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Die konservativste Stadt nicht nur Italiens, sondern Europas, war Venedig. Venedig fühlte sich als Tochterstadt von Byzanz. Im Orient ruhte seine Macht. Orientalisch waren die Sitten. Das Haremsleben der Frauen, der Sklavenhandel und die Tracht – es ist ein Stück Orient auf abendländischer Erde. Auch die Staatsverfassung, obwohl dem Namen nach Republik, war byzantinisch. Denn in Wahrheit lag die Macht in den Händen weniger alt-aristokratischer Geschlechter. Diese waren wie in ihren sonstigen Anschauungen auch in der Kunst konservativ. Die feierliche Würde und strenge Erhabenheit byzantinischen Stils, seine Gebundenheit an feste überlieferte Formen entsprach der konservativen Gesinnung weit mehr als eine Kunst, die nach Neuem suchte. Das Alte war gut. Quieta non movere.
Aber auch die Farbenpracht, der glitzernde Glanz byzantinischer Malerei kam dem Geschmack entgegen. Die zauberische Lage Venedigs zwischen See und Land, dazu die bunten, glitzernden Dinge, die aus dem Orient herüberkamen, persische Teppiche, mildleuchtende Edelsteine und funkelnde Goldgeschmeide – das alles hatte das Auge des Venetianers an stärkste Farbenwirkungen gewöhnt. Mit buntem Marmor sind die Wände des Markusdomes bekleidet, mit glanzvollen Mosaiken alle Wölbungen geziert. Dieser feierliche Goldglanz, die strenge Pracht der Mosaiken von San Marco galt noch dem 15. Jahrhundert als höchstes Ideal. Dieselbe Farbenpracht, wie sie die musivische Malerei erreichte, wurde vom Tafelbild verlangt. Man forderte große, farbige Wirkung, goldschimmernden juwelenartigen Glanz, ernste vom Rankenwerk üppiger Ornamente umgebene Gestalten, die feierlich aus geheimnisvollem Goldgrund aufleuchten. Solche Wirkungen vermochte nur die byzantinische Malerei zu erzielen. Nur sie kam in ihrem starren Ceremoniell der konservativen Gesinnung, nur sie in ihrer leuchtenden Farbenpracht dem künstlerischen Geschmack des Venetianers entgegen.
Jacopo del Fiore und Michele Giambono waren noch im 15. Jahrhundert echte Vertreter dieses Stils. Goldstarrende Heilige, hagere, schwer umrissene Gestalten stehen auf ihren Bildern inmitten einer barbarischen Architektur von greller betäubender Pracht. Archimandriten und Patriarchen mit langen, weißen Bärten, richterlich streng, heben die goldbekleideten Arme empor, um die im Staube knieende Gemeinde zu segnen. Noch um 1430 lebte in einer Stadt Italiens der kalt erhabene Geist des Byzantinismus, jene grauenhaft leere und doch so gewaltige Kunst, die in ihrer finsteren Starrheit das ganze Machtbewußtsein der alten, großen mittelalterlichen Kirche spiegelt. Noch um 1430 entstehen Bilder, die nicht ahnen lassen, daß zwei Jahrhunderte vorher schon Franziskus von Assisi gepredigt.
Aber nicht der Byzantinismus allein, auch die Mystik fand im 15. Jahrhundert noch eine duftige Nachblüte. Eine Reihe von Meistern tritt auf, die jene mystische Vision eines Himmels auf Erden, die einst Duccio, Lorenzetti und Wynrich gehabt, fast noch zarter und holdseliger malen, als jene älteren mit ihrer mangelhaften Technik es vermochten. In gewissem Sinn folgen diese Meister schon dem neuen Zeitgeist. Im Gegensatz zum Trecento, dem Jahrhundert der Bettelmönche, schwelgen sie im glitzernden Glanz dieser Welt. Was die Reichen der Erde freut, die zierlichen Erzeugnisse der Goldschmiedekunst, Perlen und Kleinodien, wird auch den Himmlischen als Schmuck verliehen. Namentlich die Anbetung der Könige wird ein beliebtes Thema, weil sie Gelegenheit giebt, zugleich Biblisches und irdischen Prunk, verehrende Demut und den Glanz höfischen Lebens zu schildern. Auch in der Landschaft gehen sie über ihre Vorgänger hinaus. Rosenhecken, blumenbesäte Wiesen und bunte Vögel, die im Rankenwerk singen, sollen die Paradiesesstimmung der Bilder steigern. Sogar mit den technischen Kunstgriffen ihrer Zeitgenossen machen sie sich schüchtern vertraut. Doch nicht der Kunstfertigkeit wegen, nur um mit Hilfe dieser verbesserten Instrumente das noch reiner auszuprägen, was der Kunst des Trecento überhaupt die Fähigkeit zu existieren gegeben, was an ihr ewig und unvergänglich war. Träumer, nicht Beobachter, mit Sensibilität, nicht mit kaltem Forschergeist begabt, bedienen sie sich der neuen Kunstgriffe nur, um den großen Fonds des Trecento von neuem zu heben, all jene Schätze von Zärtlichkeit, Innigkeit, Liebe, die der Geist des Mysticismus erschlossen.
Das heilige Köln, die Heimstätte Susos, hält noch 1450 an dem Stile fest, den einst Hermann Wynrich begründet. Denn betrachtet man die Bilder Stephan Lochners, der von 1442-1451 das Kölner Kunstleben beherrschte, besonders das berühmte Dombild, das als sein Hauptwerk gilt, so bemerkt man wohl das schüchterne Eindringen weltlicher Elemente. Das Aetherische, die irdische Auflösung im himmlischen Erlöser ist nicht mehr einziges Ziel. Die Körper haben ihre Schmächtigkeit verloren, die Köpfe sind rundlicher, Hände und Arme weniger mager als auf älteren Werken. Die Füße, die früher kaum den Boden zu berühren wagten, stehen in behaglicher Breite da. Bei den Köpfen der Frauen ist weniger das Magdhafte, Schüchterne als das schalkhaft Anmutige betont. Die Tracht, bisher ganz ideal, in schweren Massen den Körper umfließend, folgt mehr dem Kostüm des Tages. Es spricht ein Maler, der mit kindlicher Lust alles Glänzende, Funkelnde sammelt, um seine Heiligen damit zu schmücken. Ein principieller Unterschied zwischen seinen und Wynrichs Werken ist trotzdem nicht vorhanden. Die Unschuld und minnigliche Holdseligkeit, die überirdische Lieblichkeit des älteren Meisters ist auch noch diesen Gestalten eigen. Gleich Wynrich fühlt Lochner sich nur wohl, nicht wenn es um Martyrien und wilde Dramatik, sondern um Frömmigkeit und Demut, um milde Freundlichkeit und idyllischen Zauber sich handelt.
Die schöne Madonna des erzbischöflichen Museums in Köln ist offenbar noch vor dem Dombild entstanden. Die Gestalt Marias hat die gebrechliche Schlankheit der älteren Epoche. Die dünnen Arme und schmalen Hände, auch die engen Schultern, die Biegung der Gestalt und die mädchenhafte Zartheit des Kindes, das in seinem Hemdchen halb als Baby, halb als Heiland sich fühlt, entsprechen der Art Hermann Wynrichs. Nur der Kopf der Madonna mit dem sorgfältig gescheitelten, von einer Perlenschnur umwundenen Haar und die große Agraffe, die ihren Mantel ziert, weisen auf den Zeitunterschied zwischen Wynrich und Lochner hin. Ebenso behandelt die Madonna im Rosenhag noch das alte, seit Wynrich beliebte Thema. Zwei Engel schlagen einen Vorhang zurück, und der Himmel in strahlendem Glanz thut sich auf. Wie ein König thront der kleine Jesus im Schoße Marias, die, fürstlich mit der Krone geschmückt, am Wiesenrain sitzt. Musizierende Engelchen verehren sie, reichen dem Christkind Früchte, brechen ihm Blumen von der Rosenhecke, in deren Geäst die Vöglein singen. Mag kecke Weltfreude mit der entsagenden Weltflucht sich einen, die träumerische Sehnsucht, der himmlische Friede des Trecento liegt wie ein zarter Hauch, wie ein Klang aus dem Jenseits noch über Lochners Werken.
Und der Ton, den er angeschlagen hatte, verstummte auch bei Lochners Tode noch nicht, sondern klang wie weihevolles Glockengeläute durch die Lande. Was Stephan Lochner gemalt – jene sittigen Madonnen in Paradiesesgärten, wo Engel singen und die Vögel zwitschern – das ward von einem Schüler Lochners nach Venedig gebracht, und in den nächsten Werken der Lagunenstadt verbindet sich die ernste Majestät der Byzantiner mit kölnischer Zartheit und mystischer Weihe. Auch die Vivarini hätten wohl nicht die Bahnen des Byzantinismus verlassen, wenn nicht Antonio von Murano 1440 in Verbindung mit Johannes de Alemannia getreten wäre, wie es scheint, einem Kölner, der auf seiner Wanderung nach Venedig gekommen war. Aus dem Zusammenarbeiten dieser beiden ging eine Reihe ebenso feierlicher wie jugendfrischer Bilder hervor. Auf den Luxus strotzenden Goldglanzes wird auch jetzt nicht verzichtet. Alle Figuren sind wie Märchenfürsten von Gold und Edelgestein bedeckt. Plastisch aufgesetzte Goldornamente und altertümliche Rahmen mit steilen gotischen Giebeln, mit Blumen- und Rankenwerk vollenden den Eindruck orientalischer Pracht, der wie ein rauschender Hymnus die Bilder durchklingt. Doch auch etwas anderes ist hinzugetreten: ein Hauch neuen psychischen und landschaftlichen Lebens. Der Ort, wo die Madonna ihren Thron aufgeschlagen, hat wie in deutschen Darstellungen den Charakter eines still abgeschiedenen paradiesischen Gartens, in dem bunte Vögelchen nisten. Waren in den früheren Bildern die Figuren mumienhaft alt, entsprechend den versteinerten musivischen Typen, so kommt jetzt in ihre Züge etwas von der jugendlichen Holdseligkeit, der stillen Reinheit und milden Demut Stephan Lochners. Und nachdem die Künstler anfangs noch mit repräsentierenden Heiligenbildern sich begnügt, schritten sie später zu mehr erzählenden Darstellungen fort. Nimben und Kronen, Waffen und Kleiderbesätze, Schmuckstücke und Geräte, bis zum Geschirr der Pferde und den Sporen der Reiter – alles ist auf Antonios Anbetung der Könige plastisch aufgesetzt. Aber die zierlich schmächtigen Jünglingsgestalten überraschen auch durch stille Freundlichkeit und graziöse Anmut. Ein weicher kölnischer Zug hat mit dem byzantinischen Gepränge sich verbunden.
Oder muß man, statt von einem kölnischen, von einem umbrischen Zuge sprechen? Es ist merkwürdig, wie hier die Einflüsse sich kreuzen. Als die Werke der Muranesen entstanden, hatte auch ein umbrischer Meister in Venedig gearbeitet, der im ganzen Geist seiner Kunst sich seltsam mit Lochner berührt. Nachdem bisher die Aufgabe der venetianischen Malerei ausschließlich die Ausschmückung der Gotteshäuser gewesen, dachte 1419 die Regierung daran, auch dem Dogenpalast würdigen Schmuck zu geben. In umfassenden Bildern sollte die ruhmreiche Vergangenheit Venedigs geschildert werden: jene Vermittlerrolle, die der kleine aber mächtige Staat einst zwischen Friedrich Babarossa und dem Papst Alexander III. gespielt. Das zu vollbringen war die byzantinische Malerei nicht im stande. Gentile da Fabriano wurde berufen, da er, obwohl modern, doch kein Stürmer und Dränger war, sondern voll Respekt für die alte Tradition.
Die Gebirgsbewohner hängen mehr an ihren Traditionen als die Bewohner der großen Städte. Wie die Bergstadt Siena während des ganzen Jahrhunderts an den Principien Duccios festhielt, so verschloß daher auch Umbrien, jener stille Landstrich, in dessen Thälern einst Franziskus gewirkt hatte, hartnäckig dem neuen Zeitgeist seine Thore. Bei Alegretto Nuzi und Ottaviano Nelli, den ersten umbrischen Malern, klingt der Stil des Trecento in zarter, schüchterner Lieblichkeit aus, und Gentile feierte Triumphe, als er die umbrischen Kunstprincipien aus der provinziellen Abgeschlossenheit seines Ländchens auf den Boden der Großstadt, aus den stillen Kirchenkapellen entlegener Landstädtchen in die festlichen Säle großstädtischer Paläste übertrug.
Die Anbetung der Könige, die er 1423 für Palla Strozzi malte, ist unter seinen Tafelbildern am bekanntesten, ein Werk, das den ganzen Jugendreiz, die ganze Legendenstimmung des Quattrocento atmet. Gentile ist Neuerer. Die epische Breite, in der er das Ganze giebt, entspricht ebenso den Principien der Realisten wie der feine landschaftliche Sinn, mit dem er all diese bunten Blümchen über den Boden verstreut. Aber der Realismus hat nicht die Poesie getötet. Ueber all die präcisen Details, die er giebt, ist ein unbeschreiblicher Reiz von Jugend und Grazie gegossen. Selbst der goldene Zierat und der altertümliche Rahmen mit den gotischen Giebeln steigert die Märchenstimmung. Michelangelo sagte von ihm: »aveva la mano simile al nome,« und diese Gentilezza, diese zaghaft minnigliche Art übt nach Jahrhunderten noch ihren Zauber.
Selbst in einer Großstadt wie Florenz gab es ein stilles, einsames Kloster, an dessen Mauern alle Wogen des neuen Zeitgeistes abprallten. San Marco ist es, der Dominikanerkonvent, wo der selige Fra Giovanni da Fiesole schuf: kein tiefer Künstler, nur ein großes Kind, und doch von allen diesen Nachzüglern des Mittelalters die allerliebenswürdigste Erscheinung. Daß auch er nicht aus der Großstadt, sondern vom Lande, aus dem kleinen Dorfe Vicchio stammte, und bis zu seinem 50. Jahre nicht in der Großstadt, sondern in entlegenen Bergstädtchen, in Cortona und Fiesole lebte, ist ebenfalls für die Analyse seines Stils nicht unwichtig. Ein Mann, der erst als Fünfziger nach Florenz kam, hätte, selbst wenn er gewollt hätte, dort seine Persönlichkeit nicht mehr wechseln können. Nicht die lebenden Meister, sondern die Werke der vergangenen Epoche, die Orcagnas besonders waren seine Leitsterne. Hier im Mittelalter lagen die Quellen seiner Kraft. In Santa Croce und Santa Maria Novella versenkte er sich derart in die Empfindung des Trecento, daß er gegen die realistische Richtung seiner Zeit für immer gefeit blieb.
Wohl ist auch Fiesole in gewissem Sinne Neuerer. Mit Liebe weilte sein Auge auf der Landschaft. Die anmutvolle Form der Berge diente ihm gelegentlich als Hintergrund. Die Wiese im Frühjahrsschmuck, wenn tausend Blumen auf ihr sprießen, wird er nicht müde zu malen. Auch hat er sich ein wenig mit der Perspektive vertraut gemacht, und zuweilen tauchen in seinen Bildern Köpfe auf, die auf lebende Modelle zurückgehen. Doch diese Dinge bestimmen nicht den Charakter seiner Kunst, die in ihrer zarten Seelenhaftigkeit noch ganz an das Trecento oder mehr noch an den anmutvollsten aller Deutschen, an Stephan Lochner gemahnt. Wie die Empfindungsscala Lochners, ist die des Frate nicht groß. Er war selbst so gut, daß er nicht im stande war, Böses wahrzunehmen. Wie Walter von der Vogelweide komisch wirkt, wenn er versucht zu fluchen, sind Fra Angelicos Teufelchen sehr ungefährliche Kerlchen, die sich mit unschuldigem Zwicken und Kneifen begnügen und selbst das so gutherzig thun, als ob sie ihres Handwerks sich schämten. Seine Märtyrerbilder machen den Eindruck, als hätten Knaben sich als Märtyrer und Henker verkleidet. Ebensowenig glaubhaft sind seine bärtigen Männer, die wie Frauen weinen. Aber wenn er nicht aus seiner Sphäre heraustritt, wenn es um zarte, sanfte Gefühle, um stille Herzensfreude, um selige Verzückung, um weiche Wehmut sich handelt, wirken seine Bilder wie die stillen Gebete eines Kindes. Und für diese Welt von Engeln, seine eigentliche Welt, findet er auch die passenden mild rosigen, heiter seligen Farben: ein lichtes Blau, ein jubelndes Rot, Blond, das wie Honig leuchtet, Gold, das wie strahlender Himmelsglanz die himmlischen Wesen umwogt.
Ihm dankt es das Kloster von San Marco, daß es das weihevollste aller Klöster der Welt geworden. Selbst im Getriebe der Galerien vergißt man vor Fiesoles Bildern die Welt: mag er Maria malen, wie sie in schüchterner Verwirrung die Botschaft des Engels vernimmt, oder die reichen, fremden Könige, die in so grenzenloser Demut das Christkind verehren; die Jünger, wie sie knieend, dankbar und selig die Hostie vom Heiland empfangen, oder die Freunde des Herrn, wie sie melancholisch sinnend um das Kreuz sich scharen; blondköpfige Engelchen, die mit Harfenspiel und Gesang in glückseligem Taumel die Krönung der Gebenedeiten feiern, oder die Auserwählten, die mit roten und weißen Rosen bekränzt, in feierlichem Reigentanz zum Paradiese wallen. Dieses Bild – jetzt in Berlin – ist vielleicht das schönste seiner Werke. Tausende nach ihm, die viel größere Techniker waren, haben das Jenseits gemalt, aber in keinem Paradies möchte man so gerne leben wie in dem Fiesoles, dieser unschuldigen, lieben Welt, wo es ewig Sonntag ist, wo das Kind sein Spielzeug, der Freund den Freund, der Liebende die Geliebte wiederfindet. Diese Seligen, die staunend wie Kinder am Christfest in die Herrlichkeit des Himmels blicken, dieser mystische Tanz auf dem blumenbestreuten Rasen, diese Schwingungen der zarten Körperchen, die sich desto melodischer, desto ätherischer drehen, je mehr sie ihrer himmlischen Heimat sich nähern – das umschließt einen Schatz von Poesie.
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In Rom sogar, wo er am Schlusse seines Lebens noch die Kapelle Nikolaus V. mit Fresken dekorierte, bleibt man vor Fiesoles Werken mit andächtiger Sammlung stehen, nachdem man die Rafaelschen Stanzen durchschritten. Wohl hat er hier, seinen Schülern folgend, sich ein wenig moderner kostümiert. Allen Archaismen, allem Goldglanz ist entsagt, Baulichkeiten, in richtiger Perspektive gezeichnet, füllen den Hintergrund. Aber die angeborene Liebenswürdigkeit des Meisters hat unter den Zugeständnissen, die er dem neuen Zeitgeist machte, nicht gelitten. Seine alte Innigkeit und weihevolle Gemessenheit, die Delikatesse seines Geschmacks ist geblieben. Und wenn im Vatikan, selbst neben Rafael, die Kunst Fiesoles fesselt, so beweist das etwas, was spätere Zeiten oft vergaßen: Nur Seele spricht zur Seele. Nur die Seele, nicht der Körper ist unsterblich.