Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++
Auszug aus Leroux' Tagebuch, betreffend den Rio Verde – Über die Richtungen der Völkerwanderungen nach Neu-Mexiko – Die Unzugänglichkeit der nördlichen Grenze von Neu-Mexiko – Die verschiedenen Arme, in die sich der Strom der Einwanderung teilte – Die mutmaßlichen Heerstraßen – Bevölkerung des nördlichen Neu-Mexiko – Zurückbleiben derselben bei der Wanderung gegen Süden – Aztekische Worte bezeichnen die Straße dieses Volkes an der Küste Kaliforniens – Wendung der Pimos gegen Süden – Beziehung dieses Stammes zu den Casas Grandes
Zum leichteren Verständnis der Ideen, die mich bei der Fortsetzung meiner Arbeit, namentlich in den zunächst folgenden Blättern, leiteten, ist es vielleicht von Wichtigkeit, daß ich hier einige Notizen aus dem Tagebuch Leroux' voranstelle.
Leroux verließ auf seiner Reise von Pueblo de los Angeles in Kalifornien nach Neu-Mexiko den Gila am 16. Mai 1854 in der Nähe der Pimo- und Coco-Maricopa-Dörfer und lagerte am 17. Mai zum erstenmal am San Francisco River (Rio Verde). Dort besuchte er die Ruinen einer alten indianischen Stadt, doch geht er nicht näher auf die Beschreibung derselben ein. An den folgenden Tagen, dem Fluß aufwärts folgend, schildert er das Land als gebirgig, dabei aber reich bewässert und bedeckt mit üppiger Gras- und Baumvegetation.
»Am 21. Mai, während wir Mittagsrast hielten« – ich benutze hier Leroux' eigene Worte –, »wurden wir überrascht durch die Schönheit einiger Ruinen, wahrscheinlich die einer alten Indianerstadt; diese befanden sich in der Mitte eines offenen Tals. Die Mauern des Hauptgebäudes, die ein langes Rechteck bilden, sind an einigen Stellen zwanzig Fuß hoch und drei Fuß dick und haben an vielen Punkten kleine Öffnungen wie eine Festung. Die Mauern waren so regelmäßig aufgeführt wie Gebäude von zivilisierten Nationen. Nach dem verwitterten Zustand der Steine zu urteilen, mögen diese Ruinen mehrere Jahrhunderte alt sein (vielleicht die einer Montezuma-Stadt). Haufen zerbrochener und versteinerter Gefäße liegen nach allen Richtungen verstreut umher.
Nahe dem Lager befinden sich die Ruinen einer anderen Indianerstadt. Diese Ruinen beweisen, daß dieses Land einst kultiviert war; wer die Bewohner waren und was aus ihnen wurde, ist schwer zu sagen. Straße hügelig, aber überall zugänglich. Gras und Wasser im Überfluß.
21. Mai: Lager am San-Franzisko-Fluß. Straße sehr hügelig, aber nicht unwegsam; reichlich Holz und Wasser. Heute überschritten wir zwei hohe Berge (à pied), die sich ausnahmen wie der Übergang über die Alpen. Unser Lager befindet sich auf einer Anhöhe in einem überaus reizenden Tal, der Fluß ist auf unserer Linken, gigantische Felsengebirge zu beiden Seiten und die Kronen hundertjähriger Bäume über uns.
22. und 23. Mai: Lager am San-Franzisko-Fluß. Straße gut; Gras reichlich und Holz sowohl wie Wasser im Überfluß. In der Nacht des 22. wurden wir von Indianern angegriffen, es waren Tontos der Yampay-Nation, doch obgleich sie eine Anzahl Pfeile ins Lager schossen, so wurde doch weder Mann noch Tier verwundet.
24. Mai: Lager an einem kleinen Bach. Wir verließen den San-Franzisko-Fluß heute morgen. Der Bach, an dem wir lagern, fließt zwischen zwei Ketten sehr steiler, felsiger Berge. Am Nachmittag überschritten wir einen 1500 Fuß hohen Berg; der Übergang wurde in zwei Stunden bewerkstelligt. Der Bach, an dem wir lagern, ist ein Zufluß des Rio San Francisco und ergießt sich von Osten in diesen. Die Straße ist ziemlich gut, das Gras reichlich, Wasser und Holz haben wir im Überfluß. Das Gebiet, über das wir zogen, ist fast ganz mit alten Ruinen bedeckt.«
So lautet Leroux' Beschreibung seiner Reise am Rio Verde. Nimmt man an, daß Leroux ganz in der Weise eines kanadischen Trappers heimkehrte, daß heißt mit größtmöglicher Schnelligkeit und zugleich, um Zeit zu sparen, in möglichst nächster Richtung, so ist es wohl kaum zu bezweifeln, daß er nur einen Teil der alten Städte und Ruinen sah, und zwar nur diejenigen, die er eben von seinem Weg aus mit den Augen zu erreichen vermochte. Als feststehend kann es aber wohl betrachtet werden, daß das Tal des Rio Verde einst die Wiege eines zahlreichen Volksstamms war, der sich im Laufe von Jahrhunderten so stark vermehrte, daß die Ländereien an diesem Fluß nicht mehr zu seinem Bedarf ausreichten und er sich deshalb anfänglich abgelegenen Quellen und Nebenflüssen (wie dem Pueblo Creek in den Aztec Mountains)Siehe »Tagebuch einer Reise vom Mississippi nach den Küsten der Südsee«, S. 348. zuwandte, dann aber, nachdem auch das nördliche Neu-Mexiko auf diesem Weg bevölkert worden war, sich weiter südlich ausgedehntere Ländereien suchte.
Ein reicher Schatz an Kenntnissen müßte mir zu Gebote stehen, wenn ich es wagen wollte, über den Charakter und die Zeitabschnitte der Völkerwanderungen zu schreiben, denen Zentralamerika einst so große und bevorzugte Nationen verdankte. Doch ist es auch nicht im entferntesten meine Absicht, den Meinungen anderer blind zu huldigen, und zwar Meinungen und Ansichten, die, in vielen, ja in den meisten Fällen von zufälligen Umständen geleitet, sich zwar bei Reisenden an Ort und Stelle bildeten, aber doch nur als oberflächliche Bemerkungen wiedergegeben wurden und deshalb ebensowenig bestimmt waren, dem wirklichen Forscher einen Anhalt zu bieten, als einer strengen Kritik unterworfen zu werden. Dadurch nun, daß ich in den Jahren 1853-1855 das nördliche Neu-Mexiko auf dem 35. Grad n. Br. forschend durchzog; ferner dadurch, daß ich von der Mündung des Colorado in den Golf von Kalifornien bis zu den Rocky Mountains (bis zum 36. Grad n. Br.) in weitem Bogen an der westlichen, nordwestlichen und nördlichen inneren Grenze von Neu-Mexiko, soweit dasselbe zugänglich war, herumreiste, glaube ich das Recht erworben zu haben, meine nach den aufmerksamsten Beobachtungen gewonnenen Ansichten über die »Richtung« der Völkerwanderungen aussprechen zu dürfen.
Ist es nun auch nicht meine Absicht, meinen vielleicht vorschnell gefaßten Meinungen übertriebene Wichtigkeit beizulegen, so unterwerfe ich sie doch willig der Kritik und füge nur noch hinzu, daß ich bei meinen Beobachtungen weniger die Traditionen der Völker im Auge behielt als die Gesetze, welche die Natur den Menschen vorschreibt; Gesetze, die abhängig sind von der Bodengestaltung sowie von der Richtung befruchtender Gewässer.
So kann ich vor allem einer unmittelbaren Einwanderung von Norden oder von Nordwesten in die nördlich vom 32. Breitengrad gelegenen Territorien oder die Länderstrecken zwischen dem Rio Colorado, dem Gila und den Rocky Mountains nicht unbedingt beipflichten. Ich beziehe mich hier auf eine Stelle in Buschmann, »Über die aztekischen Ortsnamen«, 1. Abteilung, Seite 60. Es heißt dort unter anderem: »Da in einem Bild Boturinis ein Mann in einem Boot über einen Strom setzt, so ließ Boturini die Azteken (aus Asien kommend und an der amerikanischen Küste herabziehend) über den südlichen Teil des Meerbusens von Kalifornien setzen. Clavigero sah in dem Fluß den Rio Colorado von Kalifornien; Gallatin setzt dem entgegen, daß das ganze Land zwischen diesem Fluß und der kalifornischen Gebirgskette eine unfruchtbare Wüste ist und daß die Azteken, wenn sie aus einem Land nördlich vom Gila kamen, südwärts nicht den Colorado passieren konnten.«
Ich gehe weiter und wage zu behaupten, daß die von Gallatin bezeichnete Kalifornische Wüste nicht nur ein Überschreiten des südlichen Colorado, sondern des Flusses in seiner ganzen Ausdehnung vom 36. Breitengrad bis zu seiner Mündung oder der ganzen westlichen Grenze von Neu-Mexiko unmöglich macht. Es ist wahr, ich selbst habe mehrfach unter verschiedenen Breiten sowohl den Colorado überschritten als auch die Wüste durchzogen, doch wie aus meinen Beschreibungen vielleicht zu entnehmen ist, bot die furchtbare Wüste selbst der geteilten und wohlausgerüsteten Expedition derartige Hindernisse, daß man nicht zaudert, jeden Gedanken an die Wanderung eines Volksstamms, der den Gebrauch von Lasttieren ebensowenig kannte wie die Lasttiere selbst, durch diese unwirtlichen Wildnisse sogleich aufzugeben. Nimmt man nun an, daß auf diese Weise die ganze Westseite von Neu-Mexiko einer Einwanderung verschlossen gewesen ist, so läßt sich dasselbe mit noch mehr Sicherheit von der Nordwest- und Nordgrenze, und zwar bis zu der Kette der Rocky Mountains, behaupten. Die vollständige Unzulänglichkeit jener Regionen glaube ich in den vorhergehenden Kapiteln genug beschrieben und bewiesen zu haben, und es bedarf gewiß keiner Erläuterungen mehr, die Unmöglichkeit einer Einwanderung von Nordwesten und von Norden aus den Territorien nördlich vom 36. Grad n. Br. nach Neu-Mexiko als unumstößlich fest hinzustellen.
Gleichsam als Tor, durch das zahlreiche Völkerstämme ihren Weg sowohl nach Neu-Mexiko als auch nach den südlicher gelegenen Provinzen von Anahuac gefunden haben, betrachte ich die Küste von Sonora bis hinauf an die Mündung des Rio Gila. Ich glaube demnach in dem Bild, »in dem ein Mann in einem Boot über einen Strom setzt«, den Meerbusen von Kalifornien erkennen zu dürfen, der zu jener Zeit sehr leicht bis an die Mündung des Rio Gila hinaufgereicht haben kann. Obgleich der Colorado von Kalifornien als der größte und bedeutendste Strom des Fernen Westens – und mit Recht – bezeichnet wird, so erscheint er mir, nachdem ich ihn, soweit er schiffbar ist, befahren habe, doch nicht bedeutend genug, um den Übergang eines wandernden Volkes über ihm als einen Abschnitt in dessen Zeitrechnungen gelten zu lassen; dagegen muß der Übergang über den Meerbusen von Kalifornien eine Epoche bei einem der Schiffahrt wenig kundigen Volk gebildet haben – eine Epoche, die wichtig genug war, um in hieroglyphischen Bildern der Nachwelt aufbewahrt zu werden.
Ohne die Frage, ob der Ursprung dieser Nationen in Asien zu suchen sei, berühren zu wollen, neige ich mich aufgrund der obenerwähnten Bodengestaltung zu dem von wirklichen Forschern angeregten Glauben hin, daß alle in den Provinzen von Anahuac und den weiter nördlich gelegenen Territorien eingewanderten Völker an der Küste von Kalifornien auf dem Ozean selbst oder in den diesen Staat von Nordwesten nach Südosten durchschneidenden Tälern bis auf die Halbinsel von Kalifornien gelangten. Sie waren also im strengsten Sinne des Wortes von Nordwesten gekommen. Ob sie dann auf hundertjähriger Wanderung das Hochland von Mexiko oder, nordöstlich ziehend, die jetzigen Moqui-Territorien erreichten, das änderte nichts in ihren hieroglyphischen Traditionen; sie betrachteten das ganze Land als eine zusammenhängende Scholle, auf die sie aus nordwestlicher Richtung gelangten. Ich halte dies für den Grund, daß die Abkömmlinge jener Völker – die jetzigen Pueblo-Indianer von Neu-Mexiko – noch heute bei der Frage nach ihrer Herkunft gegen Nordwesten zeigen, von wo aus oben angeführten Gründen nach menschlichen Begriffen eine Einwanderung unmöglich erscheinen muß. Auf die nördliche Richtung, die ebenfalls von anderen Stämmen als die ihrer früheren Heimat angegeben wird, werde ich weiter unten zurückzukommen Gelegenheit finden.
Die am Golf von Kalifornien ankommenden Völker wählten sich nach meinem Dafürhalten ihren Weg nach verschiedenen Richtungen hin, und zwar wandte sich ein Strom (nicht unwahrscheinlich die Tolteken, mit denen die Geschichte der mexikanischen Völkerbewegung beginnt) dem Hochland von Mexiko zu. Die größere Vollkommenheit in der Bauart der Ruinen in Chihuahua, Mexiko und Guatemala im Vergleich mit denen von Neu-Mexiko läßt wohl kaum einen Zweifel darüber aufkommen, daß die Tolteken niemals den Rio Gila und die nördlich von diesem Strom befindlichen Ländereien berührten. Da, wie Buschmann ausdrücklich angibt, »alles, was den späteren Völkern von Anahuac nützlich war – alle ihre Künste, alles, was ihre Kultur ausmachte –, von den Tolteken abgeleitet wurde«, aber in den Trümmern der alten Bauwerke in Neu-Mexiko sich kein großer Kunstsinn verrät; da ferner, wie Alexander von Humboldt nach langem und tiefem Forschen aufs bestimmteste sagt, »keine Verwandtschaft in den Sprachen des Nordens mit der aztekischen aufzufinden ist«, und Buschmann dies auf geistreiche Weise bekräftigt und erläutert, so glaube ich darin den Beweis zu finden, daß der sich südlich wendende Strom der wandernden Völker ursprünglich in keiner Beziehung zu demjenigen stand, der, dem Gila aufwärts folgend, die Provinz Neu-Mexiko so reich bevölkerte.
Bei der Frage nun, warum einzelne Stämme, an der Mündung des Colorado angekommen, dem damals wahrscheinlich noch nicht bevölkerten Tal dieses Stroms aufwärts folgten, weise ich auf meine Beschreibungen im ersten Band dieses Werkes hin, die hinlänglich dartun, daß auf den ersten zweihundert Meilen oberhalb des Gila der Colorado abschreckende Wüsten durcheilt, während die weiter nördlich gelegenen Täler nicht den Flächenraum bieten, der einer großen, Ackerbau treibenden Bevölkerung genügen könnte.
Die ältesten Erfahrungen haben gelehrt, wie der Lauf von Gewässern bei Völkerwanderungen gewöhnlich die einzuschlagende und beizubehaltende Richtung bestimmt. Zahlreiche aufeinanderfolgende, vielleicht nur kleine Stämme (ich gebrauche hier das Wort »zahlreich« mit Rücksicht auf die Sprachverschiedenheiten in Neu-Mexiko) folgten der Straße, die ihnen der Rio Gila bezeichnete. Sie gründeten Städte und kultivierten das Land, und zwar in der ganzen Ausdehnung des Tals dieses Stroms, wo nur immer der Boden sich als zu ihren Zwecken geeignet auswies.
Wie die durch stete Einwanderung doppelt schnell wachsende Bevölkerung des östlichen Amerika in dem Zeitraum von einem Jahrhundert die Zivilisation von dem Littorale des Atlantischen Ozeans bis in das Herz des großen Kontinents trug und wie jetzt die Zivilisation, den großen Strömen aufwärts folgend, sich sogar über die weiten Grasfluren bis zu den Rocky Mountains wie ein weitmaschiges Netz ausspannt – ebenso führten einst die Zuflüsse des Gila neuankommende Völker wie schon einheimisch gewordene und im Wachstum begriffene bis an die äußersten Grenzen von Neu-Mexiko, wo die Natur ihrem weiteren Vordringen einen Damm entgegenstellte.
Als die beiden Hauptheerstraßen bezeichne ich den Rio Verde und den Flußarm, der bis an seine Quellen den Namen Gila trägt. Dieselben trennen sich voneinander in der Nähe der vielfach beschriebenen Casas Grandes, welche damals wahrscheinlich die Hauptstadt und der Mittelpunkt der aus verschiedenen Ursachen schnell wachsenden Bevölkerung waren. Wie am Gila, so entstanden auch am Rio Verde volkreiche Städte, deren Bewohner bald die kleinen Täler ausfüllten und gleichsam überschwemmten, so daß Mangel an Raum fühlbar wurde.
Wie weit diese ersten Ansiedler dann ihre Forschungen nach neuen, zu Wohnsitzen geeigneten Ländereien ausdehnten, davon erhielt ich Beweise auf dem hohen Plateau in dem Winkel zwischen dem Kleinen und dem Großen Colorado. Ich fand dort nämlich ein rundes Stück Eisenschlacke von der Größe eines Hühnereis, dessen äußere Form viel Ähnlichkeit mit einem mit reichem Haar geschmückten menschlichen Kopf zeigt. Um die Ähnlichkeit zu vergrößern, sind dem eisenähnlichen Stein mittels eines scharfen Instruments (wahrscheinlich aus Stein) Augenhöhlen nebst Brauen, Nase und Mund eingeschliffen worden, so daß das kleine Gebilde jetzt lebhaft an einen indianischen Götzen erinnert.
Da ich während eines längeren Verkehrs mit den Indianern ihre Sitten, Gebräuche und Neigungen genug kennenlernte, um die Ausarbeitung des kleinen Götzen nicht den Eingeborenen neuerer Zeit zuzuschreiben, so glaube ich denselben als eine Spur jener ersten Einwanderer betrachten zu dürfen. Wie genau diese aber ihre Forschungen verfolgten, davon zeugen die Trümmer von Bauwerken halbzivilisierter Völker, wie man sie in den Aztec Mountains am Pueblo CreekSiehe »Tagebuch einer Reise vom Mississippi nach den Küsten der Südsee«, S. 348. und an vielen anderen abgelegenen Quellen und Bächen westlich vom Rio Verde findet. Merkwürdig erscheint es mir, daß ich auf meiner früheren Reise an Bill Williams Fork nicht auf dergleichen Spuren stieß, was übrigens mit dafür spricht, daß der Colorado in keine Beziehung zu jenen Nationen gebracht werden kann.
Von den Quellen des Rio Verde bis zum Colorado Chiquito ist eine Strecke von etwa drei Tagereisen. Der Weg dahin führt fast ausschließlich über vulkanischen Boden, und massive Gesteinslagen, vulkanische Asche und Lava bilden größtenteils dessen Oberfläche. Nachdem die sich immer weiter ausbreitende Bevölkerung am Rio Verde den Entschluß gefaßt hatte, im Tal des Colorado Chiquito neue Ansiedlungen zu gründen, legte sie in geeignetster Richtung eine Straße dorthin an, was freilich nur darin bestand, daß sie an wasserhaltigen Stellen der tiefen Schluchten kleine rechtwinklige Wachttürme errichtete. Auf meiner vorletzten sowie auf meiner letzten Reise stieß ich auf die Überreste von dergleichen Baulichkeiten; diese zeigten Mauern von zwei bis drei Fuß Höhe, welche einen Raum von acht Fuß Länge und sechs Fuß Breite einschlossen. Die Mauern bestanden aus fest übereinandergeschichteten Steinen, die nicht durch Mörtel oder Lehm miteinander verbunden gewesen waren, deshalb dem Einfluß der Atmosphäre nicht nachgaben und dem Zeitraum von Jahrhunderten leicht trotzen konnten. Nach den Trümmerhaufen zu urteilen, welche die auf unerschütterlichen, natürlichen Fundamenten ruhenden Mauerüberreste umgeben, mußten die Türme einst gegen sechzehn Fuß hoch emporgeragt haben.
Vorzugsweise erblickte ich diese Art von Ruinen auf der Strecke von den San Francisco Mountains zum Colorado Chiquito, wodurch ich zuerst zu der Idee einer alten Verbindungsstraße zwischen dem Rio Verde und letztgenanntem Fluß gelangte; dann aber in der geraden Richtung von der nördlichsten Biegung des Colorado Chiquito nach der Stadt Zuñi, auf diesem Weg sich aber außer den Überresten von Wachttürmen auch noch die Spuren von untergegangenen Städten befinden.
Einer der am besten erhaltenen, freilich aber sehr rohen Türme liegt etwa 40 Meilen weit östlich von den San Francisco Mountains auf dem linken Ufer einer Schlucht, die dem Kleinen Colorado zuführt; ein anderer nahe an Whipples Straße, ungefähr sechs Meilen von dem Punkt, wo sie in der Richtung von Zuñi her den Colorado Chiquito zum erstenmal berührt.
Die nächste Folge der Verbindung zwischen dem Rio Verde und dem Colorado Chiquito war, daß sich das Tal des letzteren bevölkerte, und wir erblicken an diesem Fluß von den San Francisco Mountains an, wo die tiefen, unzugänglichen Cañons und Wasserfälle beginnen, bis hinauf an seine Quellen Ruinen und Fundamente zahlreicher kleinerer und größerer Städte. Die westlichsten und zugleich bedeutendsten sind die von Captain Sitgreaves beschriebenen. Diese liegen auf hohen Felsen und sind aus Steinen aufgeführt, während die Trümmerhaufen, die sich in geringen Zwischenräumen am Fluß hinauf wiederholen, auf Bauwerke von Adebas – das sind an der Luft getrocknete Ziegel – deuten.Captain L. Sitgreaves umging die San Francisco Mountains nördlich, um an deren Südseite zu gelangen, und entdeckte zwischen dem Gebirge und dem Colorado Chiquito die Ruinen von Indianerstädten, welche teilweise noch drei Stockwerke umfaßten. Die nähere Beschreibung dieser zerfallenden Städte siehe »Tagebuch einer Reise vom Mississippi nach den Küsten der Südsee«, S. 307. Diese Verschiedenheit in der Bauart findet man über die ganze Provinz Neu-Mexiko verbreitet, und sie ist augenscheinlich von dem in der Nähe befindlichen Baumaterial abhängig gewesen, obgleich ich zugebe, daß in vielen Fällen angestammte Gewohnheit die durch Sprachen voneinander getrennten Völker auch in dieser Beziehung voneinander schied.
Nachdem nun endlich die Flußgebiete des Rio Verde und des Colorado Chiquito einerseits, des Gila und seiner zahlreichen nördlichen Zuflüsse bis an die äußersten Quellen andererseits bevölkert waren, die Bevölkerung selbst aber sich in den schmalen Tälern nach den von Wüsten begrenzten Seiten hin nicht ausbreiten konnte, so bildeten diese Flüsse gleichsam, wie oben bemerkt, Heerstraßen, auf denen neu ankommende Stämme sowie neue Generationen der schon angesiedelten so lange fortzogen, bis sie endlich herrenlose, fruchtbare Ländereien erreichten, die ihnen hinlänglich Raum zu ihren Ansiedlungen gewährten. Wenn wir stufenweise aufsteigen von Jahrhundert zu Jahrhundert bis an die Grenzen des undurchdringlichen Altertums, so finden wir in der Geschichte, daß die Natur durch ihre mannigfaltige Gestaltung die Neigungen der Völker bildete und gleichsam ihre Geschicke lenkte. Wir erkennen das an den Pyramiden bauenden Geschlechtern Ägyptens, die durch wunderbar große und massive Grabsteine ihre Leichen gegen das Verschütten durch den Wüstensand sicherten; wir finden es wieder in Kalifornien und Australien, wo der schimmernde Glanz des Goldes zu unbegreiflicher Energie anspornt. Wir dürfen es aber auch nicht verkennen bei den in Neu-Mexiko eingewanderten Völkern, die nicht durch Golddurst oder Eroberungssucht, sondern durch die friedliche Neigung zum Ackerbau geleitet und von der natürlichen Bodengestaltung und Bodenbeschaffenheit in ihren Wanderungen bestimmt wurden.
Dieselbe Neigung hat sich übrigens auch bei den Nachkommen aus jenen Zeiten, den jetzigen Bewohnern der Pueblos, bis auf den heutigen Tag erhalten, denn was ihre Vorfahren einst zum Wandern veranlaßte, das fesselt sie jetzt an den Boden, dem sie ihren Unterhalt entnehmen, und macht sie zugleich zu dem besseren Teil der gemischten neumexikanischen Bevölkerung.
Die Zuflüsse des Colorado Chiquito und des Rio Gila führten bis in die Nähe der westlichen Abhänge der Rocky Mountains und zu Gebirgspässen, durch welche die nachdrängenden Völker leicht an den Rio Grande del Norte gelangten. Begünstigt durch weite, reich bewässerte, fruchtbare Länderstrecken, bildete sich nun ein breiter Gürtel von Städten und Ansiedlungen, die wir teils noch von den Nachkommen der ersten Einwanderer eingenommen und stark bevölkert sehen, teils aber nur noch als Schutthaufen oder wohlerhaltene Ruinen wiederfinden. Vom Rio Verde, dem Kleinen Colorado und dessen Nebenfluß Rio Zuñi aus wurden zuerst die jetzt noch bewohnten Städte der Moquis, Zuñis, Acomas sowie die zahlreichen zwischen diesen verstreut umherliegenden, zerfallenden Ansiedlungen gegründet, und an diesen vorbei zog sich zunächst der Strom der Einwanderung, bis er nach kurzer Reise den Rio Grande erreichte.
Dort nun, wo der Raum nicht beschränkt war, entstanden stromaufwärts bis nach Taos (36° n. Br.) hin und stromabwärts bis über Albuquerque hinaus neue Städte, die sich größtenteils samt ihrer Bevölkerung bis auf den heutigen Tag erhalten haben. Bei dieser Wanderung gegen Süden am Rio Grande hinunter mußten sich verschiedene Völkerschaften begegnen, denn wie die Heerstraße im Norden durch die Pässe der Rocky Mountains verlängert worden war, so hatte ein anderer Zug wandernder Stämme den Rio Grande weiter südlich erreicht, vielleicht in der Richtung von der südöstlichsten Biegung des Gila nach der nicht weit entfernten westlichsten Spitze des Rio Grande hin (33° n. Br.), und sich dann ebenfalls südwärts und nordwärts ausgebreitet. Lebende und tote Spuren führen zu dieser Vermutung, und leicht erklärlich erscheint es, daß die jetzigen Bewohner der indianischen Pueblos von Neu-Mexiko die Richtung des letzten Teils ihrer Reise von Westen nach Osten und Nordosten weniger beachteten und vergaßen und in ihren Traditionen nur noch die Kunde von der großen Wanderung aus dem Nordwesten fortlebt.
Der gleiche Zustand des Verfalls nun, in dem sich die Ruinen an den als Heerstraßen bezeichneten Flüssen und in den angrenzenden Territorien befinden, deutet auf ein gleichzeitiges Aufgeben der Wohnsitze, wofür wohl unbedenklich eine allgemeine Auswanderung als Grund angegeben werden kann. Stämme wie die Moquis, Zuñis und mehrere andere, außer denen an den Ufern des Rio Grande, nahmen nicht teil an dieser Bewegung. Waren sie nun zu streng geschieden durch Sitten, Sprache und Gebräuche; befanden sich ihre Wohnsitze zu abgelegen; waren ihnen Eroberungsgelüste fremd oder begnügten sie sich als friedliebende Menschen mit dem, was ihnen die fruchtbaren Niederungen boten – genug, sie blieben zurück und sind dieselben Stämme, von denen Buschmann vorsichtig sagt: »Wenn man die Zivilisation betrachtet, die auf mehreren Punkten der Nordwestküste Amerikas, am Moqui und an den Ufern des Gila herrscht, so würde man (ich wage es hier zu wiederholen) versucht sein zu glauben, daß bei der Wanderung der Tolteken, Akolhuer und Azteken mehrere Stämme sich von der großen Masse des Volks getrennt hätten, um sich in diesen nördlichen Gegenden festzusetzen.« Buschmann fährt fort: »Von dieser Zivilisation sagt Gallatin: ›Es war viel weiter nördlich, im Tal des Rio del Norte, vom 31. bis zum 38. Grad und in einem Teil wenigstens des Landes, das vom Großen Colorado des Westens entwässert wird, wo Indianer gefunden wurden, die, obgleich siebenhundert Meilen von den Mexikanern entfernt und getrennt durch wilde Nationen, einen Grad von Zivilisation erreicht hatten, der fast in jeder Beziehung hinter dem von Mexiko und Guatemala zurückstand, doch bei weitem den aller anderen eingeborenen Stämme von Nordamerika übertraf.‹«
Unstreitig bezieht sich Gallatin hier auf die Shipap-Indianer, deren Pueblo weit nördlich von Taos liegt, mithin die nördlichste aller Indianerstädte ist; unter den Stämmen der Territorien des Colorado können nur die Moquis und Zuñis gemeint sein.
Die Strecke von siebenhundert Meilen, die die eben genannten Stämme von den Mexikanern trennte, war aber einst, wie wir jetzt genau wissen, reich bevölkert, reicher, als man es beim Hinblick auf den Umfang der Ruinen ihrer Städte glauben sollte, denn damals wie noch jetzt reihten sich die Wohnungen terrassenförmig übereinander, und eine unglaublich große Seelenzahl beschränkte sich auf einen verhältnismäßig kleinen Raum, was wir an den noch bewohnten Pueblos bestätigt finden. Die wilden Indianerhorden, von denen es heißt, daß sie die im Norden lebenden halbzivilisierten Völker von den Mexikanern trennten, breiteten sich erst über jene Gegenden aus, nachdem das Volk, das diese so lange bewohnte, fortgewandert war und das einst blühende Land wieder den Charakter einer öden Wildnis angenommen hatte.
Die Auswanderung aus den Territorien zwischen dem Gila, dem Großen Colorado, dem Colorado Chiquito und den Rocky Mountains wandte sich gegen Süden. Ob nun getrieben von Eroberungssucht oder von dem Wunsch, in den Besitz zusammenhängender fruchtbarer Ländereien zu gelangen, vermag ich nicht zu entscheiden; unstreitig stießen sie aber auf ihrer Wanderung auf Nationen, die sie hinsichtlich der Kultur und der Baukunst weit überragten.
Doch die Neigungen der damals schon gewiß sehr bedeutenden Einwohnerzahl von Anahuac teilend, lernten sie von ihnen; und mochten sie nun als Unterdrücker oder als heimatlose Fremdlinge dort angekommen sein – sie schwangen sich zu der Stufe, auf der die Tolteken standen, empor und vergaßen im Verkehr mit den ihnen geistig überlegenen Menschen ihre eigenen Muttersprachen.Als besten Beweis dafür, wie wenig Zeit erforderlich ist, um bei einwandernden Völkern die letzte Spur der Muttersprache zu ersticken, führe ich die in Amerika sich niederlassenden Deutschen an: Wo Deutsche dicht zusammengedrängt beieinander leben und teilweise die angelsächsische Bevölkerung an Zahl weit überragen, da erhält sich freilich das deutsche Element länger; wo aber beide Nationen zu gleichen Teilen untereinander vermischt sind, da vergessen die eingewanderten Kinder schon nach wenigen Jahren ihre Muttersprache, während die unter solchen Verhältnissen geborenen Kinder deutscher Eltern diese sogar nie lernen und in vielen Fällen wenn sie erwachsen sind, sich augenscheinlich ihrer Abstammung schämen und sorgfältig alles vermeiden, was ihre Herkunft verraten könnte.
Es bleibt mir noch übrig, die hier – vielleicht übereilt – ausgesprochenen Ansichten mit der Annahme der »Einwanderung in Anahuac von Norden her« in Einklang zu bringen. Buschmann berührt in seinem vortrefflichen Werk diesen Gegenstand auf folgende Weise: »Mehrere Jahrhunderte nach den Tolteken (deren Blüte Prescott auf vierhundert Jahre rechnet) wanderten in kurzen Zwischenräumen nacheinander eine ganze Anzahl von Völkerstämmen aus Norden in Anahuac ein, zwischen denen wir einen Zusammenhang suchen können und großteils überliefert erhalten haben. Gallatin setzt sie sogar mit den Tolteken in nächste Verbindung. Er stellt die Vermutungen auf, die Azteken, Akolhuer usw. würden Kolonien der Tolteken gewesen sein oder ein zurückgebliebener Teil derselben, nachdem die große Masse nach Anahuac gezogen war, oder endlich eine Ausdehnung der Tolteken, vielleicht der nördlichste Teil jener Monarchie.« – In diesen letzteren Fällen würde das »Vergessen der Muttersprache« allerdings nicht nötig gewesen sein, doch wäre es dann unerklärlich, daß bei den Moquis, den Zuñis den Acomas und den Stämmen am Rio Grande keine Worte ihrer früheren Nachbarn, mit denen sie in stetem Verkehr leben mußten, haften geblieben sind.
Da nun weder die Tolteken, Azteken noch andere in Anahuac einwandernde Völker von Nordwesten oder Norden her in Neu-Mexiko eingedrungen sein können, ja ich gehe noch weiter, indem ich wiederhole: da die Tolteken und Azteken sich nie am Rio Gila oder nördlich von diesem Strom befanden, so kann es nicht befremden, daß wir vergeblich nach zurückgebliebenen mexikanischen Worten in diesen Gegenden suchen. Leichter denkbar wäre es, daß von den am Gila, am Rio Verde, am Colorado Chiquito und an deren Zuflüssen erstarkten Völkern einzelne Bezeichnungen der Moquis, Zuñis, Acomas und anderer westlich von den Rocky Mountains noch bewohnten Pueblos nach dem Süden getragen worden wären.
Daß die ersten in Anahuac (also aus Nordwesten) einwandernden Nationen auf der Reise Proben ihrer Sprache aussäten, die jetzt schwach die Richtung ihrer Straße bezeichnen, scheint mir dadurch erwiesen, daß Prescott sagt: »In den nordwestlichen Distrikten Neu-Spaniens, tausend Meilen von der Hauptstadt entfernt, sind Dialekte entdeckt worden, die eine innige Verwandtschaft mit der mexikanischen Sprache zeigen; und zwar in der Provinz Sonora am Kalifornischen Meerbusen«, also in Gegenden, die ich als Eingangstor der gegen Südosten und gegen Norden wandernden Völker bezeichnet habe.
Ferner bemerkt Alexander v. Humboldt, wie er »bei einer genauen Prüfung der im Nutka-Sund und zu Monterey aufgenommenen Wortsammlungen verwundert gewesen sei über das Zusammentreffen der Laute und die dem Mexikanischen ähnlichen Endungen mehrerer Wörter«.
Ich gehe über zu den Eingeborenen, die wir jetzt am Gila sowie am Colorado wiederfinden. Mit der Auswanderung der neumexikanischen Stämme scheint die Einwanderung ebendaselbst keineswegs ihr Ende erreicht zu haben, denn wir erblicken in den Tälern beider Flüsse die große und weitverzweigte Nation der Yumas, zu denen ich (nach Whipple) die im ersten Teil dieses Werkes vielfach erwähnten Mohaves, Cuchans, Coco-Maricopas und Diegeños zähle. Diese Nation, obgleich ebenfalls zum Ackerbau sich hinneigend, befand sich auf einer niedrigeren Stufe der Kultur als alle ihre Vorgänger und schloß zugleich die Einwanderung aus dem Nordwesten. Ein kleiner Teil wandte sich von der Mündung des Colorado stromaufwärts und wuchs zu der jetzt dort lebenden, zahlreichen Bevölkerung heran, während ein anderer Teil am Gila hinauf der durch Trümmer bezeichneten alten Straße folgte. Da sowohl den Stämmen am Colorado als denen am Gila das Beispiel eines anstrebenden, energischen Nachbarn fehlte, so blieben sie Jahrhunderte hindurch unverändert auf derselben Stufe, und es lassen sich daher die ältesten Beschreibungen der forschenden spanischen Missionare noch heutigentags auf diese anwenden.
Außer diesen Eingeborenen befinden sich am Gila in der Nähe der Casas Grandes die Pimos und die Cocopas – zwei Stämme, die nicht nur in steter Feindschaft mit den zuletzt eingewanderten Yumas leben, sondern auch in Sprache, Sitten und Gebräuchen sich streng von ihnen unterscheiden. Buschmann sagt von ihnen: »Die Pimos sind alte Bewohner; ihre Tradition verkündet, daß sie von Norden kamen. Die Coco-Maricopas wollen von Westen gekommen sein, . . . diese drei Stämme (die Nijoras, Yumas und Coco-Maricopas) sind friedlich und bilden einen Gegensatz zu den nördlicheren wilden Völkern.« Kamen nun wirklich die Pimos von Norden, so sind sie wahrscheinlich bei der allgemeinen Wanderung gegen Süden am Gila zurückgeblieben und nahmen in diesem Fall Besitz von den verlassenen Casas Grandes sowie anderen, etwas nördlicher gelegenen Städten. Diese Ortschaften nun halte ich für die, welche Marco de Nica im Jahre 1539 auf seiner Forschungsreise nach dem Königreich Cibola (Zuñi?) berührte und mit Übertreibung beschreibt. Die Strecke zwischen dem Tal des Gila und dem des Zuñi war nach jenen Beschreibungen damals schon nicht mehr bewohnt, doch werden die Ruinen nicht erwähnt, die heutigentags noch auf eine frühe und sehr zahlreiche Bevölkerung schließen lassen.
Die Vorfahren der jetzigen Pimos halte ich nicht unbedingt für die Erbauer der Casas Grandes, obgleich ich zugebe, daß sie diese nach ihrer Rückkehr aus dem Norden längere Zeit bewohnt und in baulichem Zustand erhalten haben mögen, infolgedessen wir diese Bauwerke trotz der Lehmmauern noch so wohlerhalten finden. Die Feindseligkeiten indessen, die beständig zwischen den Pimos und den Cocopas einerseits und den Yuma-Stämmen andererseits fortdauerten und sogar zunahmen, ließen eine Vermehrung dieser Stämme nicht zu, und die zeitweiligen Bewohner der Casas Grandes, nunmehr wieder das Beispiel und die Aufmunterung energischer Nachbarn entbehrend, sanken in die ihrem Stamm eigentümliche Trägheit zurück. Sie verließen die Wohnsitze, deren Erhaltung ihnen zuviel Arbeit und Mühe verursachte, und begnügten sich gleich den ihnen feindlichen Stämmen mit kleinen ärmlichen Hütten und soviel Bodenerzeugnissen, wie zu ihrem Lebensunterhalt nötig waren.
So sehen wir denn jetzt in den Pimos einen Volksstamm vor uns, der, betriebsamer als irgendeine eingeborene Nation östlich der Rocky Mountains, doch ebensowenig wie diese über seine Vergangenheit Kunde zu geben vermag und dessen Traditionen unklar und unbestimmt in ein nicht zu entzifferndes Gewirr zusammenfallen.
Dies nun sind meine Ideen über die frühen Einwanderungen in Neu-Mexiko und in die südlicheren Provinzen; diese bildeten sich während meiner Reisen in jenen Regionen. Ich würde es nicht gewagt haben, auf den Versuch einer Darlegung derselben einzugehen; da ich aber von vornherein nach fester Überzeugung und in den bestimmtesten Ausdrücken eine Einwanderung in Neu-Mexiko von Norden und Nordwesten her als eine Unmöglichkeit bezeichnen mußte, so glaubte ich zugleich die Verpflichtung übernommen zu haben, auf die Wahrscheinlichkeit der Einwanderung aus einer anderen bestimmten Richtung und an einem bestimmten Punkt aufmerksam zu machen und zugleich die an Ort und Stelle gewonnenen Eindrücke zu verteidigen. Wenn ich in dieser Absicht von Vorgängen, über denen ein undurchdringliches Dunkel ruht, wie von unbestrittenen Tatsachen sprach, so geschah dies nur, um die eigenen Meinungen klar hinzustellen und willig und gern diese einer strengen Kritik und einem gerechten Tadel zu unterwerfen.
Es ist vielleicht von Interesse – wenn auch an sich unerheblich –, wenn ich darzulegen versuche, wie die Reisenden der Wildnis bei der Wahl der Richtung von einem übereinstimmenden Gefühl, ich möchte fast sagen gleichen Instinkt geleitet werden. Ich hatte vielfach Gelegenheit, dies in früheren Jahren zu beobachten, als ich heimat- und obdachlos, aber unabhängig, mit indianischen Freunden und Gefährten die weiten Grasfluren Missouris durchstreifte und so weit gelangt war, daß sich meine Neigungen nur noch wenig von denen der eingeborenen Jäger unterschieden. Wo wir auch immer waren – ein Zweifel oder ein Streit über die einzuschlagende Richtung entstand nie, und als wenn wir von denselben Gefühlen geleitet wären, zogen wir gemeinschaftlich dahin, selbst auch dann, wenn die Steppe wie ein Ozean vor uns lag und weder Baum noch Strauch uns freundlich aus der Ferne winkte.
Auf meiner letzten Reise, besonders aber wenn ich mich in der Nähe von alten Heerstraßen zu befinden glaubte, versetzte ich mich in Gedanken zurück in die Lage eines planlos umherstreifenden Wanderers und blickte nach der Richtung hin, die ich in solchem Fall eingeschlagen hätte. »Ein wanderndes Volk, das eine Heimat suchte, kann nur dorthin gezogen sein«, war der nächste Gedanke, und häufig fand ich meine Ansicht durch die deutlichen Spuren untergegangener Ortschaften bestätigt. Ließ ich mich durch dieses instinktähnliche Gefühl auch nicht in der Bildung meines Ideengangs bestimmen, so diente es doch dazu, mich gleichsam von Station zu Station zu führen, und es entstand allmählich vor meiner Seele das Bild, das ich in diesem Kapitel zu schildern versuchte.