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Kapitel 1.
Die internationale Polarforschung 1882-83, Entwickelung des Gedankens derselben an der Hand erdmagnetischer Betrachtungen, deren Vorgeschichte und besondere Ziele.

Die Geschichte der Entwickelung unseres Wissens über die Erde und die Gesetze, nach welchen die physikalischen Phänomene auf derselben vor sich gehen, hat durch Forschungen innerhalb der Polarzonen solche bedeutsame Erfolge zu verzeichnen, daß es überflüssig erscheint, auf eine nähere Beleuchtung des durch solche Untersuchungen herbeigeführten Fortschrittes näher einzugehen. Es ist namentlich in unserem Jahrhundert, sobald nur einmal die großen Kriegsereignisse der ersten Decennien desselben vorüber waren, so Bedeutsames vom streng wissenschaftlichen Standpunkte betrachtet, zur Förderung geophysikalischer Auffassung innerhalb der Polar-Regionen geschehen, daß man wohl sagen kann, es wäre eine Entwickelung wissenschaftlicher Ansichten nach gewissen Richtungen hin ohne die aus jenen Gegenden geleistete Unterstützung unmöglich gewesen. Gilt dies in manchen, ja in fast allen Hinsichten, so findet es doch seine besondere Anwendung mit Beziehung auf die erdmagnetische Forschung, d.h. die Untersuchung des Gesammtgebietes der Aeußerung der magnetischen Kraft unserer Erde. Man darf sich nur daran erinnern, wie durch die zuerst Anfang der zwanziger Jahre von Roß dem Aelteren innerhalb der Nordpolar-Region ausgeführten magnetischen Untersuchungen die Kenntnisse auf diesem Gebiete erweitert worden sind, wie Roß der Jüngere Anfang der dreißiger Jahre den nordmagnetischen Pol feststellte und auch sonst durch die Vertheilung der erdmagnetischen Kraft in hohen nördlichen Breiten beleuchtende Thatsachen zuerst die Grundlage zu einer exakten Forschung auf diesem Gebiete schuf. Erinnert man sich daran, wie derselbe gelehrte Seefahrer während seiner 3 Jahre dauernden Forschungsreise Anfang der vierziger Jahre durch zahlreiche, auf strenger wissenschaftlicher Grundlage ruhende Beobachtungen die erste gründliche Kenntniß über Vertheilung der erdmagnetischen Kraft in höheren südlichen Breiten anbahnte, und ferner daß die kräftigste Aeußerung der magnetischen Erscheinungen in der Nähe der Pole auftritt, so wird man ohne Weiteres zugeben müssen, daß allerdings von dorther zunächst Aufklärung über das Wesen der erdmagnetischen Kraft zu erwarten war und auch gekommen ist, so weit wir überhaupt schon zu einigermaaßen sicheren Anschauungen darüber gelangt sind. Wenn auch nahezu ein halbes Jahrhundert verflossen ist seit der Zeit, in welcher Sir John Franklin seine denkwürdige Reise zur Aufsuchung der nordwestlichen Durchfahrt antrat, so lebt doch das Geschick dieser Expedition noch lebhaft in der Erinnerung aller Derer, welche sich um geographische Forschungen interessiren, während allen Jenen, welche der Entwickelung erdmagnetischer Forschung folgten, die denkwürdigen Arbeiten, welche von den einzelnen Expeditionen, ausgesandt zur Aufsuchung des Sir John Franklin, ausgeführt worden sind, von epochemachender Bedeutung erscheinen müssen. Die in dem 5. Decennium unseres Jahrhunderts innerhalb der Nordpolar-Region ausgeführten Arbeiten werden für alle Zeiten ein Muster dafür abgeben, wie geographische Forschung und die wissenschaftliche Arbeit auf einzelnen Gebieten sich zu einem großen Erfolge vereinigen lassen. Ganz in ähnlichem Sinne und in gleicher Weise wurde auch, nachdem das Schicksal der Expedition Franklin's durch M'Clintock nahezu vollkommen aufgeklärt war (1859), durch Expeditionen verschiedener Nationen die wissenschaftliche Forschung innerhalb der Polarzone weitergeführt und Ersprießliches geleistet. Es sei nur daran erinnert, wie die verschiedenen von Seiten Amerikas ausgesandten Expeditionen nach höheren nördlichen Breiten, wie die deutsche Polar-Expedition nach Ostgrönland, die schwedischen Expeditionen nach Spitzbergen die Aufgabe der Forschung auffaßten und betätigten, um auch sofort klar zu machen, welchen Einfluß sie alle auf die Entwickelung der erdmagnetischen, meteorologischen und geodätischen Erkenntnis der Eigenschaften unseres Erdkörpers ausübten. Es ist nicht zu viel gesagt, wenn man behauptet, daß durch die glückliche Verknüpfung geographischer und geophysikalischer Interessen es allein möglich geworden ist, unser meteorologisches und erdmagnetisches Wissen in dem Maaße zu bereichern, wie es thatsächlich in den letzten 40 Jahren der Fall gewesen ist. Wie hoch man auch immer die Forschung – auf erdmagnetischem Gebiete beispielsweise – in den Zonen niedriger Breiten schätzen mag, so wird man doch unmittelbar zugeben müssen, daß die tiefer greifende Aufklärung über Vorgänge in den erdmagnetischen Erscheinungen nur innerhalb der Polar-Region gewonnen werden konnte. Begreiflicher Weise stellte sich bei allen Unternehmungen die geographische Forschung im engeren Sinne zunächst als Hauptzweck dar, so lange man noch über die wesentlichsten Züge der Gestaltung innerhalb der Polar-Region im Dunkeln war, so lange noch hochwichtige Probleme rein geographischer Natur dort ihrer Lösung harrten. Allein die mit der Wissenschaft Vertrauten hatten bald erkannt, daß die wissenschaftlichen Arbeiten, wenn sie mit Unternehmungen der bezeichneten Art in Beziehung gebracht wurden, nicht nur den Hauptzweck nicht zurückdrängten, sondern wesentlich zu fördern vermöchten. Und so ist es nur gerecht, wenn man anerkennt, daß alle Unternehmungen mit wenigen Ausnahmen, welche nach den Polar-Regionen gerichtet waren, einen wissenschaftlichen Charakter trugen und in der Entwickelung geophysikalischer Erkenntniß demgemäß eine wichtige Stelle einnehmen werden.

Es ist vielleicht nicht ganz überflüssig, hier aus der Reihe der Expeditionen nach den Polar-Regionen zur Beleuchtung des so eben Gesagten eine herauszugreifen, welche sich sowohl durch den Werth ihrer wissenschaftlichen Ergebnisse, wie auch durch eine große geographische Entdeckung in gleichem Maaße hervorgethan hat. Es ist die in den Jahren 1878-80 von Nordenskiöld auf dem Schiffe »Vega« ausgeführte Forschungsreise, als deren wesentlichstes geographisches Ergebniß die Umschiffung des Kaps Tchelutschkin und die Auffindung des Seeweges aus der Kara-See nach der Behring-Straße, und als deren wissenschaftliche Errungenschaft die genauere Bestimmung der erdmagnetischen Konstanten in den Regionen im Norden des asiatischen Kontinentes angesehen werden müssen.

In Erwägung und gerechter Würdigung dieser Thatsache kann man es heute nur als einen Irrthum bezeichnen, wenn man zu einer Zeit geographische und wissenschaftliche Forschung in einen gewissen Gegensatz brachte. Ein solcher Gegensatz bestand in Wirklichkeit nicht und ist auch bei den Unternehmen, von welchen in diesem Werke die Rede sein soll, nicht hervorgetreten. Man hat sich zum Verständnisse dieser Thatsache nur zu vergegenwärtigen, daß die Stellen, an welchen zu beobachten war, in beinahe allen Fällen durch Expeditionen, die oft nicht ohne Erweiterung unserer geographischen Kenntnisse geführt werden konnten, zu erreichen waren und allerdings bei der Einrichtung und Fortführung der Arbeiten es sich wesentlich darum handelte, die für feste Observatorien gegebenen Bedingungen zu erfüllen. Wir werden da, wo von den deutschen Unternehmen die Rede sein wird, auf diesen Gegenstand zurückkommen und mag es für den Augenblick genügen, nur darauf hingewiesen zu haben.

Für die wissenschaftlichen Forschungsreisen, die den Gegenstand dieses Werkes bilden, ist besonders ein Unternehmen nach den Nordpolar-Regionen von Bedeutung geworden. Es ist dies die von Weyprecht und Payer auf dem Schiffe »Tegetthoff« in den Jahren 1872 bis 1874 ausgeführte Forschungsreise. Bekanntlich war das wesentlichste geographische Ergebnis derselben die Entdeckung und Niederlegung in den Karten des Franz-Joseph-Landes, während eine reiche Ausbeute an physikalischen Beobachtungen mit zurückgebracht worden ist. Der Werth der letzteren entsprach nicht ganz den Erwartungen, namentlich des tüchtigen, wissenschaftlich wohl vorbereiteten Weyprecht. Bei der Beurtheilung dieser Thatsache wurde der Umstand außer Acht gelassen, daß durch widrige Umstände es nicht möglich wurde, die magnetischen Instrumente in einem Observatorium am festen Lande unterzubringen, wodurch die ausgeführten Beobachtungen derjenigen Grundlagen entbehrten, welche ganz unerläßlich sind. Andererseits konnte man zu jener Zeit noch nicht mit voller Klarheit erkennen, nach welchen Grundsätzen die für Untersuchungen in so hohen Breiten zu verwendenden Instrumente zu konstruiren seien. Erst die Untersuchungen durch die nun zu Ende geführten internationalen Forschungsarbeiten haben uns auch über diesen Punkt die wünschenswerthe Klarheit gebracht. Wenn daher die Ergebnisse der österreichisch-ungarischen Expedition in erdmagnetischer Hinsicht nach dem Urtheile Weyprecht's nicht voll den Erwartungen entsprachen, so kann dies heute nicht Wunder nehmen, wenn man auch nicht so weit gehen will, den Werth derselben allzusehr abzuschwächen und noch weniger den Grund dafür in einer Verbindung der geographischen mit der wissenschaftlichen Forschung zu erblicken. Allerdings wird man wohl daran thun, namentlich bei dem gegenwärtigen Stande unserer geographischen Kenntnisse – zum mindesten innerhalb der Nordpolar-Region –, die den einzelnen Unternehmen zu stellenden Aufgaben enger zu begrenzen und die Errichtung fester Observatorien innerhalb bekannter Gebiete der Polarzone in den Vordergrund zu stellen. Handelt es sich um die Lösung der Aufgabe, wie sie die internationalen Polar-Expeditionen gestellt erhielten, in den antarktischen Gegenden, so wird man – soll etwas den Anstrengungen Entsprechendes erzielt werden – wiederum, wie einst im Norden, geographische Forschungen Hand in Hand gehen lassen müssen mit wissenschaftlichen Untersuchungen. Diese Vereinigung wird auch in diesem Falle die gleichen Früchte tragen, wie zu Zeiten der Erforschung der arktischen Region. Es wird sich in einem anderen Kapitel dieses Werkes die Gelegenheit darbieten, des Näheren auf die fernere Untersuchung der antarktischen Regionen einzugehen, bei welcher Gelegenheit auch gezeigt werden soll, daß ein wirklicher und endgültiger Erfolg erdmagnetischer Untersuchungen in den Polar-Regionen nur erzielt werden kann, wenn dieselben gleichzeitig in beiden Hemisphären geführt werden.

An demselben Tage, dem 25. Februar 1874, an welchem die österreichisch-ungarische Expedition vom hohen Norden die Heimreise antrat, hielt Dr. Neumayer in der Afrikanischen Gesellschaft zu Berlin einen Vortrag über die geographischen Probleme innerhalb der Polarzonen, in ihrem inneren Zusammenhang beleuchtet, bei welcher Gelegenheit zuerst dem Gedanken Ausdruck verliehen wurde, daß die Polarforschung, soferne sie der Ermittelung der Ursachen der erdmagnetischen Erscheinungen dienen soll, in beiden Hemisphären gleichzeitig, und zwar in festen Observatorien geführt werden müsse. Der Vortragende sagte unter Anderem: »Ich habe bei einigen behandelten Punkten ein besonderes Gewicht auf die Gleichzeitigkeit der Forschungen gelegt und bin – von solchen Gesichtspunkten geleitet – auch der Ansicht, daß auf den bezeichneten Wegen gleichzeitig und im Einklange, d. h. in gemeinsamer wissenschaftlicher Organisation vorgegangen werden müßte, um im Herzen der Polar-Regionen in Observatorien, die während einer längeren Periode in Thätigkeit zu sein hätten, die verschiedenen Aufgaben der Physik unserer Erde zu bearbeiten. Da es sich hierbei vorzugsweise um die Förderung der Probleme des Erdmagnetismus und der Polarlichter handelt, ist es wichtig, daß der richtige, der ergiebigste Moment gewählt werde, und als solcher stellt sich die nächste Maximal-Periode magnetischer Thätigkeit und der Polarlicht-Erscheinungen 1881 bis 1882 dar, welche zugleich auch sehr nahe heranrückt an die Zeit der zweiten Wiederkehr des Vorüberganges der Venus vor der Sonnenscheibe, der in hohen südlichen Breiten mit Vortheil beobachtet werden kann. Wollen mir hoffen, daß alle gebildeten Nationen alsdann ebenso, wie sie sich jetzt rüsten, um im gegenwärtigen Jahre einer großen wissenschaftlichen Pflicht zu genügen, zur Förderung unserer Probleme sich rüsten werden.« Siehe Hydrograph. Mittheil. Jahrg. 1874, Seite 80.

Wir sehen in dem Obigen in der That die Grundprincipien der im Jahre 1882-83 ausgeführten systematischen Polarforschung in ihren wesentlichsten Zügen klar und bestimmt ausgesprochen und es ist nur billig, dies unter dem Hinweise hervorzuheben, daß schon im Laufe desselben Jahres 1874 bei Gelegenheit der Veranstaltung der Beobachtungen des Vorüberganges der Venus vor der Sonnenscheibe in höheren südlichen Breiten den ausgesprochenen Ansichten Seitens der Kaiserlichen Admiralität insoferne Rechnung getragen wurde, als zugleich mit der Errichtung von astronomischen Observatorien auch Sorge dafür getragen wurde, daß umfassende Untersuchungen über erdmagnetische und sonstige geophysikalische Verhältnisse angestellt werden konnten. Es bezieht sich dies auf die beiden für die Beobachtung jenes astronomischen Ereignisses in höheren Breiten der südlichen Hemisphäre ausgewählten Beobachtungsstationen, die Kerguelen- und die Aucklands-Inseln. Mit Recht wird daher in dem Werke »die Forschungsreise S. M. S. ›Gazelle‹ 1874-76« im Reiseberichte auf diese Thatsache aufmerksam gemacht, indem es heißt: »Es lag der Errichtung dieser Stationen (auf den Kerguelen- und den Aucklands-Inseln) derselbe Gedanke zu Grunde, welchem das einige Jahre später inaugurirte internationale Beobachtungssystem in den Polar-Regionen seine Entstehung verdankte, und da auch die Ausstattung an Instrumenten im Wesentlichen nach denselben Prinzipien, welche bei der internationalen Polarforschung zur Anwendung gelangten, erfolgte, so können die beiden Expeditionen in gewissem Sinne als Vorbilder und Vorläufer der Stationen, beziehungsweise Expeditionen der internationalen Polarforschung augesehen werden.« Die Forschungsreise S. M. S. »Gazelle« in den Jahren 1874-76 unter Kommando des Kapitäns zur See Freiherrn von Schleinitz. Herausgegeben von dem Hydrograph. Amt des Reichs-Marine-Amtes. Berlin 1889, I. Theil. Der Reisebericht. Seite 7.

Mit der Rückkehr der österreichisch-ungarischen Expedition im September d. J. 1874 trat mit Rücksicht auf die Durchführung der systematischen Polarforschung eine Wendung ein, und zwar war es der k. k. Linienschiffs-Lieutenant Dr. Karl Weyprecht, welcher durch Vorträge und schriftlichen Verkehr mit den in diesen Dingen leitenden Persönlichkeiten in einem Maaße anregte, daß man auch in weiteren Kreisen begann, Interesse daran zu nehmen. Zunächst gab der wenig befriedigende Zustand der bei Franz-Josephs-Land gesammelten Beobachtungsergebnisse das Motiv zur Anregung einer nach neuen Grundsätzen geführten systematischen Untersuchung in den Polargegenden. Der von Weyprecht vor der 48. Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte im September 1875 in Graz gehaltene Vortrag über »Grundprincipien der arktischen Forschung« gab den kräftigsten Anstoß und mag es um deßwillen gestattet sein, Einiges aus demselben hier zum Abdruck zu bringen.

»Angesichts des immer reger werdenden Interesses für die arktische Forschung und der Bereitwilligkeit, mit der Regierungen und Private immer wieder die Mittel für neue Expeditionen liefern, ist es wünschenswerth, diejenigen Prinzipien aufzustellen, nach welchen dieselben ausgesendet werden sollen, um sie den verwendeten großen Opfern entsprechend nutzbringend für die Wissenschaft zu gestalten, und ihnen jenen abenteuerlichen Charakter zu benehmen, der das große Publikum wohl reizen, der Wissenschaft aber nur schaden kann.

Folgende Sätze würden oben entwickelten Anforderungen entsprechen.

1. Die arktische Forschung ist für die Kenntniß von den Naturgesetzen von höchster Wichtigkeit.

2. Die geographische Entdeckung in jenen Gegenden hat nur insofern höheren Werth, als durch sie das Feld für die wissenschaftliche Forschung im engeren Sinne vorbereitet wird.

3. Die arktische Detail-Topographie ist nebensächlich.

4. Der geographische Pol hat für die Wissenschaft keine größere Bedeutung, als jeder andere in höheren Breiten gelegene Punkt.

5. Die Beobachtungsstationen sind ohne Rücksicht auf die Breiten um so günstiger, je intensiver die Erscheinungen, deren Studium angestrebt wird, auf ihnen auftreten.

6. Vereinzelte Beobachtungsreihen haben nur relativen Werth.

Diesen Bedingungen kann entsprochen werden ohne jenen ungeheuren Kostenaufwand, der bis jetzt mit fast allen Polar-Expeditionen verbunden war und den weniger reichen Ländern die Theilnahme an der arktischen Forschung unmöglich machte. Es ist nicht nöthig, unser Beobachtungsgebiet bis in die allerhöchsten Breiten auszudehnen, um wissenschaftliche Resultate von hoher Bedeutung zu erringen.«

Wir ersehen aus diesen Sätzen, die im Wesentlichen das enthalten, was auch schon von anderer Seite betont worden ist, jenen Gegensatz, welcher in den einleitenden Worten schon hervorgehoben wurde und sich dahin präcisiren läßt, daß die geophysikalische Durchforschung in einen gewissen Gegensatz zur geographischen Forschungsart gebracht wird. Es wurde schon betont, daß dieser Gegensatz insofern nicht als gerecht erscheint, als hier nur von Unternehmen eines abenteuerlichen Charakters die Rede ist und nicht darauf hingewiesen wird, wie frühere Expeditionen nach den arktischen und antarktischen Regionen einen eminent wissenschaftlichen Charakter trugen, wenngleich dieselben auch Hervorragendes auf dem Gebiete geographischer Entdeckungen zu leisten vermochten. Auch erkennen wir, daß die gleichzeitige Forschung in beiden Polar-Regionen nicht betont, also darauf ein besonderer Werth nicht gelegt wird. Der hierbei zu Grunde liegende Gedanke des Vortrages Dr. Neumayer's, von welchem wir oben gesprochen haben, kommt erst in einem späteren Stadium zur Geltung.

Die Bremer Geographische Gesellschaft, welche sich so hervorragende Verdienste um das Wiederbeleben geographischer Forschung in der Nordpolarzone erworben hatte, reichte im December 1874 eine Denkschrift an den Bundesrath ein, in welcher die Fortsetzung der Arbeiten in Ost-Grönland mit Unterstützung des Reiches warm empfohlen wurde. Es stand diese Denkschrift auf dem Standpunkte der Förderung geographischer Entdeckungen und war also in einem gewissen Gegensatze zu den Vorschlägen und Principien der Polarforschung Weyprecht's. Da um dieselbe Zeit (1875) eine englische Expedition unter Nares nach dem hohen Norden vorgedrungen war, so betonte die Bremer Denkschrift jedoch, daß es wichtig sei, gleichzeitig mit der Nares'schen Expedition magnetische und meteorologische Beobachtungen an der Ostküste Grönlands anzustellen. In der That wurde die Zweckmäßigkeit solcher Beobachtungen als ein wesentliches Motiv zur sofortigen Entsendung einer deutschen Expedition dargestellt. Unter diesen Umständen schien es dem Reichskanzler-Amte erforderlich, durch eine wissenschaftliche Kommission die Frage über die beste Art der Realisirung des Wunsches der Bremer Geographischen Gesellschaft prüfen zu lassen, und so geschah es, daß am 2. Oktober des Jahres 1875 eine aus wissenschaftlichen Männern des Deutschen Reiches bestehende Kommission unter dem Vorsitze des Herrn Geheimrath von Möller in den Räumen des Reichskanzler-Amtes zu Berlin zusammentrat. Da diese Kommission aus Fachgelehrten aller Forschungszweige bestand, so verbreiteten sich die Berathungen auch in allseitiger Weise über die Frage der zweckmäßigsten und ausgiebigsten Organisation der wissenschaftlichen Erforschung der Nordpolar-Region. Wohl niemals zuvor ist mit größerer Umsicht und mit gründlicherer Kenntniß diese Frage bearbeitet worden; und kann der über diese Berathungen verfaßte Bericht Nr. 91 der Bundesraths-Drucksachen, Session von 1875. Bericht der Kommission zur Begutachtung von Fragen der Polarforschung. Berlin, den 12. Oktober 1875. als ein Muster gründlicher wissenschaftlicher Sichtung des sich der Forschung darbietenden Materiales angesehen werden, wenn wir auch nicht verschweigen wollen, daß darin die eigentliche geographische Forschung nicht in dem Maaße eine Berücksichtigung fand, wie sie es verdient. Die Kommission stand in der Mehrzahl ihrer Mitglieder auf dem von Weyprecht vertretenen Standpunkt. Daß in Folge davon die Eingabe der Bremer Gesellschaft eine im Sinne der Antragsteller befriedigende Erledigung nicht finden konnte, bedarf wohl keiner weiteren Ausführung.

Der rastlosen Bemühung Weyprecht's gelang es zwar, die Angelegenheit der wissenschaftlichen Erforschung der Nordpolar-Region auf der Tagesordnung zu erhalten, allein es bedurfte noch einer Reihe von Jahren, bevor die Angelegenheit in Fluß kam. Im Mai des Jahres 1877 veröffentlichten Graf Wilczek und Weyprecht ein Programm Programme des travaux d'une Expédition polaire internationale proposé par le Comte Wilczek et Charles Weyprecht. für die Arbeiten einer internationalen Polar-Expedition, welches die Grundzüge der zukünftigen Polarforschung wiedergab, wenn auch in der Folge Vieles daran geändert werden mußte. Es sollte dieses Programm dazu dienen, dem Zweiten Internationalen Meteorologen-Kongresse, welcher im September 1877 in Rom sich versammeln sollte, vorgelegt zu werden. Bekanntlich trat dieser Kongreß erst im April 1879 in Rom zusammen und faßte in Erledigung des Punktes 31 seines Programms »Errichtung einer Anzahl Observatorien in den arktischen und antarktischen Regionen zu gleichzeitigen stündlichen meteorologischen und magnetischen Beobachtungen rings um die Pole herum« den Beschluß, daß eine Konferenz, welche im Oktober 1879 in Hamburg zusammentreten solle, sich mit der gründlichen Erwägung aller auf die Entscheidung einen Einfluß ausübenden Fragen zu beschäftigen habe. Bei der Wahl Hamburgs als Versammlungsort dieser Konferenz mag wohl der Umstand bestimmend mitgewirkt haben, daß der Direktor der Deutschen Seewarte, Dr. G. Neumayer, in einer Denkschrift, welche dem Kongresse vorgelegt wurde, sich eingehender über einige Vorschläge zur Durchführung des in dem oben angeführten Punkte 31 des Programmes enthaltenen Gedankens verbreitete und auch sonst seit Jahren bestrebt war, für die wissenschaftliche Erforschung der Südpolar-Region zu wirken. Dem Beschlüsse des Zweiten Internationalen Meteorologen-Kongresses gemäß trat dann auch am 1. Oktober 1879 in den Diensträumen der Seewarte eine Konferenz zusammen, bestehend aus den folgenden Herren: Prof. Buys-Ballot-Utrecht, Kapitän Hoffmeyer-Kopenhagen, Prof. Lenz-St. Petersburg, Prof. Mascart-Paris, Prof. Mohn-Christiania, Prof. Neumayer-Hamburg, Kapitän z. S. Freiherr von Schleinitz-Berlin, Linienschiffs-Lieutenant Weyprecht-Triest, Prof. Wykander-Lund. Den Vorsitz führte Dr. Neumayer. Die Verhandlungen dauerten bis zum 5. Oktober und wurden die Ergebnisse in einem in französischer und deutscher Sprache verfaßten Berichte niedergelegt und verbreiteten sich dieselben über alle bei der internationalen Polarforschung zu berücksichtigenden Aufgaben. In ihrer letzten Sitzung am 5. Oktober konstituirte sich diese Konferenz als Internationale Polar-Kommission und erwählte Dr. Neumayer zum Präsidenten und Kapitän Hoffmeyer zum Schriftführer derselben. Damit war die Sache der internationalen Polarforschung in ein neues und bedeutungsvolles Stadium getreten: es bestand nun ein Centralorgan für dieselbe, welches für die geschäftliche Leitung Sorge zu tragen hatte. Schon im August des darauf folgenden Jahres 1880 trat die Internationale Polar-Kommission zu einer zweiten Tagung in Bern zusammen und in demselben Monate des Jahres 1881 zu einer dritten Tagung in St. Petersburg. Auch über die Verhandlungen der letzten beiden Tagungen wurden Berichte in französischer und deutscher Sprache veröffentlicht und soll im Nachfolgenden das Wesentlichste aus dem in diesen Berichten niedergelegten Arbeits-Programm nach einer Bearbeitung von Herrn Professor Dr. C Börgen gegeben werden. Die internationale Polarforschung, von Prof. Dr. C. Börgen. Enthalten im 4. Heft des V. Bandes der Deutschen Geographische» Blätter, herausgegeben von der Geographischen Gesellschaft in Bremen, Seite 298 u. ff.

1. Die obligatorischen Beobachtungen, welche als das Minimum dessen angesehen werden müssen, was zur Erreichung der Zwecke unumgänglich nothwendig ist.

§ 1. Die Beobachtungen beginnen möglichst früh nach dem 1. August 1882 und enden möglichst spät nach dem 1. September 1883.

§ 2. Die stündlichen magnetischen und meteorologischen Beobachtungen können nach beliebiger Zeit angestellt werden, nur sollen die magnetischen Beobachtungen an den Terminstagen (1. und 15. jeden Monats) durchaus nach Göttinger mittlerer bürgerlicher Zeit gemacht werden.

§§ 4-15. Die meteorologischen Beobachtungen haben sich zu erstrecken auf: Temperatur der Luft; Temperatur des Meerwassers an der Oberfläche und in Tiefen von 10 zu 10 m, wo dies möglich ist; Luftdruck durch Quecksilber-Barometer; Luftfeuchtigkeit durch Psychrometer und Hygrometer; Wind mittelst Robinson'scher Anemometer zu messen; Wolken nach Form, Menge und Zugrichtung; Niederschläge nach Art, Dauer und wenn möglich nach Höhe; Wetter, Gewitter, Hagel, Nebel, Reif und optische Erscheinungen.

(Die Instrumente, welche die deutschen sowohl, als auch die anderen Expeditionen mitbekommen haben, gestatten eine fortlaufende, oder wenigstens viertelstündliche Registrirung, welche durch stündliche Ablesungen an den Normalinstrumenten kontrolirt und ergänzt werden.)

§§ 16-23. Erdmagnetische Beobachtungen. a) Absolute Messungen. Die Genauigkeit ist bei Deklination und Inklination auf 1', bei der Horizontalintensität auf 0,001 ihres Werthes festgesetzt.

Es sollen in der Umgebung des Observatoriums Untersuchungen bezüglich Lokaleinflusses stattfinden.

Die Beobachtungen sollen so häufig gemacht werden, daß eine vollkommene Kontrole der Nullwerthe der Skalen der Variations-Instrumente stattfindet.

(Den deutschen Expeditionen ist vorgeschrieben, mindestens einmal im Monat eine absolute Bestimmung zu machen.)

b) Die Variations-Beobachtungen sind an einem System Lamont'scher Instrumente stündlich anzustellen und ein zweites System, dessen Konstruktion den einzelnen Kommissionen überlassen blieb, öfter zur Vergleichung mit zu beobachten.

Die stündlichen Beobachtungen sind doppelt zu machen, einige Minuten vor und einige Minuten nach der vollen Stunde.

Den 1. und 15. jeden Monats (nur im Januar den 2.) werden von Mitternacht zu Mitternacht mittlerer Göttinger Zeit die Variations-Instrumente von fünf zu fünf Minuten abgelesen und ist während einer Stunde, wenn auch nur die Deklination, von 20 zu 20 Minuten zu notiren. Diese Stunde verstärkter Beobachtung verrückt sich von Termin zu Termin derart, daß sie am 1. August auf 12 bis 1 Uhr Nachmittags, am 15. August auf 1-2 Uhr fällt u. s. w.

(Die deutschen Expeditionen sind mit zwei Systemen Lamont'scher Variations-Instrumente versehen, zu denen noch eine Lloyd'sche Wage zur Beobachtung der Vertikalintensität hinzukommt. Das eine, das Hauptsystem, hat drei getrennte Ablesefernrohre, das zweite, welches bei jedesmaligem Wechsel der Beobachter zur Vergleichnug mit abgelesen wird, hat nach Neumayer's Vorschlag nur ein Ablesefernrohr, in welchem die drei Skalen über einander erscheinen.)

§§ 24-26. Polarlicht-Beobachtungen. Für diese wird auf die ausführliche Instruktion von Weyprecht verwiesen.

§ 27. Astronomische Beobachtungen. Da die Gleichzeitigkeit, namentlich der Termin-Beobachtungen, auf allen Stationen angestrebt werden muß, so sind fortlaufende genaue Zeitbestimmungen zu machen und für die genaue Ortsbestimmung alle dazu verwendbaren Methoden zu benutzen, namentlich aber soll möglichst rasch nach dem Eintreffen auf der Station eine vorläufige Längenbestimmung zu erhalten gesucht werden.

2. Die fakultativen Beobachtungen, welche wünschenswerth, aber nicht unumgänglich nothwendig sind.

Dieselben beziehen sich auf Ergänzung der obligatorischen Beobachtungen durch specielle Untersuchungen, namentlich über Luftelektricität, Erdströme, Dämmerung, terrestrische und astronomische Refraktion und dergleichen. Ferner sind aber darin zoologische, botanische, geologische und hydrographische Untersuchungen, Beobachtungen zur Bestimmung der Länge des Sekundenpendels, Ebbe und Fluth u.s.w. einbegriffen.

(Bezüglich des weiten Feldes, welches die fakultativen Beobachtungen umfassen, sind die deutschen Expeditionen mit einer großen Anzahl besonderer Apparate ausgerüstet, welche hoffen lassen, daß recht viele werthvolle Arbeiten von denselben werden geleistet werden. Unter Anderem wird auf Süd-Georgien, wie schon oben erwähnt, der Venusdurchgang mit den genauesten Hilfsmitteln der Neuzeit (Heliometer und Refraktor) beobachtet werden und es wird auf beiden Stationen die Länge des Sekundenpendels bestimmt werden. Es sind Zoologen und Botaniker von Fach als Assistenten beigegeben, welche nach der Instruktion so viel, wie ohne Schädigung des Hauptzweckes der Expetitionen angängig ist, für ihre Wissenschaften thätig sein sollen.

3. Reduktion der Beobachtungen.

Die Beobachtungen sollen möglichst gleich am Beobachtungsorte reducirt und berechnet werden.

4. Publikation der Beobachtungen.

Gleich nach Rückkehr der Expeditionen ist der Internationalen Polar-Kommission ein Resumé zu übergeben, welches von dieser veröffentlicht wird.

Die weitere gemeinschaftliche Bearbeitung bleibt besonderer Vereinbarung vorbehalten.

In dem im Vorstehenden entwickelten Programm für die internationale Polarforschung sind die wesentlichsten Punkte enthalten, nach welchen die Forschung geführt werden sollte. Es muß jedoch hierzu noch erwähnt werden, daß vor Allem auch darauf gerechnet wurde, es würden sich – wenn dazu aufgefordert – auch sämmtliche Observatorien der Erde an dem allgemeinen Forschungsplane nach Maaßgabe der denselben zur Verfügung stehenden Mittel betheiligen. Besonders kam es darauf an, alle diejenigen Warten, welche mit selbstregistrirenden Instrumenten für die Zwecke der erdmagnetischen Forschung sowohl, wie für die Zwecke der Meteorologie versehen sind, in den Arbeitsplan mit hereinzuziehen. Es mußte – sollte der Erfolg den großen Anstrengungen, die zu machen waren, entsprechen – die ganze Erde zu einem nach gemeinsamem Plane arbeitenden Beobachtungssysteme vereinigt werden. Daß es in einem solchen Systeme in erster Linie darauf ankommt, die Zeitangaben nach einem einheitlichen Meridian gemacht zu haben, oder doch die Meridian-Differenzen der Beobachtungsorte gegen jenen einheitlichen Meridian so genau zu kennen, daß es jederzeit möglich ist, die Zeitangaben strengstens unter einander zu vergleichen, auf einander zurückzuführen, liegt auf der Hand. Von solchen Erwägungen geleitet, herrschte in den Konferenzen denn auch vielfach die Ansicht, daß man nach dem Vorgange des Göttinger Erdmagnetischen Vereins, welcher unter der Leitung von Gauß und Weber so ganz Erstaunenswerthes für die Förderung der erdmagnetischen Forschung gewirkt hatte, den Meridian von Göttingen als ersten Meridian wählen, d.h. die einzelnen Phänomene nach Göttinger Zeit notiren solle. Für gewisse Gattungen von Beobachtungen, wie für solche magnetischer Störungen und zu bestimmten Terminen, war dies längst allgemein anerkannt und wurde auch von der Konferenz angeordnet. Für eine andere Kategorie der Beobachtungen, wie namentlich auch für meteorologische Aufzeichnungen wollte man die Göttinger Zeitannahme nur als fakultativ und die Ortszeit als maaßgebend angenommen wissen. Daß es unter allen Umständen für eine jede Beobachtungsstation in erster Linie von Bedeutung ist, die Längendifferenz gegen einen sogenannten ersten Meridian genau zu kennen, bedarf wohl kaum der näheren Beleuchtung. Andererseits ist es aber sehr schwierig und oft erst nach monatelangen Beobachtungen möglich, diesen wichtigen Faktor für die Verwerthung von physikalischen Erhebungen in einem Systeme genügend genau zu kennen, weßhalb es denn wiederum erforderlich wird, die zu einer bestimmten Ortszeit angestellten Beobachtungen durch gleichzeitige Angabe der nachträglich innerhalb einer Sekunde ermittelten Zeitdifferenz auf einheitliche Zeit zurückzuführen. Ganz besonders wichtig sind diese Erwägungen im Falle der Termin-Beobachtungen der erdmagnetischen Elemente; hier gilt es vor Allem, Gleichzeitiges in den Vorgängen auf der ganzen Erde vergleichen und unter dem Gesichtspunkte der einheitlichen Zeit diskutiren zu können.

Bei der Wahl der erdmagnetischen Beobachtungsstationen, wie sie in dem Systeme der internationalen Polarforschung anzuordnen waren, hatte man sich an bestimmte Normen zu halten, von welchen jetzt etwas eingehender zu sprechen sein wird.

Mit Bezug auf die magnetischen Forschungen in den Polar-Regionen ist es vor Allem wichtig, die einzelnen Beobachtungsstationen so zahlreich als möglich um die Punkte größter Kraftäußerung oder Sammelpunkte magnetischer Kraft auf der Erde in möglichst symmetrischer Anordnung zu gruppiren. Wenn dies in Folge der größeren Vertrautheit mit den Verhältnissen der nördlichen Polar-Region eine vergleichsweise einfache Aufgabe war, so lagen die Verhältnisse in Bezug auf die südliche Hemisphäre wesentlich anders, weil die geographische Forschung nur für einzelne Gebiete der Südpolarzone genügende Anhaltspunkte geboten hat für die Errichtung magnetischer Warten innerhalb derselben. Allerdings liegen für die südliche Hemisphäre die Verhältnisse insofern günstiger, als die Sammelpunkte der magnetischen Kraft hier weit nach Norden, nach dem australischen Kontinent hin, verschoben sind, eine Umlagerung derselben mit Stationen daher, zum mindesten auf der äquatorialen Seite, besondere Schwierigkeiten nicht darbietet. Leider mußte dagegen die Verlegung einer Station nach der polaren Seite des Gebietes größter magnetischer Kraftäußerung von vorne herein als nicht ausführbar angesehen und daher aufgegeben werden. Eine Durchforschung der dabei in Betracht kommenden Gegenden der Südpolarzone hätte einer Besetzung mittels einer Station vorhergehen müssen, wozu weder genügend Zeit gelassen, noch auch die erforderlichen Mittel vorhanden waren.


Einem Berichte, welchen Dr. Neumayer an den dritten deutschen Geographentag zu Frankfurt erstattete, sind zwei Karten beigegeben, welche in polarer Projektion die beiden Hemisphären mit Bezug auf die Verteilung der magnetischen Kraftäußerung darstellen, und zwar nach dem Maaße des Bekanntseins der magnetischen Verhältnisse unserer Erde unmittelbar vor der Periode der internationalen Polarforschung. Die Linien gleicher magnetischer Total-Intensität sind nach Gaußischen Einheiten in Zwischenräumen von 2 Zehnteln der Einheit niedergelegt, und kann man sich ein im Allgemeinen zutreffendes Bild über die Vertheilung der magnetischen Kraft innerhalb der Polar-Regionen für das Jahr 1880 recht wohl machen. Die diesem Bande beigegebene Weltkarte in orthographischer Horizontal-Projektion zeigt in ähnlicher Weise jene Vertheilung, aber allerdings nun nach den neuesten, durch die internationale Polarforschung ergänzten oder berichtigten Auffassungen. Diese Karte veranschaulicht durch die Farbentöne blau und roth die Wirkung der Erde, im ersteren Falle das Nordende, im letzteren das Südende der Magnetnadel anzuziehen. Die Schattirung ist in beiden Fällen am tiefsten, wo die Kraftwirkung am stärksten, und nimmt ab auf beiden Hemisphären bis zur Kurve kleinster Total-Intensität für jeden Meridian. Auch erblickt man darauf die einzelnen Stationen, welche im Systeme der internationalen Polarforschung mitwirkten, und erkennt man so in anschaulicher Weise im Wesentlichen die Gesichtspunkte, welche bei der Wahl und Anordnung der einzelnen Stationen vom erdmagnetischen Standpunkte aus maaßgebend waren.

Aus den beiden Kärtchen erkennt man auch ohne Schwierigkeit den Unterschied in dem Verlauf der magnetischen Isodynamen (Linien gleicher magnetischen Stärke), beider Hemisphären, auf welche wir schon vorher anspielten; man sieht, wie die größte Intensität im Süden von Australien für die Süd-Hemisphäre herrscht, während in der Nord-Hemisphäre das Gebiet von weit größerer Ausdehnung und auf verschiedenen Seiten des Erdpoles gelegen ist. Im Falle unserer Kärtchen sind die Intensitäten jedoch in den gegenwärtig allgemein üblichen sogenannten C.G.S. (oder Elektrischen) Einheiten gegeben, welche von den früher erwähnten sich nur dadurch unterscheiden, daß die Werthe zehnmal kleiner sind, daß das Decimalkomma bei denselben um eine Stelle weiter nach der linken verschoben ist. So ist beispielsweise 0,50 C. G. S. Einheit = 5,0 Gaußische Einheit.

An der Hand der folgenden Tabelle der einzelnen internationalen Beobachtungsstationen wird man leicht auf der Karte dieselben auffinden können.

Die geographischen Positionen dieser Tabelle sind sämmtlich nach den durch die einzelnen Stationen ermittelten Werthen eingetragen.

Wie schon aus dem Vorstehenden erhellt, hatte bei der Wahl der einzelnen Stationen in erster Linie die Lage eines Ortes mit Rücksicht auf die Centren der magnetischen Kraftäußerung (Sammelpunkte), maaßgebend zu sein. Die Erwägungen meteorologischer Natur traten hierbei mehr in den Hintergrund, und war nur im Allgemeinen darauf Bedacht zu nehmen, daß lokale Einflüsse den Werth der meteorologischen Beobachtungen nicht allzusehr beeinträchtigten. Zu einer eingehenden und gründlichen Erforschung der Polar-Regionen in meteorologischer Hinsicht hätte ja an und für sich die Zahl der Stationen ungleich größer sein müssen, als sie nach den zur Verfügung stehenden Mitteln sein konnte.

Es ist eine bekannte Thatsache, die sich aus einfachen trigonometrischen Erwägungen ergiebt, daß die horizontale Kraft des Erdmagnetismus in den magnetischen Polen der Erde verschwindet oder mit der Annäherung an dieselben vermindert wird. Es folgt daraus wiederum, daß – je näher man sich an den magnetischen Polen befindet – die Schwierigkeit, die sich der Beobachtung entgegenstellt, desto größer wird, weil ja die Richtkraft der horizontalen Nadeln in einem Maaße vermindert ist, daß die Aufzeichnungen derselben unsicher werden. Von diesem Gesichtspunkte beurtheilt ist die Lage der deutschen Station am Kingua-Fjord, etwa 700 Seemeilen vom magnetischen Pole entfernt, als diejenige zu bezeichnen, welche bei den Beobachtungen die meiste Schwierigkeit darbot. Nur wenig günstiger mit Rücksicht auf diesen Punkt war die Lage der Stationen in Franklin-Bay und Fort Rae. Godthaab und Point Barrow, ungefähr 1200 Seemeilen vom magnetischen Pole, lagen für die magnetischen Beobachtungen ungleich günstiger; bei den übrigen Stationen war dies noch in erhöhtem Maaße der Fall. Die Stationen auf der südlichen Hemisphäre, Moltke-Hafen auf Süd-Georgien und Orange-Bay auf Feuerland, lagen – wie ein Blick auf unsere Karte erweist – auf der von dem magnetischen Südpole und dem Punkte größter Kraftäußerung der südlichen Hemisphäre abgewendeten Hälfte der Erde. Den Beobachtungen waren daher an den Stationen weit geringere Schwierigkeiten geboten, wie auf den genannten Stationen im Norden; dagegen sind aber auch die Resultate weniger entscheidend und wichtig ausgefallen. Alle die hier angeführten Thatsachen und Gesichtspunkte finden in den Ergebnissen der verschiedenen Beobachtungsstationen im Systeme der internationalen Polarforschung entsprechenden Ausdruck, und zwar in einem Maaße, daß zukünftige Forschungen ähnlicher Art, wie die nun abgeschlossenen, wichtige Fingerzeige daraus werden entlehnen können. Es soll in dem Abschnitte dieses Bandes, da, wo von den allgemeinen Ergebnissen die Rede sein wird, auf das hier Berührte zurückgekommen werden.

Es ist wohl hier die Stelle dankend hervorzuheben, wie sich die Observatorien in der gemäßigten und heißen Zone der Nord-Hemisphäre bemühten, die großen Ziele der internationalen Polarforschung zu fördern, indem sie durch Beobachtungen und Registrirung von Beobachtungen in Gemäßheit des internationalen Programmes wesentliche Ergänzungen zu dem während der Epoche 1882–83 gesammelten Material gewähren. Leider war es nicht möglich, auch auf der südlichen Hemisphäre ein gleich günstiges Resultat der diesbezüglichen Aufforderung herbeizuführen und wird namentlich bis jetzt gleichzeitiges Beobachtungs-Material von dorther ernstlich vermißt. Eine bemerkenswerthe Ausnahme hiervon machen die Observatorien in Batavia und auf Mauritius. Hoffentlich wird auch mit Rücksicht auf diesen Punkt eine zukünftige internationale Polarforschung günstiger gestellt sein, und kann jetzt schon mit Bestimmtheit gesagt werden, daß ein erdmagnetisches Observatorium im Süden von Neu-Seeland, sowie das Eintreten der Observatorien auf dem australischen Kontinente als unerläßliche Bedingungen für einen vollen Erfolg angesehen werden.

Bei der Wahl der Stationen mit Rücksicht auf meteorologische oder sonstige physikalische Verhältnisse ist es nicht wohl möglich, die leitenden Gesichtspunkte im Einzelnen darzulegen, insofern dies nicht schon oben geschehen ist. Nur so viel läßt sich sagen, daß die Zahl der Beobachtungsorte kaum zu groß werden kann und daß dieselben möglichst gleichmäßig auf beiden Seiten der Zugstraßen der atmosphärischen Depressionen vertheilt liegen sollten.


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