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Im Plösser Wirtshaus, einem bekannten Einkehr-Gasthof an der alten Reichsstraße zwischen Böhmen und Bayern zu Plöß, war am 28. Februar 1892 Unruhe und geschäftiges Treiben. Nicht etwa, weil viele Gäste eingetroffen wären; ein neuer Erdenbürger wollte in die Welt, Frau Maria Multerer, eine geborene Größl aus Altbrennet, lag im Wochenbett.
Der Gastwirt Franz Multerer mochte wohl manchen Schluck getan haben, um seine Unruhe zu
bannen. Dann war der Sohn endlich da und tat seine ersten Schreie. Er sollte Hans Multerer heißen. Und so begann ein bedeutungsvolles Mannesleben.
Der Vater, den man Franzenbauer Franz nannte, entstammte den Heuhöfer Kameralen Multerer (Weberbauern geheißen). Er war bis ins hohe Alter von 80 Jahren rastlos tätig. Die Mutter des Hans Multerer war eine Schwester jenes Wenzel GrößI, der im Reichstag und im Landtag der Osterreich-Ungarischen Monarchie Abgeordneter war und sich für den Böhmerwald hohe Verdienste erwarb. Er war Ehrenbürger u. a. von Budweis und Chudiwa.
Der Großvater Hans Multerers, Michel GrößI, baute schon um 1880 nahe der Bayerischen Grenze einen Aussiedlerhof und führte eine selbständige Flurbereinigung durch. Hans Multerer sang schon als kleiner Bub gerne mit seiner Schwester, wenn die dazu die Zither schlug. Diese Schwester war später Fockenwirtin zu Neuern. Der Vater schickte den Buben nach Rothenbaum zur Schule. Das darum, weil dort die angesehenen Erzieher aus der Familie Klima wirkten. Der erste Lehrer Hans Multerers war aber Josef Blau, der große Heimatforscher des Böhmerwalds. Er hat manchen Streich des Hans schriftlich festgehalten. Zur Weiterbildung kam Hans nach Budweis, das Abitur legte er in Prag ab. Dort wohnte er in der Torgasse, nahe dem »Neuen Deutschen Theater«. Er trat als Statist auf, das Theater nahm ihn gefangen. Julius Patzak schätzte Hans Multerer seit dieser Zeit.
Dann ging Hans Multerer nach Wien. Bodenkultur war der Inhalt seiner Studien an der Universität. 1913 musste er nach Graz zum Infanterieregiment Nr. 27, Wochen später nach Josefstadt in Böhmen zum Inf.-Reg. 98. Der erste Weltkrieg brach aus. Hans Multerer ging in den ersten Septembertagen als Korporal ins Feld. Er wurde verwundet, zum Fähnrich befördert, heilte seine Wunden in der Heimat aus. Wieder ist er im Feld, geriet in russische Gefangenschaft, floh, wird wieder schwer verwundet und aus den Karpaten nach Wien ins Lazarett gebracht. Auf zwei Krücken bewegt er sich dann in Neuern. Mitte 1915 geht er mit seinem Regiment 98 als Leutnant nach Süddalmatien, dort holt er sich die Malaria. 1916 kämpft Hans in Russland, dann zieht ihn die 11. Isonzoschlacht in ihren Sturm, das Militärverdienstkreuz bestätigte seine Tapferkeit. Die Monarchie zerbrach, die großen Güter wurden in der Tschechoslowakei zerstückelt. Was sollte das Studium der Bodenkultur? Hans wurde nach einem entsprechenden Studium Bibliothekar. Als solcher kam er nach Aussig, dann nach Brünn und Nikolsburg. Hans beginnt in dieser Zeit zu schreiben. Beim Deutschen Schulverein in Wien findet Hans schließlich eine Anstellung. Er leitet hier Hochschüler-Reisen ins Baltikum, nach Finnland, Deutschland und durch Osterreich.
Er begegnet der Tochter des Baumeisters Fremuth aus Neuern. Mimi wird seine Frau.
Am Anfang der dreißiger Jahre kehrt Hans Multerer in die Heimat zurück. Er wird freier Schriftsteller. Bekanntestes Werk aus dieser Zeit ist »Das Leben und Sterben«, die Geschichte eines Böhmerwaldbauern. Dieses Drama wurde in Mannheim, Kiel, St. Gallen und Prag aufgeführt. In Mannheim wirkte Willi Birgel mit.
Ein Roman »Der himmelblaue Wagen« brachte Erfolg. Geschichten und andere literarische Arbeiten erschienen in verschiedenen Zeitschriften. Hans Multerer gründete eine Laienspielschar. Mit ihr spielte er auf der Waldbühne in Neuern, unternahm aber auch Gastspielreisen nach Prag, Eger, Karlsbad, Teplitz, Saaz, Komotau, Reichenberg, Troppau, Brünn, Neubistritz usw.
Viele Hörspiele von Hans Multerer wurden in dem Deutschen Sender Prag/Melnik ausgestrahlt. Sie befassten sich meist mit dem Leben der Böhmerwäldler. Immer wieder setzte sich Multerer für ein friedliches Zusammenleben der Deutschen und Tschechen ein. Er fürchtete die Auseinanderreißung Böhmens, die Entstehung neuen Hasses. Er wusste, dass Hass meist von oben her gesät wurde.
Dann war der Anschluss des Sudetenlandes an das Reich. Hans Multerer verlor seine Arbeitsstätte am Prager Rundfunk. Im Bayerischen Rundfunk fanden seine »Bauernpredigten« neuen Anklang. In Furth i. Wald, Neumarkt und anderwärts spielte er wieder mit einer neuen Laienspielschar, so auch den »Bayerischen Hiasl«, »Maier Helmbrecht« und verschiedene Märchenspiele.
Dann traf ihn der Beginn des zweiten Weltkriegs schwer. Er wurde zur Schutzpolizei einberufen, kam nach Leslau in Polen. Bitter klagte er über die falsche Behandlung der dortigen Bevölkerung. Bald wurde er nach Regensburg versetzt. Dort fühlte er sich wohl. Manches Gedicht entstand, manche Erzählung. Wieder eine Versetzung: Nürnberg. Dort wurde Hans Multerer krank. Es folgte ein Kuraufenthalt im Glatzer Bergland. Aber gesundheitlich angeschlagen kehrt er in seine Heimat zurück, beurlaubt lebt er in seinem Elternhaus in Neuern.
Der Krieg ging zu Ende. Die Amerikaner beschossen Neuern. Eine Granate schlug vor seinem Zimmer in der Reichsstraße ein. Wenzel Wallisch starb in diesen Tagen. Hans Multerers Gesundheitszustand verschlechterte sich zusehends. Er sah wohl den Untergang der Heimat. Allein, völlig vereinsamt starb er am 12. Juni 1945. Auf dem Friedhof in St. Thomas bei Neuern liegt er begraben. Sein Wunsch ging in Erfüllung: »Möcht in dir begrobn werden, Hoamaterdn Böhmerwold.«
Die Vertreibung blieb ihm erspart. Der »Plößer Wirtsbub« hat sein Lebtag seine Art nicht verleugnet, er kannte keinen Hochmut. Frieden wollte er stiften.