Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++
Ersteigen des Plateaus – Die merkwürdige Formation der Schluchten – Der Felskessel – Wunderbare Aussicht auf diesen – Rückkehr ins Lager – Ausbleiben von Lieutenant Ives und seiner Abteilung – Sumpfvögel auf dem Plateau – Ankunft des Lieutenant Ives – Beschreibung der tiefgelegenen Schluchten – Vermissen von zwei Soldaten – Ausflug nach einem anderen Felskessel – Beschreibung desselben – Auffinden der Verirrten – Eintreffen der Maultiere – Teilung der Expedition – Erforschen der unbekannten Straße – Vereinigung und Lager der beiden Abteilungen am See – Weitere Reisepläne – Aufbruch zur Reise nach den San Francisco Mountains – Die niedrigere Abstufung des Hochlands – Wassermangel – Umherirren in den Schluchten – Beales Straße – Vulkanische Region – Wassersuche – Der Graue Bär
Da es uns nicht gelungen war, den Weg abwärts zu verfolgen, so faßten wir den Entschluß, uns nach der Höhe hinaufzuarbeiten, um möglicherweise von dort aus einen Überblick über die nächste Umgebung zu gewinnen, die in geologischer wie in topographischer Beziehung soviel Merkwürdiges und Ungewöhnliches barg. Als wir mühsam an den steilen Abhängen hinaufkletterten, erschien uns die Atmosphäre doppelt glühend und drückend, weil wir eben erst die gewölbeähnliche kühle Schlucht verlassen hatten, und vielfach waren wir genötigt zu rasten, ehe wir die Höhe des Plateaus erreichten, wo uns auf wellenförmig gestörter Kalksteinstrate ein verhältnismäßig ebener Weg offenstand. Wir wählten die westliche Richtung, und am Rand derselben Schlucht hinschreitend, in der unsere Gefährten verschwunden waren und wo sich tief unter uns der luftige Pfad hinzog, erblickten wir bald Formationen und Szenerien, wie sie die kühnste Phantasie nicht zu ahnen und zu schaffen vermag. Bis zu zweitausend Fuß tief schauten wir hinab, und dort traf das Auge auf dunkelroten Sandstein, der den Boden der trockenen, nackten Felsschlucht bildete, die sich in westlicher Richtung immer mehr senkte und erweiterte. Wie feines Geäder erschienen die zahllosen Wasserrinnen, die vom Fuß der senkrechten Mauern sich der Mitte zuschlängelten und dort zu einem tiefen Flußbett vereinigten, das, so weit das Auge reichte, die Farbe von rotglühendem Eisen trug. Aus der Schlucht stiegen die mächtigen Türme mit ihren regelmäßigen Architekturen und Bedachungen empor, gebildet durch die horizontalen Schichten verschiedener Epochen und je nach ihrer Nachgiebigkeit mehr oder minder ausgemeißelt durch die Einwirkung der Atmosphäre seit Tausenden und aber Tausenden von Jahren. Grellfarbige Streifen zogen sich in nie gestörter Ordnung an den gekerbten Wänden dahin, und während Dr. Newberry sorgsam an diesen Streifen die Geschichte der geologischen Formation des mächtigen Hochlands zu entziffern suchte, nahm ich mein Skizzenbuch zur Hand und schaffte mir ein Andenken an jenen merkwürdigen Punkt.
Es war um die Mittagszeit, und mit sengender Glut fielen die Strahlen der Sonne auf das nackte Gestein, das, ebenfalls erhitzt, Wärme ausströmte und die nächsten Luftschichten in zitternder Bewegung erhielt. Die Winde schwiegen, das Atmen wurde schwer, aber mit ungeschwächtem Interesse studierten wir die Linien und Farben des wunderbaren Bildes, das in unbeschreiblicher Mannigfaltigkeit, aber auch in schrecklicher Öde vor uns lag. Einschläferndes Gesumm von Insekten erfüllte den Raum, regungslos lagen auf dem erwärmten Felsen zahlreiche Eidechsen umher, wollüstig sogen sie mit weit geöffnetem Rachen die heiße Luft ein, aber im Schatten eines Felsblocks lugte hinter halbgehobener Falltür die giftige TarantelDiese große schwarze, dichtbehaarte Spinne ist im südlichen Nordamerika allgemein unter dem Namen Tarantula bekannt, und ihr Biß ist sehr gefürchtet. Am häufigsten erblickte ich diese auf den dürren Flächen am Rand der Tularetäler, wo sie, ihrer Beute nachspürend, langsam dahinschlich oder auflauernd regungslos dasaß. Nur auf dem Hochplateau beobachtete ich mehrfach diese Tarantel in Erdhöhlen oder auch in Ritzen zwischen Gestein. Die Öffnung hatte sie dann immer so weit zugebaut, daß ihr nur ein bequemer Durchgang offen blieb, und derselbe schloß sich stets von selbst durch eine gespinstähnliche Tür, die, oben lose befestigt, in der Öffnung nach beiden Seiten hin- und herspielte, so daß die grimmige Bewohnerin durch einen leisen Druck ebenso leicht hinein wie hinaus gelangte. Den Kopf unter der halbgehobenen Falltür hindurchsteckend, lauert sie auf die zufällig vorbei eilenden Insekten; befinden sich diese in ihrem Bereich, so stürzt sie mit unglaublicher Schnelligkeit hervor und verfehlt nie ihr Opfer. Eine ungewöhnliche, sie erschreckende Bewegung in ihrer Nähe veranlaßt sie aber, sich tiefer in die Höhle zurückzuziehen, worauf sich die Tür schließt und durch nichts mehr die Anwesenheit der so giftigen Räuberin verraten wird. hervor.
Wir hatten unsere Arbeit beendet und erhoben uns, um weiterzugehen, die Tür der Tarantel klappte zu, die Eidechsen stoben auseinander, aber das Geschwirr in der Luft hielt an und begleitete uns, als wir auf dem Rand des Plateaus dahinschritten. Immer umfangreicher wurde die Schlucht, auf die wir ständig unsere Blicke geheftet hielten; sie fiel endlich mit einem weiten Becken zusammen, in das aus allen Richtungen neue Spalten mündeten, die der zuerst erwähnten an Großartigkeit der Formation nichts nachgaben. Das Becken selbst verdient eine genauere Beschreibung, denn es war der Punkt, bis zu dem Lieutenant Ives und unsere übrigen Gefährten wie auf unterirdischem Weg durchdrangen und in dem uns, die wir auf der Höhe standen, ein vortreffliches und fast das einzige Bild des Charakters jener unzugänglichen Regionen geboten wurde.
Ich zeigte später die von mir entworfene Skizze dem Lieutenant Ives und Herrn von Egloffstein, doch beide erkannten das Bassin nicht wieder, indem auf ihrer die Aussicht ständig von turmhohen Felswänden eingeengt gewesen war und sie sich in tiefen Schluchten befunden hatten, die ich von der Höhe herab nur für unerhebliche Wasserrinnen gehalten hatte.
Die jenen Gegenden eigentümliche klare Atmosphäre ist bei Abschätzungen von Entfernungen vielfach die Ursache von Irrtümern, doch glaube ich, daß meine Angaben sich der Wahrheit nähern, wenn ich die Breite dieses furchtbaren Felskessels auf sechs bis sieben Meilen berechne. Die Einfassung zeigte ganz dieselben Schichten und Farben, wie wir sie in der ersten Schlucht beobachtet hatten, nur daß die wunderlichsten Gebilde die kolossalen Wände schmückten oder teilweise von ihnen losgewaschen waren und daß diese in phantastischen Linien und Formen miteinander zu wetteifern schienen. Der rote Sandstein bildete auch in dem Kessel den scheinbar ebenen Boden, und dieser lag über zweitausend Fuß tiefer unter uns; doch an zahlreichen schattigen Streifen, welche die ziegelrote Fläche in der vom Wasser vorgeschriebenen Ordnung durchschnitten, vermochten wir zu erraten, daß dort neue Spalten und Schluchten sich öffneten, die noch Tausende von Fuß tief hinabführten.
Mitten in dem Bassin erhob sich noch ein letzter Überrest des Plateaus, der durch die Regelmäßigkeit seiner Formen auf das merkwürdigste gegen seine ausgezackte und zerrissene Umgebung kontrastierte. Es ragte nämlich auf der roten Unterlage ein mächtiger Kegel empor, dessen höchsten Gipfel ein Felsenturm zierte. Das abgerundete Dach desselben stand einst in Verbindung mit der Gesteinslage, auf der wir uns befanden, und als wir an dem Turm und an den Abhängen des Kegels niederschauten, erkannten wir überall die horizontalen Schichten, deren Fortsetzung an jedem senkrechten Durchschnitt des Hochlands leicht zu entdecken war. Hier nun, wo auf ausgedehntem Raum sich kolossale Massen in ein einziges Bild, aber doch nur zu einem kleinen Teilchen eines gewaltigen Ganzen zusammendrängten, schienen die mächtigen Dimensionen der einzelnen Wälle und Türme im Vergleich mit denen in engeren Schluchten zu schwinden, doch bebte man fast bei dem Eindruck, den die farben- und formenreichen, starren, regungslosen Massen ausübten, und kaum wagte man es, seine Stimme zu erheben gegenüber einer so furchtbar schönen Natur.
Nicht ohne Mühe verfolgte ich die Linien, die vor meinen Blicken chaotisch ineinander verschwammen, und lange hätte ich noch weilen mögen in der tödlichen Einsamkeit, doch schmerzhaft wirkte das blendend beleuchtete, farbige Gestein auf meine Augen, und der Körper erschlaffte unter den brennenden Strahlen der Sonne.
Wir rüsteten uns zur Heimkehr ins Lager, und an den Abhängen niedergleitend, füllten wir unsere Taschen mit schönen Exemplaren fossiler Muscheln, die in großer Anzahl unter den Trümmern des verwitterten Kalksteins umherlagen. Es war schon spät, als wir, erschöpft von der beschwerlichen Wanderung, uns endlich wieder in dem Schatten unseres Zeltes hinstreckten und erwartungsvoll der Rückkehr des Lieutenant Ives und seiner Abteilung entgegensahen. Die Sonne versank gleichsam in den fernen Schluchten, Dämmerung ruhte auf dem geheimnisvollen Hochland und ging schnell in nächtliches Dunkel über; doch nichts verkündete die Nähe der Abwesenden. Da diese übrigens den gefährlichen Pfad noch nicht betreten haben konnten, als die Tageshelle sie noch begünstigte, so war es nicht zu vermuten, daß sie ihre Wanderung in der Dunkelheit fortsetzen würden, und weiter nicht beunruhigt, traf die kleine Gesellschaft im Lager alle Anstalten, den Mangel an Mannschaften durch doppelte Wachsamkeit zu ersetzen.
Ohne Störung verstrich die Nacht, und als ich in der Frühe des 14. April noch gemächlich auf der weichen Büffelhaut lag, vernahm ich plötzlich zu meiner größten Überraschung das schrille Pfeifen von großen Sumpfvögeln, die augenscheinlich unser Lager umkreisten. Ich ergriff mein Gewehr, trat ins Freie und erblickte in der Tat vier große, schön gefiederte Säbler, von denen ich gleich drei erbeutete. Ich präparierte ihre Bälge, das Fleisch dagegen lieferte ich in unsere Küche, und wenn dieses auch nicht wohlschmeckend war, so bildete es doch eine sehr annehmbare Veränderung auf unserem kärglich besetzten Tisch.
Schon zur frühen Vormittagsstunde kehrten unsere Gefährten aus der Schlucht zurück und waren sehr erstaunt darüber, daß wir sie am vorhergehenden Abend noch erwartet hatten, da sie doch zwei Soldaten mit Nachricht für uns abgesandt hätten. Ihr Staunen wuchs aber, als sie vernahmen, daß die beiden Leute überhaupt nicht bei uns eingetroffen seien. Peacock, der kühne Reiter, der mit wunden Füßen nachgeschlichen kam, war der einzige, den die Nachricht nicht überraschte, und er beharrte mit stoischer Ruhe auf seiner komischen Ansicht, daß man jedem Soldaten einen Knaben zur Führung mitgeben müsse, wenn man gegen ein Verirren derselben gesichert sein wolle. Es wurden übrigens sogleich einige Leute mit dem Auftrag nach der Schlucht zurückgesandt, durch Abfeuern von Schüssen die Vermißten auf den rechten Weg zurückzuleiten.
Lieutenant Ives' und Egloffsteins Berichte lauteten: Nachdem sie den Punkt erreicht hatten, wo wir mit dem Train zur Umkehr gezwungen worden waren, folgten sie dem Pfad abwärts und erreichten endlich nach vieler Mühe den Boden der Schlucht. Die westliche Richtung beibehaltend, gelangten sie immer tiefer, bis endlich hohe Felsmauern sich aufs neue zu beiden Seiten von ihnen auftürmten und jede weitere Aussicht nahmen. Es war dies die Stelle, die ich oben als die rote Sandsteinfläche, überragt von dem Felsenturm, bezeichnete. Soviel wie möglich einer bestimmten Richtung in den wirren Schluchten folgend, auch teilweise geleitet von einem kaum erkennbaren Indianerpfad, stießen sie endlich auf eine Abstufung von ungefähr zwanzig Fuß Tiefe, an der ein morscher Pfahl als letzter Überrest einer rohen Leiter angelehnt stand. Nicht weit davon erblickten sie einen Bach, der sich über die Felsen hinabstürzte und ein kleines Tälchen bewässerte. Durch Stricke und zusammengeknüpfte Gewehrriemen gehalten, kletterte Egloffstein, und zwar nicht ohne Lebensgefahr, hinab, doch stieß er dort auf neue Hindernisse, die ihn in seinen weiteren Bewegungen hemmten. Tiefer abwärts schauend, gewahrte er aber, daß der schmale Raum des Tälchens wie zur Bewässerung in kleine Felder abgeteilt war, und er glaubte auch Fischergerätschaften aus der Ferne zu erkennen. In seinen Beobachtungen wurde er plötzlich durch den Anblick eines Eingeborenen unterbrochen, der auf einer höhergelegenen Felswand saß und neugierig auf ihn herabschaute. In der Hoffnung, hier einen willkommenen Führer für unsere weiteren Operationen zu finden, suchte er den Wilden durch Zeichen zu bestimmen, zu ihm herabzukommen, doch der scheue Indianer, der die Zeichen wohl verstand, antwortete, daß er erst zu ihm hinaufkommen möge, was aber außer dem Bereich seiner Kräfte lag. Nach manchen vergeblichen Versuchen, den Wilden für sich zu gewinnen, kehrte er wieder zu seinen Gefährten zurück, und dann wurde nach kurzer Rast der Heimweg eingeschlagen. Die beiden Soldaten waren übrigens schon früher abgesandt worden, um uns vom Ausbleiben der Gesellschaft in Kenntnis zu setzen.
Wie wir vermuteten, waren sie kurz vor Einbruch der Nacht am Fuße jenes unsicheren Pfades angekommen, hatten die Wanderung auf diesem bis zum folgenden Morgen verschoben und es vorgezogen, ohne Feuer, ohne Decken und nur mit einem sehr kärglichen Imbiß die Nacht auf dem harten Felsenlager zuzubringen.
Wie ich schon oben bemerkte, erregte die von mir ausgeführte Zeichnung jenes Felskessels das größte Interesse, und Egloffstein entschloß sich, beseelt von dem Wunsch, einen ähnlichen Anblick zu genießen, trotz seiner wunden Füße, am Nachmittag Dr. Newberry und mich auf einem neuen Ausflug zu begleiten. Wir wählten diesmal eine mehr nördliche Richtung, weil wir gerade dort eine größere Senkung des Bodens entdeckten, die möglicherweise das tiefgelegene Bett des Colorado Chiquito sein konnte, den wieder zu erblicken unser nächster Wunsch war. Die Hoffnung, in jener Breite an den Großen Colorado hinabzugelangen, hatten wir ja schon vollständig aufgegeben.
Nach einem Marsch von drei Meilen standen wir endlich am Rande der Schlucht, und vor mir lag ein Bild, das im Charakter ähnlich dem war, das ich schon beschrieb, und doch auch wieder so verschieden in seinen einzelnen Teilen und Formen. Der Eindruck, den der gewaltige Felskessel auf uns machte, wurde dadurch gehoben, daß wir hart am Rande des Plateaus standen und die grausige Tiefe sich unmittelbar vor unseren Füßen öffnete. Schüchtern schauten wir hinab auf das nahe an zweitausend Fuß tief gelegene dunkelrote Bett des trockenen Bassins; in unzähligen Windungen, ähnlich phantastischen Arabesken, zogen sich die verschiedenen Wasserrinnen dahin, und mit ihnen vereinigten sich die Schluchten, die aus den tiefen Spalten des Hochlands weit in das Becken hineinreichten. Die durchschnittliche Breite dieses Felskessels betrug nicht unter sechs Meilen, doch war er gleichsam in zwei Hälften geteilt durch eine mauerähnliche Verlängerung des Plateaus, die so merkwürdige Gebilde schmückten, daß man in der Tat die wohlerhaltenen Ruinen einer indianischen Stadt vor sich zu sehen glaubte. Auffallender noch war ein mächtiges Amphitheater, das sich in schöner, regelmäßiger Rundung zwischen unserem Standpunkt und der ruinengekrönten Felswand ausdehnte. Durch eine weite Öffnung stand dasselbe mit dem Hauptkessel in Verbindung, doch bildete es ein abgeschlossenes Bauwerk, das den Beobachter mehr als alles andere zu Betrachtungen hinreißen mußte.
Wie sich nun oftmals auf meinen einsamen Wanderungen in jenen Urwildnissen Eindrücke, Gefühle und Gedanken wiederholten, so ist es auch wohl verzeihlich, wenn ich bei der Beschreibung dieselben Wiederholungen eintreten lasse; und gern ertrage ich den Tadel, den ich durch den Versuch einer abermaligen Schilderung jenes so merkwürdig zerklüfteten Hochlands vielleicht auf mich lade.
Dort also auf schwindelnder Höhe, am Rande des Abgrunds, saß ich wiederum und zeichnete. Vor mir aus schauerlicher Tiefe türmten sich die Formationen verschiedener Epochen übereinander, deutlich erkennbar an den grellen Farbkontrasten, jede einzelne Schicht ein Weltalter bezeichnend. Senkrecht standen die Wände, als ob die geringste Erschütterung sie hinabzustürzen vermöchte, und wie eine Mahnung an die Unendlichkeit erschienen mir die Merkmale, die bewiesen, daß fallende Wassertropfen die Schlünde bildeten, die mir von allen Seiten entgegenstarrten. Ich saß und zeichnete und blickte sehnsüchtig hinüber zur hohen Felswand, die sich in der Entfernung von etwa zwanzig Meilen aus der Ebene erhob und an deren Fuß der Kleine oder der Große Colorado vorüberschäumen mußte.
Beide Flüsse konnten sich, nach unserer Berechnung, in jener Breite nicht über fünfzehnhundert Fuß hoch über dem Meeresspiegel befinden, und da neuntausend Fuß die Erhebung des Plateaus war, so mußte das eigentümliche Bild verborgen vor uns liegen, in dem ein Fluß sich zwischen senkrechten Wänden von siebentausend und mehr Fuß dahindrängt oder in stufenweisen, unmittelbar aufeinanderfolgenden Fällen den Höhenunterschied überwindet.
Nach meiner Rückkehr aus jener Gegend ist mehrfach die Frage aufgeworfen worden, ob der Colorado sich sein Bett nicht unter der Oberfläche des Plateaus durchgewühlt haben könne, da die Erhebung des Bodens nahe der Vereinigung des Grand River und des Green River nur an fünftausend Fuß betrage; das ist wohl denkbar, doch an Ort und Stelle erkennt man leicht die Unwahrscheinlichkeit einer Unterwühlung der massiven Gesteinslagen, die auf einem ungeheuren Raum die Erdoberfläche bilden. Außerdem zweifelt man nicht beim Hinblick auf die zahllosen Schluchten, die wie ein Geäder das Hochland durchziehen, daß die tiefen, bis jetzt noch unbekannten Betten der Ströme in jenen Regionen ebenso wie die Schluchten durch Auswaschungen von oben allmählich entstanden sind. Übrigens vermag man auch von den Höhen der San Francisco Mountains die Öffnungen der Spalten zu erkennen, in denen mutmaßlich die beiden Ströme fließen.
Mit einer gewissen Wehmut blickte ich nach der mächtigen Uferwand hinüber, die den Lauf großer Gewässer bezeichnete und von der mich Hindernisse trennten, die zu überwinden mehr als menschliche Kräfte erfordert hätte; mit Wehmut beobachtete ich auch eine Weihe, die auf sicheren Schwingen in gleicher Höhe mit meinem lustigen Standpunkt über der Tiefe dahinschwebte. Ich beneidete den Vogel um seine Kraft, folgte ihm im Geist und schaffte mir in Gedanken mit ahnungsvollem Grauen ein Bild von dem Felsental des Colorado »des Westens«, das vielleicht noch für kommende Jahrhunderte dem Menschen ein Geheimnis bleiben wird. Als ich mich wandte, um ins Lager zurückzukehren, hatte ich wieder die scheinbar ununterbrochene Ebene vor mir; der Himmel hatte sich bewölkt, im Westen schimmerten einige rosenfarbige Streifen, den baldigen Untergang der Sonne verkündend, und ich eilte, um nicht zwischen den Schluchten von der Dunkelheit überrascht zu werden.
Mit Freude vernahm ich, daß die beiden vermißten Soldaten eingetroffen seien. Dieselben waren an der Stelle, wo der Pfad aufwärts führte, vorbeigegangen und in eine falsche Schlucht eingedrungen. Sobald sie indessen inne geworden waren, daß sie vom rechten Weg abgekommen seien, hatten sie sich gelagert, und hoffend, daß man ihnen Hilfe senden würde, und in der Absicht, sich nicht aus dem Bereich dieser Hilfe zu entfernen, hatten sie beinahe vierundzwanzig Stunden auf derselben Stelle zugebracht. Es war das Verständigste, was sie in dieser mißlichen Lage tun konnten, denn nach langem vergeblichem Harren vernahmen sie endlich die Signalschüsse ihrer Kameraden, die ihnen, mit Lebensmitteln und Wasser versehen, nachgespürt hatten.
Zur späten Nachtstunde trafen die Mexikaner mit den Maultieren wieder bei uns ein. Trotz der weiten Entfernung zum Wasser hatte sich die Herde während der letzten Tage etwas erholt, und wir reisten mit ungewöhnlicher Leichtigkeit, als wir am 15. April den Weg zurück einschlugen. Wir erfreuten uns bald wieder an dem prachtvollen Anblick des beschneiten San-Franzisko-Gebirges, und die Hälfte des Tages war noch nicht verflossen, als wir uns an der vermeintlichen Mormonenstraße befanden. Hier wurde die Expedition auf kurze Zeit geteilt, und zwar so, daß Peacock mit dem Haupttrain dem See zueilte, um uns dort zu erwarten, während wir übrigen, begleitet von sechs Soldaten und nur auf einige Tage mit Lebensmitteln versehen, uns auf der geheimnisvollen Wagenstraße westlich wandten. Da dieser Weg allem Anschein nach von einer Übergangsstelle des Colorado in gerader Richtung nach den San Francisco Mountains gebrochen worden war, so gaben wir uns abermals der trügerischen Hoffnung hin, noch einmal in Berührung mit dem ersehnten Strom zu kommen, und fröhlich ritten wir zwischen den zedernbewachsenen Hügeln dahin.
Unsere freudige Hoffnung erreichte indessen schon nach einer dreistündigen Reise zusammen mit der Straße selbst ihr Ende. Wir stießen nämlich auf die alte Lagerstelle derjenigen, die vor uns dort gewandert waren, und erkannten leicht, daß wir dennoch durch die Spuren des Lieutenant Beale und seiner Kamelexpedition irregeführt worden waren. Unsere weiteren Forschungen ergaben, daß Lieutenant Beale, verlockt durch die Ebenheit des Hochlands, in dieser Richtung den geeignetsten Weg über den Colorado nach Kalifornien zu entdecken geglaubt hatte und daß er, nachdem er sich von der Unzugänglichkeit des Stroms überzeugt hatte, auf demselben Weg, den er gekommen, bis in die Nähe der Bill Williams Mountains zurückgegangen war, um sein Heil in einer südlicheren Richtung zu versuchen. Der Umstand nun, daß auf seiner Rückreise die Wagen sowohl wie die Kamele die schon gebrochenen Spuren kein einziges Mal verlassen hatten, war Ursache, daß wir uns über die Zahl der Wagen wie auch über den Zweck der dort Gereisten täuschen konnten. Der Irrtum war um so verzeihlicher, als schon seit einem halben Jahr Schnee, Regen und Sturm auf die schwachen Spuren eingewirkt hatten und wir Beales wirkliche Straße weiter südlich wußten.
Ohne Zögern kehrten wir auf derselben Stelle um, wo auch Lieutenant Beale sich zur Rückreise entschlossen hatte, und schätzten uns glücklich, vor Abend eine kleine Felshöhle zu entdecken, in der ein geringer Vorrat von Schneewasser zurückgeblieben war. Wir schlugen hier unser Lager auf, und vor einem tüchtigen Feuer von leicht brennendem Zedernholz vergaßen wir die eisige Luft, die wieder mit Schnee zu drohen schien.
Ein Marsch von fünfzehn Meilen brachte uns am 16. April an den See, wo wir Peacock unter einer Gruppe von hohen Tannen mit seinem Train gelagert fanden. Da Peacock erklärte, daß, mit Rücksicht auf den beunruhigenden Zustand der Tiere, einige Tage der Ruhe an jener Stelle, wo außer hinreichendem Wasser auch gutes Gras vorhanden war, sehr anzuraten seien, wenn wir nicht überhaupt nach kurzer Zeit auf unsere eigenen Füße angewiesen sein wollten, so errichteten wir unsere Zelte mit mehr Vorsicht als gewöhnlich, preßten mittels kleiner Erdwälle die Leinwand fest auf den Boden und gruben dicht vor den Türen tiefe Feuerhöhlen aus. Die Atmosphäre war nämlich wieder eisig kalt geworden, und nicht ohne Besorgnis beobachteten wir den umdüsterten Himmel, an dem die grauen Schneewolken sich jagten. Trotz der rauhen Luft und der vereinzelten Schneeflocken, die sich wie verloren hin und wieder auf den feuchten Boden senkten, gelang es uns doch mittels glühender Steine, eine überaus angenehme Temperatur in unserem Zelt herzustellen. Wir lagen den Abend über auf unseren Decken, und ohne das Tonpfeifchen zu vernachlässigen, wandten wir unsere ganze Aufmerksamkeit den abermals geänderten Reiseplänen des Lieutenant Ives zu.
Die Erfahrung hatte uns gelehrt, daß westlich von den San Francisco Mountains an ein Überschreiten des Colorado Chiquito nicht gedacht werden könne; ebenso war es uns klar, daß der nördliche, von den beiden Strömen gebildete Winkel vollständig unzugänglich sei. Der durch zahlreiche Hindernisse verursachte Verlust an Zeit, der Mangel an Proviant sowie das Schwinden der Kräfte unserer Tiere – alles dies ließ uns daher jetzt nur noch zwei Wege offen, nämlich entweder noch einen letzten Versuch zu unternehmen, den Colorado Chiquito östlich von den San Francisco Mountains zu überschreiten und, uns dann nördlich wendend, in der Nähe der Moqui-Städte an den Colorado hinabzugelangen oder den Quellen des Rio Verde zuzueilen und diesen noch fast ganz unbekannten Fluß bis zu seiner Vereinigung mit dem Gila zu erforschen. Im letzteren Fall rechneten wir darauf, in den Dörfern der Pimo-Indianer unsere Lebensmittel für die Zeit der Reise am Gila hinunter bis nach Fort Yuma ergänzen zu können. Im ersteren Fall aber beabsichtigte Lieutenant Ives, die Expedition in Albuquerque am Rio Grande aufzulösen, Soldaten und Packtrain auf der Militärstation zurückzulassen und dann zusammen mit Dr. Newberry, Herrn von Egloffstein, Mr. Peacock und mir nebst unseren Sammlungen mit Postmaultieren auf der Gilastraße zurück nach Kalifornien zu eilen. Beide Routen hatten für mich dasselbe Interesse, doch erklärte ich sogleich, daß ich fest entschlossen sei, wenn ich am Rio Grande angekommen sei, nicht mit der Post am Gila hinunterzureisen, sondern mich in Albuquerque von der Gesellschaft zu trennen, um gemeinschaftlich mit einigen Pelzjägern oder Indianern – wie es gerade der Zufall fügen würde – den Ritt über die Prärien an den Missouri zu unternehmen.
Die Gründe, die mich zu diesem Entschluß veranlaßten, waren überwiegend genug, wenn man die beiden Reisen miteinander verglich: Auf der einen Seite die Fahrt im Wagen bei der furchtbaren Hitze des Sommers, und dazu mit einer Schnelligkeit, daß jede Gelegenheit, etwas vom Charakter des Landes kennenzulernen, vollständig abgeschnitten wurde; auf der anderen dagegen der Ritt durch die endlosen Grasfluren mit ihren Antilopen- und Büffelherden – wer hätte da wohl noch länger schwanken können? Und noch dazu jemand, der die Reize einer solchen Präriereise längst kennengelernt hatte?
Wie ich nun meinen Reiseplan aufs wärmste verteidigte, das bezaubernde Leben in jenen Regionen beschrieb, der tauigen Morgen und der so überaus schönen Abende gedachte; ferner von den schwarzen Heersäulen der wandernden Bisons, von der aufregenden Jagd auf dieselben und von ihrem wohlschmeckenden Fleisch sprach, da gewahrte ich, daß Peacock längstvergangener Zeiten gedachte, denn seine Augen leuchteten vor Entzücken, und schmunzelnd wünschte er, noch einmal einen fettreichen Büffelhöcker bei langsamem Feuer rösten und inmitten der grasreichen Steppe verzehren zu können. Dr. Newberry räumte ein, daß er schon zweimal Kalifornien auf dem Wasserweg besucht, doch Prärie, Büffel und Büffeljagd nur aus der Beschreibung kenne, daß es ihn aber mächtig nach jenen Regionen hinziehe, über welche die Zivilisation in den nächsten Jahren sich weiter ausbreiten und mit ihrer Geißel die letzte Poesie einer romantischen Wildnis stören werde. Mit herzlicher Freude nahm ich wahr, daß es keiner großen Überredung bedürfe, um beide Gefährten für meinen Plan zu gewinnen, und ich unterließ es daher nicht, bei jeder vorkommenden Gelegenheit auf das herrliche Leben in der Prärie zurückzukommen und die Freuden desselben mit den lebhaftesten Farben zu schildern.
Der 17. April begann mit hellem Sonnenschein, doch hatte die Kälte nicht nachgelassen; die am Horizont aufsteigenden, weißschimmernden Wölkchen begannen sich aber zu vergrößern, wie spielend die Sonne auf Minuten zu verschleiern, und endlich verbargen sie ganz das Blau des Himmels, das die zahlreichen Vögel im nahen Zedernwald zu fröhlichem Gesang und Gezwitscher veranlaßt hatte.
Der unermüdliche Egloffstein unternahm eine Fußreise in der Richtung nach dem Colorado, um sich soviel wie möglich über die geographische Lage dieses Stroms zu vergewissern, während ich mit der Vogelflinte die nächste Umgebung durchstreifte, um einige Kenntnis über die auf dem Plateau eingekehrten gefiederten Wanderer zu erhalten. Ich bemerkte zuerst den kleinen Kreuzschnabel, dessen einfaches, melancholisches Flöten weithin durch den niedrigen Forst schallte; in seiner Gesellschaft beobachtete ich vielfach kleine Meisen, emsig damit beschäftigt, sich zwischen den Nadeln und Zapfen der Tannen ihr Futter zu suchen. Ferner erblickte ich den schönen westlichen Blauvogel, verschiedene Häher, dann einen reizenden Singvogel, dessen Lieblingsaufenthalt die Zedernbäume zu sein schienen, sowie auch das Rebhuhn und eine Finkenart. An Säugetieren bemerkte ich nur den großen, schwarzschwänzigen Hasen, und ich war auch so glücklich, einen derselben zu erlegen. Das Zubereiten der Vogelbälge füllte die übrige Zeit des Tages aus, und erst zur späten Abendstunde kehrte Egloffstein von seiner mühevollen, aber wenig erfolgreichen Wanderung zurück.
Das kalte, windige Wetter und der zeitweise Fall von Regen und Schnee hielten uns am 18. April fast den ganzen Tag hindurch ans Zelt gefesselt; wir zeichneten, schrieben, unterhielten uns und öffneten die Tür nur, um die abgekühlten Steine durch glühende zu ersetzen. Die Zeit schlich uns indessen nur sehr langsam dahin, und wir schätzten uns glücklich, als wir am Morgen des 19. wieder unsere Tiere bestiegen, die sich während der Ruhetage bei dem ungewöhnlich guten Futter bedeutend erholt hatten. Unser nächstes Ziel war jetzt die Ostseite der San-Franzisko-Gebirge, denn da Lieutenant Ives sich nunmehr fest für die Reise zu den Moqui-Indianern entschieden hatte, so mußten wir vor allen Dingen suchen, auf das nördliche Ufer des Colorado Chiquito zu gelangen, ein Vorhaben, das, wie wir wußten, westlich von dem Gebirge nicht bewerkstelligt werden konnte.
Wir folgten daher der südöstlichen Richtung, und kaum merklich, aber beständig niedersteigend, befanden wir uns nach einigen Stunden am Rande einer niedrigen Abstufung des Hochlands, die sich wie eine ununterbrochene Ebene von Nordwesten weithin gegen Osten ausdehnte und hin und wieder von konischen Hügeln und Felstürmen überragt wurde. Südlich von uns erstreckte sich eine Verlängerung des höhergelegenen Plateaus gegen Südosten, doch schien diese durch vulkanische Revolutionen gestört zu sein, und vielfach erblickte ich lavaartige Basaltmassen, welche die Gipfel des in Hügelform zerrissenen Hochlands bedeckten und die uns die nördliche Grenze des vulkanischen Gürtels der San Francisco und Bill Williams Mountains bezeichneten.
Am Fuße dieser Hügel nun zogen wir dahin, doch kamen wir wegen der ungünstigen Bodengestaltung nur sehr langsam vorwärts, und häufig entdeckten wir erst nach längerem Forschen zugängliche Stellen, wo wir leichter durch die Schluchten gelangen konnten, welche die Ebene in nördlicher Richtung durchschnitten. Wir reisten nahe der Wasserscheide, welche die Zuflüsse der Bill Williams Fork von denen des Colorado trennt, und ich glaubte mehrfach deutlich zu erkennen, daß einzelne Schluchten des Hochlands sich gegen Süden senkten, während dessen nördliche Abhänge die niederschlagende Feuchtigkeit durch die scheinbare Ebene dem Colorado direkt oder durch den Kleinen Colorado zusandten. Vergeblich schauten wir aber nach Anzeichen von Quellen aus, und ebensowenig entdeckten wir natürliche Zisternen, die der auf den Höhen schnell zergehende Schnee hätte anfüllen können. Der Boden war trotz der jüngsten Schneefälle trocken und dürr, kleine Zedernwaldungen zierten die Abhänge der Hügel, doch auf der Ebene standen nur vereinzelte Büsche umher und wechselten durch die Luftspiegelung scheinbar in der Ferne ihre Gestalt oder ragten, abgestorben und ihres grünen Schmucks beraubt, ähnlich riesenhaften Geweihen vorweltlicher Hirsche empor.
Gegen Mittag zogen wir quer über einen Wildpfad, der in südlicher Richtung in das Hochland hineinführte und der unbedingt zum Wasser führen mußte; eine Viertelstunde später berührten wir einen ähnlichen Pfad, der nach derselben Schlucht hinleitete und meine letzten Zweifel hinsichtlich der Nähe von Wasser vollständig beseitigte. Ich machte Lieutenant Ives auf diesen Umstand aufmerksam und bedeutete ihm, daß, nach der Bodengestaltung zu schließen und nach den Außenlinien der meinem Gedächtnis noch aus früheren Zeiten vorschwebenden Bergformen, wir uns nahe den Quellen des Partridge CreekSiehe »Tagebuch einer Reise vom Mississippi nach den Küsten der Südsee«, S. 335. befinden müßten und daß die Wildpfade wahrscheinlich zu den wasserhaltigen Stellen jenes Bachs, und wenn nicht zu diesem, so doch jedenfalls zu irgendeiner Quelle auf Whipples Route führen würden. Lieutenant Ives aber, abgeneigt, die eingeschlagene Richtung zu verlassen, äußerte eine entgegengesetzte Meinung, und selbst als wir bald darauf einen dritten, ebenfalls nach jenem Punkt hinführenden Pfad entdeckten, beharrte er auf seinem Willen.
So ritten wir denn weiter bis gegen Abend und bezogen dann in einer talähnlichen Schlucht unser Lager. Wir fanden dort ziemlich gutes Futter für die Tiere, auch reichlich Holz zu unserem Bedarf, doch das Wasser, dessen die Herde am meisten bedurfte, mangelte uns ganz, und nur durch den von dem See aus mitgenommenen Vorrat waren wir in die Lage versetzt, unsere Speisen zu bereiten.
Die Nacht war mild, und ebenso schön war auch der Morgen, der auf diese folgte; die Tiere litten sichtlich, und um so bald als möglich Wasser zu erreichen, beschleunigten wir unseren Aufbruch. Mehrere Meilen zogen wir noch am Fuße des Hochlands hin, da diese Richtung aber zu weit nördlich führte und Lieutenant Ives nicht wünschte, abermals in Beales Irrstraße zu geraten, die, wie wir wohl wußten, zwischen uns und dem Colorado Chiquito lag, so bogen wir in eine weite Schlucht ein, die tief in das Hochland hineinreichte. Diese führte uns in südlicher Richtung nach der Höhe hinauf, die sich, ähnlich der Abstufung, die wir eben verlassen hatten, wie eine Ebene nach allen Seiten ausdehnte. Nur der Charakter des Bodens war hier gänzlich verschieden von dem tiefer gelegenen und weit und breit bedeckt mit vulkanischer Asche und lavaartigen Trümmerhaufen. Gegen Südwesten erblickten wir in einer Schneehülle die San Francisco Mountains, und um diese herum reihten sich zahlreiche kleinere vulkanische Kegel, die, teils nur mit einer Grasnarbe überzogen, teils mit Nadelholz bewachsen, das Eigentümliche der schönen Landschaft hoben. Der Boden schien sich nach den Bill Williams Mountains zu sanft zu senken und trotz der vielen bergähnlichen Schwellungen eine verhältnismäßig bequeme Straße zu bieten, doch hatte ich mich vor Jahren schon davon überzeugt, daß unzählige schwer zugängliche Schluchten und Spalten diese Regionen durchkreuzten und eine Reise sogar mit Maultieren sehr erschwerten.
Ich riet daher ab, als Egloffstein sich an die Spitze des Zugs stellte, um eine BienenlinieGebräuchliche Bezeichnung in Amerika für eine gerade Linie, abgeleitet von dem geraden Flug der Bienen. nach dem Fuße der Bill Williams Mountains zu ziehen, wo Lieutenant Ives sowohl als ich die LavaquelleSiehe »Tagebuch einer Reise vom Mississippi nach den Küsten der Südsee«, S. 334. wußten, von der wir aber selbst in der geradesten Richtung noch über dreißig Meilen entfernt waren. Doch wiederum vermochte ich mit meiner Ansicht nicht durchzudringen, weil man, was gewiß verzeihlich ist, den flüchtig entworfenen Karten mehr Vertrauen schenkte als dem Gedächtnis eines Jägers und weil ein breites Aschenfeld vor uns lag, das meine Behauptung vollständig umzustoßen schien. Wir gelangten auf die Südseite des Aschenfelds, auf dem nur vereinzelte Lavablöcke hervorragten und auf dessen glattgewehter Oberfläche zahlreiche Hasen wie auf frisch gefallenem Schnee in den buntesten Linien ihre Spuren zurückgelassen hatten. Als wir dann, um die Richtung nicht zu verlieren, am Abhang eines mit Zedern bewachsenen Hügels hinaufzogen, ritt ich zu Lieutenant Ives, um ihn noch einmal zu bitten, von einem Versuch abzustehen, der den Untergang unserer halb verschmachteten Tiere herbeiführen könne, indem wir bald in ein Labyrinth von unpassierbaren Schluchten geraten würden, und daß er lieber einer direkt gegen Süden laufenden Schlucht nachfolgen möge. Doch Lieutenant Ives sowohl wie Herr von Egloffstein waren zu sehr von dem Wunsch beseelt, in möglichst gerader Richtung die Lavaquelle zu erreichen, als daß sie meinen Ratschlägen Gehör gegeben hätten, und zum größten Verdruß von Peacock, Dr. Newberry und mir behielten wir noch auf eine Viertelstunde die Gipfel der Bill-Williams-Berge als unser Ziel im Auge.
Plötzlich aber hemmte eine tiefe Schlucht mit senkrechten Wänden unser weiteres Fortschreiten, und erst nachdem wir in nordöstlicher Richtung gegen tausend Schritt am Rande derselben hingeritten waren, erreichten wir eine Stelle, an der wir mittels Äxten einen Weg durch das dichte Zederngebüsch an dem steilen Abhang abwärts zu bahnen vermochten. Nach vieler Mühe gelangten wir endlich in die trockene Schlucht hinab, und während wir noch im Ungewissen waren, welche von den dort sich vereinigenden Schluchten am meisten unseren Wünschen entsprechen würde, stießen wir unvermutet auf Beales Straße, die der Schlucht von Nordwest gegen Südwest nachlief. Es war derselbe Weg, den Beale eingeschlagen hatte, nachdem er von seiner vergeblichen Reise nach der Hochebene hinauf zurückgekehrt war, und da wir nicht daran zweifelten, daß diese Wagenstraße zum Wasser führen mußte, so bogen wir sogleich in diese ein und reisten, von der größten Not dazu gezwungen, in einer für unsere Zwecke ganz entgegengesetzten Richtung.
Obgleich die Bodengestaltung uns nun wieder begünstigte, konnten wir unsere Reise doch nicht bis zum Abend fortsetzen, indem Menschen und Tiere so vollständig ermatteten, daß einzelne derselben mehrere Meilen hinter der Spitze des langgereckten Zugs zurückblieben und sich nur noch mit Aufbietung ihrer letzten Kräfte von der Stelle zu bewegen vermochten. Wir hielten daher nach einem Tagesmarsch von zwanzig Meilen in geringer Entfernung von einer waldigen Hügelkette an und sandten sogleich unsere Mexikaner nach den Höhen hinauf, um nach Schneewasser zwischen dem Gestein umherzusuchen.
Einen traurigen Anblick gewährten unsere armen Tiere, die vor Ermattung und vor Durst gleichgültig über grasreiche Stellen hinschritten und, wie um Wasser zu suchen, sich beständig vom Lager fortdrängten; ja die Unruhe der Tiere wurde so groß, daß die meisten von ihnen, um sie an der Rückkehr zum See zu hindern, während der Nacht angepflockt werden mußten.
Es dunkelte schon, als einige auf den Höhen abgefeuerte Schüsse uns benachrichtigten, daß Wasser gefunden sei; leider war es aber keine Quelle, wie die Mexikaner anfänglich vermuteten, sondern eben nur Schneewasser, das in einer Vertiefung der Felsen zurückgeblieben war. Es reichte indessen so weit, daß einigen der durstigsten Tiere eine Schüssel Wasser verabreicht werden konnte, was in dieser mißlichen Lage von nicht geringer Wichtigkeit für uns war.
Mit dem Frühesten machten wir uns am 21. April reisefertig, denn Wasser mußten wir an diesem Tag erreichen, wenn wir nicht Gefahr laufen wollten, den größten Teil unserer Herde zu verlieren. Leider stellte es sich heraus, daß trotz der großen Wachsamkeit der Hüter einige Tiere sich davongeschlichen hatten; zwei Mexikaner wurden daher angewiesen, mit den letzten Tropfen aus den Felsvertiefungen ihre Reittiere zu tränken und dann sogleich den Flüchtlingen nachzuspüren. Die Expedition setzte sich alsdann in Marsch, und über die Hügelkette hinüberziehend, gelangten wir auf eine ziemlich ebene Fläche, aus der sich ringsum abgesonderte Berge und Kuppen erhoben, die ich auf den ersten Blick wiedererkannte und nach denen ich mich mit größter Leichtigkeit orientierte. So erblickte ich vor mir den PicachoSiehe »Tagebuch einer Reise vom Mississippi nach den Küsten der Südsee«, S. 337. mit seinen Granitformationen und schroffen Abhängen, und an der Stellung, in der sich unsere Expedition dazu befand, sowie an der Strecke, die uns von jenem hervorragenden Punkt trennte, konnte ich leicht berechnen, daß Whipples Straße sich nur etwa fünfzehn Meilen südlich von uns hinzog und daß ferner der Partridge Creek in der Entfernung von kaum fünf Meilen vor uns lag. Ich zweifelte jetzt nicht mehr daran, daß, wenn wir am 19. April den südlich laufenden Pfaden gefolgt wären, wir schon an demselben Tage oder spätestens am folgenden Morgen dasselbe Wasser erreicht hätten, zu dem uns jetzt Beales Straße führte.
Der Charakter der Umgebung allein würde mich schon an die Nähe des Weges erinnert haben, den ich im Jahre 1854 in der Expedition von Captain Whipple zurücklegte, denn überall erblickte ich die schon bekannte Abwechslung von Kalk- und Sandstein sowie die schwarzen Lavafelder, die nach allen Seiten hin von tiefen Schluchten durchkreuzt wurden. Die fast einzige Baumvegetation bildeten verkrüppelte Zedern, die sich strichweise zu schwarzen, aber lichten Waldungen zusammendrängten oder umfangreiche Strecken nur noch mit ihren verdorrten, skelettähnlichen Überresten bedeckten.
Kaum zwei Stunden waren wir geritten, als wir uns abermals am Rande einer weiten Schlucht befanden, die sich von Norden nach Süden erstreckte und in die, soweit ich wahrnehmen konnte, zahlreiche Nebenschluchten mündeten. Ich war zusammen mit Dr. Newberry und Peacock dem Zug etwas vorausgeeilt, und an geeigneter Stelle am lehmigen Ufer hinunterreitend, teilte ich meinen Gefährten eben mit, daß ich die Schlucht für das trockene Bett des Partridge Creek halte, als ich plötzlich vor mir im losen Erdreich die frischen Abdrücke eines Grauen Bären erblickte. Den Augen meiner Gefährten waren diese gleichfalls nicht entgangen, und gemeinschaftlich unternahmen wir es, denselben nachzuspüren.
Doch keine fünf Schritte hatten wir uns zu diesem Zweck vom Weg entfernt, als wir plötzlich des Bären selbst ansichtig wurden, der auf der anderen Seite in dem durch eine Nebenschlucht gebildeten Winkel auf sorglose Weise süße Pflanzen aus dem Boden rupfte. Es war ein riesenhafter Bursche, und deutlich konnten wir alle seine Bewegungen in dem verdorrten Gestrüpp verfolgen, über das sein breiter schwarzer Rücken hervorragte. Wir waren ungefähr fünfhundert Schritt von ihm entfernt, hatten also Zeit, unsere Büchsen und Revolver zu prüfen und mit neuen Zündhütchen zu versehen, worauf wir vorsichtig in die Niederung hinabritten und dann im Jagdeifer unsere matten Tiere rücksichtslos zur größten Eile antrieben.