er geheißen; denn als wir hineinritten, wurden wir eines großen Auflaufs gewahr, und eines also lauten Brüllens, Schreiens und Lachens, daß es nit zu sagen ist.

Ursach ware, daß man ein Kerl, so den Pabst bedeuten sollte, in Procession durch die Straßen trug. Selbiger hatte eine dreifache Krone von Papier auf seim Kopf, und saß Salva venia auf eim N…stuhl, eine wahrhaftige Monstranz in seinen Händen haltende, in welcher ein Stück verschimmelt Brods war, womit er das Volk geseegnete. Und wurd er von acht Schelmen getragen; so rothe Weiberröcke anhatten und die Cardinal bedeuten sollten, in währendem vier andre Kerls als Bischöfe eine ungegerbte Eselshaut auf vier Pfählen als einen Thronhimmel über ihm hielten. Hierauf folgere ein Bösewicht in wahrhaftigem Meßgewand von Gold und Purpur, hätte einen ausgebleichten Ochsenkopf vom Schindanger im Arm, den er küssete und sprach: heiliges Oechselein, bitte für uns! und ihn denn auch dem Volk hinhielt, ihn ebenmäßig zu küßen, worüber alles Volk sich schier zu Tode lachen wollte. Nachgehends kam ein Hauf Chorknaben, so ein Weil lateinische Lieder sungen, ein Weil aber wieder inne hielten und von eim Kerl abgelöset wurden, der Lutheri schnödes Büchlein: bulla coenae domini, das ist, die Bulla vom Abendfressen des Allerheiligsten Herrn des Bapstes Altenburger Ausgabe Th. II. S. 62 ff. Fast alle diese Schmäh- und Schandschriften kamen ursprünglich mit Holzschnitten verziert heraus, und ist es in der That wahr, daß das ganze christliche Alterthum kaum Aehnliches an pöbelhafter Gemeinheit und obscöner Ausdrucks- und Darstellungsweise bietet, als so manche Schriften des großen Reformators. auf einer sammitnen Kelchdecken trug, und daraus dem Volk die Bedeutung des heiligen Stuhles fürlas, auch die sauberen Bilder wiese. Zum Schluß kam ein groß Hauf Volks, so theils aus dem Städtel, theils vom Lande zusammengeloffen war.

Als wir nu das Ding ein Weil angesehen, und Niemand kam und ihm wehrete, inmassen Bürgermeister und Rath aus den Fenstern des Rathhauses lugeten und ebenmäßig sich buckeligt lachen wollten, sprach ich: Junkers, jetzo ist es Noth; lasset uns dies verdammte Gesinde auseinander treiben; ich achte, sie laufen allzumal für uns zum Teufel, so wenig wir auch sind.

Solches hießen sich meine Junkers nit zweimal sagen, und zogen wir alsofort die Schwerter und jagten mit lautem Mord- und Marter-Geschreie also mächtiglich in die Procession, daß die Cardinal gleich von selbsten, als sies entwahr wurden, den Vater Babst von oben aufs Steinpflaster fallen ließen, item die Bischöfen den Thronhimmel wegwarfen, der Meßpfaff den Ochsenknochen, und alle heulende mit dem ganzen Gesinde streuens hin und her den Reißaus gaben, in währendem wir mit der flachen Klingen nachhalfen, und Alles, was uns fürkam, gar weidlich abbläueten, daß es eine Lust anzusehen und zu hören war, wie die feigen Bestien heulende und brüllende zum Teufel liefen.

Und acht' ich, daß durch solcherlei Gaukel, so ich nachgehends noch oft erlebet, der Lutherus ebensoviel gewonnen, denn durch seine Lahr.

In Summa: dieses waren die hauptsächlichsten Ebenteuer, so ich auf meiner Fahrt in den braunschweigischen Krieg erlebet, und kam ich nach wenig Wochen (dieweil ich mich beeilete) auch mit Gottes Hilf wohlbehalten auf der Burg meines Vaters an, der zu meiner Freud wiederumb von seinem Zipperlein genesen war, und eine gar große Freude hatte, mich wiederzusehen.

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