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Fünfter Gesang.

Mit Rosenschritten nahte jetzt im Osten
Der Morgen, auf die Erde Perlen streuend,
Als Adam, wie gewohnt, erwacht. Sein Schlaf
War luftig leicht, durch rein Verdaun der Kost
Und mild gemischtes Blut; schon das Geräusch
Des Laubs, der Bäche Dunst, Aurorens Fächer,
Zerstreut ihn leicht, sowie der Morgensang
Der Vögel in den Zweigen. Um so mehr
Erstaunt er, Eva noch im Schlaf zu finden,
Unordentlich das Haar, die Wangen Glut,
Wie von rastloser Ruh. Er, nach der Seite
Halb aufgerichtet, neigt mit Liebesblicken
Entzückt sich über sie, die Schönheit schauend,
Die, mochte sie nun Wachen oder schlafen,
Besondre Reize strahlt. Mit sanfter Stimme
Sodann, wie wenn der Zephyr Floren küßt,
Berührt die Hand er sanft und flüstert so:
Erwach', o schöne Gattin, jüngst Geschenk
Des Himmels, beste Gift, stets neu Entzücken,
Erwach': der Morgen strahlt, das frische Feld
Ruft uns; die schönste Zeit entflieht, das Sprossen
Zu sehn der Pflanzen, des Zitronwalds Blühen,
Wie träuft die Myrrh' und wie das Balsamrohr,
Wie die Natur sich färbt und wie die Biene,
Auf Blumen sitzend, süße Säfte saugt.«

So weckt er flüsternd sie, doch blickt ihr Auge
Auf Adam starr, dann spricht sie, ihn umarmend:

»Du, der allein mein ganzes Sehnen stillt,
Der mich erhebt, vervollkommnet, ich sehe
Dein Antlitz und den Morgen froh; denn in der Nacht
(Wie deren ich noch nie verbrachte) träumt' ich,
Wenn's Traum war, nicht, wie's oft geschieht, von dir,
Von vor'gen Tags und dieses Morgens Arbeit,
Nein, von Vergehn und Unruh, die mein Herz nicht
Vor dieser schlimmen Nacht gekannt. Mich dünkte,
Mir flüstert' Einer zu mit sanfter Stimme,
Die dein ich glaubte, fortzugehn. Sie sagte:
»Was schläfst du, Ev'; itzt ist die süße Zeit,
Kühl, schweigend, außer wenn die Stille weicht
Der Sängerin der Nacht, die jetzo wachsam
Die süßsten Liebessänge schwirrt; nun herrscht
Der volle Mond, der mit erfreu'nderm Licht
Der Dinge Schattenbilder zeigt – vergebens,
Wenn's Niemand sieht; des Himmels Augen wachen
Nur dich zu sehn, dich, der Natur Verlangen,
An der sich Alles werdet, zum Entzücken
Gelockt, um deine Schönheit stets zu schauen.« –
Aufstand ich, als du riefst, doch fand dich nicht;
Drauf wandt' ich meinen Schritt, um dich zu suchen.
Und ging, schien mir's, einsam auf Wegen fort,
Die mich auf einmal zu dem Baume führten
Der untersagten Kenntniß. Schön erschien er,
Weit schöner, wie mir däuchte, denn bei Tage.
Und wie ich staunend blickte, stand daneben
Ein Wesen, gleich des Himmels Flügelboten,
Die oft wir sehn; die thau'gen Locken träuften
Ambrosia. Er auch schaut' an den Baum,
Und sprach: »O schön Gewächs, mit Frucht belastet:
Erleichtert Niemand dich, die Süße kostend,
Nicht Gott, nicht Mensch? wird Kenntniß so mißachtet?
Verbietet Neid und sonst was den Genuß?
Wehr's, wer da will, nicht länger will ich missen
Dein dargeboten Gut, wozu sonst hier?« –
Er sprach's und pflückt' alsbald mit kühner Hand
Und kostete. Vor kaltem Schauder starrt' ich
Bei solch verwegnem Wort, so rascher That.
Doch er rief jubelnd: »Göttlich schöne Frucht,
Süß an dir selbst, doch süßer so gebrochen;
Verboten hier, so scheint's, als einzig Göttern
Bestimmt, weil Menschen Göttern gleich sie macht.
Warum nicht Götter Menschen? da das Gute,
Mehr mitgetheilt, sich desto mehr vergrößert,
Den Geber nicht verkürzt, nur mehr ihn ehrt?
Hier, engelschöne Eva, selig Wesen,
Nimm auch davon; bist du schon glücklich jetzt,
Kannst du noch sel'ger werden, werther nicht.
Dies kost' und zähl' hinfort dich zu den Göttern,
Selbst Göttin, auf die Erde nicht beschränkt,
Nein, in die Luft bald steigend, uns gleich, bald
Zum Himmel auf durch dein Verdienst, zu sehen,
Wie Götter leben, und so lebe du.« –
So sprechend, naht' er mir und hielt sogar
Mir vor den Mund ein Stück derselben Frucht,
Die er gepflückt; der würzige Geruch
Erregte so die Lust mir, daß durchaus
Ich kosten mußt'. Urplötzlich flog mit ihm
Ich zu den Wolken auf und sah tief unten
Die Erd' unendlich ausgedehnt, ein Anblick,
So groß und mannichfaltig, ob des Fluges
Zu solcher Höh mich wundernd. Plötzlich war
Mein Führer fort, und ich, so schien's, sank nieder
Und fiel in Schlaf. Doch, o wie froh erwacht' ich,
Zu finden, daß dies Traum!« – So von der Nacht
Sprach Eva; so versetzt' ihr Adam traurig:

»Mein bestes Ebenbild und werthre Hälfte:
Die Unruh deiner Seel' in dieser Nacht
Befängt auch mich; der wilde Traum, ich fürchte,
Von bösem Ursprung, will mir nicht gefallen.
Woher das Bös'? In dir kann keines wohnen,
Du rein Geschöpf. Doch wiss', es hegt die Seele
Geringrer Kräfte viel, die der Vernunft,
Dem Haupte dienen; unter diesen übt
Die Einbildung ihr Amt. Aus allem Aeußern,
Was uns darbieten die fünf wachen Sinne,
Schafft sie Vorstellungen und luft'ge Bilder,
So die Vernunft vereint und trennt und draus
Das schafft, was wir bejahen und verneinen,
Und Kenntniß, Meinung nennen. Sich zurück
Ins Innre ziehend, ruhet die Natur.
In ihrem Absein wacht oft Phantasie
Und ahmt ihr nach; doch Bilder wirr verbindend,
Schafft sie ein wildes Werk, zumeist in Träumen,
So Wort als That von einst und jüngst vermengend.
So find' ich Aehnlichkeit mit unserm letzten
Abendgespräch, dünkt mich, in diesem Traum,
Vermehrt mit Seltsamem: doch sei nicht traurig.
Das Böse kommt in Gottes und des Menschen
Gemüth und geht; es bleibt, wenn ungebilligt,
Nicht Fleck, noch Vorwurf; was mir Hoffnung giebt,
Daß, was im Schlaf als Traum dich schon erschreckte,
Du wachend zu begehn nie will'gen wirst.
Drum sei nicht muthlos, nicht den Blick bewölke,
Der freud'ger sonst und heitrer pflegt zu sein,
Als wenn der Welt der frühe Morgen lächelt.
Und laß uns frisch an unsre Arbeit gehn
Im Hain, am Quell und bei den Blumen,
Die ihres Busens schönsten Duft ausströmen,
Der Nacht verschließend, doch für dich ihn wahrend.«

So flößt' er Trost der schönen Gattin ein;
Doch eine sanfte Thräne gleitet still ihr
Aus jedem Aug', die mit dem Haar sie trocknet;
Zwei andre köstliche, die stehen blieben,
Eh den krystallnen Schleußen sie entfielen,
Küßt er hinweg, als Zeichen süßer Reue
Und frommer Scheu, die Fehltritts halb besorgt ist.

So nun erheitert, eilen sie in's Feld.
Doch erst, als unterm schatt'gen Laubendach
Hervor sie kamen zu dem freien Anblick
Des Taglichts, da die kaum erstandne Sonne,
Mit ihrer Scheib' am Meeressaum noch zitternd,
Den thau'gen Strahl wagrecht zur Erde sandte,
In weitem Kreis des Paradieses Osten
Und Edens sel'ge Fluren ganz enthüllend:
Beugten sie sich ehrfürchtig im Gebet,
Das sie getreu darbrachten jeden Morgen
In neuer Weise; denn nicht neue Weise,
Noch heil'ge Inbrunst fehlt', um lobzupreisen
Den Schöpfer, würdig in Gesang und Worten,
Unvorbedacht; es floß von ihren Lippen
Solche Beredsamkeit in Pros' und Verse,
So tonvoll, daß es Laute nicht noch Harfe,
Sie zu erhöhn bedurft', und sie begannen:

»Dies ist dein hohes Werk, des Guten Vater;
Allmächt'ger, dein ist dieses Weltalls Bau,
So wunderbar! Wie wunderbar erst du!
Unnennbarer, du, thronend ob den Himmeln,
Uns Unsichtbarer, oder blöd' erblickt
In deinen kleinsten Werken; dennoch zeigen
Sie deine hohe Güt' und Gottesmacht.
Sprecht ihr, die ihr's vermögt, des Lichtes Söhne,
Ihr Engel, denn ihr schaut ihn, und mit Hymnen
Und Symphonien, in Tagen ohne Nacht,
Umkreist ihr jubelnd seinen Thron. Erhebt ihn,
Ihr Wesen all im Himmel und auf Erden,
Zuerst, zuletzt, zumittelst und ohn' Ende.
Schönster der Stern', im Zug der Nacht der letzte,
Wenn mehr du nicht der Dämmrung angehörst.
Des Tages sichres Pfand, der du den Morgen
So hell bekrönst, preis' ihn in deiner Sphäre
Beim Taganbruch, der süßen Frühestunde,
Du, Seel' und Aug' der großen Welt, o Sonne;
Erkenn' ihn als den Herrn, tön' aus sein Lob
In deinem ew'gen Lauf, sobald du aufsteigst,
Wenn du im Mittag stehst und wenn du sinkest.
Mond, der jetzt naht der Frühsonn', jetzt sie flieht,
Ihr Sterne, fest im Kreise, der sich dreht,
Und ihr fünf Wandelsterne, die ihr kreiset
In mystischem Tanz, nicht ohne Klang, tönt aus
Das Lob deß, welcher Licht aus Dunkel rief.
Luft und ihr Elemente, der Natur
Aeltste Geburt, die ihr in ew'gem Zirkel
In Vierzahl kreist, vielförmig, und euch mischt
Und Alles nährt: setzt euren steten Wechsel
Allewig fort zum Preis des großen Schöpfers.
Ihr Dünst' und Nebel, die ihr aufsteigt jetzt
Von Hügeln oder Seen, fahl und grau,
Bis euren Flockensaum die Sonn' erleuchtet:
Erhebt zu Ehren euch des Weltenschöpfers,
Sei's nun als Wolkenzier des leeren Himmels,
Sei's, daß die durst'ge Erd' ihr tränkt mit Regen –
Steigend und fallend mehret stets sein Lob.
Weht leis und laut sein Lob aus den vier Enden
Der Welt ihr Wind', und wogt's ihr Fichtenwipfel
Und jede Pflanz', als Zeichen der Verehrung.
Ihr Quellen, die melodischen Gemurmels
Dahin ihr wirbelt, wirbelnd tönt sein Lob.
Stimm' Alles ein, was Leben hat; ihr Vögel,
Die singend ihr aufsteigt zum Himmelsthor,
In eurem Lied sein Lob auf Schwingen traget;
Die ihr in Wassern gleitet, die die Erd' ihr
Stattlich beschreitet oder niedrig kriecht:
Bezeugt, ob früh und spät ich's je dem Thale,
Der Höh, dem Quell und frischen Hain verschweige,
Dem ich mit lautem Sang gelehrt das Lob.
Heil dir, des Weltalls Herr! sei stets uns gnädig;
Verleih uns Gutes nur; und wenn die Nacht
Böses bereitet, oder es verbarg,
Verscheuch's, wie jetzt das Licht das Dunkel scheuchet.«

So flehten schuldlos sie, und ihrer Seele
Kam Fried' alsbald und die gewohnte Ruh.
Sie eilen an ihr ländlich Morgenwerk
Durch süßen Thau und Blumen, wo zu weit
Die Reih'n der Fruchtbäum' ihre Zweig' ausstreckten,
Zu holz- und fruchtreich, und zu hindern noththat
Fruchtlos Befruchten; ließen hier die Rebe
Sich mit dem Ulmbaum gatten; die vermählte
Schlingt ihre Arm' um ihn und bringt als Mitgift
Ihm Trauben zu, die fremd ihm, um zu zieren
Sein fruchtlos Laub. Also beschäftigt sah sie
Des Himmels König mitleidsvoll und rief
Raphaël zu sich, der gern verkehrt mit Menschen,
Mit dem Tobias zog und Schutz gewährte
Der Ehe mit der siebenmal Vermählten.

»Raphaël«, sprach er, »du hörest, was für Unruh
Satan, der Hölle durch den düstern Schlund entronnen,
Im Paradies erregt', und wie er störte
Zu Nacht das Menschenpaar, wie er das ganze
Menschengeschlecht mit Eins verderben will.
Geh denn und sprich den halben Tag mit Adam,
Wie Freund zum Freund', ob Laub' er oder Hain
Zur Zuflucht wählte vor der Mittagshitze,
Um durch ein Mahl vom Tagwerk und durch Ruh
Sich zu erholen. Führ' ein solch Gespräch,
Das ihn belehrt von seinem Glückesstande,
Ein Glück, das frei in seinem Willen steht,
Im eignen Willen, welcher frei zwar ist,
Doch wandelbar; drum warn' ihn, nicht zu sicher
Sich ihm zu überlassen; sag ihm auch
Von der Gefahr, von wem und welch ein Feind,
Vom Himmel selbst gestürzt, den Plan jetzt schmiedet,
Andre vom gleichen Segensstand zu stürzen;
Nicht durch Gewalt, denn die wird abgewehrt,
Jedoch durch Lug und Trug. Dies laß ihm wissen,
Damit er, ungewarnt, nicht Ueberraschung
Vorgebe, wenn er willentlich nun fehlt.«

So sprach der ew'ge Vater und erzeigte
Sich ganz gerecht. Der Engel säumte nicht,
Den Auftrag zu vollziehn; er schwang sich mitten
Aus tausend Seraphim, die um ihn waren,
Verhüllt von prächt'gen Fitt'gen, leicht empor,
Und durch den Himmel flog er; Engelchöre,
Sich trennend, gaben seiner Eile Raum
Hin auf des Empyreums Pfad, bis er am Thore
Des Himmels ankam, das sich selbst weit öffnet'
Auf goldnen Angeln, denn ein göttlich Werk
War's, das der oberste Baumeister schuf.
Von hieraus hinderte nicht Stern noch Wolke
Den Blick ihm, denn er sieht, wie klein auch immer.
Den andern hellen Kugeln gleich, die Erde
Und Gottes Garten mit dem Zedernkranze
Ob allen Höh'n: wie wenn, weit minder sicher,
Bei Nachtzeit Galilei durch sein Glas
Vermeinte Gegenden im Mond erschaut;
Wie der Pilot, der zwischen den Cykladen
Zuerst erkennet Delos oder Samos
Als wolk'gen Fleck. Dorthin in jähem Flug
Eilt er, und steuert zwischen vielen Welten
Mit sichrer Schwinge durch den weiten Aether;
Jetzt auf dem Polwind, dann mit frischem Wehen
Gewinnt die günst'ge Luft'er, bis im Zuge
Des Adlerschwungs er allen Vögeln scheint
Ein Phönix, angestaunt als einz'ger Vogel,
Der, will er seine Asch' im Sonnentempel
Bestatten, nach Aegyptens Theben fliegt.
Mit einmal läßt er an des Paradieses
Ostrand sich nieder in der eignen Bildung –
Ein Seraph mit sechs Flügeln, die beschatten
Die göttliche Gestalt; zwei, die bekleiden
Die breiten Schultern und die Brust bedecken
Als königliche Zier; das Mittelpaar
Umschließt als Sternengürtel seinen Leib
Und säumt mit flaum'gem Gold und Himmelsfarben
So Hüft' als Lend'; ein drittes Paar beschattet
Die Fersen bis zum Knie mit Federpanzer
Von Azurblau. Wie Maja's Sohn erschien er
Und regte sein Gefieder, Himmelsduft
Weitum verbreitend. Stracks erkannten ihn
Der Engelwache Schaaren und erhoben
Ob seines Rangs sich und der hohen Sendung,
Denn solchen Dienstes hielten sie ihn pflichtig.
Er eilt durch ihre Lichtgezelt' und kommt nun
Ins selige Gefild durch Myrrhen-Haine
Und Blüthenduft von Cassia, Nard' und Balsam,
Der Wohlgerüche Wildniß; denn hier spendet
Natur in erster Kraft und spielt beliebig
In Jugendphantasie, erschließt sich süßer,
Verschmähend Kunst und Maß: unendlich Glück! –
Durch den Gewürzhain sieht ihn Adam kommen,
Da in der Thür der kühlen Laub' er saß,
Weil die schon hoch gestiegne Sonne jetzt
Die heißen Strahlen senkrecht schoß, der Erd'
Innres zu wärmen, mehr als Adam nöthig;
Und Eva drin bereitet rechter Zeit
Ein Mahl schmackhafter Frücht', um wahren Hunger
Damit zu stillen, und den Durst dazwischen
Durch einen Nektar-Trank aus Milch, aus Beeren,
So wie aus Trauben. Ihr rief Adam zu:

»Hierher eil', Eva! sieh, werth deines Schauens,
Welch hehr Geschöpf im Osten jener Bäume
Auf uns zukommt; es scheint, ein neuer Morgen
Geht auf am Mittag. Große Botschaft bringt es
Vielleicht vom Himmel uns und wird einwill'gen,
Heut unser Gast zu sein. Drum eil' und bringe
Herbei, was dein Vorrath enthält, und spende
Im Ueberfluß zum würdigen Empfange
Des Himmelsgasts; wohl mögen wir gewähren
Den Gebern ihre Gaben, reich verleihen
Vom reich Verliehnen, wo Natur vervielfacht
Die Fruchtbarkeit und durch Entlasten nur
Fruchtbarer wird; dies lehrt uns, nicht zu kargen.«

Drauf Eva: »Adam, heil'ges Erdgebilde,
Von Gott beseelt: geringer Vorrath gnügt,
Wo stets, reif zum Genuß, er hängt am Zweige;
Nur das bewahr' ich, deß Vollsaftigkeit
Dadurch eintrocknet, fest und nährend wird.
Doch eil' ich, von jedwedem Zweig und Strauch,
Jedweder Pflanz' und saft'gen Frucht, das Beste
Dem Gast zum Mahl zu pflücken, daß, dies sehend,
Er soll gestehn, Gott hab' auch unsrer Erde
Die Gaben, wie dem Himmel, reich verliehn.«

So sprechend, kehrt sie, mit geschäft'gen Blicken,
In Eil' zurück, auf Gastlichkeit bedacht,
Wie sie Schmackhaftestes auswählen möge.
In welcher Folg' und so, daß nicht sich mischen
Geschmäcke, die nicht passen, sondern so,
Daß einer durch den Wechsel hebt den andern;
Dann geht sie, und von jedem zarten Stiele
Bricht sie, was die Allzeug'rin Erde spendet
In Ost- und in Westindien, an der Küste
Des Pontus, an dem punischen Strand und wo
Alcinous herrscht, von allen Arten Früchte,
In rauher Rind' und glatter, bärt'ger Hüls'
Und Schale, reiche Steuer, und den Tisch
Beschwert freigebig sie und drückt zum Trank
Der Traub' unschuld'gen Most aus und zum Meth
Gar manche Beer'; gepreßt aus süßen Kernen
Macht süßen Rahm sie, und ihn aufzunehmen
Fehlt rein Gefäß nicht; dann bestreut den Grund
Mit Rosen und Gedüft sie frischer Kräuter.

Indeß geht unser erster Ahn entgegen
Dem Himmelsgast, ohn' anderes Geleite,
Als seine eigenen Vollkommenheiten;
Er selbst sein ganzer Staat, wohl feierlicher
Als jener läst'ge Pomp, der Fürsten folgt,
Wenn reichgeschmückte Ross' in langem Zug
Und Dienerschaft von goldnem Prunke strotzend
Die Menge blenden und sie gaffen macht.
Nun nähert' Adam sich, wenn auch nicht furchtsam,
Doch mit demüth'gem Schritt und sanfter Ehrfurcht,
Als einem höhern Wesen tief sich neigend,
Und sprach: »O Himmelssohn, denn welcher Ort
Enthält so hehre Bildung als der Himmel?
Da durch dein Kommen von den Thronen droben
Du eine Weil' aufgiebst die sel'gen Räume,
Und Ehre diesen leihst, laß dich herab,
Bei uns, die wir durch höchste Gunst besitzen
Dies weite Land, in jener schatt'gen Laube
Zu ruhn, und was der Garten Bestes trägt,
Zu kosten, bis sich diese Mittagshitze
Gelegt und, minder heiß, die Sonne neigt.«

Hierauf erwiedert mild die Engeltugend:
»Adam, ich kam deshalb, weil du nicht so
Geschaffen bist, noch solchen Ort bewohnst,
Der Himmelsgeister nicht einladen sollte,
Dich zu besuchen. Führ' mich denn zur Laube;
Denn diese Mittagsstunden bis zum Abend
Gehören mir.« – Sie gingen zu dem Laubdach,
Das gleich Pomona's Baume lächelte,
Verschönt durch Duft der Blumen. Aber Eva,
Nur durch sich selbst geschmückt, mehr lieblich schön
Als eine Waldnymph', als die schönste Göttin
Der drei, die nackend auf dem Ida stritten –
Stand, um dem Gast zu dienen. Keines Schleiers
Bedarf die Tugendhafte; kein unlautrer
Gedanke färbt die Wang'. Ihr bot der Engel
»Heil«, jenen heiligen Gruß, der dann Marien
Als zweite Ev', als Seligste begrüßte.

»Heil dir, der Menschenmutter, deren Schoß
Einst mehr die Welt mit ihren Kindern füllt,
Als hier die Bäume Gottes mit den Früchten
Den Tisch belasten.« – Dieser war erhöht
Aus Rasen, moos'ge Sitze rings um ihn;
Sein großes Viereck trug von Rand zu Rand
Den ganzen Herbst, wenn Lenz und Herbst auch hier
Den Reigen tanzten. Anfangs sprachen sie,
Nicht fürchtend, daß das Mahl erkält', als Adam
Begann: »Beliebe, Himmelsgast, zu kosten,
Was Er, der uns ernährt, von welchem alles
Vollkommne Gute ungemessen kommt,
Zu Speis' und Lust die Erd' uns bringen hieß.
Vielleicht ist solche Nahrung unschmackhaft
Den geist'gen Wesen; dies allein nur weiß ich.
Daß Ein himmlischer Vater Allen giebt.«

Der Engel drauf: »Drum kann, was Er, der stets
Gepriesen sei, dem Menschen, der zum Theil
Auch Geist ist, giebt, den reinen Geistern nie
Schmacklose Kost sein. Kost auch brauchen diese
Rein geistigen Naturen, wie sie eure
Vernunftbegabte heischt; denn beide hegen
In sich jedwede niedre Sinnenkraft,
Wodurch sie hören, sehen, riechen, fühlen
Und schmecken und verdaun und einverleiben,
Und Körperstoff in Geistiges verwandeln.
Denn wisse, all Geschaffenes bedarf
Der Nahrung und Erhaltung; jeder gröbre
Urstoff den feinern; Erde nährt das Meer,
So Erd' und Meer die Luft, die Luft die Feuer
Des Aethers und als niedrigstes den Mond:
Die Flecken in dem Vollgesicht sind trübes
Gedünst, noch in sein Wesen nicht verwandelt.
So haucht der Mond auch wieder höhern Globen
Von seinem feuchten Festland Nahrung zu.
Die Sonne, die an alle Licht vertheilt,
Empfängt von allen nahrhafte Vergeltung
In feuchtem Dunst und hält die Abendkost
Im Ocean. Im Himmel tragen zwar
Die Lebensbäum' Ambrosiafrucht, und Reben
Gewähren Nektar; jeden Morgen sammeln
Wir von den Zweigen Honigthau und finden
Den Grund bedeckt mit Perlen. Doch hier beut
So vielfach Gottes Güte neue Wonne,
Daß sie dem Himmel gleich kommt. Denke nicht,
Daß ich zu kosten ansteh.« – Also setzten
Sie sich und aßen, und der Engel, nicht
Zum Schein nur, noch im Nebel, wie Gelehrte
Vermeinen, sondern mit der Essenslust
Wahrhaften Hungers und umbildender
Verdauungskraft. Das Uebrige verdunstet
Bei Geistern leicht. Kein Wunder, wenn am Feuer
Der ruß'gen Kohl' ein kund'ger Alchymist
Verwandelt – oder dies für möglich hält –
Das schlackenvollste Erz in echtes Gold,
Wie aus dem Schacht. – Derweilen wartet Eva
Auf ohne Hüll' und krönt die vollen Schalen
Mit lieblichem Getränk. O Unschuld, werth
Des Paradieses! wenn jemals, dann hier,
Hier war's verzeihlich, wenn die Söhne Gottes
In Lieb' entbrannten. Doch in ihren Herzen
Gab's keine Sinnenlust und unbekannt
War Eifersucht, verschmähter Liebe Hölle.

So, als von Speis' und Trank sie satt nun waren,
Nicht überladen, kam jetzt Adam flugs
Der Einfall, die Gelegenheit zu nutzen,
Die der Besuch ihm bot, von Dingen jenseit
Der Erde zu erfahren und den Wesen
Im Himmel, die an Trefflichkeit so sehr
Ihn überragten, deren Glanzgestalt,
Göttlicher Ausfluß, deren Macht so weit
Die menschliche zurückließ, und bedacht
Wandt' er sich an den Himmelsboten also:

»Der du bei Gott wohnst: ich erkenne wohl
Die Ehrengunst, die du erzeigst dem Menschen,
In dessen niedre Hütte du zu treten
Gewürdigt, und zu kosten von den Früchten,
Nicht Engelnahrung, doch so angenommen,
Als hättest du am Himmelsmahl nicht lieber
Theilnehmen können, doch – wie ganz verschieden!«

Drauf der beschwingte Engelfürst erwiedert:
»O Adam, ein Allmächt'ger ist's, von welchem
Jedwedes ausgeht und zu dem's zurückkehrt,
Wich es vom Guten nicht. Vollkommen ist
Alles geschaffen, eines Urstoffs Alles,
Verschiedenfach geformt, verschiednen Grades
Im Wesen, wie im Leben bei Lebend'gem;
Doch mehr geläutert, geistiger und reiner,
Je näher ihm es steht und näher strebt,
In der ihm angewiesnen Wirkungssphäre,
Bis Körper sich zu Geist verfeint in Schranken,
Gemäß der Art. So schießt der grüne Stengel
Grün aus der Wurzel, luftiger aus ihm
Das Blatt; der Glanz vollkommner Blüthe athmet
Gewürz'gen Geist. So steigern Blüth' und Frucht,
Des Menschen Nahrung, nach und nach geläutert,
Zu Lebensgeistern sich, zu thierischen
Und zu verständ'gen, schaffen Leben, Sinn,
Verstand und Phantasie, woraus die Seele
Vernunft empfängt, worin ihr Wesen liegt,
Theils folgernd, schauend theils. Das Schließen ist
Meist eure Art, das Anschaun meist die unsre;
Verschieden nur im Grad, im Wesen Eines.
Staun' also nicht, wenn ich, was Gott euch dienlich
Fand, nicht verschmähe, nein, gleich euch, verwandle
Ins eigne Wesen. Kommen kann die Zeit,
Da Menschen mit den Engeln Speise theilen
Und nicht unpassend, noch zu leicht sie finden.
Durch diese körperliche Nahrung können
Die Leiber endlich wohl ganz geistig werden.
Geläutert durch die Zeit, beschwingt wie wir
Zum Aethersteigen und nach Willkür Weilen
Hier oder in des Himmels Paradiesen,
Wenn ihr gehorsam seid und treulich haltet,
Ganz unabwendlich, an der Liebe dessen,
Von dem ihr stammt. Indeß genießt in Fülle
Des Glückes, welches dieser sel'ge Zustand
In sich enthält, der mehr nicht fassen kann.«

Hierauf versetzt der Menschheit Patriarch:
»O güt'ger Engel, uns geneigter Gast:
Den Pfad hast du gezeigt, den unsre Kenntniß
Verfolgen kann, die Leiter der Natur,
Gesetzt vom Centrum nach dem Umfang, draus
Wir in Betrachtung des Geschaffnen schrittweis
Zu Gott aufsteigen können. Aber sage:
Was meint die Warnung denn: Wenn ihr gehorsam
Verbleibt? Wie können je wir ungehorsam
Sein, oder von der Liebe dessen lassen,
Der uns aus Staub schuf und hierher gesetzt
In's höchste Maß von Allem, was der Mensch
Glücksel'ges suchen oder fassen kann?«

Der Engel drauf: »Sohn Himmels und der Erde,
Merk: daß du glücklich bist, verdankst du Gott;
Daß du es bleibst, sollst du dir selbst verdanken,
Deinem Gehorsam nämlich; drin verharre.
Dies war die Warnung, folge meinem Rath.
Vollkommen schuf dich Gott, doch wandelbar:
Er schuf dich gut; doch daß du drin verharrest,
Legt' er in deine Macht; er ließ dir frei
Den Willen, nicht durch unvermeidliches
Geschick beherrscht, durch strenge Nöthigung.
Er fordert den freiwilligen Gehorsam,
Erzwungnen nicht; ein solcher findet nicht
Bei ihm Annahm', und kann's nicht; denn wie läßt
Ein unfrei Herz sich prüfen, ob es willig
Dient oder nicht? dies will nur, was es muß
Durch Schicksalszwang und hat nicht andre Wahl.
Ich selbst und all die Engel, welche stehen
Vor Gottes Thron, bewahren unsern Zustand
Des Glücks, wie ihr, so lang wir Treue halten.
Auf andre Bürgschaft nicht. Wir dienen frei,
Weil frei wir lieben, da bei uns es steht,
Zu lieben oder nicht: dies hält und stürzt uns.
Durch Ungehorsam fielen welch', und darum
Vom Himmel in die tiefste Höll'. O Fall
Von höchster Seligkeit zu welcher Pein!«

Drauf unser großer Ahnherr: »Deine Worte
Hab' ich aufmerksam und mit mehr Entzücken
Gehört, erhabner Lehrer, als wenn Nachts
Von nahen Hügeln Cherubim Gesänge
Himmlischen Lauts hersandten. Ja, wohl weiß ich,
Daß That und Wille frei geschaffen sind;
Doch daß den Schöpfer wir zu lieben nie
Vergessen, ihm, deß einziges Gebot
So billig ist, gehorchen sollen, war
Stets mein Gedank' und bleibt's. Doch, was im Himmel,
Wie du erwähnst, geschah, erregt mir Zweifel;
Noch mehr den Wunsch, zu hören, wenn du beistimmst,
Den vollen Hergang: seltsam muß er sein,
Und werth, in heil'ger Still' ihn zu vernehmen.
Wir haben lang noch Tag; kaum hat die Sonne
Vollendet halb den Weg, und kaum beginnt sie
Die andre Hälft' im großen Himmelsgürtel.«

So Adams Bitt', und Raphaël begann
Nach einigem Verzug beistimmend also:

»Du sinnst mir Hohes an, Erster der Menschen,
Ein traur'ges, schweres Werk. Denn wie bericht' ich
Menschlichem Sinn die unsichtbaren Thaten
Kriegender Geister? wie denn ohne Trauer
Den Sturz so vieler einst Vortrefflichen,
Vollkommnen vor dem Fall? wie endlich theil' ich
Der andern Welt Geheimes mit, vielleicht
Enthüllt mit Unrecht? Doch zu deinem Besten
Ist dies erlaubt, und was des Menschen Einsicht
Nicht fassen kann, das werd' ich so bezeichnen,
Mit Körperlichem Geistiges vergleichend,
Wie bestens klar dir's wird, als wenn die Erde
Des Himmels Schatten war', und drin die Dinge
Einander gleich, mehr als man hier es denkt.

Als noch die Welt nicht war und Chaos herrschte,
Wo jetzt die Himmel rollen und die Erde
Auf ihrem Centrum ruht; als eines Tages
(Denn Zeit, bezogen auf Bewegung, mißt
Auch in der Ewigkeit was Dauer hat
Nach Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft,
Wie sie des Himmels großes Jahr erzeugt)
Der Engel himmlisch Heer auf höchsten Ruf
Zahllos vorm Throne des Allmächtigen
Von allen Himmelsenden her erschien
In leichten Reihen unter ihren Fürsten:
Erhoben tausendmal zehntausend Fahnen,
Standarten, Banner, zwischen Vor- und Nachhut,
Sich wehend in die Luft und unterschieden
Die Hierarchien, Ordnungen und Grade;
Auch tragen sie, dem Prachtstoff eingestickt,
Eifriger Liebesthaten heil'ge Bilder
Ruhmvollen Angedenkens. Als in Kreisen
Von ungeheurem Umfang so sie standen,
Je Kreis im Kreise, sprach der ew'ge Vater,
An dessen Brust der Sohn voll Wonne lag,
Wie mittenher von einem Feuerberge,
Deß Gipfel unsichtbar vor Glanz ward, so:

»Hört all ihr Engel, Sprößlinge des Lichtes,
Ihr Thronen, Herrscher, Fürsten, Kräfte, Mächte,
Was ich unwiderruflich fest beschlossen.
Heut hab' erzeugt ich, den als meinen einz'gen
Sohn ich erklär'; auf diesem heil'gen Hügel
Hab' ich gesalbt ihn, den ihr jetzo schaut
Zu meiner Rechten: er sei euer Haupt –
Und schwur bei mir, daß alle Knie im Himmel
Ihm beugen sich und Herrn ihn nennen sollen.
Bleibt unter seiner Stellvertreterherrschaft
Vereint als Eine ungetrennte Seele,
Für ewig glücklich. Wer ihm ungehorsam,
Ist mir es, bricht die Einheit, und des Tages
Stürzt er, von Gott und sel'gem Schaun verbannt,
In tiefste Nacht des Abgrunds, ihm bestimmt
Zum Wohnplatz, ohn' Erlösung, sonder Ende!«

So sprach die Allmacht, und ob seiner Worte
Schienen sie All' entzückt; nicht waren's Alle.
Den Tag verbrachten sie, wie jeden Festtag,
Mit Sang und Tänzen um den heil'gen Berg,
Mit myst'schen Tänzen, welche dem Planeten-
Und Fixstern-Sphärentanz in ihrem Kreisen
Am nächsten kamen, Windungen, verwickelt,
Excentrisch sich durchschlingend, und am meisten
Geregelt dann, wenn sie's am mindsten schienen.
Und der harmonisch göttlichen Bewegung
Entströmt so süßer Wohllaut, daß Gott selbst
Lauscht mit Entzücken. – Als der Abend nahte
(Denn wir auch haben Abend, so wie Morgen,
Zur Lust des Wechsels nur, nicht aus Bedürfniß),
Gehn sie verlangend bald zum süßen Mahle
Vom Tanz hinweg. In Kreisen, wie sie standen,
Erheben Tische sich, im Nu beladen
Mit Engelkost. Roth wie Rubin fließt Nektar
In Perlen, Diamant, massivem Gold,
Köstlicher Reben Frucht, Gewächs des Himmels.
Auf Blumen ruh'nd, bekränzt mit frischen Blüthen,
Aßen und tranken sie in holder Eintracht,
Schlürften Unsterblichkeit und Lust, gesichert
Vor Uebersätt'gung, wo dem Uebermaß
Die Fülle wehrt, vor dem allgüt'gen Herrscher,
Der reich gewährt, sich freuend ihrer Lust. –
Als nun die Nacht ambrosisch in Gewölken
Vom Berge Gottes haucht, wo Licht und Schatten
Entstehn, verwandelt sich des Himmels Antlitz
In holdes Zwielicht (denn in dunklerm Schleier
Kommt dort nicht Nacht) und ros'ger Thau lädt Alle,
Nicht Gottes nimmermüdes Aug, zur Ruh.
Auf weitem Plan, viel größer noch, als wäre
Der Erdenball zur Ebne ausgebreitet
(So groß sind Gottes Höf'); es dehnt das Lager
Des Engelheeres sich in Reihn und Rotten
Längs hin an Strömen unter Lebensbäumen,
Zahllose Zelt' und, die im Nu entstanden,
Himmlische Hütten, drin, von kühlen Winden
Umweht, sie schliefen, außer die, so wechselnd
Melod'sche Hymnen um des Höchsten Thron
Die Nacht durch sangen. – So nicht wachte Satan
Nenn' ihn nun so; sein frührer Nam' ertönt
Nicht mehr im Himmel. Er, der Ersten einer,
Wenn auch der erst' Erzengel nicht, an Macht,
An Gunst und Vorzug groß und doch erfüllt
Von Mißgunst gegen Gottes Sohn – geehrt
Vom Vater an dem Tag und als Messias,
Gesalbter Fürst erklärt – vermocht' aus Stolz
Dies nicht zu tragen, für entehrt sich haltend.
In Bosheit drob sich senkend und Verachtung,
Beschloß er, als zu Schlaf und Stille freundlichst
Die düstre Zeit einlud der Mitternacht,
Abzug mit seinem Heer und daß verachtend
Des Höchsten Thron er, den Gehorsam künd'gend,
Verlassen wollt', und, den im Rang ihm Nächsten
Erweckend, sprach zu ihm er insgeheim:

»Schläfst, theurer Freund, du? Wie kann Schlaf dir schließen
Die Augenlider, denkst du des Bescheides,
Den gestern erst die Lippe des Allmächt'gen
Des Himmels aussprach? Sonst warst du gewohnt,
Dein Innres mir, wie ich dir meins zu öffnen.
Wir waren wachend Eins, wie kann dein Schlaf
Uns trennen? Neu Gesetz ward auferlegt;
Des Herrschers neu Gesetz regt auf in uns,
Den Dienern, neuen Rath, zu überlegen
Was wohl erfolgen kann. Mehr an dem Orte
Zu äußern ist gewagt. Versammle du
Die Häupter aller Schaaren, die wir führen;
Sag ihnen, daß ich auf Befehl, eh noch
Die Nacht die schatt'ge Wolk' entfernt, nebst Allen,
Die ihre Banner schwingen unter mir.
In Eile heimwärts soll, wo wir besitzen
Des Nordens Gegenden, dort zu bereiten
Den würdigen Empfang für unsern großen
Messias-König und die neue Herrschaft,
Da im Triumph er all die Hierarchien
Schleunig durchziehn will und Gesetze geben.«

So sprach der Trug-Erzengel, und er übt
Aufs unbewachte Innre seines Freundes
Des Bösen Einfluß. Dieser ruft zusammen,
Auch einzeln wohl, die herrschenden Gewalten,
Ihm unterthan; sagt, wie man ihm gelehrt.
Daß auf Befehl des Höchsten, eh die Nacht,
Die dunkle Nacht den Himmel noch enthülle,
Das große Reichspanier in Gang sich setze;
Sagt den erfundnen Grund und wirft dazwischen
Zweideut'ge Wort und Anreiz, um die Treue
Zu prüfen und zu fälschen. Jeder folgte
Dem Machtgebot und dem gewohnten Zeichen
Des großen Oberhaupts; denn groß war wirklich
Sein Ruf und hochgestellt sein Rang im Himmel.
Sein Antlitz gleich dem Morgenstern, der leitet
Das Sternenheer, verlockt sie, und durch Trug
Zog er der Himmelsschaar Drittheil sich nach.
Des Ew'gen Aug' indeß, das die geheimsten
Gedanken schaut, sah von dem heil'gen Berge
Und durch die goldnen Leuchten, welche nächtlich
Vor ihm aufflammen, jetzt auch ohn' ihr Licht,
Den Aufruhr; sah, von wem und wie verbreitet
Unter des Morgens Söhnen; welche Menge
Sich schaart', um seinem Spruch zu widerstehn,
Und lächelnd sprach zu seinem Sohn er also:

»O Sohn, in dem ich meine Glorie schau'
In vollem Abglanz, Erb' all meiner Macht:
Fast thut es jetzo Noth, uns unsrer Allmacht
Zu vergewissern, und mit was für Waffen
Wir wahren wollen den uralten Anspruch
Von Gottheit und von Herrschaft; denn ein Feind
Steht auf, der seinen Thron, dem unsern gleich,
Im weiten Norden aufzurichten strebt,
Und nicht zufrieden, will im Kampf er prüfen
Wie groß denn unsre Macht sei, unser Recht.
Laß Rath uns halten und für diesen Fall
Schnell übersehn, was uns verblieb, und Alles
Anwenden, daß nicht unversehens wir
Den Thron, das Heiligthum, den Berg verlieren.«

Worauf der Sohn mit ruhig klarem Blicke,
Mit göttlichem, unsagbar heitrem Strahlen
Erwiederte: »Du spottest, mächt'ger Vater,
Mit Recht der Feind' und lachst in Sicherheit
Ob ihrer eitlen Absicht und Empörung.
Dies dient zum Ruhm mir, den ihr Haß verherrlicht,
Sehn sie, mir sei die Königsmacht verstehn,
Um ihren Stolz zu dämpfen, und erfahren,
Ob mir's gelingt, Empörer zu bezwingen.
Ob ich im Himmel gelt' als der Geringste.«

So sprach der Sohn. Doch Satan war in Eile
Schon weit mit seinen Schaaren fortgezogen,
Ein Heer, unzählbar, wie der Nacht Gestirne,
Wie Stern' im Morgenthaue, den die Sonne
Als Perl' auf Blättern und auf Blüthen bildet.
Reiche durchzogen sie, die mächt'gen Staaten
Der Seraphim, der Mächte und der Thronen,
In dreien Graden: Gegenden, zu welchen
All dein Besitz, Adam, sich so verhält,
Wie dieser Garten zu der ganzen Erde
Mit allem Meer, wenn man die ganze Rundung
Streckt' in die Läng'. Als diese sie durcheilt,
Erreichten sie zuletzt des Nordens Grenzen;
Und Satan kam zu seinem Königssitze.
Auf einer Höh', weit leuchtend, wie ein Berg
Auf einem Berg, mit Spitzen und mit Thürmen
Aus Demantquaderu und aus goldnen Felsen:
Des großen Lucifers Palast (so nenne,
In Menschensprache übersetzt, den Bau),
Den er, nicht lange Zeit nachher, versuchend,
Gott völlig gleich zu gelten, um den Berg,
Worauf im Angesicht des Himmels wurde
Verkündet der Messias, nachzuahmen.
Die Höhe der Versammlung hat genannt.
Denn dort versammelt' er sein ganzes Heer,
Angeblich auf Geheiß, um zu berathen,
Wie man des großen Königs Ankunft feire,
Und mit verläumderischer Kunst verstellter
Wahrheit befing er ihre Ohren also:

»Ihr Thronen, Herrscher, Fürsten, Kräfte, Mächte
Wenn diese prächt'gen Titel mehr sein sollen,
Als bloße Titel, da ein Andrer nun
Durch Spruch hat alle Macht an sich gerissen,
Mit des gesalbten Königs Namen uns
Verdunkelnd: dessenthalb all diese Eile
Des mächt'gen Zugs und schleuniger Versammlung,
Blos zu berathen, wie am besten wir,
Mit was für neu erfundner Ehr' ihn feiern,
Der kommt, noch nie gezahlten Knietribut
Und feile Niederwerfung zu empfangen –
Zu viel vor Einem, wie vielmehr vor Zweien,
Vor ihm und dem, den er sein Bildniß nennt?
Doch wie, wenn beßrer Rath die Geister stärken,
Des Jochs uns zu entled'gen, lehren könnte?
Wollt ihr den Nacken beugen, oder lieber
Die schmeid'gen Knie? Ihr wollt nicht, wenn ich glaube
Euch recht zu kennen, wenn ihr selbst euch haltet
Für Eingeborene des Himmels, den ja
Niemand zuvor besaß; wenn alle gleich nicht,
Jedoch gleich frei; denn Ordnungen und Grade
Bestehn bei Freiheit, sind nicht wider sie.
Wer kann mit Fug und Recht sich nun
Alleinherrschaft ob denen, die mit Recht
Die Gleichen sind, wenn minder auch an Macht
Und Glanz, an Freiheit doch – wer kann Gesetze
Für uns einführen, die wir ohne Satzung
Nicht irren? wie viel weniger, daß Dieser
Sei unser Herr und Anbetung verlange,
Zum Hohn der Fürstentitel, die beweisen,
Wir sei'n bestimmt zum Herrschen, nicht zum Dienen.«

So weit fand ohne Widerspruch Gehör
Die freche Red', als von den Seraphim
Abdiël, der höchst inbrünstiglich verehrte
Gott, und den göttlichen Geboten folgte,
Aufstand und mit dem Zorn entflammten Eifers
Dem Strom der Wuth sich also widersetzte:

»O falsche, lästernde, vermessne Rede,
Die nie ein Ohr im Himmel hätt' erwartet,
Am wenigsten von dir, du Undankbarer,
Der du so hoch gestellt ob Deinesgleichen!
Kannst du, ruchlosen Widerspruchs, verdammen
Gottes gerechten Schluß, gesagt, beschworen:
Daß vor dem einz'gen Sohn, durch Recht beliehn
Mit Königsscepter, jede Seel' im Himmel
Das Knie soll beugen und mit dieser Ehrfurcht
Als König ihn erkennen? Unrecht, sagst du,
Sei es, den Freien durch Gesetz zu fesseln,
Und Gleiche über Gleiche herrschen lassen,
Den Einen über Alle, doch sie nicht.
Darfst du vorschreiben Gott, und mit ihm streiten,
Was Freiheit sei, ihm, der zu dem dich machte,
Was du nun bist und Mächte schuf des Himmels,
Wie's ihm gefiel und einschränkt' auf ihr Wesen?
Doch durch Erfahrung wissen wir, wie gut,
Wie vorbedacht für unsre Würd' er ist
Und unser Heil, wie fern, uns zu demüth'gen,
Vielmehr geneigt, uns, unter Einem Haupte
Näher vereint, den Glücksstand zu erhöhn.
Doch geb' ich dir auch zu, es sei unbillig,
Daß Gleiche über Gleiche Herrschaft üben:
Du selbst, wie groß und ruhmreich du dich dünkst,
All' englische Natur in Eins verbunden –
Ist's gleich dem eingebornen Sohn, durch welchen,
Als durch sein Wort, der mächt'ge Vater Alles
Erschuf, auch dich? und all die Himmelsgeister
Nach Graden ihres Glanzes bildete,
Mit Ruhm sie krönt' und nach dem Ruhm benannte:
Thronen, Herrschaften, Fürsten, Kräfte, Mächte,
Wahrhafte Mächte, nicht durch ihn verdunkelt,
Nur herrlicher gemacht? da er, das Haupt,
Uns beigezählt, der Unsern Einer wird;
Zu unserm sein Gesetz, wie alle Ehre,
Die man ihm zollt? Drum laß die freche Wuth;
Verlocke diese nicht; besänft'ge schleunigst
Des Vaters und des Sohnes Zorn; Verzeihung
Erlangst du nur, suchst du sie noch beizeiten.«

So sprach der Eifergeist; allein sein Eifer
Ward nicht getheilt, weil man ihn für unzeitig,
Vorschnell und seltsam hielt; darob sich freute
Der Abgefallne, der noch stolzer sprach:

»Wir sei'n geschaffen, sagst du, und ein Werk
Der zweiten Hand, das übertrug der Vater
Auf seinen Sohn? Seltsame, neue Lehre!
Wir wüßten gern, woher sie stammt. Wer sah
Der Schöpfung zu? Weißt du es noch, wie du
Entstandst, da dir der Schöpfer Leben gab?
Wir kennen keine Zeit, da wir nicht waren,
Niemand vor uns; sind selbsterzeugt, entstanden
Durch eigne Lebenskraft, sobald vollendet
Der Kreis des Schicksals war, die reife Frucht
Des Himmels, unsrer Heimat, Aethersöhne.
Aus uns ist unsre Macht, und unsre Rechte
Soll höchste That uns lehren, zu beweisen,
Wer unsres Gleichen sei; dann sollst du sehen,
Ob es in unserm Sinn liegt, uns demüthig
Zu nahn und zu umstehn den Thron des Höchsten
Mit Bitten oder Drohen. Dies vermelde;
Die Nachricht bringe dem gesalbten König,
Und flieh, eh Unheil deine Flucht verhindert.«

Er sprach's, und gleich dem Tone tiefer Wasser,
Hallt dumpf Gemurmel seinen Worten Beifall
Durchs ungeheure Heer. Trotzdem versetzte
Furchtlos der feur'ge Seraph, ob allein auch
Von Feinden rings umzingelt, kühn also:

»Von Gott entfremdeter, verworfner Geist,
Baar alles Heils; ich sehe deinen Sturz
Voraus, und dein bethörtes Heer verstrickt
In diesen argen Trug und Antheil habend
An dem Verbrechen, wie der Strafe. Fürder
Bemüh' dich nicht mehr, wie du des Messias
Joch von dir werfest; solch ein mild Gesetz
Wird dir nun nicht zu Theil; ein andrer Spruch
Ist über dich gefällt, unwiderruflich.
Das goldne Scepter, welches du verwarfst,
Ist nun ein Eisenstab, der deinen Trotz
Bestraft und bricht. Wohl gabst du guten Rath;
Doch flieh' ich noch deshalb nicht, weil du drohst,
Die fluchgeweihten Zelte, doch der droh'nde
Zorn Gottes, flugs in Glut ausbrechend, möchte
Nicht unterscheiden. Bald wirst du empfinden
Den Donner auf dem Haupt, verzehrend Feuer.
Dann lerne jammernd kennen, wer dich schuf,
Wenn du erfährst, wer dich vernichten kann.«

So sprach der Seraph Abdiël, treu erfunden,
Unter Treulosen er allein nur treu;
Unter zahllosen Falschen hielt er fest
Unwankbar, unverlockt, uneingeschüchtert
An seiner Treu' und Lieb' und seinem Eifer.
Nicht Zahl noch Beispiel lenkten ihn vom Wahren,
Noch änderten sie seinen steten Sinn,
Stand er allein auch. Fort ging er nun lange
Hin durch der Feinde Hohn, den er erhaben
Ertrug und von Gewalt nichts fürchtete.
Verachtend wandt' er drauf den Rücken zu
Den stolzen Thürmen, bald'gem Fall geweiht.

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