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Wenn wir die einzige und ursprüngliche Quelle des widerspruchsvollen lutherischen Systems in seiner Lehre von der Unfreiheit des menschlichen Willens gefunden haben; so werden jedoch nur diejenigen unserer Leser abermals über ihn ohne Weiteres den Stab brechen und ihn von vorne herein lieblos verdammen können, die weder Kenntniß noch Ahndung von den großen geistigen Kämpfen haben, welche die Vernunft fast seit dem Beginn der Philosophie bis auf diesen Tag, über Freiheit und Nothwendigkeit gefochten hat. Denn eben bis auf diesen Tag haben die größten Denker aller Zeiten, und neuerdings fast nur mit alleiniger Ausnahme Kants, mehr oder minder die Ansichten Luthers getheilt, und selbst Erasmus, obgleich er ihn, wie wir oben gesehen, zu widerlegen suchte, fühlt sich in einem Briefe an Ludovicus Vives Lib. epp. XIX. p. 613 ed. Basil zu dem Geständniß genöthiget: er habe, da er von dem freien Willen geschrieben, seinen freien Willen verloren; denn ein Anderes habe ihm sein Herz gesagt, ein Anderes seine Feder aufgezeichnet.
Und wie die Philosophen, haben die Theologen von jeher dieses unergründliche Thema mit größter Mühe verfolgt; ja, Paul Sarpi erzählt in der Geschichte des tridentinischen Concils, daß die Väter mehr als hundert Versammlungen bloß zur Feststellung, dieser einzigen Lehre nach Schrift und Tradition gehalten hätten, und nichts desto weniger wurde die gallikanische Kirche bald daraus von der abweichenden Lehre des Jansenius, wie die Kirchengeschichte zeigt, fast durch und durch erschüttert.
Doch dies gehört nicht hieher; wohl aber daß es nach dem Gesagten höchst verzeihlich war, wenn Luther den Irrthum so großer Geister aller Zeiten theilte. Das aber war unverzeihlich: daß er nichtsdestoweniger auf diesem Irrthum beharrte, als er die ganze religiöse und moralische Welt plötzlich um sich zu Boden sinken sah, ohne sich an das Wort des Herrn zu erinnern: »an ihren Früchten sollt ihr sie erkennen; es werden nicht Alle, die zu mir sagen Herr Herr, in das Himmelreich kommen, sondern die den Willen thun meines Vaters im Himmel« (Matth. 7, 16. 21.) und nun reu- und demüthig an seine Brust zu schlagen und vor aller Welt zu widerrufen.
Aber sein Hochmuth hielt ihn ab das zu thun, wozu sein Gewissen ihn so oft ermahnte; seine göttlichen Gedanken hielt er für dämonisch, und umgekehrt, Anm. d. Herausgebers. Vergl. Rudolph Haserts, ehem. lutherischen Pastors, treffliche Schrift: »War Luther ein Mann Gottes etc.« Wien u. Gratz. 1856. seine dämonischen Gedanken hielt er für göttlich, und so hat er nicht blos den Untergang so vieler Seelen in Laster und Unglück verschuldet, sondern auch das unendliche Blut, welches mit seinem Tode anhob über Deutschland zu fließen und länger als hundert Jahre nach seinem Tode noch fortfloß, dies herrliche und gottgesegnete Land in eine furchtbare Wüste verwandelte, und seine unglücklichen Kinder trennte und spaltete bis diesen Tag; er hat es allein auf seiner Seele! –
Gerade umgekehrt wie Luther, welcher lehrte: der Mensch ist unfrei und durch und durch von der Sünde verderbt, hat es nun die Philosophie des gemeinen Menschenverstandes in unserer Zeit gemacht. Sie hat seit 60, 70 Jahren, mir nichts dir nichts, in tausend Systemen, Zeitschriften, Romanen und Gedichten die unchristliche Lehre verbreitet: der Mensch ist frei und keinesweges von der Sünde verderbt, und es sind wohl wenige unter meinen Lesern, welche nicht die bekannte Schillersche Gnome bewundert hätten, oder gar noch im Gedächtniß trügen:
Der Mensch ist frei geboren, ist frei,
Und würd er in Ketten geboren,
Laßt Euch nicht irren des Pöbels Geschrei
Noch den Mißbrauch rasender Thoren:
Vor dem Sklaven, wenn er die Kette bricht,
Vor dem freien Menschen erzittert nicht.
Wie gedankenlos man in seiner Jugend solcherlei Tiraden auf und annimmt, davon bin ich mir in diesem Augenblick ein lebendiges Exempel. Ich schäme mich fast eingestehen zu müssen, daß ich heute erst als 54 jähriger Mann dahinter komme, daß diese Worte nicht blos dogmatischen, sondern auch logischen Unsinn enthalten; denn ist der Mensch frei geboren, und brauchen wir nicht vor ihm zu zittern, so brauchen wir es auch nicht vor rasenden Thoren und vor Sklaven, denn beide sind ja auch Menschen.
Bei dieser Annahme, welche den oben angegebenen Lehren der allgemeinen Kirche nicht minder entgegengesetzt ist, gerathen wir bei consequenter Durchführung der Idee fast zu denselben Resultaten, als zu welchen Luther gerieth; und alles Unglück, was unsere Zeit geboren hat und noch gebären wird, ist nach meinem Dafürhalten einzig und allein in den Consequenzen dieses modernen Pelagianismus zu suchen. Denn ist der Mensch keinesweges von der Sünde verderbt, wie dies doch schon die weisesten Männer der Vorzeit gelehrt und alle heidnischen Völker, soweit die Geschichte geht, indirect durch ihre Opferhandlungen ausgesprochen haben und noch aussprechen, ist er nicht von der Sünde verderbt, sage ich, sondern wirklich frei, so kann und konnte er sich auch natürlich ohne Mitwirken Gottes zu jedem Guten bestimmen; aber dann ist die Lehre vom Teufel eine Fabel, dann bedürfte es keiner Versöhnung und keines Christus, dann bedürfte es keiner Gnadenmittel in der Kirche, keiner Predigt, keiner Sakramente, keiner Priester, keiner Gnadenmittel, im Staate keiner bindenden Gesetze, keiner Könige, keiner Fürsten. Weg darum mit der trüben christlichen Moral, weg mit der Ehe, weg mit der Todesstrafe, weg mit dem Eigenthum! Moses ist eben so toll als Christus! Weg mit Moses, weg mit dem blutigen Christus, der Mensch ist frei geboren, ist frei, weg mit den tyrannischen Königen und Fürsten von Gottes Gnaden, weg mit den reichen Geldsäcken! Fürsten, Pfaffen und Friedrichsd'ore dürfen den freien Menschen nicht länger knechten; Hurrah: Socialismus – Communismus – Atheismus!
Hier haben wir also dieselben Resultate wie in der Lehre von der gänzlichen Unfreiheit des menschlichen Willens, Resultate, wie sie aller Welt vor Augen liegen, nur daß als Zugabe noch der Atheismus hinzugekommen ist. Alle diese Consequenzen würden schon im fünften Jahrhundert zu Tage getreten sein, wenn die Weisheit der Kirche ihnen nicht zuvorgekommen wäre, und den Pelagius und sein System auf den Synoden zu Mileve, Carthago und Ephesus (416 und 431) verdammt hätte. Das würde in neuerer Zeit die Kirche unstreitig wiederholt gethan haben, wenn ihr nicht durch den Gallicanismus in Frankreich und den Josephinismus in Oesterreich dermassen die Hände wären gebunden gewesen, daß dieses unglückselige System gleichmäßig die katholischen wie die protestantischen Länder überfluthete, und nun den Königen selbst aller Orten furchtbar an den Thronen rüttelt.
So gefährlich ist es, ich wiederhohle, es, in einem einzigen Puncte von der Lehre der Kirche abzuweichen, welche der Weg, die Wahrheit und das Leben, welche Christus, der Sohn Gottes selbst gestiftet und mit seinem Blute erlöset hat! –
Da nun aber dieselben Ursachen auch moralisch dieselben Wirkungen zu haben pflegen; so ist und muß unsere unmittelbare Zukunft auch eben so trübe sein, als es die unmittelbare Zukunft nach der Reformation war, und ich würde dem genialen Pessimisten, dem Marquis Donoso Cortes von Valdegamas Recht geben, daß, wie einst bei der Sündfluth und bei der Ankunft Christi, die Welt nur wieder, wenn sie anders noch weiter bestehen soll, durch einen directen, persönlichen und souverainen Akt Gottes beruhigt werden könnte, etwa so, daß er wieder mit der Wolke seiner Herrlichkeit wie einst 6 Tage lang den Sinai, 6 Tage die ungläubige Welt bedeckte, und dem verblüfften Denkpöbel zuriefe: » Hallunken, hier bin ich!« ich würde diesem genialen Manne recht geben, sage ich, wenn nicht das Element des Atheismus, welches unsere Zeit vorder Reformationszeit, als köstliche Errungenschaft voraus hat, mir die tröstende Hoffnung gäbe: daß diese Beruhigung noch innerhalb der Grenzen der mittelbaren göttlichen Weltregierung zu Stande kommen könne. Denn sind alle unsere Weltverbesserer auch eben so versessen auf ihrer Ansicht, als Luther und seine Anhänger, und wenn sie auch die Sünde wie Wasser vor sich ausgegossen sehen, haben sie gleichfalls eine Menge entschuldigender Ausflüchte, wie dieser, kurz sind sie allzumal gleich halsstarrig und unverbesserlich; so klebt ihnen doch, wie dem Atheismus aller Zeiten, der unvertilgbare Makel der Feigheit an, und bei einer neuen, gewiß nicht ausbleibenden Schilderhebung werden ihre Häupter sicher wieder ihren Weibern unter die Schürze kriechen, und ihre Anhänger nach kurzer Gegenwehr das haasenvolle Weite suchen, wie wir die Vorbilder in Sachsen, Baden und der Pfalz gesehen haben Daß die Bewegung Kossuths eine Ausnahme machte, liegt allein daran, daß er klug genug war, ihr zugleich einen religiösen Anstrich zu geben. Eben so machte es Napoleon in der ersten französischen Revolution. Als der Gifttrank der »Freiheit, Gleichheit und allgemeinen Brüderlichkeit« einen kurzen Rausch des kanibalischen und sich selbst vertilgenden Heroismus hervorgebracht hatte, stellte er das Christenthum wieder her, und pflanzte gleichzeitig für die noch etwa Schwankenden neben das alte Kreuz die neue Fahne des Ruhmes. Sonst hätte er nie die Welt erobert.. Darum steht nach meinem Erachten kein zweiter dreißigjähriger Krieg zu fürchten, sondern so lange noch das religiöse Element in unseren Heeren bleibt, eben nur eine allgemeine, obgleich blutige Haasenjagd.
Und waren wir kaum wieder in unserer Heerbergen angelanget und erzähleten noch dem Wirth was fürgefallen, als Pommeranus seinen Knecht sendete: ob die Herren etwan sich heute oder morgen vor Geld weiter fahren ließen; er hätter zwo schöne Rappen, und führe auch für Geld.
Solches verredeten wir lachende, wie man leichtlich greifen kann, und hatten nachgehends noch bis weit in die Nacht einen langen Disput mit unserm Wirth, daß er sich mit uns widder zu der wahren Kirche wenden und dies Affenwerk fahren lassen wölle. Aber er wollte nicht, sprach: dann müsse er abermalen umziehen, ansonst er hier nicht seines Lebens sicher wär, und als wir ihn fleißig dazu vermahneten, sahen wir letzlich wohl, daß er gar allen Glauben fahren lassen, anerwogen er vermeinete, das Eine war' ein Affenwerk wie das Andere.
In Summa: da Nichtes mit ihm anzufangen, bezahleten wir am andern Morgen unsere Zech und ritten unserer Straßen. Auf dem Markt kam uns das mausige, mürbe Männlein widder entgegen getrallallet; doch als er mein ansichtig ward, hielt er flugs das Maul, und sprung mit seiner Mappen in ein andre Straß. Gehab dich wohl, mein lockerer Geselle! –
Doch dieweil es die Nacht fast viel geschneiet, kunnten wir nur Schritt reiten, daher wir eine halbe Meil hinter Wittenberg beschlossen, unsere Knechte zurückzuschicken, daß sie uns von dem Wirth oder sonsten zween Schlitten kaufen söllten, item Sielenzeug vor die Pferde. Und mochten sie kaum eine halbe Stunde abgeritten sein, als uns ein gar kläglich Schauspiel fürkam.
Denn siehe, der Priester, so wir bei Luthero gesehen, lag mit seim Weib und drei kleinen Kindern in eim Graben. Rief uns bei den Wunden Christi an, ihme zu helfen. Er hätte von eim Scheerenschleifer in der Herbergen in Erfahrung gezogen, daß bei Altenburg ein Dorf gelegen, so er auch nannte, allwo die die Bauern und ihr Edelmann einen gestudirten Priester haben wöllten. So hätte ein Theerfahrer ihme heute Morgen versprochen, Weib und Kinder ein Eck mitzunehmen; von wegen dem vielen Schnee, so die Nacht gefallen, hätt er sie aber unweit von hier fluchende abgesetzet, und wär seiner Straßen gefahren, also daß sie hie wären liegen blieben, und nicht weiter könnten für großer Mattigkeit.
Was sollt ich thun? Ich war der Jüngste; packete also den Priester mit Weib und Kindern auf mein Roß, bat meine Gesellen langsam fürauf zu reuten, und leitete das Roß am Zügel in die Stadt zurücke, oft bis an die Kniee im tiefen Schnee watende. So sunge nu mein Priester Luthero unterwegs große Loblieder, und wie er seinen schwachen Glauben gestärket, wozu ich stille schwieg, dieweilen alle Widerred doch vergeblich gewest wäre. Hergegen sprach ich: Ihr habet aber doch sehr unfürsichtiglich gethan Er Kieser, daß Ihr Eure Pfarr aufgeben und ohngefährlich gen Wittenberg gezogen seid, und jetzt wiederum ohngefährlich gen Altenburg ziehen wollet, und hat Dr. Pomeranus ganz recht: ein Witten mit Noth, ist besser, denn kein Witten und der bittere Tod. Darumb ist mein Rath: Ihr kehret in Euer Vaterland zurücke, allwo man Euch kennet, und dieweilen Dr. Pomeranus Euch gestern keinen Zehrpfenning geben, mag er es etwan heute, oder auch eine Empfehlunge an den Herzogen Philippsen Euch schreiben. Item hat er ein paar guter Rappen, wie ich in Erfahrung gezogen; darum bittet ihn, daß er Euch mit Eurem Weib und Würmleins als Euer Landsmann ein gut Eck fortschicke. Saget nur: Ihr hättet von mir gehöret, daß der Herr Doctor oftermalen die Leut ein Eck fortfahren ließ, darumb müge ers auch Euch thun.
Solches ging meim Priester bei, bedankete sich für meinen guten Rath, und daß er alsogleich zu Dr. Pommerano wölle.
Alldieweilen wir aber jetzo das Weichbild erreichet, und unsere Knechte schon lustig mit zween Schlitten angekutschiret kamen, setzte ich mein Gesinde zwischen den Scheunen ab, und ließ es laufen, gab dem armen Weibe auch noch so viel ich konnte, um sich und ihren Würmleins auch ein Schaafspelz zu kaufen, denn ihr Kerl hatte einen (was er aber inwendig hatte weiß ich nicht, besorge aber ein andern Pelz, denn sonst hätt er ihn wohl getheilet, angesehen Weib und Kindern über meim Kopf die Zähn wie Klappermühlen gingen) und kutschirete alsbald meinen Gesellen nach.
So zogen wir etzliche Tage weiter, und gefiel uns das Handwerk mit den Schlitten gar wohl. Aber am vierten Abend hatt ich einen so bösen Handel, daß ich kaum mit dem Leben davon kam, und wenn mir nicht eine List beigegangen wär, wohl längstens in der Erde schliefe; denn ich schlug den halben Adel des Fürstenthums, so ich aber nicht nenne, noch die Stadt, umb den anderen Theil nit zu schimpfiren, mit meinen Fäusten, wie annoch die Narben zeugen, die sie mir gelassen, anerwogen Alles was wir bis dato von der Wirkunge der lutherischen Lahr gesehen, ein Kinderspiel gegen das war, was wir sehen sollten, und darumb mein Ingrimm also hoch stiege, wie er nimmer in meint ganzen Leben gewest, so viel Ungerechtigkeit und Gottlosigkeit ich auch gesehen hab. Und war dieser Handel also gewachsen:
In der Herbergen besagter Stadt, wo wir zu guter Zeit einkehreten, dieweil wieder ein schwarzer Bullkater im Westen aufstiege, traf ich ungefährlich einen jungen Gesellen vom Adel, den ich vom Braunschweigischen Kriege her kennete. Er war dorten auch ein lustiger Buchfinke gewest, und hatte ich ihme noch an drei Gülden gelehnet, wovon er aber Nichtes sagete.
Selbiger freuete sich mich wieder zu sehen, und zeigte auf ein alten dicken Kerl mit braunem Antlitz und gar verwegenem Trutzbärtel, der hinterm Tisch saß, und mit gludernden Augen des Bieres trank, sprechende: das wär sein Vater.
So stund der dicke Kerl gleich auf, gab uns die Faust und sprach: Ob wir etwan auch heut Abend zu dem Mummenschanz Maskenball. anhero kommen wären?
Nein, wüßten von keim Mummenschanz; wo er denn wär?
Allhie auf der freiherrlichen Burg vor der Stadt, und käme wohl der halbe Adel des Fürstenthums zusammen, wir söllten doch auch mitkommen etc.
Solches ließen wir uns gefallen, und dieweil nu ein Wort das andere gab, erfuhren wir, mein Edelmann wölle den Tetzel fürstellen, anerwogen er selbsten der wackere Geselle gewest, wie er sprach, der diesen Bösewicht geäffet, und ihm seine ganze Kasse in der Heiden zwischen Jüterbock und Trebbin abgenommen, wie wir wohl ohne Zweifel gehöret hätten.
Solches verjahete nu zwar Er Johannes, dieweil wir andern es aber verneineten, hub er an uns zu erzählen: daß er besagten Schalk gefraget: ob ihme auch die Sünden möchten vergeben werden, so er annoch in Gedanken hab und thun wölle. Hätte mein Tetzel zur Antwort geben: Zweifle nit; die Macht des heiligen Vaters gehet über das Vergangene wie über das Gegenwärtige und Zukünftige, und so du 30 Thaler springen lässest, geb ich dir den Ablaß vor allerlei Sünden, so du annoch in Petto hast, waserlei Art sie auch sind.
Solches hätt er alsbald gethan, und nachdeme als er den Ablaßbrief genommen, sich mit seinen Knechten in besagter Heiden hinter eim dicken Busch gelagert, bis mein Schalk mit seinem Ablaßkram und Geldkasten fürübergekommen, ihne alsbald von allen Seiten angegriffen, letzlich selbsten erwischet und den Gottesraub ihme abgenommen, item Kutsche, Wagen, Pferde und in Summa: Alles was er bei sich geführet.
So hätte mein Tetzel nu beede Arme gen Himmel gestrecket und Zeter geschrieen über die unerhörete Sünd, so er an ihme, ja an dem heiligen Vater, ja an der heiligen Dreifaltigkeit selbsten begangen, und das Feuer des Himmels und der Höllen auf ihne herabgewünschet. Er aber habe die Peitsche genommen und den unverschaamten Pfaffen vor solchen Segen wacker abgebläuet, immer rufende: siehe, das ist die Sünde, so ich begehen wollte und du grober Esel mir im voraus vergeben hast; siehe dieses ist die Sünde! bis er über und über gebläuet gewesen, und um gut Wetter gebeten. Wäre aber nicht alsobald auf freiem Fuß gewest, als er ihne bei Herzog Georg von Sachsen verklaget, so zwar wie Männiglich wisse, ein gar verstockter Papist gewest, doch nachdeme als er sie Beede vorgefordert und den Handel gehöret, dem Tetzel zur Antwort geben: Dir ist ganz recht geschehen, und ich richte also: daß alles Gut, so dir der Junker abgenommen, ihme gebühret, und hätt er dir nit allbereits den Staupbesen gegeben, wer wüßte, was ich annoch thät. Denn du hast mit deinem Geiz, Trotz, Bosheit und Gotteslästerunge alles Unheil allein verschuldet, so in die Kirchen hereinzubrechen drohet.
Als nu mein Tetzel sich entschüldigen wollen, hätt er barsch zur Antwort geben: Kannst Du Dich entschüldigen, kanns der Teufel auch. Ich will Dir nur einen Fall vor Tausende fürstellen. Ist nit ein junger Studiosus, Namens Mycowius zu Dir kommen, und hat Dich und Deine gottlosen Gesellen um Gottes willen gebeten, ihme umsonst Ablaß zu ertheilen, anerwogen er keinen Pfennig hätte, denn das bittere Leben? Ist er nicht drei-, viermal zu dir kommen und immer vergeblich, da du böser Pfaffe doch in deiner Bulla den Befehl vom heiligen Vater überkommen hast: daß den Armen der Ablaß umsonst und um Gottes willen gegeben werden soll? Hast du nit die Worte aus der Bullen ausgekratzet, und blos pauperibus tamen stehen lassen, dieweil sie nit auszukratzen waren? Packe dich zum Teufel, dir ist ganz recht geschehen! S. Zedler Universallexicon Band XLII. S. 1503 ff. Artikel Tetzel.
Dieses wär sein Fürfall mit dem Tetzel gewest und wölle er heute auf dem Mummenschanz fürstellen, wie derselbe sich zu gebahren gepfleget, inmaßen er aller Orten ein groß Hauf von Ablaßzedduln zusammengegabelt, womit dieser Schalk weiland das Volk betrogen, ehender es durch den Mann Gottes die reine Lahr überkommen. Jetzunder hätten sie ihme lachend das umbsonst geben, wovor sie ehender viele Meilen geloffen wären, umb es mit dem letzten Pfenning zu gewinnen.
So lacheten wir Alle über dieses Ebentheuer mit dem Tetzel, und freueten uns, daß ihm also mit blauer Farben sein gotteslästerlicher Geiz und Schinderei angestrichen worden, wurden aber alsbald darauf von wegen dem Ablaß strittig.
Darum fragete Er Johannes den Junker: was denket Ihr denn, daß der Ablaß sei? Und als er zur Antwort gab: die Sündenvergebung vor Geld, hob selbiger an zu lachen und sprach: Da seid Ihr in gar großem Irrthum.
Die Sünden müssen Euch erstlich in der Beicht vergeben sein, und Ihr müsset Reu und Leid gezeiget, auch Besserung zugesaget haben, ehe es möglich ist, Euch Ablaß zu geben, das will sagen, die kanonische Strafe für die Sünde zu erlassen.
Als ich setze den Fall, Ihr hättet Wegelagerung gehalten und fremdes Gut geraubet. Solches beichtet Ihr dem Priester, sprächet: Euch wär die Sünde leid und Ihr bätet um Absolution. So giebet Euch nu zwar der Priester solche Absolution in Vollmacht und auf Befehl Christi, spricht aber: davor, daß Du Deiner bösen Lust gefolget bist, mußt du dem Fleisch wehe thun, das geraubte Gut wieder erstatten, fasten, ein Büßerhemde tragen, und was er Euch sonsten nach Größe Eurer Uebelthat und nach Fürschrift der Kirche zu thun auferleget. Sprechet Ihr nun etwan: ich kenne des Menschen nicht, dem ich sein Gut abgenommen; so legt er Euch auf, meinshalben einem Kloster oder Spittel solches Gut zu vermachen. Thut Ihrs, sind Euch die Sünden um Christi willen vergeben; thut Ihrs nicht, sind sie Euch behalten.
Oder: ein Mensch hätte einen Ehebruch begangen und beichtete ihn reumüthig dem Priester, so muß er ebenmäßig seinem Fleische wehe thun und die kanonische Strafe demüthig und geduldig übernehmen, so auf sein Verbrechen stehet, oder er wird nicht versöhnet mit Gott.
Nu kommt aber in sonderlichen Gnadenzeiten der Ablaß, das ist, die Kirche spricht: ich erlasse den Sündern die kanonische Strafe vor die gebeichteten Sünden auf so und so viel Jahr, vermahne ihn aber davor desto fleißiger zu Gott zu beten, zu communiciren, zu fasten, und des Armen zu gedenken, und zwar spricht die Kirche also, weil sie nicht bloß auf Christi Geheiß (Joh. 20, 22. 23., Matth. 16, 19., Kap. 18, 18.) wahrhaftiglich die Vollmacht hat die Sünden zu vergeben, sondern auch auf Geheiß und nach dem Exempel St. Pauli (1. Cor. 5, 45., 2. Cor. 2, 10.) die zeitlichen Strafen für sothane Sünde zu erlassen. Das ist der Ablaß mein Junker, und giebt ihn die Kirche entweder umsonst oder um Geld. Giebet sie ihn vor Geld, so muß selbiges zu Gottes Ehre angewendet werden, als zur Aufbringung von Kirchen, Klöstern, Spitteln u. s. w., und werdet Ihr darum auch in allen alten Chroniken befinden, daß es in allen deutschen Landen fast kein großes Gotteshaus hat, insonderheit keinen großen und herrlichen Thum, der nicht von solchem Ablaß auferbauet wäre, just wie auch in Rom wieder Sanct Peter vom Ablaß auferbaut werden soll.
Ists nu Sünde zu Gottes Ehre Geld geben und Geld nehmen? Wer kein Geld hat, dem wird ja der Ablaß umsonst ertheilet; wer aber Geld hat und will ihn nicht, sondern lieber die kanonischen Strafen für seine Sünden abbüßen, mags ja auch thun. Niemand zwinget ihn. –
Hat aber in diesen bösen Zeiten der Papst diesen uralten Brauch der Kirchen übertreten oder durch seine bösen Legaten, als den Tetzel und andere übertreten lassen, so ist's seine Schuld, und er muß es schwer genug büssen. Daß aber der Ablaß, so er rein gelehret und getrieben wird, das Volk in der Liebe zu Gott bestärke, auch die Werke der Nächstenliebe nicht mindere, sondern fördere und mehre, ist eine wahrhaftige Erfahrung, und wissen alle frommen und rechtschaffenen Pfarrherrn solches zu bestättigen. Daher haben die Väter des Tridentinischen Concils Sess. XXV. auch den Ablaß beibehalten, und nennen ihn höchst heilsam ( maxime salutare) für das christliche Volk, obgleich sie eingestehen, daß viel Mißbrauch damit getrieben sei, dem aber die Bischöfe für die Zukunft vorzubeugen hätten. Ueber keine katholische Lehre herrschen leider bei uns Protestanten mehr Vorurtheile, als über die Lehre vom Ablaß.
Als nunmehr viele Gäste kamen, wurde das Gespräch abgethan, und ging ich hin mit meinen Gesellen, umb eine Larve zu kaufen; kunnten nur aber noch schwarze überkommen, dieweil die andern schon alle verkauft waren, was ohne Zweifel eine Fügung des grossen Gottes war, denn ohne diese schwarze Larven wär es wohl aus mit meinem Leben gewest. In Summa auf dem Schloß war Alles eine gräuliche Verhöhnung der katholischen Kirchen und Religion. Wir waren noch nicht die große Stiegen hinauf, so zum Tanzsaal führete, als wir entwahr wurden, daß ein Kerl das Bild der heiligen Jungfrauen, so oben in einer Nischen stunde, mit den Worten aufhob und in den Saal trug: die alte H… soll auch mal widder lustig sein, wie weiland auf der Hochzeit zu Cana. Aber auch das achte ich nicht von ungefährlich gekommen, anerwogen ich mir sonst wohl nimmer die Nische angesehen, die mich nachgehends so kräftig schützete. So gelangten wir an die Thür, wo ein Puppe stund, ganz wie der Papst gekleidet, hielt einen Ablaßbrief in der Hand, und ein Jud stund bei ihm und streuete böse Insecktlein, so er in einer großen Schachtel hatte, immerdar dem Pabst auf den Kopf, in währendem ein lebendiger Aff, so als ein Dominikaner gekleidet war, (denn die Dominikaner hatten den Ablaßhandel) ihme auf der Schulter saß, und der leckeren Kost nicht müde ward. Darüber lachete der ganze Saal, allwo die alten Junkers allbereits ein groß Gesäufte in den Ecken angehoben, in währendem das junge Tanzvolk noch in allerlei Verkleidung und Mummerei umherging. Viele waren als Mönche und Nonnen von allerlei geistlichen Orden vermummet, hatten Rosenkränze an der Seiten und Blumenkränze in den Haaren.
Der meiste Hauf aber ging in also gräulicher und unkeuscher Tracht, daß mir gleich das Blut in die Wangen und die Galle in jegliches Glied meines Leibes trat. Denn allhie sollt ich zuerst der gräulichen Pluderhosen gewahr werden, welche bei jedem Schritt den ein Kerl thät, das enthülleten, was Adam schon im Paradiese verhüllet hatte.
Leider war diese Mode eine protestantische Erfindung damaliger Zeit, wie der Generalsuperintendent und Professor Andreas Musculus in Frankfurth a. O. selbst eingestehen muß. Er sagt in seinem »höllenflammigten Hosenteufel:« Wer Lust hätte von Wunders wegen viel und die Menge solche unflätige, bübische und unzüchtige Pluderteufel zu sehen,
der such sie nit unter dem Pabstthum, sondern gehe in Stadt und Länder, die jetzt lutherisch und evangelisch genennet werden. Und nun höre und erstaune man über den Grund. »Und ist eben dies die Ursach: daß in den evangelischen Städten solche erschröckliche Meerwunder so viel und häufig gesehen werden; daß der Teufel, wie unser Herr Christus vermeldet, nicht gern in den unreinen, wüsten Städten und Oertern ist, sondern er will auch in dem Hause wohnen, das geschmückt und mit Besemen gekehrt ist.« – Das Schaltjahr von Scheible II. S. 223. Ebenso donnerte sein Herr Diaconus, und die scandalose Wirkung war, daß man am nächsten Sonntage eine solche »Pluderhose« ihm der Kanzel gegenüber zum Hohne aufhing. Ja, wer von unsern Lesern sollte es glauben, wenn es nicht die Geschichte bestätigte: daß man mit solchen Hosen sogar in die Kirche kam, woher denn Kurfürst Joachim II von Brandenburg, da keine Verbote wirkten, einem Edelmann einst diese Hosen in der Kirche aufschneiden und ihn im Hemde nach Hause gehen ließ. Zwei andere Buben, welche sich in solcher Tracht unter großem Zulauf des Volkes durch die Straßen blasen ließen, steckte er einen Tag in ein vergittertes Narrenhäuschen. Alles umsonst, die Mode blieb, und die einfältigen Priester konnten schlechterdings nicht die Ursache dieser und jeder andern sittlichen Verwilderung begreifen, welche mit einem Male wie die Sündfluth über die unglückliche Christenheit hereinbrach. Der Teufel, welcher ihnen das reine lautere Wort nicht gönnte, war und blieb denn immer die letzte und einzige Ausflucht. Ganze Schiffsladungen von
Teufeln wurden von ihnen in der Gestalt von Büchern und Predigten aller Orten aus- oder vielmehr eingeführt, um die Welt zu schrecken und zu bekehren, als Jagdteufel, Faulteufel, Saufteufel, Zauber- und Schraptenteufel, Gesindeteufel, Hur- und Unzuchtteufel, Wucherteufel, Hofteufel, Spielteufel, Hausteufel, Lügen-, Tanz-, Hoffartsteufel u. s. w. O der großen und unglaublichen Blindheit!
Gallus Handbuch der Brandenburgischen Geschichte II. S. 323 ff. Andere Obscönitäten, die man namentlich mit ausgepusteten Tauben, Sperlings- u.s.w. Eiern vornahm, übergehe ich. Item war das Maidvolk um seinen Hals nit sonderlich keuscher anzusehen.
Dieweil nu ein groß Theil von diesem teuflischen Gesindel in das andere Ende des Saales mit lautem Lachen drängete, traten wir auch hinzu und sahen abermals ein groß Bilde des Pabstes, so aber gemalet war. Und saß selbiger auf seinem Stuhl, in währendem Lutherus hinter ihm stund, und salva venia ihm ein Klystier setzete. Darüber brach sich der Pabst England, Dännemark, Schweden aus seim Leibe, und hatte von Deutschland nur noch ein ganz klein Endeken im Maul. Unten hatten die Unfläter mit großen Buchstaben geschrieben:
caetera deorsum!
Als ich dieses sahe, sprach ich zu meinen Gesellen: allhie geht es nimmer in Frieden ab. Gehet hin, und haltet die Rosse vor dem Thore bereit. Ich räche die Kirche unsers Gottes, oder ich komme nimmer lebendig aus diesem Saal.
So wollten sie mich sänftigen, sprachen: was wir denn gegen sie Alle wöllten? wir wöllten lieber unserer Straßen gehen; aber ich gab zur Antwort: gehet und thut nur, umb was ich Euch bitte; ich brauch Eurer Hülfe nicht, und bin Manns genug, den Teufel allein in die Flucht zu schlagende.
Aber sie wollten nicht, vermahneten mich noch mitzukommen, als der Tanz begunte. Und war dieser also gethan.
Zwei Kerls, so rothe lange Röck mit weißen Aermeln anhalten und ein langen Stab mit güldgewirkten Bändern in der Rechten, spieleten die Vortänzer. Wenn selbige sich dreheten, dreheten sich auch die Nachtänzer, item küsseten sie sich, küssete auch der Geselle die Maid just so lange, und daß solch Küssen noch länger währen möchte, drückete etzliches Mannsvolk besagten Vortänzern ein Stück Geld in die Hand. Leben des Ritters von Schweinichen, herausgegeben von Büsching Thl. I. S. 155.
Aber nu kam erst mein Ablaßkrämer, verstehe vorgenannten Junker. Hatte sich von eitel Ablaßbriefen einen Mantel genähet, den er umme hatte, schüttelte sich, daß die bleiernen Siegel, so daran hingen, klapperten, und wie Perpendicula sich bewegeten, wenn er ging, bedräuete die Musicus, daß sie stille schwiegen und sprach:
Erstlich ihr jungen Gesellen und Jungfern von meim Ablaß genommen; dann möget Ihr machen, was Ihr wöllet! Kauft Ablaß, kauft, kauft! Und wenn Ihr die Mutter Gottes geschändet, es kann Euch nicht feihlen, kauft, kauft! Die Engel tanzen heute just so für Freuden im Himmel, wie Ihr unten auf Erden tanzet, wenn sie Euch den Ablaß des heiligen Vaters Babst kaufen sehen!
Und als sich nu ein groß Gelächter anhube, schrie er weiters: ich will großmüthiger sein als Tetzel. Ihr sollet ihn Alle umsonst haben, worauf er rechtes und linkes sich ein Brief abriß, und abereins unter überlautem Gelächter ihn den jungen Gesellen gab, item den Jungfern, wovon aber viele mit Quäken und Gekreisch ihme selbigen aus den Händen schlugen.
Solches ertrug ich noch, wiewohl schwerlich. Als aber jetzo der Bösewicht zum Bilde der heiligen Jungfrau trat, so man an einen Pfeiler gestellet, und ihr auch ein Kranz aufgesetzet wie das andere Maidevolk trug, selbige lästerte und sprach: du mußt auch ein Ablaßbrief haben, wie die andern Maide, davor daß du dem Joseph eine lange Nase gemacht; kunnt ich mich nicht länger halten, sondern sprach zu meinen Genossen: Jetzo gehet, oder wir bleiben alle drei in diesem Saal; ich sterbe, oder ich räche die Mutter meines Gottes und Erlösers. Gehet und grüßet mein liebes Weib! Und als sie jetzo mir nachgaben und ich entwahr wurde, da das Tanzen wieder begunnen, daß ein teuflischer Gesell sich stellete, als wenn er fiele und seine Tänzerinne auf den Boden niederriß, hierauf alle Anderen sich ebenmäßig stellten, als wenn sie über ihne fielen, und alsbald mit großem Geschrei und Gelächter der ganze Boden voll Männer und Weiber lag, einer über dem andern, Aloysius von Orelli Gemälde der häuslichen Sitten der Stadt Zürich in der Mitte des 16. Jahrhunderts S. 462 ff. Da Verordnungen gegen dies muthwillige Umwerfen der Tänzerinnen nichts fruchteten, mußten bei jedem Ball die Stadtdiener in den Stadtfarben gegenwärtig sein, und sobald eine Niederträchtigkeit der Art vorkam, augenblicklich das Weiterspielen untersagen, oder sie im Weigerungsfalle auf der Stelle arretiren. sprang ich wie ein schäumender Eber in den Hauf und rief, als laut ich konnte:
Ihr schandbaren, vermaledeiten Bestien, ist dieß eine menschliche, ich sprich nicht eine christliche oder adliche Wirthschaft? schlug hierauf den Ablaßkrämer mit der Faust zu Boden, griff dann einen Lotterbuben, der am unzüchtigsten war, und wurf ihn also mit voller Gewalt in die Eck, daß er eim alten Junker, so eben einen Becher angesetzt, die Zähne einschlug, den Tisch mit allen was darauf war, umstürzete, und alsbald sich ein überlaut und ungemein Geschreie erhob, in währendem die Umlieger alle widder uf die Beinen sprungen.
So wollten sie mich nu greifen, aber meine Wuth war also groß, daß ich mit jedem Backenstreich einen Kerl zu Boden schlug oder doch, daß er zu halbem Boden taumelte, langsam aus dem Saal schreitende. Alldort aber bei der Porten und dicht an der großen Treppen faßeten mich vier steife Gesellen, so stunden und mein warteten, wovon ich alsbald zween ergriff, sie mit den Köpfen zusammenstieß als gewaltig ich kunnte, und sie blutende und brüllende die Treppe niederstürzete. Hiernach die anderen Beeden, und dieweil nu mit erschröcklichem Fluchen und Geschreie immer mehrere kamen, auch mein Zeug schon in Fetzen zerrissen war, sprung ich in die besagte Nische, welche mir Rücken und Seiten gar herrlich deckete, nahm immer wieder 2 Bestien, schmetterte ihnen das Antlitz zusammen, daß es roth wurd, dieweil es für Schaam nicht roth geworden, und polterte sie in den Abgrund nieder. Das währte ein ganz Eck, als ihrer 8 mich also anfielen, daß ein Theil mich in die Haare zausete, ein Theil mit den Zähnen in Händ und Arme biß, ein Theil sich niederwurf und mir die Füße fortziehn wollte, daß ich fallen möchte, ein Theil aber schriee: Waffen, Waffen, daß wir diesen Hund erwürgen!
Und als es aus dem großen Hauf der Umständer zurückeschriee: es sind leider Gotts keine Waffen im Saal! nehmet aber Messer und stechet ihn todt; die Wirthin soll Messer holen! – sprach die besagte Wirthin: es wird nur nicht helfen, Ihr sollet sehen ich habe recht, es ist kein Mensche sondern, wie seine schwarze Larve auch zeiget, der lebendige Teufel selbsten. Da ging mir auf diese Sag alsbald eine schöne List bei. Ich sammelte alle meine Kraft, schüttelte wie ein Eber das Gehunde, also die bissigen Bestien von mir, schlug sie mit der Faust und stampfete sie mit den Füßen zu Boden, und brüllete so laut und grimmiglich ich konnte: ja, ja ich bin der lebendige Teufel, ich komme euch Alle zur Hölle zu holen! abereins in den Saal zurückespringende und rechtes und linkes, Mannsbild wie Frauensbilde mit blutiger Faust zu Boden schlagende.
Als solches das unflätige Volk hörete und mich wüthen sahe, lief Alles mit abscheulichem und überlautem, gemeinen Geschrei eins Theils die Stiegen nieder, eins theils sprungen sie mit den Musikanten und ihrem Brummbaß aus dem Fenster, in währendem ich fortfuhr zu brüllende: ja, ja ich bin der lebendige Teufel selbsten! und rechtes und linkes Alles, nach wie vor, zu ganzem oder halbem Boden schlug. Denn nunmehro wagete Niemand mehr sich zu widersetzen, und währete es kaum auch ein halb Vater Unser, als der ganze Saal ledig und alles Gesinde Jung und Alt, Männer und Weiber in Wahrheit zum Teufel geloffen oder gesprungen waren, bis auf sechs oder sieben Leichen, so nicht wieder auferstanden, und unter welchen auch der Ablaßkrämer war.
Mord und Marter, das war eine Nacht! Das Blut lief mir in Strömen von den Händen und den Armen, und da ein Weibsbild beim Niederspringen das halbe Kleid am Fensterhacken gelassen, nahm ichs, und verband mir den linken Arm damit, so gut ich konnte, in währendem aus dem Fenster schauende, ob sich etwan Etzliche zu Tode gefallen. Aber ich achte, der hohe Schnee hatte sie wohl erlediget; denn ich wurde nichtes entwahr, als etliche zerbrochene Geigen und allerlei Putzwerk der Weiber streuens hin und her.
Daraus that ich aus eim Becher, der noch voll geschenket war, einen guten Schluck zu meiner Stärkung, trat zum Bilde der heiligen Jungfrauen, nahm ihr den Kranz wie den Ablaßbrief abe, verbrannte beede am Feuer, neigete mich und dankete ihr für den Schutz, den sie mir in so großer Fahr gewähret, flehete auch um ihre Fürbitte bei Gott vor mich, mein Weib und meinen alten Vatern, worauf ich das Bilde widder aus dem Saale trug und in die Nische stellete, so es mir etwan zu meiner Erlösung mildiglich abgetreten. Ging letzlich langsam die Stiegen nieder, immer rechtes und linkes lugend, ob man mir auch einen Hinterhalt geleget. Doch war Alles still wie ein Grabgewölbe, aber in eim tunklen Gang, dicht vor der Schloßporten, rührte sich ein Kerl mit eim langen Sauspieß, den er nach mir werfen wollte, aber alsbald den Reißaus gab, wie ich anhub zu brüllen, und den Sauspieß fahren ließ, welchen ich nu zu meiner Vertheidigunge mitnahm; und dieweil auf der Straßen auch Alles stille war, flugs vor das Thor eilete, allwo meine Gesellen mit den Pferden und Knechten auch mein schon harreten und meine Entledigung ihnen gar wunderlich fürkam. Und wars in Wahrheit die höchste Zeit gewest, daß ich gangen; denn wir höreten in der Stadt schon ein dumpfen Rumor, auch alsbald Sturm von den Thürmen läuten. Darumb, als mir der alte Dietrichstein das Blut gestillet, daß es stehen mußte, ritten wir flugs unserer Straßen, verirreten aber in der Heiden, was sicherlich auch nit ohne die Schickungen des barmherzigen Gottes geschahe. Denn als wir an ein Wildhaus, in welchem man Heu für das Gewilde gefahren, angekommen, und beschlossen, alldort zu nächtigen, auch die Pferde zu besorgen; höreten wir in der Fernen den Schall von Rosseshufen, derohalben wir leicht greifen kunnten, daß man uns nachsetzete. Schliefen also ganz geruhlich in dem warmen Heu, und ritten des andern Morgens unserer Straßen.
In Eisleben war hierzwischen unter zwo Dienern des lauteren Wortes ein großer Kyff am letzten Sonntag auf der Kanzel ausgebrochen, anerwogen sie sich gezanket, welchem Prediger der Wein gebühre, so Sonntags beim Abendmahl übrig blieb, und hatte der Pastor Namens Wolferlin der Gemeind am Vormittag fürgestellet, daß ihme als Pastoren, unzweifelhaft dieser Wein gebühre, wogegen der Diaconus am Nachmittag die Gemein zum Zeugen gerufen, daß er und nicht der Pastor den Kelch austheile, dahero auch billig, daß ihm zugesprochen würd, was etwan drinnen verblieb. Luthers Briefe von de Wette V 572. 577. Solches gab ein ärgerlich Gerede in der ganzen Stadt und vermeinete man, wann Lutherus mit ehestem käm, daß sie wohl beede würden weggejaget werden, wie zween andere in Naumburg, Namens Mohr und Medler, so sich auch alle Sonntage gezanket. a. a. O. V. 761.
Solcherlei Gräuel sahen und höreten wir viel unterwegs, und bin ich müde, sie zu erzählen, aber einer Predigt muß ich noch gedenken, so ein lutherischer Prädikante hart an der österreichischen Grenzen ablegte. Sprach vom jüngsten Tage, und daß er für der Thür sei, anerwegen Einer, Namens Henricus Bentingius sonnenklar erwiesen, daß die Welt nunmehro 6 tausend Jahr gestanden, und sicherlich im siebenten untergehen würd. Denn
1) hätte Gott sie in 6 Tagen geschaffen und am 7. geruhet,
2) wären an Salomonis güldenem Stuhl nur 6 Stuffen gewesen, auf der siebenten hab er selbst gesessen,
3) auf der Hochzeit zu Cana nur 6 steinerne Wasserkrüg, der siebend aber sei Wein worden,
4) hätt Einer in seiner Neujahrspredigt gesetzet: man sölle den Namen IHESUS billig mit eim H schreiben, so kämen auch 6 Buchstaben heraus und nit mehr,
5) wäre Josua mit dem Israelitischen Volk 6 Tage um die Stadt Jericho gegangen, aber am siebenten Tag uf ein groß Feldgeschrei, wär die Stadtmauer umgefallen, wie jetzunder die Welt umbfallen würd,
6) hätt es nur 6 Churfürsten im heiligen teutschen Reich, denn der siebende, als der König in Böheimb, wär gemeiniglich der römische König oder Kaiser selbsten.
Allhie hätt eine christliche Gemein auch 6 Gründe, und da es keinen siebenden mehr gäb, wie sehr er auch nachgesunnen; so wärs unzweifelhaft, daß die Welt nu bald unterginge, item glaube das auch unser werthe Elias, der theure Gottesmann Dr. Lutherus, Luther war in diesem Punkt so abergläubisch, daß er z. B. den Fall Gents in Flandern, den Austritt der Tiber, den Einsturz eines Thurmes in Breslau, die Geburt eines mißgestalteten Kalbes, ja ungewöhnliche schwarze Wolken für Vorboten des jüngsten Tages ansah. Deshalb schützte er auch den fanatischen Michael Stieffel, Prediger zu Holzdorf bei Wittenberg, welcher die Erscheinung des jüngsten Tages auf den 3. Oktober 1533 Morgens um 10 Uhr angesetzt und dadurch seine Bauern veranlaßt hatte, ihre ganze Habe zu verzehren und durchzubringen. Als die Prophezeiung aber nicht in Erfüllung ging, und die ergrimmten Bauern ihren Stieffel gehörig von oben bis unten abgeschmiert hatten, ihn auch schlechterdings ganz wegwerfen wollten, bestimmte Luther das Consistorium in Wittenberg, ihn in seiner Pfarre zu lassen. Später wurde er Professor der Arithmetik an der neuen Universität zu Jena. Unschuldige Nachrichten Jahr 1703 pag. 43. dahero es nit feihlen könne.
Wie es darum einem Verächter des göttlichen Wortes und seiner treuen Diener an jenem erschrecklichen Tage ergehen würd, der also nahe vor der Thür. Die christliche Gemein würds kaum gläuben, daß es einen Bauern unter ihnen gäbe, an deme hier in filia am Sonntage die Reihe gewest, ihne zu beköstigen. Diese Verpflichtung hatten nämlich die Bauern und selbst die Hirten, und läßt sich der Gebrauch noch in Pommern bis zu Anfang dieses Jahrhunderts in manchen Tochterkirchen verfolgen; wie denn der hier erzählte Fall auch durchaus historisch ist. So hätt er sich nu was Rechtes versprochen, anerwogen dieser Bauer noch überdieß Kindelbier gehabt, und darumb seine Frau und Kinder auch mitgebracht. Aber als er in die Thüre getreten, hätte der Filz auf eim Hauklotz gesessen, einen Topf mit bloßem Grünkohl zwischen den Beinen gehabt, ihme einen Löffel gereichet und geheißen, bei ihm niederzusitzen; mehr hätt er nicht, und Frau und Kinder brauche er nicht zu füttern. Ob das der Dank wäre vor das reine, lautere Wort? Grünkohl hätt er zu Hause alleine. – Denen Pfaffen und München hätten sie immer das Beste geben; aber jetzo gäben sie immer das Schlechteste, ja, die Welt müsse untergehen, er bliebe dabei, denn der Undank wäre zu groß! Wies alsdann aber jenem Verächter ergehen würd, davon wölle er jetzo nichts sagen, verhoffe aber, daß die heiligen Engel denen Auserwählten davon würden zu erzählen wissen durch alle Ewigkeit.
Alldieweilen nu aber, je näher wir der Heimath kamen, desto heißer mein ganz Herz und Geblüte meim lieben Weib entgegenwallete, beurlaubte ich mich von meinen Gesellen, anerwogen sie mir nicht folgen kunnten. Denn weil es hier weniger Schnee hatte, als im Sächsischen Lande, wir auch einen Schlitten allbereits in Stücken gefahren und den andern verkäuft hatten, ritten wir wieder, und war ich immer des Tags zwo oder drei Meilen füraus.
Darum gallopirete ich mit meinem Claus nu allein von dannen. Narre ich! Wußte nit, daß ich schon um wenige Tage allhie als ein Verbanneter umkehren würd mit bittern Thränen und Schritt für Schritt. Doch ich will Nichtes übereilen.
In Summa: als ich das letzte Nachtlager in Groß-Poppen gehalten, von wannen es in die Herrschaft Altensteig gehet, so dazumalen aus 19 Dörfern bestunde, mußte mein Klepper herhalten wie immer, und als wir letzlich den großen Eichengang entlang bürsteten, der von Kirchberg am Walde just uf mein Schloß losläuft, wurd ich aus der Fernen entwahr, daß auf dem Stadtteich, so mir gehöret, gefischet ward, und ein Weibsbilde dorten auf dem Eise immer auf und nieder trippelte. Ließ also Schritt gehen, bis ich erkannte, daß Sie es war in ihrer Zobelschauben, so ihr Clothar v. Pötting zur Morgengabe verehret; darumb ritt ich leisam, leisam, bis ich ihr auf einen Bogenschuß nahe war, sprung vom Rosse, schlich mich widder hinter die nächste Eiche, klatschete in die Hände und rief:
Eia Julia, gratia plena!
Da hätte nu einmal ein Menschenkind die Freude sehen sollen, als sie mein gewahr wurde! Liefen uns Beede schreiende entgegen, und wären bald Beede im tiefen Schnee gefallen, aber Gott gab, daß wir nicht fielen, und mochten wir dieses gemeine Straucheln wohl als ein Fürbild näherer, schwerer Versuchungen ansehen, die uns treffen sollten, wie wir denn nachgehends auch thäten.
Als wir uns also ein Weil umbhalset und sie mir mit ihren Freudenthränen den Bart gar lieblich eingeseifet, sprach ich: aber liebes Kind, was machstu allhie?
Herzer Mundel, gab sie zur Antwort, ich lasse fischen, du glaubst nicht, wie große Hechte wir gefangen, komm nur einmal ein wenig näher!
Aber ich hatte nicht Lust, sprach: ich wär müde, und müge sie nur mit in die Burg kommen, und unterwegs mir erzählen, was allhie fürgefallen. So erfuhr ich, daß unterdessen ihre Aeltern hier gewest und nur gestern widder abgefahren. Ihre Mutter hätte sie examiniret, und letzlich lachende gesprochen: um ein halb Jahr könne sie sich nur was Neues anschaffen.
Und als ich fürwitzig war, waserlei Neues sie sich anschaffen sölle, wollte sie erstlich nicht mit der Sprache heraus, erschaamrothete und bließ mir letzlich heimlich ein: ein Wiege sollt ich mir anschaffen.
Solches war mir nur angenehme, drückete sie übermalen an mein Herze, und waren wir kaumb in die nahe Burg und in mein Stuben getreten, als sie mit gar ernster Mien die Frage an mich richtete: kommestu als ein katholischer oder als ein lutherischer Christ in die Burg deiner Ahnen zurücke?
Und als ich zur Antwort gab: durch und durch als ein katholischer Christe, thät sie abermalen einen Freudenschrei, wurf sich auf die Kniee und sprach: ich danke dir heilige Mutter, daß du mein brünstig Gebet für Gott gebracht und seine Seele gerettet. Davor will ich dir auch gerne mein arm Gelübde halten, und Er wird es sicher nicht minder.
Da stund sie auf, und frug ich flugs, welch Gelübde sie denn vor sich und mich der heiligen Jungfrau gethan? worauf sie zur Antwort gab: Ich habe gelobet, wenn du als ein katholischer Christ heimkehretest, daß ich drei Jahre also mit dir leben wollte, wie die heilige Jungfrau mit Joseph gelebet.
Als ich das hörete, erstarrete ich fast für Schreck, fiel auf die Bank, und rief mit barscher Stimmen: das hastu gelobet? Spricht sie: ja lieber Mündel, aber – ach Gott! du zitterst ja und deine Augen quellen dir aus dem Kopf. – Geziemet sich das etwan auch wieder nicht? –
O, gab ich zur Antwort, die Hälfte meiner Herrschaft hättest du ihr geloben können, und ich hätte kein Wort gesaget; aber dies ertrage ich nicht. – O mein Gott, wie will ichs ertragen!
Spricht sie: Herzer Mündel, du hast es doch ertragen, als wir in der Hütten des Klausners wie Joseph und Maria zusammenlebeten.
Da mußt ich in all meim Schmerz lachen und gab zur Antwort: Dazumalen war ich ja ein Knabe, doch jetzo bin ich ein Mann. Wie will ichs ertragen! Du hast mich nie geliebet, und ich bin je und je mit Dir betrogen; ansonst wär dir ein solch Gelübde unmüglich gewesen!
Als sie das hörete und meinen großen Schmerz sahe, wurf sie sich zu meinen Füßen und rief: Herzer Mündel, ich liebe deinen schönen Leib unaussäglich, aber noch unaussäglicher deine schöne Seele. Siehe, hie lieg ich wie Maria Magdalena zu Christi Füßen, und netze die deinen auch mit meinen Thränen, und will sie mit meinen Haaren trucknen, vergieb mir nur, wenn ich gethan, was sich nicht geziemet. Ach, was geziemet sich? Heilige Mutter, wie lerne ich was sich geziemet!
So hätte sie nu in Wahrheit mit ihren langen Haaren meine Füße bedecket, und küßte sie und näßete sie mit ihren Thränen, und schluckete laut, und drückete sie an ihr Herze, worauf mir ebenmäßig die Thränen herfürbrachen, und ich sprach: o Julia, Julia, du salbest mich auch zu meinem Begräbniß; ich bin ein Mensch, Julia, und all mein Sehnen und Verlangen bist du!
In währendem wir Beede also wehklageten, ging die Thüre uf, und mein alter Vater, so schon von meiner Heimkehr gehöret, kam alsbald mit seim Krückstock herein gehumpelt. Sah uns Beede weinen, und wollte darumb gleich wissen, was fürgefallen. Und als ichs ihm sagete, stieß er für Zorn den Stock auf den Boden und sprach: Warumb nimmst du auch eine Nonn, hättest soviel schmucke Weiber kriegen können, du dummer Narr! Was willtu nu thun? Ich achte, du sprichst mit Luthero: Gelübde hin, Gelübde her! und weinest nicht albern, wie ich sehe, daß du thust. Denn hat Lutherus Münch und Nonnen aller Orden von ihrem Gelübd lösen können, vermagstu vielmehr dein Weib von ihrem tummen Gelübd zu lösen, unangesehen sie es noch dazu ohne deinen Willen gethan. Fürwahr, ein tummer Gelübd von eim Weib ist mir nie fürgekommen, so lange ich leb!
Hierauf gab ich zur Antwort: Herzer Vater, wär ich nicht nacher Wittenberg gewest, würd ichs machen wie Ihr saget; aber anjetzo ist ein ander Ding. Sehet meine wunden Hände an. Für die Mutter Gottes seind sie mir also zuschlagen, und für die Mutter Gottes will ich auch mein Herze zuschlagen lassen. Denn hätte sie mich nicht also wunderlich in ihrem Dienst geschützet, daß meine Erledigung Männiglich wie ein Mährlein bedünken muß, würdet Ihr mich nimmer gesehen haben.
Hierauf nahmen Vater und Weib meine beeden Hände, in währendem ich den Fürfall auf dem Mummenschanz erzählete, und nachgehends Alles, was wir bei Luthero und sonsten gesehen und gehöret, worauf ein gemein Verwundern entstund, und mein Vater gar hinterdenklich wurd. Letzlich sprach er: ja, stünde das Ding also, dann wölle er auch als katholischer Christ von dieser elenden Welt abfahren; fürwahr, das hält er nicht gegläubet!
Was ich aber thun wölle von wegen des Gelübdes, daß ich es hielte?
Ich wisse es annoch nicht; Gott würde Rath wissen.
Hierzwischen kamen nu meine beiden Schwestern und mein Brüderlein Bastian auch hergewischet, und dieweil meine Schwester Maria eine gar verständige Jungfer war, rief ich sie, als ich abereins und abereins Alles erzählet, in den Pallas und sprach: Dieweil mein Weib guter Hoffnung sei, wölle ich hinfüro einsam schlafen, und sölle sie heimblich durch die adelichen Jungfern mein Ehebett aus der Schlafstuben in mein Stüblin am Schloßthurm bringen lassen. Solches thät sie auch. Dieweil es aber Julia gewahr wurd, erhob sie ein groß Wehklagen, worüber sich die Jungfern und insonderheit Charitas von Spiegelberg also laut kützelten, daß ich auch hiezu kam, und ihnen das Maul verbot; hergegen ich meinem Weibe wieder das Wörtlein zuraunte, so sie immer wie ein Donnerschlag rührete: verstehe liebes Kind, das geziemet sich nicht! sei geruhlich! hast du A gesaget, so mußtu auch leiden, daß ich B sag. So schwiege sie auch; aber ich kunnte die ganze Nacht nicht schlafen; lag und betete und härmte mich, wußte nicht, wie dieser Berg zu überwinden. Ein Weil nahm ich mir für, uf die 3 Jahre Kriegsdienste bei dem Kaiser zu nehmen. Aber alsbald ging mir ihre Mutter bei, und daß sies hinzwischen auch mit mir machen könne, wie selbige es mit dem alten Klausner gemachet, item ging mir bei, wie er geseufzet und gesaget: Ja, wär ich nicht gen Rom geritten! auch wie er mich vermahnet, immer umb sie zu bleiben, was Adam versäumet und liederlich im Garten herumgeloffen wär, in währendem der Versucher gekommen; ja, daß ihr eigener Vater mich gewarnet, ihrer kindlichen Einfalt zu hüthen, damit ich keinen Mitesser überkäme.
Darumb, gedacht ich ein ander Weil wieder zu verbleiben, sah ich aber bald wieder ein, daß es ihr wie mir auf die Länge unmöglich werden würd, das Gelübde zu halten. So lag ich 1, 2 und 3 Nächte, wußte nit, was zu thun. Mein Fleisch hub an sie zu hassen, aber mein Herz sie nur noch inbrünstiger zu lieben; denn in der dritten Nacht hörete ich, daß sie auf den Socken angeschlichen kam, sich vor meim Stüblin niederwurf, die Schwelle küssete und halblaut sprach: herzer Mündel, schläfestu?
Ich gabe ihr aber keine Antwort, worauf sie bald auch wieder mit vielem Seufzen ihrer Straßen ging.
Anerwegen ich aber am andern Morgen gewahr wurde, daß mein Antlitz gar blaß worden, item ihr Antlitz auch, sie auch eingestunde, daß sie in aller Zeit nicht geschlafen, als wenig ich geschlafen, item weil ich befürchtete, solche Kasteiunge möchten der Frucht schaden, item der alte Dietrichstein und Er Johannes, als sie nach dreien Tägen auch ankamen und höreten, wie das Ding geschaffen war, ebenmäßig keinen andern Rath wußten, nahm ich mir für: Gott und der heil. Jungfrau zu Ehren und der Seelen meines lieben Weibes zu Heil und Nutzen, mich auf die drei Jahr freiwillig zu verbannen, rief sie darumb gegen Mittag alleine, und sprach also:
Liebes Weib, du hast ein gar hart Gelübde gethan, und wenn wir es halten wollen als Christen zum Heil deiner und meiner Seelen, muß ich mich von dir scheiden auf drei Jahr, also daß ich wieder in die weite Welt gehe, aus der ich vor etzlichen Tägen gekommen. Nu merke: ich hoffe dir die Treue, so ich dir geschworen mit Gott zu halten, vertraue aber, du wirst mir auch hierzwischen die deine Treue halten. Wär' es aber nicht, und du thätest mit eim fremden Mann, was sich nicht geziemet, und ich kehrete heim; so schwör ich dir bei derselben heiligen Jungfrau, bei welcher du geschworen, daß ich, wie mein Ahnherr Eberhard den Verführer seines Weibes, obwohl er ein Herzog war, auch nachgehends sie selbsten erstochen, ich also erstlich dich und deinen Verführer, und letzlich mich selbsten erstech, so wahr mir Gott helfe durch Jesum Christum und Alle seine Heiligen, Amen.
Ich sprich nit, welches Jammergeschrei sie jetzo erhoben, daß ich fort wölle, aber ich kunnte ihr nicht helfen, wollte ihr auch nicht Tag und Stunde sagen, wenn ich in das Elend ginge, und bat nur, mir ein Boten in des Kaisers Lager zu sendende, wann sie eines Kindleins genesen würd. Auch möchte sie mir schreiben so oft sie könnte, wies daheim stünde, wann auch ich etwan nicht wiederschrieb, inmaßen mir das Schreiben schwer fiele. Solches versprach sie Alles, gelobte auch unverbrüchliche Treu mit gar vielen, vielen Thränen. –
Darumb beschloß ich schon heimblich in der nächsten Nacht abe zu reiten, zumalen mir Arm und Hände gar wunderlich bald geheilet waren. Bliese meinem Knecht Clawes Alles ein, und daß er reinen Mund halten sölle, nahm an Gelde mit mir, was ich hatte, wappnete mich um Mitternacht, und ging erstlich in das Schlafzimmer meiner Schwester Maria, so alleine um mein Fürhaben wußte und annoch bei der Lampen saß, nahm von ihr bittern Abschied, küßete meine andere Schwester Martha und mein Brüderlein, so beede schliefen, schlich mich hierauf an die Schlafstuben meines alten Vatern, betete vor ihn, und schlug das Kreuze über sein' Thür, worauf er drinnen anhube zu husten (und dieses war die letzte Stimm, so ich von ihme gehöret auf dieser Erden) und von dorten schlich ich weiters, an die Thür meiner lieben Julia; kniete, küßte auch ihre Schwell mit vielen Thränen, betete 3 Vater unser, und 3 Ave Marias heimblichen, und wollte schon ufstehen und abgehen, als sie drinnen rief: herzer Mündel, bistu es? worauf ich aber stille schwieg, und da sie sich wohl scheuete ufzustehen und nachzulugen, wer es wär, ein Weil wartete, hierauf auf den Burghof niederstieg, allwo Claus schon mein mit den Rossen harrete, mich stumm hinaufschwunge, ihne folgen hieß, und nunmehro der Burg meiner Ahnen, meinem grauen Vatern, meinem lieben Weib und der Frucht ihres Schooßes, wie meim Eigenthum, zur Ehre Gottes und seiner heiligen Mutter seufzende und schluckende den Rücken wandte.