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König Mehivi! Ein schöner, volltönender Titel! Und warum sollte ich ihn dem ersten Mann des Tales vorenthalten? Also Heil, König Mehivi, Selbstherrscher aller Taïpis! Glück und Heil Seiner tropischen Majestät!
Nach diesem Ausbruch meiner monarchischen Gefühle will ich nüchtern fortfahren.
Bevor ich die tanzenden Witwen gesehen, hatte ich kaum gedacht, daß es in Taïpi eheliche Verbindungen gäbe; daß Mann und Weib daselbst eine feierliche Verbindung eingehen, schien mir fast ebenso unwahrscheinlich, wie daß nur platonische Beziehungen zwischen den Geschlechtern bestünden. Gewiß, der alte Marheyo und Teinor in unserem Hause lebten freundlich miteinander; immerhin hatte ich mitunter einen komisch aussehenden alten Herrn in schäbiger Tätowierung gesehen, der gleichfalls völlig zu Hause zu sein schien. Dieses Verhalten war mir höchst rätselhaft, bis spätere Entdeckungen mich aufklärten.
Mehivi hatte ich für einen eingefleischten Junggesellen gehalten und desgleichen die anderen wichtigsten Häuptlinge. Jedenfalls, wenn sie Frauen und Kinder hatten, benahmen sie sich schlecht, denn um ihre häuslichen Angelegenheiten kümmerten sie sich nie. Mehivi schien Vorsitzender eines Klubs fröhlicher Herren zu sein, die aus dem Tai ein Junggesellenheim im besten Stil machten. Kinder sahen sie zweifellos als eine unangenehme Belästigung an, und ihre Auffassung häuslichen Glücks ergab sich deutlich genug daraus, daß sie keine Frau und keine Haushälterin in ihrem behaglichen Hause duldeten.
Ich hatte wohl Gründe, anzunehmen, daß mehrere dieser vergnügten Junggesellen Liebesverhältnisse mit den Mägdlein des Stammes hatten, wenn sie sie auch nicht öffentlich anerkannten. Mehrere Male war ich unerwartet Mehivi begegnet, als er sich mit einer der hübschesten kleinen Hexen des Tales derart ausgelassen vergnügte, wie es einem Krieger und König keineswegs anstand. Sie lebte mit einer alten Frau und einem jungen Mann in einem Hause nahe dem Marheyos, und obschon sie ein bloßes Kind schien, hatte sie einen feinen Jungen, der etwa ein Jahr alt war und Mehivi zum Erstaunen ähnlich sah; allerdings hatte der kleine Bursche kein Dreieck im Gesicht. Dennoch war Mehivi nicht der einzige, dem das Fräulein Mununi lächelndes Wohlwollen zeigte; der fünfzehnjährige junge Bursche, der im selben Hause mit ihr lebte, genoß fraglos gleichfalls ihre Gunst. Auch dies war ein Geheimnis, für das ich, wie für andere ähnliche, später eine befriedigende Erklärung fand.
Am zweiten Tag des Kalebassenfestes hatte Kory-Kory im Laufe seiner Erläuterungen meine Aufmerksamkeit auf eine Eigentümlichkeit gelenkt, die ich an vielen Frauen, besonders denen reiferen Alters und würdigerer Erscheinung, öfter wahrgenommen hatte. Sie hatten nämlich die rechte Hand und den linken Fuß sorgfältig tätowiert, während der ganze übrige Körper frei blieb, die winzigen Fleckchen auf den Lippen und die leichten Streifen auf den Schultern ausgenommen, die ich bereits als einzige Tätowierung an Fayaweh und den anderen jungen Mädchen ihres Alters bemerkt hatte. Diese Verschönerung von Hand und Fuß waren, wie Kory-Kory mir erklärte, die Zeichen des Verheiratseins, soweit die lobenswerte Einrichtung der Ehe sich bei diesem Volk findet; sie hat also die gleiche Bedeutung wie der Trauring bei uns.
Nachdem Kory-Kory mir dies erklärt hatte, benahm ich mich durch einige Zeit in Gegenwart aller so tätowierten Frauen besonders respektvoll und erlaubte mir niemals, einer von ihnen auch nur entfernt den Hof zu machen.
Bei tieferer Einsicht in das häusliche Leben der Eingeborenen des Tales wurden meine Bedenken allerdings weniger strenge, und ich mußte erkennen, daß meine Schlüsse noch immer nicht völlig richtig waren. Ein höchst seltsames System herrschte auf der Insel: nicht die Männer hatten mehrere Frauen, sondern die Frauen mehrere Männer, sicherlich ein Beweis für die sanfte Gemütsanlage der männlichen Bevölkerung.
Welche Feierlichkeiten bei der Eheschließung beobachtet wurden, konnte ich nicht erfahren, aber ich muß annehmen, daß sie höchst einfacher Art waren. Vielleicht folgte die hochzeitliche Verbindung unmittelbar auf den »Antrag«. Lange und langweilige Brautschaften waren im Tale von Taïpi jedenfalls unbekannt.
Die Zahl der Männer ist beträchtlich größer als die der Frauen, und dies gilt von vielen polynesischen Inseln. Schon in sehr frühem Alter wirbt irgendein Junge um die Liebe eines Mädchens, die zu dem gleichen Haushalt gehört, und gewinnt sie. Dies ist allerdings halb ein Spiel und keine förmliche Verbindung. Wenn diese erste Liebe sich ein wenig beruhigt hat, erscheint ein zweiter Freier in reiferen Jahren und nimmt beide, den Jungen wie das Mädchen, mit in sein Haus. Dieser uneigennützige edle Mensch heiratet gewissermaßen das junge Paar, denn das Mägdlein und ihr junger Liebhaber werden gleichzeitig vermählt, und alle drei leben von da an einträchtig miteinander wie Turteltauben. Ich habe schon von Männern in zivilisierten Ländern gehört, die unvorsichtig ganze Familien heiraten, aber das hatte ich nicht gedacht, daß es ein Land gäbe, wo man noch einen weiteren Gatten mitheiratet! Untreue von Mann oder Weib kommt sehr selten vor. Kein Mann hat mehr als eine Frau, und keine Frau in reiferen Jahren weniger als zwei Männer, manchmal hat sie drei, aber das ist selten. Das Eheband ist nicht unauflöslich, Scheidungen kommen gelegentlich vor. Wenn sie aber vorkommen, wird kein Teil unglücklich, noch gibt es lange Streitigkeiten vorher; denn die schlecht behandelte Frau oder der pantoffelgequälte Gatte braucht nicht erst eine gerichtliche Klage einzureichen. Die Trennung ist augenblicklich und jederzeit möglich, daher ist auch das Ehejoch sanft und leicht, und die Taïpi-Frauen leben mit ihren Gatten auf dem freundlichsten Fuße. Im ganzen scheint die Ehe, so wie sie bei den Taïpis besteht, deutlicher und dauerhafter zu sein als sonst bei barbarischen Völkern.
Aber obwohl die Einrichtung der Ehe besteht, dem Gebot der Schrift »Seid fruchtbar und mehret euch« scheinen sie nicht besonders zu folgen. Nie sah ich eine jener zahlreichen Familien, die man bei uns so oft trifft. Nie sah ich mehr als zwei junge Burschen in demselben Haus, und bisweilen nicht einmal die. Daß die Frauen sich durch die Sorgen der Kinderpflege in ihrer Seelenruhe nicht sonderlich stören ließen, war völlig klar, und niemals sah ich eine im Tal mit einem halben Dutzend kleiner Kinder am Schürzenband oder richtiger an dem Brotfruchtblatt, das sie gewöhnlich rückwärts trugen.
Ich habe schon früher erwähnt, daß ich niemals einen Begräbnisplatz im Tal gesehen; ich schrieb dies zunächst dem Umstand zu, daß ich in einem abgeschlossenen Teile lebte und nach der See zu nicht weit gehen durfte. Ich vermutete später, daß die Taïpis, sei es, weil sie den Beweis ihrer Sterblichkeit nicht vor Augen zu haben wünschten, sei es um der landschaftlichen Schönheit willen, irgendwo in den schattigen Einsamkeiten am Fuße der Berge einen entzückenden Friedhof haben mußten. In Nukuhiva wurden mir zwei oder drei breite viereckige Pai-Pais, die dicht mit Flaggen besetzt, von regelrechten Steinmauern eingeschlossen und von den Ästen gewaltiger Bäume beschattet und beinahe versteckt waren, als Begräbnisplätze gezeigt. Ich hörte, daß die Leichen in primitiven Gewölben unter den Flaggenstangen niedergelegt wurden und dort blieben. Obwohl der Anblick dieser Orte, auf denen man nur rauhe Steinblöcke im dunkeln Schatten hoher Bäume sah, äußerst seltsam und düster war, hätte nichts dem Fremden verraten, daß sie Begräbnisplätze waren.
Da während meines Aufenthaltes im Tal keiner der Einwohner mir den Gefallen tat, zu sterben und begraben zu werden, um meine Wißbegier zu befriedigen, so blieben mir ihre Bestattungsfeierlichkeiten leider unbekannt. Ich habe indessen Grund, anzunehmen, daß die Gebräuche der Taïpis in dieser Hinsicht die gleichen wie die der anderen Stämme der Insel sind, und in Nukuhiva konnte ich sie einmal beobachten.
In einem Hause nahe am Strand war gegen Tagesanbruch ein junger Mann gestorben. Ich war an diesem Morgen an Land geschickt worden und beobachtete einen guten Teil der Vorbereitungen, die für seine Leichenfeier getroffen wurden. Der Leib lag, sauber in neues weißes Tappatuch gewickelt, auf einer Bahre aus geflochtenem elastischen Bambus unter einem Dach aus Kokospalmzweigen zur Schau. Die Bahre befand sich, von Rohrklötzen getragen, etwa zwei Fuß über dem Boden. Zwei Frauen wachten in trauriger Haltung neben ihr, sie sangen Klagelieder und bewegten große Grasfächer hin und her, die mit Pfeifenton weiß gefärbt waren. In dem Wohnhaus nebenan war eine zahlreiche Gesellschaft versammelt, und verschiedene Speisen wurden zum Mahl bereitet. Zwei oder drei Personen, die durch ihren Kopfputz aus schönem Tappa und zahlreichen Schmuck auffielen, schienen die Zeremonienmeister zu spielen. Gegen Mittag war die Leichenfeier in vollem Gang, und man sagte uns, daß sie mindestens die nächsten zwei Tage andauern würde. Mit Ausnahme derer, die an der Leiche trauerten, schienen alle anderen entschlossen, ihren Schmerz um den Hingeschiedenen mit geselligen Vergnügungen zu betäuben. Die Mädchen in ihrem wilden Schmuck tanzten; die alten Männer sangen; die Krieger rauchten und schwatzten, die Jungen und Kräftigen beiderlei Geschlechts schmausten reichlich und schienen sich genau so gut zu unterhalten wie bei einer Hochzeitsfeier.
Die Eingeborenen verstehen die Kunst des Einbalsamierens und üben sie mit solchem Erfolg, daß die Körper großer Häuptlinge oft jahrelang in den Häusern aufbewahrt werden, in denen sie starben. Ich sah drei solcher einbalsamierten Krieger, als ich die Bucht von Teior besuchte. Einer war in ungeheure Streifen von Tappa gewickelt, die nur das Gesicht frei ließen, und hing aufrecht an der Wand des Wohnhauses. Die beiden anderen lagen auf Bahren aus Bambus in offenen, erhöhten Tempeln, die ihrem Andenken geweiht schienen. Die Köpfe der in der Schlacht getöteten Feinde werden stets aufbewahrt und als Trophäen im Hause des Siegers aufgehängt. Ich weiß nicht, welches Verfahren dabei gebräuchlich ist, aber ich glaube, daß sie geräuchert werden. Was ich davon sah, wirkte wie ein Schinken, der längere Zeit im Rauchfang gehangen hat.
Aber um von den Toten zu den Lebenden zurückzukehren: das Fest hatte, wie ich glauben durfte, die ganze Bevölkerung des Tales zusammengeführt, und ich hatte daher Gelegenheit, ihre Zahl abzuschätzen. Ich möchte glauben, daß Taïpi etwa zweitausend Einwohner zählte, eine Zahl, die der Ausdehnung des Tales auch am besten entsprach. Es ist etwa neun Meilen lang und durchschnittlich ungefähr eine Meile breit; die Häuser stehen im Tale verstreut umher, sind aber gegen das Talende zu zahlreicher. Dörfer gibt es nicht. Die Häuser stehen im Schatten der Haine oder an den Ufern des sich windenden Flusses, und ihre goldfarbigen Bambuswände und die leuchtend weißen Dächer bilden einen prächtigen Gegensatz zu dem ewigen Grün, aus dem sie hervorschimmern. Straßen gibt es in dem Tale gleichfalls nicht. Nur ein Labyrinth von Fußpfaden, die sich endlos durch das Dickicht winden und kreuzen.