David Christie Murray
Der Bischof in Not
David Christie Murray

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Einleitung.

Ob mich wohl mein Freund, der Verleger, dadurch zu Danke verpflichten wird, daß er die Lärmtrommel für mich schlägt?

Im voraus besten Dank, mein Herr!

Meine Damen und meine Herren! Ich bitte ergebenst um Ihre freundliche Aufmerksamkeit. Das Ziel meiner Reise ist Balsora, und das ist, wie alle Welt weiß, die Heimat der Abenteuer. In Balsora kann alles vorkommen. Dort sind die Damen so schön, daß man sich auf den ersten Blick in sie verliebt, und so überaus gütig und treu, daß kein wahrer Liebender vergeblich seufzt. Abenteuer gibt es in jeder Ecke dieser staunenswerten Stadt, und ich bin in alle Geheimnisse der Abenteurer eingeweiht. Balsora ist der Ort, wo die Tugend stets belohnt und das Laster unfehlbar bestraft wird; in Balsora braucht man nur ein kühnes und ehrliches Herz zu haben, und die Tochter des Großveziers ist ohne Zögern bereit, mit einem zur Moschee zu gehen und einen großen Beutel der prachtvollsten Edelsteine nebst einer langen Karawane von Kamelen mitzubringen, die alle mit blanken Zechinen beladen sind. In Balsora gibt es die abgefeimteste Art von Schurken; aber ihre Ränke enden mit Niederlagen, und sie sind nur da, um zur Freude und Erbauung der Guten Prügel zu bekommen. Nirgends gibt es ein gleich grausames und erbarmungsloses Volk als in Balsora, nirgends ein sanfteres und edelmütigeres. Die Mütter der ganzen Welt beten die Kinder von Balsora an, deren unschuldiger Reiz über alles Lob erhaben ist, und die Männer der Stadt haben die Gabe »des schönen Lachens voll offener Fröhlichkeit und liebenswürdigen Spottes«, dessen Seltenheit bei den Völkern unsrer Zeit so tief vom französischen Dichter beklagt worden ist.

Meine Damen und meine Herren! Sie sehen diesen Teppichstreifen, den ich Ihnen zur Besichtigung hinhalte. Obgleich gegenwärtig von sehr geringen Abmessungen, hat er doch wunderbare Eigenschaften, denn er ist nichts andres, als der echte fliegende Teppich, mit dessen Hilfe sich sein Besitzer an jeden beliebigen Ort versetzen kann. Auch Freunde und Bekannte, die den Mann begleiten wollen, darf er mitnehmen. Wie jeder andre Müßiggänger, meine lieben Freunde, muß auch ich von meinem Geschäfte leben, aber der Preis für einen Platz auf dem fliegenden Teppich ist gering, und es ist Raum genug für alle vorhanden.

Also einsteigen nach Balsora, Balsora, Balsora! Wer will mit nach Balsora?

Keineswegs, mein verehrter Herr! Ich bin weder so einfältig, noch so undankbar, auch nur einen Augenblick zu behaupten, daß es nicht noch mehr Teppiche in der Welt gäbe, indes viele ihrer Besitzer haben in der letzten Zeit ihre Reisen nach Balsora eingestellt, zum Beispiel Sie selbst. Sie sind so gütig, mir eine Fahrt auf eine hohe Bergspitze anzubieten; allein ich muß danken, denn ich gehe nach Balsora. Und Sie auch, mein Herr. Für manche genußreiche Reise in Ihrer Gesellschaft bin ich Ihnen dankbar, dessen dürfen Sie sich versichert halten. Wenn unser Weg derselbe ist, kenne ich keinen besseren Zauberer zum Wandergenossen; aber in der letzten Zeit wollen mir die Orte, die Sie aufgesucht haben, nicht gefallen, ebensowenig die Kameraden, denen Sie mich dort vorgestellt haben. Mit aller Freundlichkeit, aber auch mit aller Festigkeit muß ich es aussprechen, ich will nicht nach Christminster gehen. Mein Ziel ist Balsora. Und Sie, verehrungswürdiger Freund! Ihr weiches Haar und ihr Bart und Ihre etwas zornig blickende Brille kommen mir bekannt vor. Hochschätzbare Rose von Norwegen, Sie haben keinen Paß für Balsora und das ist mein Ziel.

Was? Sind wir alle beisammen? Alle Reisenden für Balsora? Mein lustiger Gentleman von Frankreich, heben Sie mir einen Platz für Ihre nächste Reise auf; und Sie, Freund Sherlock, Sie sollen keine Fahrt mehr ohne mich machen. Holla! Meine offizielle Frau! Keine Botschaft für Mr. Barnes von New Jork, Sie, reizende Miß Niemand? Und ihr würdigen Frauen, Mrs. Lecks und Mrs. Aleshine, wann wollt ihr die Schwimmgürtel wieder anlegen und majestätisch gen Balsora schweben, um der Schwiegermutter eure schnurrige Geschichte zu erzählen? Gott sei mit euch!

Beim Himmel, meine Herren, Sie machen mich stolz auf mein Geschäft!

Aber ich muß auch darauf passen. Wollen Sie so gefällig sein, meine Damen und meine Herren, auf den Teppich zu treten? Platz ist für alle. Euer Gnaden werden nicht vom Schornsteinfeger rußig und vom Bäcker weiß gemacht werden Es ist hinlänglich Raum vorhanden und ein Coups erster Klasse für jeden Teilnehmer an unsrem Ausflug bereit gestellt

Zum letztenmal, liebe Freunde! Balsora! Wer will mit nach Balsora?

Vorwärts!

*

Wie ihr seht, sind wir im Londoner Teil der großen Stadt der Abenteuer, die, wie ich euch erklären muß, eine getreue Nachbildung jeder Stadt, jedes Fleckens und jedes Dorfes der bewohnten Erde enthält. Wir gehen die Straße hinab, die Regent Street genannt wird, und es ist halb drei Uhr an einem Sommernachmittag.

Seht ihr, der Fahrdamm ist voll Wagen und die Bürgersteige gedrängt voll von Fußgängern, denn die Saison hat ihren Höhepunkt erreicht.

In der ganzen Menge ist nicht ein einziger Mann, keine Frau und kein Kind, die nicht einen Faden hinter sich herschleppten. Diese Faden sind von den verschiedenartigsten Stoffen, allen möglichen Farben und ganz ungleich an Stärke. Einige sind von Gold und doch so leicht wie Sommerfaden, andre von Hanf und sehr schwer. Manche sind von Eisen und gewichtig, oder leicht, je nach dem Charakter der Träger. Die einzelnen Menschen, die die Menge bilden, winden sich ein und aus, trage und geschäftige, vornehme und geringe, grausame und gütige, schöne, häßliche, reiche und arme, wechselnd, immer wechselnd, und doch bleibt das Bild für kurze Zeit dasselbe.

Die Fäden werden, wie ihr wißt, jedem Hans und jedem Gretchen schon in der Wiege angehängt, und immer schleppen sie sie nach, bis sie am Rande des Grabes abreißen. Diese Faden verweben sich unaufhörlich zu einem Muster, und auch mein Teppich ist aus ihnen gewoben.

Wem sollen wir folgen? Natürlich den Leuten, die die beste Geschichte haben. Ich für meine Person wähle dort den Mann mit den gefärbten Haaren, Augenbrauen und Schnurrbart, der einen Hanfstrick hinter sich herzieht. Auch den jungen Herrn mit dem vielfarbigen Seidenfaden nehme ich mit, denn ich kenne ihn als treuen Liebhaber; ebenso das hübsche Mädchen mit dem nachschleifenden Goldfaden, vor allem aber den Bischof von Stockestithe im Priesterhut und mit der Schürze,Die höheren Geistlichen der englischen Kirche tragen zu ihrem gewöhnlichen Anzuge eine kleine weiße Schürze, die der der Freimaurer in der Loge gleicht. Anmerk. d. Uebers. und den schrecklichen Strolch, seht ihr ihn? mit seinem unglaublichen, von einem Düngerhaufen aufgelesenen Hute und dem Faden von versengtem Packseil.

Sie alle wandeln verschiedene Wege, aber ihre Fäden verwickeln sich und fangen an, sich zu einem Muster zu verweben, das gewiß seltsam werden wird.


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