Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++
O um den Warnungsruf, den laut im Himmel
Der hörte, der die Offenbarung schaute,
Als Satan, dann zum zweitenmal gestürzt,
Voll Wuth herunterkam zur Rach' am Menschen:
»Weh, weh den Erdbewohnern!« daß bei Zeiten,
Vor des geheimen Feindes Nahn gewarnt,
Vielleicht die ersten Eltern
so vermieden
Die Todesschlinge hätten. Denn es kam
Jetzt Satan, ganz von Wuth entflammt, herab,
Versucher erst der Menschen, dann ihr Kläger,
Am schwachen Menschen den Verlust zu rächen
Der frühren Schlacht und seine Flucht zur Hölle.
Doch trotz der Hast unfroh – wenn in der Fern' auch
Furchtlos und kühn – und ohne Grund zum Prahlen,
Geht an die That er, welche, nah dem Ausbruch,
Jetzt wild in seinem stürm'schen Innern siedet,
Und, einem Teufelswerkzeug gleich, dann auf ihn selbst
Zurückprallt. Graun und Zweifel foltern seinen
Verstörten Sinn, und ihm im Innern wüthet
Die ganze Hölle, denn er bringt die Hölle
Ja in und um sich mit, da er so wenig
Ihr einen Schritt entfliehn kann als sich selbst
Durch Tausch des Orts. Jetzt weckt Gewissen ihm
Entschlummerte Verzweiflung, herb Erinnern
Deß, was er war, was ist, und was er Schlimmres
Wird sein; denn ärger Thun bringt schlimmre Leiden.
Oft gegen Eden, das ihm vor dem Blick
Entzückend lag, starrt trauervoll sein Auge;
Oft auch zum Himmel in den Glanz der Sonne,
Die hoch auf ihrer Mittagszinne stand.
Dann, viel erwägend, seufzt' er und sprach so:
»Du, die mit höchster Glorie gekrönt,
Du schauest gleich dem Gott der neuen Welt
Aus deinem Reich; vor deren Blick der Sterne
Geschwächtes Licht erlischt: dich ruf' ich an,
Doch nicht als Freund, und nenne dich, o Sonne,
Und sage dir, wie deinen Strahl ich hasse,
Der an das Glück mich mahnt, dem ich entstürzte,
Wie glorreich einst ob deiner Sphär' ich stand:
Bis Stolz und böser Ehrgeiz mich bethört,
Dem mächt'gen Himmelskönig Krieg zu bieten.
Doch ach, warum! Nicht solchen Dank verdient' er
Von mir, den er so schuf, als der ich
war,
Mit solchem Vorzug; der die Wohlthat nie
Mir vorgerückt, noch mir den Dienst erschwerte.
Was gab's Geringres wohl, als ihn zu preisen,
– Der leicht'ste Zoll – und schuld'gen Dank ihm bringen?
Doch all sein Gutes ward in mir zum Schlimmen,
Und schlug zum Bösen um; so hoch erhoben,
Verschmäht' ich Demuth; wähnt', auf höhrer Stufe
Ständ' ich zuhöchst, und macht' im Nu mich frei
Von ungemessner Schuld des ew'gen Dankes,
– So lästig stets zu schulden, stets zu zahlen –
Vergessend, was ich stets von ihm empfing,
Und nicht einsehend, daß dankbarer Sinn,
Schuld anerkennend, sie bezahlt, zugleich
Verschuldet und entlastet. Wo die Last nun?
O daß sein mächt'ger Wille mich bestimmt
Zum niedrern Engel! glücklich blieb ich dann;
Unmäßig Hoffen trieb mich nicht zum Ehrgeiz.
Doch – warum nicht? Ein andrer, gleicher Geist
Hat wohl sich aufgelehnt und mich Geringern
Riß er mit fort; doch andre gleiche Geister,
Sie fielen nicht, fest in und außer sich,
Standen gestählt sie gegen jede Lockung.
Ward dir nicht auch die Kraft, der freie Wille,
Zu stehn? Ja wohl. Was giebt dir Grund zur Klage,
Als Gottes gleichvertheilte freie Liebe?
Sei sie verflucht, da Liebe so wie Haß,
Mir beide gleich, mir ewig Weh bereiten!
Nein, fluche
dir, da gegen seinen Willen
Der deine frei erkor, was ihn nun reut.
Ich Unglückseliger! wohin entflieh ich
Dem ew'gen Grimm nun, ewiger Verzweiflung?
Wohin ich flieh', ist Höll'; ich selbst bin Hölle,
Und aus dem tiefsten Grund gähnt tiefre Tiefe
Mich an und droht mir stets, mich zu verschlingen,
Vor der die Hölle mir ein Himmel scheint.
So füge dich zuletzt. Ist denn für Reue
Kein Ort mehr übrig, keiner für Verzeihung?
Nicht, als durch Unterwerfung; und dies Wort
Verbietet Stolz mir, und die Furcht vor Schande
Bei denen drunten, die ich einst verführt
Durch andre Lockungen und Prahlereien,
Als Unterwerfung, rühmend, obzusiegen
Dem Ew'gen. Wehe mir, sie wissen wenig,
Wie schwer dies eitle Prahlen ich nun büße.
Und welche Qual ich innerlich beseufze,
Dieweil sie mich als Höllenfürst verehren.
Mit Diadem und Scepter, hoch erhoben,
Fall' ich doch tiefer nur, einzig der Höchste
Durch Elend: solche Lust gewährt die Ehrsucht!
Gesetzt nun, ich bereut' und könnt' erlangen
Den frühern Stand durch Gnade: wie so bald
Würd' auch Erhöhung Ehrsucht wieder wecken,
Abschwören, was verstellte Demuth schwur,
Gelübd' in Qual als abgezwungen leugnen.
Denn nie kann wahrhafte Versöhnung sein,
Wo Todhaß Wunden hat so tief geschlagen.
Dies führte mich zu ärgern Rückfall nur
Und tieferm Sturz: so würd' ich theu'r erkaufen
Nur kurze Zwischenzeit mit Doppelpein.
Dies weiß, der mich so straft; drum hütet er
Sich, Frieden zu gewähren, ich, zu bitten.
Da alle Hoffnung hin, schuf er statt Unser,
Der Ausgestoßenen, sein neu Ergetzen,
Die Menschenkinder, und für sie die Welt.
Fahr wohl, o Hoffnung, und mit dir die Furcht;
Fahr wohl, o Reu'; dahin ist jedes Gute!
Sei, Uebel, du mein Gut; durch dich zum mindsten
Theil' ich die Herrschaft mit des Himmels König;
Durch dich herrsch' ich vielleicht mehr als zur Hälfte –
Bald soll's der Mensch und diese Welt erfahren!«
Weil er so sprach, entfärbt' Aufregung dreifach
Sein düstres Antlitz, Zorn, Verzweiflung, Neid;
Was sein erborgt Gesicht entstellt und darthat,
Was er verbarg, wenn Jemand es gesehen.
Denn stets sind Himmelsgeister solcher schnöden
Entstellung ledig. Bald sich deß bewußt,
Beschwichtigt er durch innre Ruh die Störung,
Des Truges Meister; und er war der Erste,
Der unter heil'gem Schein die Falschheit übte,
Bosheit zu bergen, die von Rache schwanger.
Doch nicht genug, um Uriël, schon gewarnt,
Zu hintergehn, deß Blick auf seinem Pfad
Ihm folgt', und auf dem Berg Assyriens ihn
Entstellter sah, als je ein Geist es würde
Von sel'ger Art. Er sah die wilde Miene,
Das trotz'ge Wesen, als er sich allein,
Ganz unbeachtet, ungesehn sich glaubte.
So strebt er weiter, und zu Edens Grenzen
Kommt er, wo das lustvolle Paradies,
Nun näher, krönt mit seiner grünen Hegung,
Die einem Erdwall gleich, dies ebne Haupt
Der steilen Wildniß, deren starre Seiten,
Mit Hecken wild und seltsam überwachsen,
Zugang verbieten; oben aber stehn
Erhabne Schatten, unersteiglich hohe
Zedern und Föhren, Palmen voller Zweige,
Ein Waldschauplatz und, wie die Reih'n aufsteigen,
Schatten auf Schatten, eine wald'ge Bühne
Stattlichster Schau. Doch über ihre Gipfel
Hebt sich der grüne Wall des Paradieses,
Der unserm Aelterahn den weitsten Einblick
Rings in sein untres, nahes Reich gewährte.
Und über diesen Wall erhebt ein Kreis
Von Bäumen sich, mit schönster Frucht beladen,
So Blüth' als Frucht zugleich von gold'gem Scheine,
Mit bunter Zier von Farbenschmelz verschönt,
Drauf heitrer wirken läßt den Strahl die Sonne,
Als auf die Abendwolken und den Bogen,
Wenn Gott die Erde tränkt: so lieblich schien
Die Gegend dort. Und stets auf reinre Luft
Trifft jetzt sein Flug; des Lenzes Lust und Wonne
Flößt sie dem Herzen ein, bannt alle Trauer;
Nur nicht Verzweiflung. Sanfte Hauche spenden
Mit Schwingen, voll von Wohlgerüchen, fächelnd,
Heimathsgedüft und flüstern, wo sie stahlen
Den Balsamraub. Wie denen, welche segeln
Um's Hoffnungskap, und Mozambique vorbei sind,
Zuwehn Nordostwind' auf der hohen See
Sabäa's Düfte von dem würz'gen Ufer
Des glücklichen Arabiens; und froh
Des Aufhalts zögern sie, und manche Meile
Freut sich der alte Ocean des Duftes:
So labten auch den Feind die Wohlgerüche,
Die er vergiften kam, wie sehr sie ihn
Erfreuten, mehr als Asmodi der Fischrauch,
Der den Verliebten von der Braut vertrieb
Des Sohns Tobiä und zur Straf' ihn jagte
Aus Medien nach Egypten in die Haft.
Zum Aufstieg nun der steilen, wilden Höhe
War Satan langsam, sinnend hingelangt;
Doch fehlt ihm weitrer Pfad, so dicht verschlungen
Hemmt, als
ein Dickicht, dort der Unterwuchs
Von Sträuchern und verworrenen Gebüschen
Für Mensch und Thier den Zugang zu dem Ort.
Ein Thor nur war, das an der andern Seite
Gen Morgen lag. Als dies der Erzfeind sieht,
Verschmäht er's, durchzugehn, und springt verächtlich
Mit leichtem Sprung hoch über alle Schranken
Von Berg und höchstem Wall, und plötzlich steht er
Nun drin. Wie wenn ein räuberischer Wolf,
Den Hunger treibt, nach neuem Raub zu streifen,
Lau'rt, wo der Hirt zu Nacht in feste Hürden
Die Heerd' einschließt auf dem sonst sichern Feld,
Und leichthin über die Umzäunung setzt;
Auch wie ein Dieb, der eines reichen Bürgers
Geldkasten plündern will, deß starker Deckel,
Sehr fest verriegelt, jedem Angriff trotzt,
In's Fenster oder über's Dach weg klimmt:
So stieg der erste Dieb in Gottes Hürde,
Wie freche Miethling' in sein Haus seitdem.
Jetzt flog er auf, und auf den Baum des Lebens,
Der mitten stand und dort als höchster wuchs,
Setzt er als Rabe sich; doch er gewann
Nicht neues Leben, sondern sann auf Tod
Derer, die lebten; nicht der Kraft gedacht' er,
Die jener Baum enthielt; zum Spähn nur dient ihm,
Was, wohl gebraucht, Pfand der Unsterblichkeit
Gewesen wär. So weiß kein Anderer,
Als Gott allein, das Gute recht zu schätzen,
Das vor ihm liegt, nein, er verkehrt das Beste
Zum Mißbrauch oder zu geringstem Dienste. –
Nun sah er unter sich, mit neuem Staunen,
Für menschliches Entzücken hingebreitet,
Gedrängt den ganzen Reichthum der Natur –
Ein Erdenhimmel. Denn das Paradies
War Gottes Garten, dort in Edens Osten
Von ihm gepflanzt. Es dehnte Eden sich
Von Auran ostwärts zu den Königsthürmen
Seleucia's, erbaut von griech'schen Fürsten,
Und wo schon früher wohnten Edens Söhne,
Dort in Telassar. Auf dem schönen Boden
Schuf Gott nun den bei weitem schönern Garten.
Auf ihm, dem fruchtbar'n, ließ er Bäume wachsen,
Ergetzlich für Geruch, Geschmack und Auge.
Inmitten ihrer stand der Baum des Lebens,
Hochragend, blühend von Ambrosia-Frucht,
Eßbares Gold; und nah am Lebensbaume
Wuchs der des Todes, des Erkenntnisses
Des Guten, schwer erkauft durch das des Bösen.
Durch Eden südwärts floß ein großer Strom
In gleicher Richtung durch den rauhen Felsen,
Darunter er verschwand; denn diesen Berg
Warf Gott als seines Gartens hohen Grund
Auf jenen schnellen Strom, der durch die Adern
Der lockern Erde gierig eingesaugt,
Als frischer Quell entsprang und wässerte
Mit manchem Bach den Garten; dann vereinigt
Vom jähen Abhang in die Flut sich stürzte,
Die nun hervorkam aus dem dunkeln Durchgang,
Und jetzt, in vier Hauptströme sich zertheilend,
Verschiednen Laufs durch manch berühmtes Reich
Und Land hinzog, drob kein Bericht vonnöthen.
Viel eh'r erzählt' ich, – könnt' es nur die Kunst –
Wie aus dem Saphirquell gewundne Bäche,
Ob goldnem Sand und Ostens Perlen rollend,
Im Irrgang unter hängendem Gezweige
Nektar ergossen, jede Pflanz' umspülend,
Und Blüthen nährten, werth des Paradieses,
Die Kunst in Beeten nicht, nein, die Natur
Verschwendrisch streut' auf Berg und Thal und Ebne,
Hier, wo der Morgenstrahl zuerst warm trifft
Das offne Feld, dort, wo der dichte Schatten
Die Mittagslauben bräunt. So war der Ort
Ein ländlich sel'ger Sitz verschiedner Scenen:
Lusthaine, würzig Harz und Balsam weinend;
Andre mit Frucht, geziert mit gold'ger Schale,
Lieblich; die wahren Hesperidenäpfel,
– Wenn wahr, nur hier – und köstlichen Geschmacks;
Dazwischen lagen Anger, ebne Matten
Mit Heerden, so die zarten Kräuter grasten,
Auch Palmenhügel und der blum'ge Schooß
Von einem feuchten Thal gab seinen Vorrath
Vielfarb'ger Blumen und dornloser Rosen.
Wo anders schatt'ge Grotten, kühle Höhlen,
Ob denen Reben ihre Purpurtrauben
Verschattend hängten und sie sanft und üppig
Umrankten, während Murmelbäche nieder
An Hügeln glitten, hier zerstreut und dort
Im See, der, seinen Bord mit Myrthen kränzend,
Sich zum krystallnen Spiegel faßt, gesammelt.
Der Vögel Chor erschallt und Lenzeslüfte,
Den Duft von Au'n und Wäldern athmend, stimmen
Dies rege Laub, indeß der Allgott Pan,
Zum Tanz vereint mit Grazien und Horen,
Den ew'gen Lenz anführt. Nicht jene Au,
Wo, Blumen pflückend, einst Proserpina
– Die schönste Blume
sie – vom finstern Dis
Gepflückt ward, weshalb klagend durch die Welt
Sie Ceres sucht; auch Daphne's süßer Hain
Dort am Orontes, und Castalia's Quelle –
Sie durften sich mit Edens Paradiese
Nicht messen; nicht auch das nisei'sche Eiland,
Vom Tritonfluß umwogt, wo Cham, der Alte,
Von Heiden Ammon, Lydiern Zeus genannt,
Einst Amalthea mit dem blühnden Bacchus
Vor Rhea's, der Stiefmutter, Augen barg;
Nicht Amara, der Berg, wo ihren Stamm
Die Fürsten Abyssiniens wahren – glaubt man
Das Paradies in Aethiopien auch –
Am Quell des Nils, von Glanzgestein umschlossen,
Hoch eine Tagfahrt, aber weit entlegen
Von dem assyrischen Garten, wo der Feind
Unlustig jede Lust und jeglich lebend
Geschöpf, dem Anblick neu und fremd, ersah.
Zwei edlere Gestalten, schlank und aufrecht,
Göttlich aufrecht, in angeborner Würde,
In nackter Hoheit, schienen Herren Aller,
Und schienen's werth. In ihren Gottheitsmienen
Zeigt sich das Abbild ihres hohen Schöpfers,
Wahrheit, Weisheit und strenge, reine Tugend
(Streng, aber wahrhaft kindlich frei).
Woraus des Menschen wahres Ansehn stammt.
Nicht beide gleich, wie's ihr Geschlecht nicht schien:
Für Kraft und Ueberlegung er gebildet,
Für Sanftheit
sie und süß anziehnde Anmuth;
Er nur für Gott, doch sie für Gott in ihm.
Sein freier Blick, die schöne, hohe Stirn
Bezeugten Herrschermacht; in Ringeln fielen
Ihm vom getheilten Scheitel männlich rings
Hyazinthne Locken auf die breiten Schultern.
Sie trug als Schleier bis zur schlanken Hüfte
Die ungeschmückten goldnen Haar' entfesselt;
Doch wogten sie in üppigem Gekräusel,
Wie Ranken an der Rebe, was Gehorsam
Anzeigt, der sanft von ihm verlangt, von ihr
Gezollt und liebreich anerkannt, gewährt
Mit zücht'ger Demuth wird, bescheidnem Stolz
Und süßem Sträuben liebevollen Zögerns.
Noch nicht verhüllt war ein geheimer Theil;
Noch gab's nicht schuldige, erlogne Scham
Ob Werken der Natur, ehrlose Ehre,
Der Sünde Brut, die Menschen elend machte
Durch Schein, durch bloßes Streben, rein zu scheinen,
Noch mißt' ihr Leben nicht des höchsten Glückes
Zustand, Einfalt und fleckenlose Unschuld!
So gehn sie nackt und scheuen nicht den Blick
Von Gott noch Engel, weil nichts Arges denkend;
So gehn sie Hand in Hand, ein süßres Paar,
Als sich seitdem jemals in Lieb' umarmte.
Adam, der Herrlichste
vor seinen Söhnen,
Die Holdeste vor ihren Töchtern Eva.
Sie setzten sich in schattigem Gebüsch,
Das sanft ob einem Rasenplatze flüstert,
Zum frischen Quell; und nach mehr Mühe nicht
Bei süßer Gartenarbeit, als genügte,
Am Zephyr sich zu kühlen, und die Ruhe
Behaglicher, reizvoller Durst und Hunger
Zu machen, schritten sie zur Abendkost
Von Nektarfrüchten, die gefäll'ge Zweige
Darboten, dicht bei ihnen, wo sie ruhen
Auf weicher Rasenbank, geschmückt mit Blumen;
Ihr schmackhaft Fleisch genießend, brauchen sie
Die Schal', um aus dem Bach den Trunk zu schöpfen.
Nicht sanft Gespräch fehlt, noch das Liebeslächeln,
Noch Jugendscherz, wie es so schönem Paar
Geziemt, vereint so einsam in so glücklichem
Ehbündniß. Um sie spielten alle Thiere,
Die, wild geworden dann, umher sich treiben
In Wald und Wüstenei, in Höhl' und Forst.
Der Löwe wälzt in seiner Klau' ein Lämmchen;
Es gaukeln Bären, Tiger, Unzen, Panther
Vor ihnen her; der plumpe Elephant
Beut alles auf zu ihrer Lust und windet
Den schmeid'gen Rüssel; schmeichelnd flicht die Schlange,
Die listige, zu gordischem Geknäul
Den glatten Schweif und unbedacht enthüllt sie
Schon ihren Trug. Im Grase ruhen andre
Und schaun gesättigt um sich, oder gehen
Zum Lager, wiederkäuend; denn die Sonne
Sank jähen Laufes jetzt den Inseln zu
Des Meers, und in des Himmels steigender
Wagschal' erheben sich der Nacht Gestirne –:
Als Satan, stets noch staunend, wie vorher,
Betrübt zuletzt, kaum so die Sprache fand:
»O Hölle! was erblickt mit Gram mein Auge?
Im Raume unsres Glücks so hoch erhöht
Geschöpfe andern Stoffs, vielleicht aus Erde?
Nicht Geister, doch den lichten Himmelsgeistern
Nicht viel nachstehend, die ich mit Bewundrung
Betracht' und lieben könnte, so lebendig
Strahlt Gottes Bild aus ihnen, solchen Reiz
Goß über sie die Hand, die sie gebildet.
Du edles Paar, du ahnest nicht, wie nah
Der Wechsel ist, daß alle diese Wonnen
Verschwinden und dem Jammer weichen werden,
So größerm, je mehr Freuden du genießest.
Im Glück zwar, ist dies Glück für lange Dauer
Doch schlecht bewahrt, und dieser Himmelssitz
Als Himmel schwach, um solchem Feind zu wehren,
Der jetzt euch naht; doch nicht vorsätzlich eurer,
Die so verloren ich bedauern könnte,
Selbst unbedauert; Bund such' ich mit euch
Und also enge, wechselseit'ge Freundschaft,
Daß wir fortan zusammen wohnen müssen.
Vielleicht, daß euch mein Wohnort nicht gefällt
Gleich diesem schönen Paradies; doch laßt euch
Des Schöpfers Werk gefallen, denn er gab mir,
Was gern ich theil'. Erschließen soll die Hölle,
Euch zu empfangen, ihre weitsten Thore,
Und alle Fürsten euch entgegensenden.
Raum wird dort sein, ungleich dem engen hier,
Um aufzunehmen euer ganz Geschlecht.
Ist schlecht der Ort, dankt's ihm, der mich zur Rach'
An euch, Unschuld'gen, zwingt für ihn, der schuldig.
Und rührte mich auch eu'r unschuldig Wesen,
Wie's wirklich thut, so treibt des Staates Wohl
Und Ehr' und Reich, verstärkt durch Rache, doch
Mich an, indem ich diese Welt erobre,
Zu thun, was sonst ich scheut', obwohl verdammt.«
So sprach der Feind, Nothwendigkeit vorschützend,
Für teuflisch Thun, nach der Tyrannen Vorwand.
Dann läßt er sich vom luft'gen Standort nieder
Des hohen Baumes zu der muntern Heerde
Der viergefüßten Thier', er selbst bald dieses,
Bald jenes, wie's dem Zweck am besten dient,
Die Beute nah zu schaun und, unbemerkt,
Von ihrem Zustand Weitres zu erfahren
Durch Wort und Handlung. Jetzt umschreitet er
Als Löwe sie ringsum mit feur'gen Blicken;
Als Tiger dann, der im Revier zufällig
Zwei sanfte Reh' im Spielen hat erspäht,
Jetzt tief sich duckt, dann sich erhebend oftmals
Sein Lauern wechselt, dem gleich, der den Platz
Sich sucht, von wo mit beiden Klau'n er beide
Am sichersten erpackt: als Adam, Ahn der Männer,
Zum ersten Weibe, Eva, dieses sprechend,
Ganz Ohr ihn macht, den neuen Laut zu hören:
»Allein'ger Partner aller dieser Freuden,
Als Theil allein mir lieber schon denn alle:
Die Macht, die uns, und für uns diese Welt
Geschaffen, muß unendlich gut sein, und im Guten
Freigebig auch, wie sie unendlich ist:
Die aus dem Staub uns hob und uns hierher
Versetzt in all dies Glück, die wir um sie
Doch nichts verdient, noch etwas können thun,
Deß sie benöthigt wäre, die von uns
Nichts Höheres verlangt, als zu befolgen
Das einzige Gebot, von allen Bäumen
Im Paradies, so voll der schönsten Früchte,
So mannichfalt, nur vom Erkenntnißbaume
Zu kosten nicht, gepflanzt beim Baum des Lebens:
So nahe steht beim Leben Tod! – Was er auch sei -
Gewiß was Schreckliches! Du weißt es ja:
Gott nannt' es Tod, von jener Frucht zu essen.
Dies einz'ge Merkmal des Gehorsams blieb
Unter so vielen von Gewalt und Macht,
Die er uns gab, der Herrschaft uns gewährte
Ob allen Thieren, welche Erd' und Luft
Und Wasser hegt. Drum laß Ein leicht Verbot
Nicht schwer uns drücken, denen ja sonst Alles
So zu Belieben steht und jede Wahl
Vielfältigen Ergehens unbeschränkt ist.
Laß stets uns ihn und seine Güte preisen
Und uns nachgehn dem heitern Tagewerke,
Die Pflanzen und die Blumen zu besorgen,
Was, wär's auch mühsam, süß mit dir doch ist.«
Drauf Eva so versetzt: »O du,
für den,
Von dem ich wurde, Fleisch von deinem Fleisch,
Und ohne den ich zwecklos bin, mein Haupt
Und Führer, was du sagst, ist recht und gut.
Denn wahrlich allen Preis sind wir ihm schuldig
Und täglich Dank; zumal ich, die so weit
Das schönre Loos genießt, sich dein zu freuen,
Der du so manchen Vorzug hast, indeß
Du nirgend Deinesgleichen finden kannst.
Oft denk' ich jenes Tages, als zuerst,
Vom Schlaf erwacht, ich unter einem Baum
Auf Blumen ruhn mich fand, mich wundernd, wo
Und was ich war, woher und wie gekommen.
Nicht fern von dort aus einer Höhlung kam
Ein murmelndes Gewässer und ergoß sich
Auf einen flüss'gen Plan; dort blieb es stehn,
Rein, wie die Himmelswölbung; dahin ging ich
Mit unerfahrnem Sinn und legte mich
Ins Grün des Ufers, in den klaren See
Zu schaun, der mir ein zweiter Himmel schien.
Als ich zu schaun mich bückt', erschien, mir grad
Entgegen, ein Gebild im Glanz des Wassers,
Gebückt, nach mir zu schaun: ich fuhr zurück,
Es fuhr zurück; doch froh kehrt' ich bald wieder;
Froh kehrt' auch jenes mit Erwiedrungsblicken
Voll Mitgefühl und Lieb'; ich hielte noch
Mein Auge drauf gewandt mit Sehnsuchtsschmerz,
Warnte nicht solch ein Ruf mich: »Schönes Wesen,
Dein Selbst ist, was du siehst, was dort du siehst;
Mit dir kam es und geht's; doch folge mir:
Hin führ' ich dich, wo dich, dein sanft Umarmen
Kein Schattenbild erharrt, nein, er vielmehr,
Deß Ebenbild du bist; sein sollst du dich
Als unzertrennlich freun, sollst ihm gebären
Unzähl'ge gleich dir selbst, wovon man dich
Der Menschheit Mutter nennt.« Was konnt' ich thun,
Als schnell dich suchen, unsichtbar geführt?
Ich sah dich endlich im Platanenschatten,
Traun schön und schlank, doch, dünkt mich, minder schön,
Minder gewinnend, sanft und freundlich mild,
Als jenes Wasserbild; ich wich zurück.
Du folgtest rufend: »Kehr zurück, schön' Eva!
Wen fliehst du? den du fliehst, von ihm bist du
Ja Fleisch und Bein; dir Sein zu geben, lieh ich
Aus meiner Seite dir, zunächst dem Herzen,
Wahrhaftes Leben, dich hinfort zu haben
An meiner Seit' als untrennbaren Trost;
Ich such' und fordre dich, Theil meiner Seele,
Als andre Hälfte.« – Deine sanfte Hand
Ergriff' die mein'; ich folgt' und weiß seitdem,
Wie sehr Schönheit nachsteht des Mannes Würde
Und Weisheit: wahrhaft schön sind diese nur.«
So sprach die Menschenmutter und mit Blicken
Unschuld'ger ehelicher Zärtlichkeit,
Ihn halb umarmend, lehnte sanft sie sich
An unsern Ahn; die volle bloße Brust
Schmiegt halb sich seiner an, vom wall'nden Golde
Der losen Haar' umhüllt. Voll Wonne lächelt,
Ob ihrer Schönheit, ihrer Demuth Reize,
Er ihr mit höhrer Liebe zu, als Zeus
Der Juno lächelt, macht er Wolken fruchtbar,
Maiblüthen auszustreun, und reine Küsse
Drückt ihrer Lipp' er auf. Es wandte neidisch
Sich Satan ab; doch schielt er eifersüchtig
Boshaft zur Seit' auf sie und klagt bei sich:
»Verhaßt peinvoller Anblick! diese beiden,
Einparadiest Eins in des andern Armen,
Dem schönern Eden, sollen Glück auf Glück
So reich genießen, während mein die Hölle,
Wo Liebe nicht, noch Lust, nur wilde Gier
– Die kleinste nicht von unsern andern Qualen –
Stets ungesättigt durch Verlangen quält.
Doch will ich nicht vergessen, was aus ihrem
Mund ich erfuhr; noch scheint nicht alles Ihres.
Ein Unglücksbaum, genannt von der Erkenntniß,
Steht im Verbot. Verboten ist Erkenntniß?
Verdächtig, ohne Sinn. Weshalb beneidet
Der Herr sie darum? Kann sie Sünde sein?
Kann Tod sie sein? Nur durch Unwissenheit
Beständen sie? Ist
das ihr Glückeszustand:
Die Probe des Gehorsams, ihrer Treue?
Welch schöner Grund, ihr Unglück drauf zu baun!
Hierdurch versuch' ich ihren Trieb zu stacheln
Für größre Wissensgier, daß sie verwerfen
Des Neids Gebot, erfunden, sie darnieder
Zu halten, daß sie Kenntniß nicht erhöbe,
Gott gleich zu sein. Wenn sie darnach nun streben,
Ist Fehl und Tod wahrscheinlicher Erfolg.
Doch erst durchsuch' ich rings umher genau
Den Garten, und kein Winkel sei verschont.
Zufällig treff' auf einen Geist des Himmels
Ich wohl, der sich bei einem Quell ergeht
Im dichten Schatten, und von ihm erlaur' ich,
Was fernerhin zu thun. Leb', weil du's kannst,
Noch glücklich, Paar; genieße, bis ich kehre,
Der kurzen Lust; denn lange Leiden folgen.«
Er sprach's, und höhnend wandt' er stolz den Schritt;
Doch listig spähend fing er an zu streifen
Durch Wald und Thal und über Haid' und Hügel.
Indeß sinkt langsam, wo auf Erd' und Meer
Der Himmel ruht, im fernsten West die Sonne
Zum Untergehn und trifft in grader Richtung
Wagrecht gen Ost das Thor des Paradieses
Mit ihrem Abendstrahl. Es war ein Felsen
Von Alabaster, an die Wolken reichend,
Weithin sichtbar mit Einem gangbar'n Pfade
Vom Boden auf und Einem hohen Eingang.
Sonst war er rauher Fels, der, wie er anstieg,
Mehr überhing, unmöglich zu erklimmen.
Hier saß nun Gabriël zwischen diesen Pfeilern,
Der Engelwachen Haupt, die Nacht erwartend.
Um ihn her übte sich in Heldenspielen
Des Himmels waffenlose Jugend; seitwärts
Hing aber Himmelsrüstung, Schild und Helme
Und Speere, blitzend von Demant und Gold.
Hieher kam Uriël, gleitend durch den Abend
Auf einem Sonnenstrahl, schnell wie ein Stern,
Der durch die Herbstnacht schießt, wenn feur'ge Dünste
Die Luft beschweren, und dem Seemann kündet,
Von welchem Kompaßpunkt aus Schutz zu suchen
Vor Stürmen sei. In Eile sprach er so:
»Dir ward, o Gabriël, durch's Loos das Amt,
Die strenge Hut zu Theil, daß diesem Orte
Des Glücks kein Unheil nah', noch in ihn dringe.
Um Mittagszeit kam heut zu meiner Sphäre
Ein Geist, voll Eifer schien's, mehr zu erfahren
Von Gottes Werken und zumeist dem Menschen,
Sein jüngstes Bild. Ich wies dem Eilenden
Den Weg und merkt' auf seinen luft'gen Pfad.
Doch auf dem Berg, der Eden nördlich liegt,
Wo erst er ruht', erkannt' ich seinen Blick
Als fremd dem Himmel, böser Triebe Zeugniß.
Mein Blick verfolgt' ihn stets, allein im Schatten
Verschwand er. Einer der verbannten Schaar
Wagt aus der Tiefe sich, fürcht' ich, um neuen
Kampf zu erregen; sorg', ihn aufzufinden.«
Ihm gab zur Antwort der beschwingte Krieger:
»Uriël, kein Wunder, wenn dein scharfer Blick,
Da du im hellen Kreis der Sonne wohnest,
Fern sieht und weit. Die Wach' an diesem Thore
Läßt Keinen durch, als welcher, wohlbekannt,
Vom Himmel kommt und Niemand kam von dort
Seit Mittag. Hat ein Geist von andrer Art
Zu bösem Zweck den Erdwall übersprungen,
So weißt du, schwer ist es, ein geistig Wesen
Durch körperliche Schranken abzuhalten.
Doch ob im Umfang dieser Gäng' er lauert,
Von dem du sprichst, in welcherlei Gestalt,
Das werd' ich in der Morgendämmrung wissen.«
Auf dies Versprechen kehrt zu seiner Pflicht
Uriël auf jenem Strahl, der, nun erhoben,
Zur Sonne, die schon unter den Azoren,
Hinab ihn trug, sei's, daß die Himmelsscheibe
Unglaublich schnell am Tag dahin gerollt,
Sei's, daß die trägre Erd' in kürzerm Flug
Nach Osten sie daselbst zurückgelassen,
Wo sie mit rückgestrahltem Gold und Purpur
Die Wolken schmückt um ihren Thron im Westen.
Nun kam der stille Abend; graues Zwielicht
Hatt' Alles in ein schlichtes Kleid gehüllt;
Einstimmte Schweigen; denn so Thier als Vogel
Schlich hin zum Rasenlager, zu den Nestern,
All', außer der wachsamen Nachtigall,
Die durch die Nacht ihr Lied der Liebe singt.
Die Stille war entzückt; das Firmament
Erglühte von Sapphiren; Hesperus
Glänzt vor dem Sternenheere, bis der Mond
Aufstieg in Wolkenpracht und, Königin,
Ihr unvergleichlich Licht enthüllt und über
Das Dunkel ihren Silbermantel warf.
Und Adam sprach zu Eva: »Schöne Gattin,
Die Zeit der Nacht und Alles, was nun ruht,
Mahnt uns zu gleicher Ruh, die Gott dem Menschen,
Arbeit und Ruh, wie Tag und Nacht, sich folgend,
Einsetzt' und da der zeit'ge Thau des Schlafes
Mit sanftem Druck sich senkt auf unsre Lider.
Andre Geschöpfe, die den ganzen Tag
Müßig verbringen, brauchen minder Ruh;
Der Mensch hat sein beschiednes Tagewerk
Des Geists und Körpers, Zeichen seiner Würde
Und davon, daß der Himmel seiner achtet,
Indeß unthätig andre Wesen schweifen,
Und auf ihr Thun Gott keine Rücksicht nimmt.
Eh morgen frisch der Tag im Ost ersteht,
Beim ersten Nahn des Lichtes, müssen wir
Froh an die Arbeit gehn, die Blüthenbäume
Zu pflegen und die grünen Gäng', allwo wir
Am Mittag wandeln, überdach't von Zweigen,
Die unsrer Schwäche spotten und mehr Händ'
Erfordern, ihren üpp'gen Wuchs zu dämpfen.
Auch diese Blüthen und des Harzes Tropfen,
Die hier umher, den Pfad entstellend, liegen,
Sind wegzuräumen für behaglich Wandeln.
Indeß, so will's Natur, heischt Ruh die Nacht.«
Drauf Eva so, in ihrer hohen Schöne:
»Mein Ursprung und Gebieter, was du willst,
Das thu' ich gern, da Gott es so geordnet;
Denn Gott ist dir Gesetz, du mir; nicht weiter
Geht Weibes höchste Kenntniß und ihr Ruhm.
Mit dir verkehrend denk' ich nicht der Zeit;
Des Tages Wechsel ist mir gleich ergetzlich.
Süß ist des Morgens Hauch, sein Kommen süß,
Der Vögel früher Sang; die Sonne lieblich,
Wenn auf dies Prachtgefild ihr Morgenstrahl
Zuerst sich senkt, auf Gras, Baum, Frücht' und Blüthen,
Glitzernd von Thau; der fruchtbar'n Erde Duften
Nach sanftem Regenschauer; süß das Nahen
Des lieblich milden Abends; stiller Nacht
Mit ihrem Sänger, mit dem schönen Mond,
Den Himmelsgemmen, ihrem Sternenzuge.
Doch weder Hauch des Morgens, wenn er aufsteigt
Beim Sang der Vögel; noch der Sonnenaufgang
Ob diesen schönen Au'n; nicht Gras, Frucht, Blüthen,
Glitzernd von Thau; nicht Duft nach Regenschauern;
Nicht milden Abends Reiz, nicht stille Nacht
Mit ihrem Sänger, nicht der Gang im Mondlicht,
Noch Sternenglanz ist ohne dich mir süß.
Wozu der Glanz die Nacht hindurch? für wen
Der Prachtanblick, wenn Schlaf die Augen schließt?«
Worauf ihr unser Aller Ahn erwiedert:
»Du, Gottes und des Menschen schöne Tochter:
Sie machen ihren Lauf rund um die Erde
Bis morgen Abend, und, von Land zu Land
Den Völkern, die zwar ungeboren noch,
Ihr Licht zu bringen, gehn sie auf und unter,
Daß gänzlich Dunkel nicht sein altes Recht
Bei Nacht zurückerlang' und Leben tilg'
In der Natur, die diese sanften Feuer
Nicht nur erleuchten, auch mit milder Glut
Verschiedner Wirkung laben und erwärmen,
Mildern und nähren und die Sternenkraft
Auf Alles, was da wächst, herniederströmen,
Das dadurch fäh'ger wird, Vervollkommnung
Vom mächt'gern Strahl der Sonne zu empfangen.
Sie scheinen nicht umsonst in tiefer Nacht,
Auch ungesehn. Denk' nicht: gäb's keine Menschen,
Dem Himmel würd' es an Beschauern fehlen
Und Gott an Preis –: Millionen Geister wandeln
Unsichtbar hier, wir wachen oder schlafen.
Sie alle schaun die Werke, endlos preisend,
So Tag als Nacht. Wie oft im Wiederhalle
Des Hügels oder Dickichts hörten wir
Himmlische Stimmen in der Mitternacht,
Einzeln und auch im Wechselchor erwiedernd,
Dem großen Schöpfer singen? oft in Schaaren,
Wenn sie zur Hut die nächt'ge Runde machen,
Mit Tönen überird'schen Saitenspiels,
Zur Harmonie vereint, die Nacht eintheilen;
Und ihr Gesang hob unsern Sinn zum Himmel.«
So sprechend, gehn sie einsam, Hand in Hand,
Zu ihrer sel'gen Laub'. Es war ein Ort,
Erwählt vom höchsten Gärtner, als er Alles
Zum Frohgenuß des Menschen schuf. Von Laubwerk
Zur dichtsten Decke war das Dach geflochten
Aus Myrt' und Lorbeer und was höher wuchs,
Von festem, duft'gem Blatt. An allen Seiten
Bildet Akanth und jeglich duftig busch'ges
Strauchwerk die grüne Wand; und schöne Blumen,
Vielfarb'ge Iris, Rosen und Jasmin
Erheben zwischendurch ihr Haupt und wirken
Hier Mosaik; zu Füßen zieren Veilchen,
Crocus und Hyazinthen in sehr reichem
Gemisch den Grund, vielfarb'ger als von Steinen
Köstlichste Arbeit. Andre Wesen wagten
Sich nicht hierher, nicht Vieh, nicht Wurm, nicht Vogel;
So ward der Mensch geehrt. In schattenreichern,
Heil'gern, einsamern Lauben schliefen nie
– Zwar Dichtung auch – Pan und Sylvan; nicht Nymphen,
Noch Faunen. Hier, in Abgeschiedenheit,
Schmückt' Eva jüngst mit Kränzen, Blumen, Kräutern,
Süß duftenden, ihr bräutlich Ehebett;
Das Hochzeitlied erhuben Himmelschöre
Am Tag, da unserm Ahn der Ehen Engel
Sie bracht' in nackter Schönheit, mehr geschmückt,
Lieblicher, als Pandora, so die Götter
Versahn mit allen Gaben, ach, zu ähnlich
An traur'gem End', als zum unweisern Sohn
Japheths sie Hermes führt', und sie die Menschen
Mit ihrem süßen Blick zur Rach' an Jenem
Verlockte, welcher Jovis Feuer stahl.
Bei ihrer schatt'gen Wohnung angekommen,
Stehn sie, zum Himmel hingewandt, und beten
Zu Gott, der Himmel, Luft und Erde schuf,
Des Mondes helle Scheibe, die sie sehn,
Und den sternreichen Pol: »Allmächt'ger Schöpfer,
Du schufst die Nacht auch, wie den Tag du schufst,
Den im beschiednen Tagwerk wir vollbracht,
Beglückt durch unsre gegenseit'ge Hülf'
Und Liebe, die all unsre Wonne krönt,
Wie du's bestimmt, und durch den schönen Ort,
Für uns zu groß, wo's an Theilnehmern fehlt,
Und ungesammelt fällt dein Gut zu Boden.
Doch du verhießest ein Geschlecht von uns,
Das einst die Erd' erfüllt und deine Güte,
Die ew'ge, mit uns preise, wenn wir wachen,
Und dein Geschenk, den Schlaf, wie jetzt, wir suchen.«
Einmüthig sprachen sie's, von andern Bräuchen
Nichts weiter übend, als ein rein Gebet,
Das Gott am liebsten hat, und in die Laube
Gehn sie vereint, enthoben, abzulegen
Die lästige Verkleidung, die wir tragen.
Beisammen ruhn sie; Adam wandte, mein' ich,
Sich nicht von seiner Gattin; Eva weigert
Nicht den geheimen Brauch ehlicher Liebe –
Was auch mit Strenge Heuchler reden mögen
Von Reinheit, Ort und Unschuld, als unrein
Verlästernd das, was Gott für rein erklärt
Und Einigen gebietet, Andern freiläßt.
Der Schöpfer will Vermehrung; wer Enthaltung –
Vertilgt nur, Gottes und der Menschen Feind.
Heil Gattenliebe, wunderbar Gesetz, dir,
Der Menschheit wahrer Quell, einz'ger Besitz
Im Paradies, wo Alles sonst gemeinsam.
Durch dich entging der Mensch der rohen Lust,
Die unter Thieren herrscht; du gründetest
Vernunftgemäß, gesetzlich, recht und rein
Verwandtschaft, und es wurden all die Bande
Von Vater, Sohn und Bruder erst erkannt.
Fern sei's, dich Sünde oder Schmach zu nennen,
Dich ungeziemend heil'gem Ort zu denken,
Beständ'ge Quelle häuslich süßen Glücks!
Dein Lager galt für keusch und unbefleckt
Heil'gen und Patriarchen, sonst und jetzt.
Hier schießt den goldnen Pfeil, hier leuchtet Liebe
Mit ew'ger Lamp' und schwingt die Purpurflügel;
Herrscht hier und jauchzt, nicht im erkauften Lächeln
Von Dirnen, lieblos, herzlos, achtungslos,
In leerer Lust; auch nicht in Hofliebschaften,
Bei Tanz und üpp'ger Mask' und nächt'gen Bällen,
Und Ständchen, die der schmachtende Verliebte
Der Spröden bringt, die er verachten sollte. –
Sie, Arm in Arm, wiegt ein die Nachtigall,
Und auf die nackten Glieder streuet Rosen,
Am Morgen neu ersetzt, das Blüthendach.
Schlaf, selig Paar! im Glück, so lang du nicht
Nach größrem Glück und mehr zu wissen trachtest.
Schon hatte Nacht mit ihrem Schattenkegel
Die halbe Wölbung unter'm Mond durchmessen,
Und Cherubim, bewehrt, ziehn aus dem Thore
Von Elfenbein zu der gewohnten Stund'
Auf die Nachtwach' in kriegerischem Pompe,
Als Gabriël sprach zu dem an Macht ihm Nächsten:
»Uzziël, zieh südwärts mit der halben Schaar
Und späh genau; nordwärts lenk hin die andre;
Ganz westlich schließ' der Kreis.« Getheilt wie Flammen
Schwenkt halb dem Schild
die nach, dem Speer die andre.
Zwei starke, kluge Geister rief er zu sich,
Die nah ihm standen, und trug ihnen auf:
»Ithuriël und Zephon, flieget eilig,
Durchsucht den Garten, kein Versteck laßt aus;
Besonders späht um jenes schöne Paar,
Das jetzt vielleicht ohn' allen Harm dort schlummert.
Vom Sonnenuntergang kam wer am Abend,
Der sprach, daß einen höll'schen Geist er sah
Hieherwärts ziehn (wer hätt's geglaubt), entronnen
Der Hölle Schranken, sicher Böses sinnend.
Wo ihr ihn trefft, greift ihn und bringt ihn her.«
So sprechend, führt die Schaar er, deren Glanz
Den Mond verdunkelt; jene flogen stracks
Zur Laub', ihn suchend, fanden dort ihn auch,
Gleich einer Kröt' am Ohr der Eva hockend,
Durch Teufelskunst versuchend, zu erreichen
Den Sitz der Phantasie, und dort zu schmieden
Blendwerk, wie's ihm beliebt, Phantasmen, Träume;
Auch ob er, Gift einflößend, ihr beflecken
Die thier'schen Geister könnt', aus reinem Blut
Entsteigend, gleich dem Hauch des reinen Stromes,
Drin wirren, unzufriednen Sinn zu wecken,
Gier, eitles Hoffen, ungezähmt Verlangen,
Von Dünkel aufgebläht, der Hochmuth zeugt.
Den Eifrigen berührt Ithuriël leicht
Mit seinem Speer; und da Verstellung nicht,
Berührt von Himmelskraft, besteht, vielmehr
Zur wahren Form zurück muß, fährt er auf,
Entdeckt und überrascht. Wie wenn ein Funke
In einen Haufen Pulver fällt, daliegend,
Den Vorrath eines Magazins zu mehren
Bei drohndem Krieg, und jäh das schwarze Korn,
Entbrannt, sich flammend in der Luft verbreitet:
So fuhr empor der Feind in eigner Bildung.
Es stutzen, leicht verwirrt, die beiden Engel,
So schnell den grimmen König zu erblicken;
Doch furchtlos reden bald sie so ihn an:
»Wer von den Geistern, büßend in der Hölle,
Bist du? Der Haft entronnen, warum saßest
Du, wie ein Feind, verstellt im Hinterhalt
Und lauertest am Haupt der Schläfer hier?«
»Kennt ihr mich nicht?« sprach Satan voller Trotzes,
»Mich, den ihr kanntet, doch als euresgleichen
Nur nicht; denn ich saß dort, wo ihr's nicht wagtet.
Nicht kennen mich, macht unbekannt euch selber,
Stellt euch in niedre Reih'; und kennt ihr mich,
Was fragt ihr und beginnt so überflüssig
Die Botschaft, wie sie fruchtlos enden wird?«
Drauf Zephon also, Trotz mit Trotz erwiedernd:
»Glaub, Aufruhrgeist, nicht deine Form dieselbe,
Noch ungetrübt den Glanz, daß man dich kenne,
Wie da du schuldlos standst und rein im Himmel.
Es schied der Glanz von dir, als du nicht mehr
Gut warest; und du gleichst nun deiner Sünde,
Dem düstern, schnöden Orte der Verdammniß.
Doch komm; denn wahrlich, Rede sollst du stehn
Dem, der uns sandte, dessen Amt es ist,
Den Ort und Diese unverletzt zu halten.«
So sprach der Cherub und sein ernster Vorwurf,
So streng bei Jugendschönheit, macht sein Wesen
Unwiderstehlich. Satan steht beschämt,
Fühlt, wie erhaben Güt' ist, und er sieht
Die reizende Gestalt der Tugend; sieht's,
Und der Verlust quält ihn; besonders aber,
Daß hier man den verlornen Glanz bemerkt.
Doch schien er furchtlos. »Muß ich kämpfen«, sprach er,
»Sei's mit den Besten, mit dem Boten nicht,
Nein, mit dem Sender, oder auch mit Allen.
Mehr Ruhm giebt's, wen'ger Schaden!« – »Deine Furcht«,
Sprach Zephon kühn, »spart den Beweis, daß dich,
Den Bösen – drum auch schwach – der Schwächste fällt.«
Der Feind erwiedert nichts, verstummt vor Wuth.
Doch gleich dem stolzen Roß, das in die Zügel
Beißt, schritt er vor. So Kampf als Flucht
Scheint ihm vergeblich: Schreck von oben lähmt
Das Herz, das sonst nichts scheute. Jetzo nahn sie
Dem Westpunkt, wo im halben Kreis die Wachen
Sich treffen und in Reihn geschlossen stehn,
Zunächst Befehl erwartend. Ihnen rief
Ihr Führer, Gabriël, an der Spitze zu:
»O Freund', ich hör' den Tritt geschwinder Füße
Hereilen und erkenne jetzt im Schimmer
Ithuriël und Zephon durch das Dunkel;
Dann einen Dritten, fürstlichen Gebahrens,
Doch mit erloschnem Glanz, der nach dem Gang
Und stolzem Wesen scheint der Höllenfürst,
Und schwerlich ohne Kampf von hier wird scheiden.
Steht fest; es lauert Trotz in seinem Blicke.«
Kaum sprach er aus, als jene zwei sich nahten,
Kurz meldend, wen sie brächten, wo ihn fanden,
In welcher That, welcher Gestalt und Stellung.
Mit strengem Blick sprach Gabriël so zu ihm:
»Was brichst du, Satan, den für dein Vergehn
Bestimmten Bann und störest noch das Amt
Der Andern, die dem Beispiel deiner Schuld
Nicht folgen, sondern Macht und Recht besitzen,
Zu fragen, wie du an den Platz dich wagtest?
Bestrebt, so scheint es, nur den Schlaf zu stören
Und sie, die Gott im Glück hier wohnen läßt.«
Drauf Satan mit hohnvollem Blick erwiedert:
»Gabriël, im Himmel hielt man dich für weise,
Und so auch ich; doch diese Frage läßt
Mich zweifeln. Giebt es wen, der Schmerzen liebt?
Wer, der es kann, entrönne nicht der Hölle,
Obgleich dahin verbannt? Du selber wagtest
Gewiß dich kühn an jeden Ort, der fern
Von Schmerzen ist, wo du den Wechsel hofftest
Von Qual zu Ruh und rasch verwandeln könntest
In Freude Schmerz; dies sucht' ich an dem Orte.
Dir gilt dies nichts, der du nur Gutes kennst,
Doch Böses nie versucht; und hältst den Willen
Mir vor deß, der uns bannt? Verschließ er sichrer
Die Eisenpforten, will er, daß wir bleiben
Im dunklen Kerker. Dies auf deine Frage.
Das Andr' ist wahr: dort war ich, wo sie sagten;
Doch daraus folgt noch nicht Gewalt, noch Kränkung.«
So er im Hohn. Der kriegerische Engel
Versetzt gereizt und halb verächtlich lächelnd:
»O welch ein Weisheitsrichter fehlt im Himmel,
Seit Satan fiel, dem Thorheit Sturz erwirkte
Und nun zurück ihn schickt, der Haft entronnen,
Ernst zweifelnd, ob
die weise sei'n, ob nicht,
Die fragen, welche Frechheit her ihn brachte,
Der unerlaubt verließ den Bann der Hölle:
So weise schätzt er es, den Schmerz zu fliehn
Auf jede Art und die verdiente Strafe.
Glaub' immer so, Vermessner, bis die Rache,
Der du im Fliehn zurennst, dich siebenfältig
Trifft und
die Weisheit heim zur Hölle geißelt,
Die dich noch nicht gelehrt, daß keine Pein
So schwer gereiztem Zorn genügen kann.
Doch weshalb so allein? Weshalb brach nicht
Die ganze Hölle los? Ist Schmerz für sie
Denn minder Schmerz? heißt sie nicht fliehen? oder
Kannst du ihn wen'ger tragen? Muth'ger Führer!
Der Erst' im Fliehn vor Schmerz; wenn diesen Grund
Der Flucht du dem verlassnen Heer verkündet:
Traun! nicht als einz'ger Flüchtling kamst du her!«
Worauf der Feind mit finstern Brau'n erwiedert:
»Nicht minder trag' ich, noch beb' ich vor Schmerz,
Höhnischer Geist. Du weißt, wie ich am stärksten
Dich drängt', als in der Schlacht, um dir zu helfen,
Des Donners glühnde Ladung Alles fegte,
Und beistand deinem sonst nicht furchtbar'n Speer.
Doch stets noch zeigt dein unbedachtes Reden,
Wie unerfahren du, was nach mißlungnen
Versuchen und nach fehlgeschlagnem Ausgang
Dem treuen Führer ziemt, nicht in Gefahr,
Von ihm selbst unversucht, sein Heer zu setzen.
Drum unternahm ich auch, zuerst allein
Zu fliegen durch die wüste Kluft, zu schauen
Die neuerschaffne Welt, drob in der Hölle
Der Ruf ergeht, in Hoffnung, hier zu finden
Wohnbaren Ort für mein gebeugtes Heer,
Sei's auf der Erde, sei's in mittler Luft:
Sollt' ich den Kampf um den Besitz auch nochmals
Mit dir und deiner muntern Schaar erproben,
Die lieber ihrem Herrn im Himmel will
An seinem Throne mit Gesängen dienen
Und diesen fern umkriechen, doch nicht fechten.«
Worauf der Kriegerengel schnell versetzte:
»Gesagtes widerrufen, erst behaupten,
Schmerz fliehn sei weise, dann das Spähn bekennen,
Zeigt nicht vom Führer – vom ertappten Lügner.
Und du, o Satan, nennst dich
treu? O Name
Der Treue heil'ger Name, wie entweiht!
Wem treu? etwa der Rotte von Empörern,
Dem Heer von Bösen, Leib zum Haupte passend?
War dieses eure Zucht, beschworne Treue,
Dies euer Kriegsgehorsam, als die Pflicht
Dem anerkannten Oberherrn ihr bracht?
Und wer wohl mehr, als du, du list'ger Heuchler,
Der du jetzt Hort der Freiheit scheinen möchtest,
Kroch vor dem hohen Herrn des Himmels einst
Und ehrt' ihn knechtisch? doch wohl nur in Hoffnung,
Ihn zu entsetzen und dann selbst zu herrschen?
Doch merk', ich gebe dir den Rath: Hinweg!
Flieh hin, woher du kamst. Läßt du von jetzt an
Dich in dem heiligen Bezirk hier blicken,
Schlepp' ich gefesselt dich zum höll'schen Pfuhl
Und fest'ge so dich, daß du nicht mehr höhnest,
Der Hölle Pforten sei'n zu schwach verriegelt.«
So droht' er ihm; doch Satan achtet nicht
Der Drohung, sondern, mehr in Wuth, versetzt er:
»Bin ich erst dein Gefangner, sprich von Ketten,
Stolzer Grenzwächter-Cherub; doch zuvor
Erwarte, selbst die größre Wucht zu fühlen
Vom stärkern Arm, fahr' auch des Himmels König
Auf deinen Schwingen; zieh auch du mit Gleichen,
Des Jochs gewohnt schon, seinen Siegeswagen
Im Pomp auf sternbesä'tem Himmelspfad!«
Er sprach's, und glutroth ward die lichte Schaar.
Und ihren Phalanx drauf zum Halbmond biegend,
Begann sie mit erhobnen Speeren ihn
Rings zu umziehn, so dicht, wie wenn ein Feld
Der Ceres, reif zur Ernte, wogend neigt
Den bärt'gen Aehrenhain, wohin der Wind
Ihn weht: der Landmann steht in Sorge, bangend,
Ob auf der Tenne nicht der Ernte Hoffnung
Als Spreu sich zeigt. Jenseits steht Satan da,
All seine Kräfte sammelnd, aufgeregt,
Doch fest wie Atlas oder Teneriffa.
Sein Wuchs ragt auf zum Himmel; auf dem Helme
Sitzt Schreck gefiedert; seiner Faust fehlt nicht,
Was dient als Speer und Schild. Furchtbarer Kampf
Wär' jetzt erfolgt; in diesem Toben wären
Nicht nur das Paradies, das Sternendach
Des Himmels wohl, ja alle Elemente
Durch den gewalt'gen Stoß zerstört, zermalmt,
Zerrissen worden, hing der Ew'ge nicht
Schnell, zu verhindern solchen grausen Streit,
Die goldne Waag' am Himmel aus, die noch
Man zwischen Skorpion sieht und Asträa,
Drin all Geschaffenes zuerst er wägte,
Der Erde schwebend Rund im Gleichgewicht
Mit ihrer Luft, und jetzt den Ausgang wägt
Der Reich' und Schlachten. Drein warf er zwei Loose:
Die Folgen, wenn er schied und wenn er kämpfte.,
Das letztre flog schnell auf bis zu dem Balken.
Als Gabriël dies sah, sprach er zum Feinde:
»Ich kenne deine, du kennst meine Stärke;
Nicht unser, nur geliehn. Wie thöricht also,
Auf Waffen pochen! Deine können mehr nicht.
Als Gott zuläßt, noch mein', obgleich jetzt doppelt,
Wie Staub dich zu zertreten. Blick nur auf
Und lies dein Loos in jenem Himmelszeichen,
Wo man dich wägt, und sieh, wie leicht, wie schwach
Im Widerstand. Der Feind blickt' auf, und sah
Hoch oben seine Schale, murrt und flieht;
Und mit ihm flieht die Dunkelheit der Nacht.