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Vom Himmel steig, Urania, wenn mit Recht
Man so dich nennet, deren Götterstimm'
Ich folg' und über den Olymp mich schwinge,
Den Flug des Pegasus noch überbietend.
Dein Wesen, nicht den Namen ruf' ich an.
Der Musen keine, weilst du auf dem alten
Olympus nicht; jedoch des Himmels Tochter,
Eh Berge waren und die Quellen flossen,
Verkehrtest mit der ew'gen Weisheit du,
Mit deiner Schwester, und du sangst mit ihr
Vor dem allmächt'gen Vater, den erfreute
Dein himmlischer Gesang. Durch dich empor
Geführt, wagt' ich mich in der Himmel Himmel,
Ein ird'scher Gast und sog ein Aetherstoff,
Den du gemischt; gleich sicher leite mich
Zurück zu meinem heimischen Element,
Damit ich nicht vom wilden Flügelroß,
Wie einst Bellerophon aus niedrer Höhe
Entsattelt fall' auf das aleische Feld
Und dort verlassen in der Irre wandre.
Noch bleibt des Liedes Hälfte, doch beschränkt
Auf den sichtbaren Kreis der Tagessphäre;
Auf Erden fußend, nicht jenseit des Poles,
Sing' ich mit irdischer Stimme sicherer,
Nicht heiser oder stumm, obgleich gefallen
In böse Tag' und unter böse Zungen;
In Finsterniß und von Gefahr umgeben
Und Einsamkeit; doch nicht allein, da du
Mich heimsuchst, wenn ich schlummr', und wenn der Morgen
Den Ost bepurpurt. Leite meinen Sang,
Gieb rechte Hörer, wenn auch wenige nur.
Doch fernhin scheuche den barbarischen Lärm
Des Bacchus nebst der wilden Schwärmerrotte,
Die einst den Sänger Thraciens zerriß
Auf Rhodope, wo Wald und Fels entzückt
Gelauscht, bis wild Geschrei so Harf' als Stimm'
Ertränkt, und nicht die Muse schützen konnte
Den Sohn. Verlasse den nicht, der dich anfleht;
Denn du bist himmlisch, sie nur leerer Traum.
Sprich, Göttin, was geschah, als Raphaël,
Der freundliche Erzengel, nun den Adam
Gewarnt vor Abfall durch ein furchtbar Beispiel,
Durch das, was jene Abgefallnen traf
Im Himmel, daß nicht gleiches Schicksal treffe
Adam und sein Geschlecht im Paradiese,
Wenn sie, nicht vom verbotnen Baum zu kosten
Ermahnt, dies einzige Gebot nicht achten,
Dem leicht zu folgen, bei sonst freier Wahl
In Allem, was die Eßlust kann vergnügen,
So sehr sie wechseln mag. Adam und Eva
Vernahmen Alles aufmerksam, erfüllt
Von Staunen, und gedankenvoll, zu hören
So Hohes, Seltsames, für ihre Sinnen
So Unvorstellbares, wie Haß im Himmel
Und Krieg, so nah dem Glückesfrieden Gottes,
Mit solchem Graun. Doch floß das Uebel bald
Zurückgedrängt, wie eine Flut, auf die,
Die es erzeugt, da's nicht verträglich schien
Mit Seligkeit. Drum wehrt auch Adam schnell
Des Herzens Zweifel von sich ab, und nun
Gelockt – doch sündlos – von Begier, zu wissen,
Was näher ihn beträf', wie diese Welt,
Die sichtbare, begann vor Erd' und Himmel,
Wann und woraus geschaffen und wozu,
Was in und außer Eden wohl geschehen
Vor seiner Zeit – wie Einer, der den Durst
Noch kaum gestillt, stets auf den Strom hinblickt,
Deß murmelnd Naß auf's neue Durst erregt,
Fährt fort er, so den Himmelsgast zu fragen:
»Du hast uns Großes, wunderbar dem Ohre,
In dieser Welt ganz unbekannt, enthüllt,
Göttlicher Lehrer, den vom Empyreum
Beizeiten Gnad' uns sandt', um uns zu warnen
Vor dem, was unbekannt Gefahr uns brächte,
Und was des Menschen Einsicht nicht erfaßt.
Wir zollen dafür dem unendlich Güt'gen
Endlosen Dank und nehmen seine Mahnung
Auf mit dem festen Vorsatz, zu gehorchen
Dem hohen Willen, ohne Wank, dem Zweck
Deß, was wir sind. Doch da du gütig uns
Hast mitgetheilt zu unserer Belehrung
Von überird'schen Dingen, die zu kennen
Uns nöthig ist, wie's der Allweisheit schien:
Laß tiefer dich herab, uns zu berichten,
Was unsrer Kenntniß wohl nicht minder frommt:
Wie dieser Himmel ward, den wir erblicken,
So fern und hoch, geschmückt mit unzählbaren,
Bewegten Lichtern; sie, die allen Raum
Schafft oder füllt, die weitumfassende Luft,
Die diese blühende Erd' umgiebt; was Gott
Dazu bewog, in seiner heil'gen Ruh
Durch alle Ewigkeit, so spät zu bauen
Im Chaos, und wie bald das Werk vollendet –
Falls dir nicht untersagt ist, zu enthüllen,
Wonach wir fragen, nicht nach dem Geheimniß
Des ew'gen Waltens forschend, nur um mehr
Sein Werk zu preisen, wenn wir's mehr begreifen.
Das große Licht des Tages hat noch viel
Von seiner Bahn, so jäh sie ist, zu laufen;
Es lauschet schwebend deiner mächt'gen Stimme
Und zögert länger, reden dich zu hören
Von seiner Zeugung, und wie die Natur
Erstanden aus der unsichtbaren Tiefe.
Und eilt der Abendstern, der Mond herbei,
Zu horchen – wird die Nacht die Stille bringen,
Und selbst der Schlaf, der lauschend sich hält wach;
Wo nicht, sei ihm gewehrt, bis du geendet,
Und du entlassen, eh der Morgen tagt.«
Also bat Adam seinen hohen Gast,
Und mild erwiedert der gottgleiche Engel:
»Die Bitte werd' erfüllt, weil du bescheiden
Gefragt, obgleich der Allmacht Werk zu künden
Nicht eines Seraphs Wort und Zunge gnügt,
Noch es des Menschen Herz vermag zu fassen.
Doch was du fassest, was am besten dient
Zum Preis des Schöpfers und auch glücklicher
Dich selber macht, soll deinem Ohre nicht
Verborgen bleiben; solcher Auftrag ward
Von oben mir, bescheidner Wißbegier
Zu gnügen. Doch ein Weitres frage nicht,
Noch hoffe, daß du durch dich selbst erforschest
Verborgnes, das der unsichtbare König,
Allein allwissend, hat in Nacht gehüllt,
Unmittheilbar auf Erden und im Himmel.
Noch bleibt genug zu wissen und zu forschen.
Doch Kenntniß ist wie Speis' und braucht nicht minder
Der Mäßigung der Eßlust, um zu kennen
Das Maß von dem, was wohl die Seele faßt;
Bedrückt vom Uebermaß verkehrt sich Weisheit
In Thorheit bald, wie Speis' in Dunst sich wandelt.
Wiß also, daß, als Lucifer vom Himmel
(So nenn' ihn, der im Heer der Engel einst
Mehr glänzt', als jener Stern dort unter Sternen)
Mit seinen Flammenschaaren fiel zur Tiefe
An seinen Ort, und siegreich mit den Heil'gen
Der große Sohn rückkehrte, sah der ew'ge,
Allmächt'ge Vater von dem Thron herab
Die Meng' und sprach zu seinem Sohne so:
»Es täuschte sich der neidische Feind, der Alle,
Gleich ihm, für untreu hielt, durch deren Beistand
Er diesen unzugänglich hohen Thron
Der höchsten Gottheit, wenn er uns entsetzte,
An sich zu reißen dacht' und Viele lockte,
Die nun ihr frührer Platz hier nicht mehr kennt.
Doch der bei weitem größre Theil, ich seh' es,
Hielt Stand, der Himmel hat noch Volks genug,
Hinlänglich, seine Reiche zu besetzen,
Wie groß auch, und des hohen Tempels Dienst
Mit schuld'gen Festgebräuchen zu versehen.
Doch daß sein Herz sich des verübten Unheils
Nicht rühm', als sei der Himmel nun entvölkert,
Und wähn', ich sei verkürzt: ergänz' ich leicht
Den Schaden – ist es einer, Selbstverlorne
Verlieren – und im Nu noch eine Welt
Erschaff' ich, ein Geschlecht zahlloser Menschen
Aus Einem Manne, die dort wohnen sollen,
Nicht hier, bis nach und nach sie, durch Verdienst
Erhoben, sich zuletzt den Weg eröffnen
Hierher, erprobt durch dauernden Gehorsam,
Und Erde Himmel, Himmel Erde wird,
Ein Reich und Freud' und Einigkeit ohn' Ende.
Indessen wohnt geraum, ihr Himmelsmächte,
Und du, mein Wort, mein eingeborner Sohn,
Durch dich vollend' ich's, sprich, und es geschieht.
Den Geist, der dich beschattet, und die Macht
Send' ich mit dir; zieh aus, befiehl der Tiefe;
In festen Grenzen seien Erd' und Himmel.
Die Tiefe grenzlos; dies Unendliche
Erfüll' ich, drum ist auch der Raum nicht leer.
Und zieh' ich, unumschränkt, mich auch zurück,
Die Güt' einhaltend, da ich frei, zu thun,
Zu lassen, naht mir doch Nothwendigkeit
Und Zufall nicht, und was ich will, ist Schicksal.«
So sprach die Allmacht, und dem, was sie sprach,
Gab Wirklichkeit ihr Wort, des Sohnes Gottheit.
Unmittelbar und schneller als Bewegung
Und Zeit ist Gottes Thun; doch Menschenohren
Kann's kund nur durch der Sprache Mittel werden,
Wie's faßlich irdischen Begriffen ist.
Großer Triumph und Jubel war im Himmel,
Als so sich kundgab des Allmächt'gen Wille;
Preis sangen sie dem Allerhöchsten, Gnade
Den künftigen Menschen, ihrem Wohnplatz Frieden;
Preis ihm und Ehre, deß gerechter Zorn
Von seinem Antlitz und von der Gerechten
Wohnsitz vertrieben die Ruchlosen; »ihm
Sei Ehr' und Preis, deß Weisheit hat beschlossen,
Daß Heil aus Uebel sich erzeug', anstatt
Der Bösen nun ein besseres Geschlecht
Den leeren Raum erfüll', und sich ergieße
Sein Heil auf Welten und endlose Zeiten!«
So tönt der Engel Sang. Indeß erschien
Der Sohn, zu seinem großen Werk gerüstet
Mit Allmacht, mit dem Strahlenkranz gekrönt
Göttlicher Majestät; Weisheit und Liebe,
Der ganze Vater zeigt sich ganz in ihm.
Um seinen Wagen drängten sich unzählig
Cherub und Seraph, Mächte so wie Thronen,
Beschwingte Tugenden, beschwingte Wagen
Aus Gottes Rüsthaus, wo zu Myriaden
Von jeher zwischen zweien eh'rnen Bergen
Sie stets bereit für einen Festtag standen,
Ein Himmelspomp; die nun von selbst sich vorwärts
Bewegten, da ein Geist in ihnen lebte,
Zum Dienst des Herrn. Der Himmel that weit auf
Die ew'gen Thore, deren goldne Angeln
Harmonisch tönten, aus sich zu entlassen
Der Ehren König, der mit mächt'gem Wort
Und Geist kam, neue Welten zu erschaffen.
Auf Himmelsgrunde haltend, schauten sie
Vom Rand den unermeßlich weiten Abgrund,
Grenzlos, gleich einem Meer, wüst, wild und finster,
Vom Boden aufgewühlt durch wüth'ge Winde
Und schwellende Wogen, berghoch zu bestürmen
Des Himmels Höh, zu mischen Pol und Centrum.
»Still, ihr empörten Wogen, still, du Tiefe«,
Sprach das allmächt'ge Wort, »die Zwietracht ende!«
Nicht weilt' er, denn auf Cherubschwingen zog er
Getragen, in des Vaters Glorie, fern
In's Chaos, in die ungeborne Welt.
Denn es hört seinen Ruf; in hellem Zuge
Folgt ihm der Engel Schaar, das Schöpfungswerk
Zu schaun, so wie die Wunder seiner Macht.
Jetzt ruhn die glühnden Räder; seine Hand
Ergreift den goldnen Zirkel, der bereit lag
In Gottes Vorrathshaus, um abzugrenzen
Das Weltall und all die geschaffnen Dinge.
In's Centrum setzt er einen Fuß, den andern
Zieht rings er durch die weite, finstre Tiefe
Und spricht: »So weit erstrecke deine Grenzen,
Und dieses sei dein rechter Umfang, Welt!«
So schuf den Himmel Gott und so die Erde
Aus formlos leerem Stoffe. Tiefe Nacht
Bedeckt die Kluft; doch ob den stillen Wassern
Schwebt brütend Gottes Geist mit breiten Flügeln,
Einflößend Lebenskraft und Lebenswärme
Der flüssigen Masse; niederschlug er aber
Den kalten höllischschwarzen Bodensatz,
So feind dem Leben; goß und ballte Gleiches
Zu Gleichem; bracht' an seinen Ort den Rest
Und webte Luft dazwischen, und die Erde
Hing nun im Gleichgewicht auf eignem Centrum.
»Es werde Licht!« sprach Gott; sogleich sprang Licht,
Aetherisches, erster, reinster Stoff der Dinge,
Auf aus der Tief', und von dem heim'schen Osten
Begann's zu wandern durch die düstre Luft,
Gekreist zum strahlenden Gewölk, denn noch
War nicht die Sonn'; in einem Wolkenzelte
Verweilt' es noch. Gott sah, das Licht war gut,
Und schied's vom Dunkel durch die Hemisphäre.
Er nannte Licht den Tag, das Finstre Nacht.
Aus Abend ward und Morgen erster Tag,
Der ungefeiert, unbesungen nicht
Von Himmelschören blieb, als Ostens Licht sie
Zuerst der Finsterniß entstrahlen sahen.
Tag der Geburt des Himmels und der Erde!
Mit Freudenschall erfüllten sie den hohlen
Weltball, und goldne Harfen rührend, sangen
Sie Gott und seine Werk', ihn Schöpfer preisend,
Als erster Abend war und erster Morgen.
Und Gott sprach wieder: »Eine Veste werde
Inmitten dieser Wasser, daß sie theile
Die Wasser von den Wassern«; und Gott machte
Die Veste, ausgedehnt aus flüss'ger, reiner,
Durchsichtiger, urstoffartiger Luft, ergossen
Im Umfang bis zur allerhöchsten Wölbung
Des großen Rundes: feste, sichre Trennung
Der Wasser unterhalb von denen oben.
Denn, wie die Erde, baut er auch die Welt
Auf Wasser, ringsum strömend, still im weiten
Krystallnen Ocean und entfernt die laute
Zwietracht des Chaos, daß wild Kämpfendes
Im Anstoß nicht den ganzen Bau zertrümmre;
Und hieß die Veste Himmel. So besang
Der Abend-Morgenchor den zweiten Tag.
Schon
war die Erde, doch im Schooß der Wasser
Unreif noch eingehüllt, erschien sie nicht.
Der Ocean überströmt das ganze Antlitz
Der Erde, müßig nicht, nein, er befähigt,
Den ganzen Ball mit warmem Naß durchweichend,
Die große Mutter zur Empfänglichkeit,
Durchtränkt von fruchtbar Feuchtem, als Gott sprach:
»Ihr Wasser, sammelt euch nun unterm Himmel
An Einem Ort; laßt trocknes Land erscheinen!«
Flugs tauchen ungeheure Berg' empor;
Aufrichten sie die breiten, nackten Rücken
Zum Wolkenplan, zum Himmel auf die Gipfel.
So hoch, als sich die schwellenden Berge heben,
Sinkt auch ein hohler, breiter, tiefer Grund,
Ein weites Bett der Wasser; dahin eilen
Im frohen Sturze sie, und rollen sich,
Wie Tropfen sich auf trocknem Staube ründen.
Aus Eile bilden sie krystallne Mauern,
Auch grade Reihn; so drängt ein stark Gebot
Die schnelle Flut. Wie auf Trompetenschall
Kriegsheere (denn du hast davon gehört)
Die Fahn' umdrängen, drängen, Well' auf Welle,
Die Wasser hin sich, wo sie Ausweg finden,
Wenn steil, im jähen Sturz, wenn in der Fläche,
Sanft ebbend. Widerstand that weder Fels
Noch Hügel; denn sie fanden unterm Boden
Im Schlängellauf weitkreisend ihren Ausgang,
Und furchten tiefe Rinnen in den Schlamm;
Leicht war's, eh Gott den Grund hieß trocken werden,
Nur in den Ufern den nicht, wo nun Ströme
Den flüssigen Schweif beständig nach sich ziehn.
Das Trockne nannt' er Land, und den Behälter
Der aufgenommnen Wasser nannt' er Meer.
Und sah, daß gut es war, und sprach: »Es bringe
Die Erde Gras hervor und Samenkräuter,
Und Bäume, Frucht gewährend jeder Art,
Die in sich selbst den Samen trägt auf Erden.«
Kaum sprach er's, als die Erde, nackt bis jetzt,
Noch wild und wüst, schmucklos und unansehnlich,
Erzeugte zartes Gras, deß Grün bedeckte
Mit heitrem Schmelz die ganze Oberfläche;
Dann Kräuter jedes Laubs, die plötzlich blühten
Und, manche Farb' erschließend, bunt verzierten
Der Erde duftige Brust. Kaum angehaucht
Trieb auch der Weinstock Trauben, kroch hervor
Der schwellende Kürbis; schlachtgereiht im Felde
Stand körnig Rohr, der niedre Strauch, der Busch
Mit krausverwirrtem Haar. Zuletzt erhoben
Sich stolze Bäume, wie zum Tanz und streckten
Die Zweig' aus, voller Frücht' und trieben Blüthen.
Mit hohen Wäldern kränzten sich die Berge,
Die Thäler und der Quellen Rand mit Büschen,
Mit Ufersaum der Fluß, so daß die Erde
Dem Himmel ähnlich schien, ein Sitz für Götter,
Wo sie lustwandeln oder gern besuchen
Die heiligen Schatten. Zwar, Gott hatt' auf Erden
Noch nicht geregnet und noch gab's nicht Menschen,
Das Feld zu baun, doch stieg ein thau'ger Nebel
Auf von der Erd' und wässerte den Grund
Und jede Pflanze, die Gott schuf, eh sie
Die Erd' aufnahm, und jedes Kraut, das wuchs
Auf grünem Stiel. Gott sah, es wäre gut;
Abend und Morgen feiern dritten Tag.
Und wieder sprach die Allmacht: »Lichter seien
Hoch an des Himmels Veste, Tag und Nacht
Zu scheiden; mögen sie als Zeichen dienen
Für Jahreszeiten, Tag und Jahresumlauf,
Und laßt sie Lichter sein, wie ich bestimme,
Daß es ihr Amt sei, an des Himmels Veste,
Der Erde Licht zu geben.« So geschah's.
Gott schuf zwei große Lichter, werth dem Menschen
Für den Gebrauch; das größre sollt' am Tage,
Das kleinre herrschen Nachts, abwechselnd. Sterne
Schuf auch und setzt' er an des Himmels Veste,
Die Erde zu erleuchten und den Tag,
So wie die Nacht abwechselnd zu beherrschen,
Und Licht von Finsterniß zu scheiden. Gott,
Sein Werk betrachtend, sah, daß gut es war.
Der Himmelskörper erster ist die Sonne,
Als mächtiger Ball geformt, lichtlos zuerst,
Wenn auch von Aetherstoff; dann Mond und Sterne
Schafft kugelförmig er von jeder Größe,
Womit er, wie ein Feld, besä't den Himmel.
Er nimmt hervor den größern Theil des Lichts
Aus seinem Wolkenschrein und tränkt damit
Den Sonnenball voll Poren, aufzunehmen
Und einzusaugen flüssig Licht, zu wahren
Den Strahlenschatz als großen Lichtpalast.
Hierher gehn, als zur Quelle, andre Sterne,
In ihren goldnen Urnen Licht zu schöpfen;
Hier fassen Gold des Morgensternes Hörner;
Durch Färbung oder Widerschein vergrößern
Sie ihre Kleinheit, wenn vom Menschenblicke
Auch fern nur in Verringerung gesehn.
Erst scheint im Ost die wunderhehre Leuchte,
Des Tags Regentin, rings den Horizont
Mit Lichtstrahl kränzend, freudig zu beginnen
Den hohen Pfad hin an des Himmels Bogen.
Die graue Dämmrung, die Plejaden tanzen
Voraus, hold wirkend; minder hell steht ihr
Der Mond im West genüber, als ihr Spiegel;
Sein voll Antlitz entlehnt von ihr sein Licht,
Da andren Lichtes er in dieser Stellung
Nicht nöthig hat, und hält stets die Entfernung,
Bis Nachts die Reih' an ihm, im Ost zu scheinen,
Sich wendend um des Himmels Ax', und theilt
Die Herrschaft dann mit tausend kleinern Lichtern,
Mit abertausend Sternen, die durchflimmern
Die Hemisphäre. Nun erst krönen schmuckvoll
Mit ihren auf- und untergehnden Lichtern
Abend und Morgen froh den vierten Tag.
Und Gott sprach: »Die Gewässer mögen zeugen
Gewürm, fruchtbar an Laich, lebendige Seelen.
Es sollen Vögel ob der Erde fliegen
Mit offnen Schwingen an des Himmels Veste!«
Und große Wallfische schuf Gott, und Alles,
Was sich lebendig regt und kriecht, in Füll'
Erzeugt nach seiner Art in den Gewässern;
Jedwed beschwingt Geflügel seiner Art;
Sah, daß es gut war und sie segnend, sprach er:
»Seid fruchtbar, mehret euch, und in den Meeren
Und Seen und Strömen füllt die Wasser;
Die Vögel aber mehren sich auf Erden.«
Stracks wimmeln Sund' und Seeen, Bucht und Bai
Von unzählbarer Brut, vom Schwarm der Fische,
Die mit den Flossen und glanzvollen Schuppen
Die grüne Flut durchgleiten, daß ihr Drängen
Die See oft dämmt. Bald einzeln, bald geschaart,
Nährt sich ein Theil von Seegras und durchstreift
Korallenhain' und zeigt, im Schimmer spielend,
Der Sonn' ein schillernd Kleid, besprengt mit Gold.
Bequem in Perlenmuscheln lauern andre
Auf feuchte Kost und suchen eng gepanzert
Sie unterm Fels; Robb' und gekrümmter Delphin
Spielt auf der glatten See; schwerfällig wälzen
Sich andre plumpen Leibs, es rührt ihr Gang
Den Ocean gewaltig auf. Leviathan,
Der Thiere mächtigstes, schläft oder schwimmt,
Als Vorgebirg daliegend, ob der Tiefe,
Und scheint ein lebend Land; mit seinen Kiemen
Schluckt er ein Meer ein, das ausspeit sein Rachen.
Indeß heckt laue Höhl' und Sumpf und Ufer
Zahllose Brut im Ei, das bald aufbrechend
Mit zartem Riß, das federlose Junge
Aus sich entläßt; gefiedert bald und flügge,
Schwingt sichs mit vollen Federn in die Luft,
Und hebt, den Grund verachtend, sich mit Rauschen
Zur Wolk' empor; der Adler und der Storch
Baun dort ihr Nest auf Klippen und auf Cedern.
Ein Theil fliegt frei umher, ein andrer, klüger,
Bricht schaarenweis, zum Keil gereiht, sich Bahn,
Der Jahreszeiten kundig, und setzt weiter
Den luftigen Zug, hoch über Seeen fliegend
Und über Länder, mit den Schwingen wechselnd,
Um auszuruhn. So macht der kluge Kranich,
Vom Wind getragen seine Jahresreise;
Es wogt die Luft von der Gefieder Menge;
Von Zweig zu Zweig erfreut das kleinre Volk
Mit Sang die Hain' und übt die bunten Flügel
Bis spät, und dann noch girrt die Nachtigall
Die ganze Nacht hindurch ihr sanftes Lied.
In Silberseen und Flüssen baden andre
Die Flaumenbrust: der Schwan gebognen Halses,
Sich stolz mit weißen Schwingen deckend, schwimmt
Stattlich mit Ruderfüßen; oft verläßt
Den Teich er und erhebt mit starken Kielen
Sich in die Luft. Auf festem Grund gehn andre:
Der kammgekrönte Hahn, deß Kehl' ausruft
Die stillen Stunden, so wie der, den ziert
Der bunte Schweif mit Regenbogenfarben
Und Sternenaugen. – Als die Wasser so
Von Fischen wimmelten, die Luft von Vögeln:
Lobpries den fünften Tag Abend und Morgen.
Der sechst' und letzte Schöpfungstag erstand
Bei Nacht- und Morgenharfen, als Gott sprach:
»Die Erde bring' hervor Lebendiges,
Vieh, kriechendes Gethier und wilde Thiere,
Nach ihrer Art.« Es öffnete die Erde
Den fruchtbarn Schooß, der jetzt im Nu gebar
Zahllos Lebendiges, vollkommne Formen,
Mit ausgewachsnen Gliedern. Aus dem Boden
Erhob das Wild sich, wie aus seinem Lager,
Im wilden Forst, in Busch, Gesträuch und Höhle.
Paarweise sprang es und erging im Wald sich;
Das zahme Reh auf Feldern und auf Auen,
Die einzeln hier zerstreut,
die dort in Herden
Zugleich auf Weid', erzeugt in großen Schaaren.
Die rasige Scholle wirft, – halb kommt zum Vorschein
Der falbe Löwe, mit den Tatzen scharrend,
Sich hinten zu befrein, springt aus der Haft
Und schüttelt aufrecht die gefleckte Mähne.
Unz', Leopard' und Tiger, gleich dem Maulwurf,
Werfen ob sich die aufgerissne Erde
In Hügeln. Aus dem Grund stößt sein Geweih
Der schnelle Hirsch hervor. Der Behemoth,
Der Thiere plumpstes, hebt kaum aus dem Klumpen
Die Last. Es springen blökend und bewollt
Schafheerden auf, und zwischen Land und Wasser
Schwankt das Flußpferd und schupp'ge Krokodil.
Zugleich hervor kommt, was am Boden kriecht,
Insekt und Wurm;
die schwingen zarte Fächer
Zum Flug und schmücken sich die kleinen Körper
Mit jeder prächtigen Sommertracht, mit Flecken
Von Gold und Purpur, von Azur und Grün.
Die ziehn den langen Leib als Linie hin,
Den Boden mit gewundner Spur bestreifend.
Doch größre gab es auch, von Schlangenart,
An Läng' und Dick' erstaunlich und verknotet
Zum Schlangenknäul mit Flügeln. Erst kroch hin
Die sparsame Ameis, bedacht für's Künftige,
Ein großes Herz in kleinem Leibe bergend,
Vielleicht ein Muster einst gerechter Gleichheit,
Weil zur Gemeinschaft ihre Zünfte sich
Verbinden. Schwärmend zeigte sich zunächst
Die Biene, so die Männchen köstlich nährt,
Aus Wachs die Zellen baut und sie mit Honig
Ausstattet. Zahllos sind die übrigen;
Du kennst sie und gabst ihnen Namen; drum
Schweig ich davon. Auch ist nicht unbekannt
Die Schlange dir, das schlauste Thier des Feldes,
Gewaltiger Größ' oftmals, mit eh'rnen Augen
Und furchtbar zottiger Mähne, die dich doch
Nicht schädigt, sondern deinem Ruf gehorcht. –
Nun strahlt in aller Glorie der Himmel,
Und rollt, wie ihn des Urbewegers Hand
Zuerst gelenkt; vollendet lächelt lieblich
Die Erd' in reichem Schmuck: Luft, Wasser, Erde
Sind reich von Vogel, Fisch und Thier belebt.
Doch blieb vom sechsten Tag noch etwas übrig,
Es fehlte noch das Meisterwerk, der Zweck
Des Ganzen: ein Geschöpf, das nicht gebückt,
Nicht thierisch, wie die andern, nein, begabt
Mit heiliger Vernunft den Leib aufrichte
Und aufrecht, heitrer Stirne, selbstbewußt,
Die andern lenk' und, dadurch groß sich fühlend,
Doch dankbar, mit dem Himmel nun verkehre,
Erkennend, woher all sein Heil ihm stamme;
Dort mit dem Herzen hin, mit Stimm' und Augen
Sich wend' in Frömmigkeit, um anzubeten
Den höchsten Gott, der ihn zum Haupte schuf
All seiner Werke. Deshalb sprach der ew'ge,
Allmächt'ge Vater (denn wo wär' er nicht
Stets gegenwärtig?) hörbar so zum Sohn:
»Laß uns als unser Bild den Menschen schaffen,
Zu unserm Gleichniß; mög' er denn beherrschen
Die Fisch im Meer, die Vögel in der Luft,
Des Feldes Thiere, wie die ganze Erde,
Und das Gewürm, das auf dem Boden kriecht.«
Er sprach's, und schuf dich, Adam, dich, o Mensch,
Dich Staub vom Staub', und blies in deine Nase
Lebendigen Odem; sich zum Bilde schuf er,
Genau zum Bilde Gottes schuf er dich,
So daß du ein lebendiges Wesen wurdest.
Dich schuf er männlich, die Genossin weiblich,
Damit ihr zeugtet, segnet' euch und sprach:
Seid fruchtbar, mehret euch und füllt die Erde;
Macht sie euch unterthan, beherrscht mit Obmacht
Die Fisch im Meer, die Vögel in der Luft
Und all Lebendiges, das sich regt auf Erden.
Wo immer er dich schuf (denn noch kein Ort
War jetzt benannt), von dort, du weißt es ja,
Bracht' er dich her in den kostbaren Hain,
Den Garten, der, bepflanzt mit Gottes Bäumen,
Ergetzlich ist zu schaun wie zu genießen.
Er gab dir frei jedwede Frucht zur Speise,
Und alle sind hier, so die Erde trägt,
Endlos verschieden. Doch den Baum verbot er,
Deß Frucht das Gut' und Böse kennen lehrt;
Du stirbst des Tags, an dem davon du issest:
Tod ist die Strafe, die drauf steht, beacht' es,
Bezähme deine Lust, daß nicht die Sünde
Dich überrasch' und Tod ihr schwarzer Scherge.
Hier endet' er, und Alles, was er machte,
Schaut' er und sah: es war vollkommen gut.
So schloß den sechsten Tag Abend und Morgen.
Doch nicht, bevor der Schöpfer von dem Werk
Ablassend, wenn auch unerschöpft, rückkehrte
Zum Himmel aller Himmel, seiner Wohnung,
Und dort anschaut die neugeschaffne Welt,
Den Zuwachs seines Reiches, wie sich dies
Ausnehm' von seinem Sitz, wie gut, wie schön,
Dem großen Plan gemäß. Er fuhr empor,
Vom Loblied und Zusammenklang begleitet
Von Myriaden Harfen, die ertönten
Von Engels-Harmonien; es tönten's 'wieder
So Erd' als Luft (du weißt, du hörtest es);
Die Himmel und all die Gestirn' erklangen;
An ihrem Ort still lauschten die Planeten,
Als jubelnd aufstieg der glanzvolle Zug.
Sie sangen: »Oeffnet euch, ihr ew'gen Thore;
Ihr Himmel, öffnet die lebendigen Pforten!
Laßt ein den Schöpfer, der vom großen Werk
Zurückkehrt, dem Sechstagwerk, einer Welt!
Hinfort thut oft euch auf, denn Gott wird huldvoll
Gerechter Menschen Wohnung oft voll Freude
Besuchen und in häufigem Verkehr
Zu ihnen die beschwingten Boten senden
Im Auftrag hoher Gnaden!« – Also sang
Der hehre Zug, aufsteigend. Durch den Himmel,
Der weit sein strahlend Thor aufthat, nahm er
Zu Gottes ew'gem Haus den graden Weg,
Den breiten, räumigen Weg, deß Staub ist Gold,
Deß Boden Sterne, wie sie dir erscheinen,
Gesehn in der Milchstraße, jener Straße,
Die nächtlich du erblickst als Gürtelreif,
Bestreut mit Sternen. Nun brach an in Eden
Die siebente der Nächte; denn die Sonne
War unter, und aus Osten ging das Zwielicht
Der Nacht voran – als an dem heiligen Berge
Auf höchster Himmelshöh, dem Herrscherthron
Der Gottheit, welcher ewig fest und sicher,
Des Sohnes Macht ankam und hin sich setzte
Mit seinem Vater, der unsichtbar auch
Mitging, obschon er blieb (solch Vorrecht hat
Allgegenwart) und ordnete das Werk,
Urheber aller Ding' und End', und ruhend
Segnet' und heiligt' er den siebenten
Der Tag', als Tag der Ruh von seinem Werke.
Doch feierte man ihn schweigend nicht; es rührten
Die Harfen sich und ruhten nicht; die Cymbeln
Und feierlichen Flöten, süßen Orgeln,
Die Griff' auf Sehnen oder goldnen Saiten
Erschollen lieblich, untermischt mit Stimmen
In Chören oder einzeln; Wolken Weihrauchs
Aus Goldgefäßen hüllten ein den Berg.
Sie sangen der sechs Tagewerke Schöpfung:
»Jehovah, groß sind deine Werk', unendlich
Ist deine Macht; wer mißt dich, welche Zunge
Nennt dich? Bei deiner jetzigen Rückkunft größer,
Als durch der Riesenengel Sturz.
Den Tag
Verherrlichte dein Donner; doch zu schaffen
Ist größer, als Geschaffnes zu zerstören.
Wer kann dein Walten mindern, mächt'ger König,
Dein Reich beschränken? Leicht hast du vereitelt
Der abgefallnen Geister Hochverrath
Und
hohlen Plan, als ruchlos sie dein Ansehn
Zu schwächen dachten und dir eine Menge
Der Diener zu entziehn. Wer zu verkleinern
Dich sucht, der hilft nur, wider seinen Willen,
Daß mehr kund werde deine Macht; sein Böses
Benutzest du, mehr Gutes draus zu schaffen.
Zeug' ist die neue Welt, ein neuer Himmel,
Nicht weit vom Himmelsthor zu schaun, gegründet
Auf das durchsichtig helle, glas'ge Meer;
An Umfang fast unendlich, mit unzähl'gen
Gestirnen, jeder Stern wohl eine Welt,
Bestimmt, darauf zu wohnen. Ihre Zeiten
Kennst du. Darunter ist der Sitz der Menschen,
Die Erd', umflossen von dem Ocean,
Ihr Glückeswohnplatz. Dreimal sel'ge Menschen;
Und Menschenkinder, die Gott so gewürdigt,
Nach seinem Bild geschaffen, dort zu wohnen
Und ihm zu dienen, und zum Lohn zu herrschen
Ob dem Geschaffnen, Erd' und Meer und Luft,
Und sich zu mehren, ein Geschlecht von heil'gen
Gerechten Gottesdienern: dreimal selig –
Erkennen sie ihr Glück, getreu verharrend!«
So sangen sie; das Empyreum tönte
Von Hallelujas. So hielt man den Sabbath.
Dein Wunsch ist nun erfüllt, da du gefragt:
Wie diese Welt der Dinge Sein begann,
Was vor der Zeit, der du gedenkst, geschehen
Von Anbeginn, daß die Nachkommen einst
Durch dich es wüßten; – wünschest sonst du etwas,
Was Menschensinn erfassen kann, so rede!«