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Am Schlusse des Kapitels 2 wurde schon erwähnt, daß für Abfahrt der Expedition nach Süd-Georgien der 1. Juni des Jahres 1882 ins Auge gefaßt worden war. Die Innehaltung dieses Termins war im vorliegenden Falle noch von besonderem Belange, weil S. M. Korvette »Moltke« bereits Auftrag erhalten hatte, sich nach Montevideo zu begeben, um die Süd-Expedition an Bord zu nehmen und nach Süd-Georgien überzuführen.
Vor der Abfahrt des Dampfers »Rio«, auf welchem sich die Expedition unter Dr. Schrader einzuschiffen hatte, versammelte die Geographische Gesellschaft von Hamburg sowohl die Mitglieder derselben, wie auch jene der Nord-Expedition und Dr. K. R. Koch, den Delegirten für Labrador, in den Räumen von Wiezel's Hotel zu einem feierlichen Abschied. Auch der Naturwissenschaftliche Verein Hamburgs betheiligte sich an dieser Feier, wozu noch Mitglieder der Deutschen Polar-Kommission und eine Anzahl von Freunden der internationalen Polarforschung geladen waren.
Es bedarf wohl kaum erst der Erwähnung, daß bei dieser Gelegenheit die wärmsten Wünsche für das erfolgreiche Wirken, das Wohlergehen und die glückliche Rückkehr der deutschen Expeditionen einen beredten Ausdruck fanden.
Unmittelbar von dieser Festlichkeit begaben sich die Mitglieder der Süd-Expedition unter dem Geleite einer großen Anzahl von Herren Nachts 2 Uhr an Bord der »Rio«, welche eine Stunde später am 2. Juni 3 Uhr die Anker lichtete.
Außer den bereits in dem 2. Kapitel erwähnten Mitgliedern der Expedition zählte dieselbe noch 4 Arbeitsleute zu den ihrigen, deren Namen und Gewerbe hier noch angegeben werden sollen. Es waren dies: R. Fürth aus Hamburg, Koch, H. Beckmann aus Hamburg, Zimmermann, W. Wienschläger aus Wolgast, Segelmacher, und H. Maaß aus Warnemünde, Arbeitsmann und Matrose.
Da die Ausrüstung und Ausstattung sonst ganz dieselbe war, wie sie die Nord-Expedition erhalten hatte und überdies noch für die Zwecke der Beobachtung des Vorüberganges der Venns vor der Sonnenscheibe ein eigenes eisernes Observatorium, nebst Ausstattung mitgegeben war, so kann man sich denken, daß die Güter der Süd-Expedition an Bord der »Rio« einen erheblichen Raum beanspruchten und die größte Sorgfalt aufzuwenden war, damit Alles gut und sicher verstaut wurde und Beschädigung, wie Verluste möglichst ausgeschlossen waren. Es verdient mit Rücksicht hierauf ganz besonders dankend die von dem Führer der »Rio«, Kapitän Brandt, aufgewandte Sorgfalt anerkannt zu werden, sowie auch die Thatsache erwähnt werden mag, daß die Hamburg« Südamerikanische Dampsschifffahrts-Gesellschaft der Polar-Kommission jede thunliche Erleichterung für die Ueberführung ihrer Süd-Expedition gewährte.
Nach einer durch Festsitzen des Schiffes etwas verzögerten Fahrt auf der Elbe, passirte die »Rio« noch am Abend des 2. Juni Cuxhaven und gelangte um 8¾ Uhr unter günstigsten Auspicien auf hohe See.
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Reise nach Montevideo (siehe Routenkarte). Das Wetter wurde auf der Nordsee rauh und unfreundlich und bewahrte diesen Charakter bis unter Breitegraden, welche schon dem afrikanischen Continent angehören. Erst auf der Breite von Madeira, welche am 9. Juni erreicht wurde, trat mildes und freundliches Wetter ein.
Am 14. Juni Morgens kamen die Kap Verdischen Inseln in Sicht, welche sich als einzelne romantische Berggruppen über der Wasserfläche erheben.
Die »Rio« ging im Hafen von San Vincent vor Anker, um Kohlen einzunehmen.
Die Mitglieder der Expedition begaben sich an Land; Dr. Schrader machte an dem Fixpunkt der amerikanischen Expedition von 1879, dessen Länge telegraphisch bestimmt ist, eine Zeitbestimmung mit Prismenkreis und Theerhorizont, um den Gang der Expeditions-Chronometer zu ermitteln.
Abends verließ die »Rio« San Vincent. In der Nähe der »Rio« fuhren mit gleichem Kurs ein französischer und ein englischer Dampfer. Der erstere »Laurium«, gab am Abend des 15., in einer Tagereise Entfernung von San Vincent, das Signal » Can yon tow me ?« Die »Rio« steuerte sogleich zu dem französischen Schiff hin und fand dasselbe mit gesprungenem Hochdruckcylinder vor.
Kapitän Brandt willigte in die gewinnverheißende Aufgabe, das Schiff nach San Vincent zurückzubringen, ein und so war die Hülfe des inzwischen herangekommenen englischen Dampfers nicht mehr nöthig. Die Rückfahrt mit »Laurium« im Schlepptau ging langsam von Statten; die 4 starken Taue, an welchen »Laurium« befestigt war, rissen öfters, es gab daher Unterbrechungen der Fahrt, so daß die »Rio« nur halb so schnell vorwärts kam als bei der Alleinfahrt und erst nach zwei Tagen »Laurium« im Hafen von San Vincent in Sicherheit brachte.
Die »Rio« nahm abermals Kohlen ein und verließ am 18. Nachmittags zum zweiten Mal und endgültig San Vincent.
Unter etwa 6° nördlicher Breite wurde die Zone der Calmen durchschnitten. Die Wasserfläche war spiegelglatt, nur leicht bewegt durch das Dahingleiten des Schiffes; dabei regnete es.
Der Aequator wurde am 22. Juni passirt.
Am 2. Juli kam Land in Sicht und am 4. Juli Nachmittags ankerte die »Rio« auf der Rhede von Montevideo.
Die Reise von Hamburg hatte also einen Monat gedauert bei einer Geschwindigkeit von 10-11 Seemeilen in der Stunde.
S. M. S. » Moltke«, Kommandant Kapitän z. S. Pirner, das deutsche Stationsschiff an der Westküste Südamerikas, welches mit der Ueberführung der Expedition nach Süd-Georgien beauftragt war, war schon am 28. Juni bei Montevideo eingetroffen.
Korvettenkapitän Hartog, der erste Officier der »Moltke« kam nach Ankunft der »Rio« an Bord derselben, um die Umladung des Expeditionsmaterials zu besprechen.
Bald darauf an Land hatte Dr. Schrader Gelegenheit, sich dem Kommandanten S. M. S. »Moltke« Kapitän z. S. Pirner vorzustellen.
Für die Umladung der Ausrüstungsgegenstände wurden Leichter, große flache Boote mit Segeln, gemiethet. Mit dem Ausladen auf der »Rio« wurde noch am Tage der Ankunft begonnen; es wurde die ganze Nacht hindurch gearbeitet und im Laufe des folgenden Tages konnte der dritte und letzte Leichter gefüllt nach der »Moltke« abgehen wo die Verstattung noch einen weiteren Tag in Anspruch nahm. Die »Rio« reiste einen Tag nach ihrer Ankunft am 5. Abends nach Buenos Aires weiter.
Die Abreise der »Moltke« nach Süd-Georgien war erst für 14 Tage später in Aussicht genommen, da Kapitän Pirner den Befehl hatte, die Expedition Mitte August auf Süd-Georgien zu landen, und drei Wochen für die Reise dorthin reichlich bemessen erschienen.
Die Herren der Expedition machten am 5. ihre Aufwartung an Bord S. M. S. »Moltke«. Für die Zeit bis zur Abreise quartirten sich dieselben in Montevideo im »Hotel des Pyramides« ein.
Für Anstellung von Zeitbestimmungen ließ Dr. Schrader an einem schon früher benutzten Fixpunkt bei der englischen Kirche einen Pfeiler aus Backsteinen auf Kosten der Deutschen Venus-Kommission aufbauen, da derselbe später auch von den nach Südamerika gesandten Expeditionen zur Beobachtung des Venusdurchgangs zu benutzen war. Hier wurden an mehreren Abenden Sterndurchgänge beobachtet, um Stand und Gang der Expeditions-Chronometer, sowie der Chronometer an Bord S. M. S. »Moltke« zu ermitteln für die Zeitübertragung von Montevideo nach Süd-Georqien.
Die Expeditions-Mitglieder fanden im Deutschen Club von Montevideo die freundlichste Aufnahme. Derselbe veranstaltete dem Officierscorps S. M. S. »Moltke«, sowie den Herren der Expedition zu Ehren einen Ball; der stellvertretende deutsche Consul Herr Medina arrangirte einen Ausflug nach Las Piedras, einem Landsitz, einige Stunden von Montevideo entfernt. Die Theilnehmer begaben sich theils zu Pferde, theils zu Wagen dorthin und wurden am Ziel durch ein Asado con cuero überrascht, ein in Haut und Haaren gebratenes Stück von einem Rinde.
Durch Empfehlungsbriefe des General-Consuls für Uruguay in Berlin, des Herrn Guarch, wurden die Expeditions-Mitglieder auch bei eingeborenen Montevideanern eingeführt, deren Freundlichkeit sie den Zutritt in militärische Anstalten, in die Escuela de artes y oficios – eine Handwerkerschule – und die Einführung in das Theater zu verdanken hatten.
Für die Ausrüstung der Expedition wurden in Montevideo noch folgende Gegenstände augeschafft: 4000 l Petroleum in 100 Kisten, Eisäxte, ein großer zweirädriger Karren und ein kleiner Rollwagen für den Landtransport auf Süd-Georgien, Hölzer und Bretter und schließlich an lebendem Vieh 20 Hammel, 3 Ochsen, 6 Ziegen und 3 Zicklein, mit Futter für eilt viertel Jahr.
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Reise auf S. M. S. »Moltke« nach Süd-Georgien. S. M. S. »Moltke« mit der Expedition an Bord trat am 23. Juli Vormittags 10 Uhr 30 Min. die Reise nach Süd-Georgien an. Ein Dampfer von »Wendt und Wille« mit vielen Deutschen an Bord gab ein Stück weit das Geleite.
S. M. S. »Moltke«, damals als »gedeckte Corvette«, jetzt als »Kreuzercorvette« bezeichnet, besitzt 2856 Tons Raum und eine Maschine mit 2500 indicirten Pferdekräften. Das Schiff führte 16 Stück 15 cm Geschütze, von welchen sich 12 in der Batterie, dem Raume unter Deck, und 4 auf Deck befanden. Für Verstauung des Expeditions-Materials war theils der Raum zwischen den Geschützen in der Batterie, theils das Deck benutzt worden. Die Zahl der Matrosen belief sich auf 404; das Offizierskorps setzte sich aus folgenden Herren zusammen:
Kapitän zur See Pirner, Kommandant,
Korvettenkapitän Hartog, I. Officier,
Kapitänlieutenant Freiherr von der Goltz, Navigationsofficier, "
Kapitänlieutenant Donner,
Kapitänlieutenant Sarnow, Torpedo-Officier,
Kapitänlieutenant Hoffmeyer,
Lieutenant zur See Gehrmann,
Lieutenant zur See Ferber, Adjutant,
Unterlieutenant Wilde,
Unterlieutenant Paschen,
Unterlieutenant von Klein,
Unterlieutenant Peters,
Stabsarzt Dr. Gärtner,
Assistenzarzt Dr. Wagner,
Maschinen-Unteringenieur Becker,
Zahlmeister Borowski.
Die Herren der Expedition lebten zusammen mit den Officieren in der Officiersmesse, wo ihnen die liebenswürdigste Aufnahme zu Theil wurde. Für die Nacht war für die Expeditions-Mitglieder in der Batterie an der Stelle von zwei auf die Seite geschobenen Geschützen ein Bretterverschlag errichtet worden.
Nachts wurden die Hängematten aufgehängt; auch tagsüber hielten sich die Herren öfters in diesem Raume auf, für welchen daher die Bezeichnung »Civilmesse« in Gebrauch kam.
Seit dem 24. Juli wurde täglich eine Flaschenpost mit Ort und Zeitangabe über Bord geworfen, um für den Fall eines glücklichen Fundes Aufschluß über die Strömungsverhältnisse zu geben.
Die Entfernung von Montevideo bis Süd-Georgien beträgt etwa 1450 Seemeilen. Diefe Strecke könnte von einem Dampfer bei einer stündlichen Geschwindigkeit von 10 Seemeilen in 6 Tagen zurückgelegt werden. Die »Moltke« brauchte länger, da sie auf das Segeln angewiesen war und Dampf nur in Ausnahmefällen benutzen durfte. cfr. Reiseberichte S. M. S. »Moltke«, Kapt. z. S. Pirner, Annalen der Hydrographie, 10. Jahrgang 1882, pag. 738 ff.
Montevideo liegt auf 34° 53' SB. Der 40. Breitengrad wurde am 27. Juli, der 50. am 6. August geschnitten, nachdem am 3. August unter 47° B. ein nach Ost segelndes Vollschiff, das einzige Schiff auf dieser Reise, passirt worden war.
Am 7. August Mittags kam unter 52° S. B. und 42° W. L. der erste Eisberg in Sicht. Derselbe hatte tafelförmige Gestalt, war 35 m hoch, 1,3 km lang und 1 km breit. Am nämlichen Tage gegen Abend kam ein zweiter, kleinerer Eisberg mit zackiger Form in Sicht.
Am 12. August 1 Uhr Nachmittags wurde ein zuerst als entfernter Eisberg angesehener Punkt als Kap erkannt, und bei der schnellen Annäherung tauchte bald links daneben eine herrliche langgestreckte zackige Gebirgskette auf, mit Schnee und Eis bedeckt und von der tiefstehenden Sonne hell beleuchtet.
In der Nacht wurde beigedreht und von der Insel abgehalten. Am 13. wurde wieder auf die Insel gehalten, wegen Schneegestöbers und Nebels kam aber das Land erst am Nachmittag in Sicht und es mußte daher für die Nacht wieder beigedreht werden; das Gleiche geschah am 14. und 15. August.
Am 16. August war früh 4 h 30 m Land in Sicht und gegen 9 h Morgens wurde in eine Bucht eingelaufen. In dem innersten und südlichen Theil der Bucht warf die »Moltke« Anker auf blauem Schlickgrund in 34 m Tiefe. Wegen Nebels, war kein Ausblick möglich; ringsum waren steil abfallende Berge; im Südwesten des Ankerplatzes war eine imposante Gletscherstirne, nur im West war ein schmales Vorland. Dies bildete Nachmittags das Ziel einer Bootsfahrt; wegen des steilen Hinterlandes erschien es für die Errichtung der Station wenig geeignet. Es wurden an Land die ersten Pinguine gefangen, welche Abends an Bord umherspazirten.
Nachts wurde aus demselben Vorland durch Schrader mittels Prismenkreis und Quecksilberhorizont eine Ortsbestimmung gewonnen, welche 54° 22' Breite und 36° 30' westlicher Länge ergab. Diese Breite verweist auf der britischen Admiralitätskarte auf das Südufer der Cumberland-Bay. Von den auf dieser Karte in der Cumberland-Bay angegebenen Inseln wurde jedoch keine in der Bucht erkannt, möglicherweise wegen des Nebels, so daß die Identität der angelaufenen Bucht mit der Cumberland-Bay nicht zweifellos feststeht.
Ihrer Gestalt und ihrer nördlichen Erstreckung nach, welche aus der beigegebenen Skizze zu ersehen ist, würde die Bucht am besten dem Fisch-Hafen auf der Klutschak'schen Karte (S. 104) entsprechen. Damit würde auch in Uebereinstimmung zu bringen sein, daß zwischen diesem Hafen und der Royal-Bay, wie Kapitän Pirner berichtet, eine mäßig große geschützte Bucht von gutem Aussehen mit einigen in der Einfahrt liegenden flachen Felsinseln gesehen worden ist; diese wäre dann die Cumberland-Bay gewesen.
Am 17. August mit Tagesanbruch wurden zwei Kutter mit je 12 Mann unter Führung des Kapitänlieutenant v. d. Goltz ausgeschickt, um in den anderen Theilen der Bucht einen sicherern Ankerplatz aufzusuchen, da der gegenwärtige durch abtreibendes Gletschereis gefährdet war. Fünf Herren der Expedition nahmen an der Fahrt Theil. Es war kaltes, unfreundliches Wetter. Als die Boote sich etwa in der Mitte der westlichen Seitenbucht befanden, brach ein derartiger Sturm aus WSW herein, daß die Erreichung des Landes ohne Rücksicht auf seine Beschaffenheit als höchstes Ziel galt. Mit Mühe wurde das Land erreicht und es wurden die Boote zwischen Klippen in Sicherheit gebracht (Punkt A der Skizze).
Das Land stieg an dieser Stelle steil empor, so daß am Fuß des Felshanges kaum Platz blieb für die Bootsinsassen. Die Blicke aller waren auf die im fernsten Hintergrunde der Bucht liegende »Moltke« gerichtet, welche in diesem Augenblick sich langsam zu bewegen begann und darauf dem Ostufer der Bay entlang der offenen See zusteuerte. Die »Moltke« war bei einer orkanartigen Schneeböe von dem Ankergrunde losgerissen worden und trieb mit beiden herabhängenden Ankern vor dem Winde in tiefes Wasser. Durch Setzen der Sturmsegel und durch Hervorholen der Feuer in der Maschine gelang es, das Schiff in der Richtung zum Ausgang der Bucht zu halten.
Den an Land ihres Schicksals Harrenden blieb keine Wahl, als auf der sturmgepeitschten See 3 km weit zur »Moltke« hinüber zu segeln.
Es wurden die kleinsten Segel benutzt; aber der Wind blies so stark, daß die Kutter flogen. Große Freude herrschte an Bord, als die Kutter mit sämmtlichen Insassen glücklich zurückkamen. (Siehe die obenstehende Skizze.)
Die »Moltke« verließ die Bay; am 18. und 19. August konnte wegen dicken Wetters und heftiger Böen Land nicht angelaufen werden.
Am 20. August wurde bei hellem Wetter gegen Land gefahren. Die Küste sah an dieser Stelle so offen aus, daß das ungeübte Auge hier keine Bucht erwartete. Je mehr sich jedoch das Schiff dem Lande näherte, desto mehr entwickelte sich das Bild einer breiten, offenen Bucht, welche links der Einfahrt durch eine Landzunge mit drei Bergkegeln, rechts durch eine etwa 60 m hohe flache Landzunge von tafelförmigem Bau begrenzt und im Hintergrund durch eine mächtige Gebirgskette abgeschlossen war. In die Bucht reichten zwei breite Gletscherströme herab. Die ganze Landschaft war in tiefen Schnee gehüllt.
In dem inneren Theil der Bucht wurden 4 h20 m Nachmittags in 25 m tiefem Wasser die Anker fallen gelassen.
Bei der Einfahrt in die Bucht war die rechts befindliche niedrige Landzunge mit ihrer ebenen Oberfläche als geeignet für die Errichtung der Station erschienen. Dorthin begaben sich am 21. August die Herren der Expedition.
An verschiedenen Punkten auf dem Plateau wurden mittels des Magnetometers Messungen angestellt, um etwa vorhandene lokale magnetische Störungen zu erkennen; das Terrain ergab sich als frei von solchen Störungen.
Als geeignetster Platz für die Station wurde jedoch nicht das Plateau, sondern ein etwa 70 m breites, niedriges Vorland befunden, welches dem Plateauabfall an einer Stelle vorgelagert ist. Die Vorzüge dieses Platzes bestanden in einem Bach, welcher in der Nähe mündete und trinkbares Wasser führte, und in der Meeresnähe, wodurch ein beschwerlicher Landtransport des umfangreichen Expeditions-Materials vermieden wurde.
Aufbau der Station. (Hierzu die Ansicht Taf. II.) Die endgültige Entscheidung für diesen Platz erfolgte am 22. August. An diesem Tage wurde an den dem Strande vorgelagerten Klippen mittels einer an beiden Enden verankerten Barkasse eine Landungsbrücke hergestellt und mit dem Landen von Häusertheilen begonnen.
Tafel II.
Der Transport des Expeditions-Materials und der Anfbau der Häuser dauerte bis 3. September. Zur Hülfeleistung bei diesen Arbeiten wurden Matrosen engagirt, an manchen Tagen bis 100 Mann.
Für den Bau der Häuser war zunächst der 1-2 m tief liegende Schnee zu entfernen und darauf der Boden zu ebnen.
Alsdann wurden die Gebäude nach den mitgegebenen Plänen zusammengesetzt. Der Bau des Wohnhauses nahm etwa 6 Tage in Anspruch. Die Observatorien wurden in ähnlicher Weise wie das Wohnhaus aus Grundbalken, Wandpfosten, Dachstuhl und Wandbrettern zusammengesetzt. Die Wände waren jedoch hier nur einfach ohne Torffüllung.
Für Aufstellung der Thermometer wurde eine besondere Hütte, das Pfychrometerhaus, errichtet, welches nur an seiner oberen Hälfte zum Schutze der Instrumente jalousieartig durchbrochene Wände hatte.
Die Drehkuppel, welche zur Beobachtung des Venusdurchganges mitgegeben war, hatte cylindrische Form. Der untere Theil des Cylindermantels war aus Eisenplatten zusammengefügt, der obere Theil mit dem Dache bestand aus einem Gerüst von Eisenstäben, welches mit Segeltuch zu überspannen war. Der obere Theil konnte auf dem unteren mittels dazwischen gelegter Kugeln im Kreise gedreht werden.
Die Observatorien erforderten je 1-3 Tage zum Aufbau.
Von der Aufstellung des Ebbefluthmesser-Hauses mußte wegen Mangels eines geeigneten Platzes am Ufer zunächst abgesehen werden.
In den Observatorien waren außerdem die Instrumentenpfeiler zu errichten. Zur Fundirung derselben wurden etwa 3/4 m tiefe Gruben ausgehoben.
Der Boden war mit Moos bedeckt, darauf folgte eine Schicht von leichtem Torf, dann kam eine Thonschicht und in 1/2-3/4 m Tiefe Kies mit Wasser. Der Boden war 0,2–0,3 m tief fest gefroren. Auf Felsen traf man bei späteren Gelegenheiten in 1,5 in Tiefe.
Die Fundirungsgruben wnrden mit abgerundeten Strandsteinen gefüllt, da wegen der tiefen Schneebedeckung besseres Steinmaterial nicht zu finden war. Zur Verfestigung der Blöcke diente Mörtel. Auf diese Fundamente wurden alsdann Sockel und Säule der Pfeiler gesetzt.
Für das Viehl, welches mit Ausnahme von 3 Hammeln die Seereise glücklich überstanden hatte und nunmehr einen Stand aufwies von 3 Ochsen, 17 Hammeln, 6 Ziegen und 3 Zicklein, wurde ein Stall aufgebaut, für dessen Wände die große Zahl der noch gefüllten Petroleumkisten ein willkommenes Material lieferte.
Zur Abfuhr des von dem Gehänge kommenden Schmelzwassers wurden rings mit das Gebiet des Wohnhauses, des Variationshauses und des Viehstalles Gräben gezogen.
40 Tons Kohlen, als Brennmaterial, wurden in der Nähe des Wohnhauses aufgeschüttet.
Ein Theil der Proviantkisten wurde in dem Bodenraum des Wohnhauses untergebracht.
Nachdem sämmtliche Gebäude in Stand gesetzt und die letzten Kisten an Land befördert waren, verließen die Herren der Expedition am 3. September Vormittags, begleitet von Kapitän Pirner und einer Anzahl Ofsiciere, das Kriegsschiff, um ihre neue Wohnstätte zu beziehen.
Kapitän Pirner hängte im Wohnzimmer des Stationsgebäudes das Bildniß des Kaisers Wilhelm I. auf und brachte ein Hoch auf Seine Majestät aus.
Nach einem gemeinsamen Frühstück kehrten die Herren der »Moltke« an Bord zurück, und kurz darauf, Nachmittags 4 Uhr, dampfte das Schiff langsam zur Bucht hinaus.
Die Expedition sollte nun aus ein Jahr ganz ihrem Schicksal überlassen bleiben, ohne daß auch nur ein vorbeisegelndes Schiff ein Lebenszeichen von anderen Menschen gab.
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Süd-Georgien und das Stationsgebiet. Die Insel Süd-Georgien liegt zwischen 54° und 55° südlicher Breite und zwischen 85 1/2° und 37 1/2° westlicher Länge von Greenwich. In ihrer Längsrichtung erstreckt sie sich von Südost nach Nordwest mit einer Ausdehnung von 150 km. Ihre Breite beträgt durchschnittlich 25 km. Für das Areal der Insel finden sich 4066 qkm angegeben. Danach ist Süd-Georgien etwa halb so groß als die Insel Kreta.
Die Insel erhebt sich als langgestreckte Gebirgskette mit alpinem Charakter aus der Wasserfläche. Die höchsten Gipfel sind etwa 2000 m hoch. Zahlreiche Buchten greifen in den Körper der Insel ein; die zum Meere führenden Thäler sind zum großen Theile mit Eisströmen gefüllt. Auf der Südseite und zwar in der östlichen Hälfte der Insel wird die Küste durch einen nur wenig unterbrochenen Eiswall gebildet, wie Klutschak berichtet.
Die Insel Süd-Georgien wurde zum ersten Mal erwähnt, soviel man mit einiger Bestimmtheit feststellen kann, von La Roche (1675), der sie St. Pierre nannte. Im Jahre 1756 wurde sie von Duclos Guyot wieder aufgefunden. Süd-Georgien wurde die Insel erst von Cook benannt, als dieser große Seefahrer sie im Jahre 1775 besuchte. Wir besitzen von diesem Besuche eine Schilderung der öden Insel aus der Feder von Georg Forster, nach welcher die Unwirthlichkeit derselben im grellsten Lichte erscheint. Theilweise umsegelt und an einzelnen Punkten bestimmt wurde die Insel Ende 1819 durch die russischen Seefahrer Bellinghausen und Lazarew mit den Schiffen »Wostock« und »Mirny«. Siehe Neumayer »Die Erforschung des Süd-Polar-Gebietes«. Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde in Berlin, Jahrgang 1872.
Auf der Rückfahrt von seiner Südpolarreise landete James Weddell A Voyage towards the South Pole, by James Weddell, Master in the Royal Navy. London 1825 . auf Süd-Georgien und zwar in der am Nordwest-Ende der Insel gelegenen Adventure-Bay am 12. März 1823. Nach einer 5monatlichen Seereise boten seinem Schiffsvolk hier wachsende Pflanzen und junge Albatrosse eine willkommene frische Kost. Er blieb in der Bay bis zum 17. April und benutzte den Aufenthalt zum Ausbessern seiner Schiffe und zur Jagd auf See-Elephanten und Pelzrobben, um eine nutzbringende Last für seine Schiffe zu erlangen.
In neuerer Zeit hat der jüngst verstorbene Heinrich W. Klutschak Deutsche Rundschau für Geographie und Statistik, III. Jahrgang 1881, pag. 522. Die geographische Position ist nach den neuen Beobachtungen verbessert. über Süd-Georgien berichtet. Er war auf einem amerikanischen Robbenfängerschuner, »Der fliegende Fisch«, nach dieser Insel gelangt.
Sein Besuch währte von Oktober 1877 bis Ende Februar 1878. Er umfuhr die ganze Insel und von ihm rührt die beigegebene Kartenskizze von Süd-Georgien. Das farbige Titelblatt zu diesem Bande giebt ein vortreffliches Bild von dem Aussehen der Insel Süd-Georgien und ist nach den Skizzen des Herrn Ingenieur Mosthaff angefertigt. Auf der Südseite der Insel am Cheapmanstrand wurden Hunderte von See-Elephanten angetroffen. Sie werden geschossen und dienen zur Thran-Gewinnung. Auf der Nordseite der Insel dagegen wurde nur selten ein See-Elephant erblickt. Von der Nordwestspitze der Insel wurden einige 100 Felle des Pelzseehundes mitgenommen.
Das auf der diesem Bande beigegebenen Specialkarte der Royalbay dargestellte Gebiet beträgt ungefähr ein Fünfundzwanzigstel der ganzen Insel. Die Lage der Station wurde bestimmt zu 36° 0' 45" westlicher Länge von Greenwich und 54° 30' 58" südlicher Breite.
Von der Station aus erschien die Bucht wie ein großer See, der rings von Bergen umgeben war. Die Berge der Südseite wurden gegen West höher und höher. Zu einem Thaleinschnitt der Südseite erstreckte sich der Weddell-Gletscher bis an das Ufer der Bay. Im Südwesten der Bucht war der ihre Ufer umgrenzende Wall unterbrochen durch eine weite Pforte. Durch dieselbe ergoß sich der mächtige Roß-Gletscher mit etwa 4 km breiter und 50 m hoher und wildzerklüfteter Stirne ins Meer.
Den Hintergrund der Gletscherlandschaft bildete eine großartige mit ewigem Schnee bedeckte blendend weiße Gebirgswand – die » Wetterwand«, die bis zu einer Höhe von 2000 m emporragte.
Auf der weißen Gletscheroberfläche hoben sich zwei parallel verlaufende schwarze Seitenmoränen deutlich ab; sie erschienen aus der Ferne wie die Räderspuren eines Wagens.
Von der Station aus erblickte man rechts des Gletschers im Vordergrund den Pirnerberg. Dieser bildete das Ende eines Bergzuges, welcher nach West hin den Horizont abschloß; nur bei klarem Wetter sah man jenseits dieses Zuges einen mit ewigem Schnee bedeckten Gipfel majestätisch emporragen, welcher den Namen » Pik« erhielt.
Unmittelbar bei der Station erhob sich der Krokisiusberg zu 470 m Höhe. Derselbe bildete, wie der Pirnerberg, den Endabfall eines Gebirgszuges. Zwischen beiden Bergzügen verlief das Whalerthal, so benannt nach den hier gefundenen Spuren von Walfischfängern. In das Whalerthal griff die Wasserfläche der Bay mit einer kurzen Zunge ein, dem Moltkehafen, in welcher die »Moltke« vor Anker gelegen war. Der Strand an der Mündung des Whalerthales war flach und sandig und erhielt daher den Namen Scheveningen.
Nördlich vom Krokisiusberg erhob sich der massige Gebirgsstock des Brocken zu einem Gipfel von 700 m Höhe. Zwischen Brocken und Krokisius lag das Brockenthal.
Der Ostfuß beider Berge leitete über zu einer anfangs ewa 100 m hohen und allmählich bis zu 50 m sich senkenden Tafel, Hochplateau genannt, welche eine nach Ost sich erstreckende Landzunge bildete und welche gegen das Meer mit einer steilen Stufe abfiel. Diese Tafelbildung setzte sich auf einer von der Landzunge abgetrennten Insel fort. Auf dem Plateau lagen einige kleine Teiche.
Da die Station auf einem schmalen Vorland am Südrand der Tafel lag, so war die Aussicht nach Norden beschränkt; auch nach Osten war der Ausblick begrenzt durch einen Vorsprung der Landzunge, so daß, wie schon erwähnt, die offene See von der Station aus nicht sichtbar war. Dieser Vorsprung erschien von der Station aus wie ein Berg und wurde nach Professor Köppen, welcher die Errichtung einer Höhenstation in der Nähe der Stationsgebäude empfohlen hatte, Köppenberg genannt.
Zur Würdigung der klimatischen Verhältnisse Süd-Georgiens sei erwähnt, daß es ungefähr ebenso weit südlich des Aequators liegt, als Hamburg nördlich desselben, welches 53° 33' N.B. hat. Während jedoch die mittlere Jahres-Temperatur von Hamburg + 8,5° beträgt, wurde dieselbe auf der Station Süd-Georgien zu + 1,4° gefunden. Der wärmste Monat war hier der Januar mit + 4,6°, der kälteste Monat der Juli mit einem Temperaturmittel von - 2,3°. Das ganze Jahr hindurch herrschte eine sich ziemlich gleich bleibende Temperatur, welche sich wenig über Null Grad hob und wenig unter den Nullpunkt senkte. Dieser gleichmäßigen Temperatur war es wohl zum Theil zu danken, daß sich die Expeditionsmitglieder das ganze Jahr hindurch der besten Gesundheit erfreuten. Katarrh war eine auf Süd-Georgien unbekannte Erscheinung.
Schneefälle kamen zu jeder Jahreszeit vor, aber auch Regenfälle gab es in jedem Monat; die gesammte Niederschlagsmenge während des Jahres betrug 98,8 cm. Zur Beurtheilung dieser Zahl sei die jährliche Niederschlagsmenge an der deutschen Nordseeküste mit 67 cm angeführt.
Einen wichtigen Faktor in dem Klima Süd-Georgiens bilden die heftigen West- bis Südweststürme, welche wohl jeden zweiten oder dritten Tag dort aufzutreten pflegen.
Nur einer spärlichen Pflanzendecke gestatten die klimatischen Verhältnisse Süd-Georgiens das Dasein. Bäume oder größere Sträucher giebt es nicht.
Die am meisten auffallende Pflanze ist das Toussockgras, welches an allen dem Meere zugekehrten Berghängen wächst, wenn dieselben nicht all zu spärlich von der Sonne beschienen werden. An günstig gelegenen Hängen kommt das Gras bis zur Höhe von 300 m vor. Auch die Landzunge und die vorgelagerte Insel waren sowohl auf ihrer Oberfläche als an ihren Steilabfällen mit diesem Gras dicht bewachsen. Ueber 300 m Höhe waren die Berghänge nackte Schuttfelder.
Das Toussockgras steht in einzelnen dichten Büscheln, deren jeder aus einem isolirt stehenden Polster von altem abgestorbenem Gras emporwächst. Siehe Abbildung Bd. II pag. 176. Geht man über eine mit diesem Gras bewachsene Fläche, so muß man von Polster zu Polster springen; liegt Schnee, der nicht genügend festgefroren ist, so bricht man beständig in die Vertiefungen zwischen den Polstern. Für den Anstieg auf steilen Böschungen jedoch war diese Art des Wuchses sehr förderlich, da man die einzelnen Grasstöcke wie Stufen benutzen konnte.
Dem auf Süd-Georgien gelandeten Vieh bot das Toussockgras ein vortreffliches Futter, welches von Anfang an vor dem mitgebrachten Heu den Vorzug erhielt.
Auf Süd-Georgien einheimische Vierfüßler giebt es nicht. Dagegen wurde im Frühjahr und Sommer die Landschaft durch zahlreiche Vögel, besonders Sturmvögel und Pinguine, belebt, welche auf der Landzunge an vielen Stellen ihre Brutplätze hatten. Siehe das Kärtchen »Vertheilung der Brutplätze auf der Landzunge«, Bd. II, pag. 194. See-Elephant und See-Leopard, zwei große Robbenarten, wurden des öfteren am Strande angetroffen, dagegen kamen Pelzrobben nicht vor. In nächster Nähe der Stationsgebäude wurden jedoch kaum mehr als 12 dieser Thiere im Laufe des ganzen Jahres gesehen, und auf den Streifzügen der Expeditions-Mitglieder werden im Ganzen wohl wenig mehr als 50 Exemplare gesehen worden sein.
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Der Dienst und das Leben ans der Station. Die anzustellenden Beobachtungen waren meteorologischer, magnetischer und astronomischer Art.
Von den meteorologischen Instrumenten waren die Barometer im Wohnzimmer aufgehängt, ebenso hatte hier der selbstregistrirende Sprung'sche Barograph seinen Platz; Thermometer und Psychrometer, Metallthermograph und Haarhygrometer waren in dem mit jalousieartigen Wänden umgebenen Psychrometerhaus untergebracht. Für Messung der Bodentemperatur war ein 1,5 m tiefes Loch gegraben worden, in welches in drei verschiedenen Tiefen Thermometer versenkt wurden. Ein Strahlungsthermometer mit schwarzer Kugel, sowie der Regenmesser standen im Freien. Von der am Anemometermast befestigten Windfahne führte ein Stangenwerk hinab ins Wohnzimmer, wo an einer Scheibe die Stellung der Windfahne abgelesen werden konnte. Die Umdrehungen des auf dem Anemometermast befindlichen Schalenkreuzes wurden durch den im Wohnzimmer aufgestellten Anemograph gezählt.
Von den magnetischen Instrumenten hatten 2 Sätze Lamont'scher Variationsinstrumente ihre feste Aufstellung im Variationshaus, ebenso befand sich hier der Erdinduktor. Der magnetische Theodolit, sowie das Nadelinklinatorium wurden nur im Gebrauchsfall im magnetischen Pavillon aufgestellt.
In der Sternwarte befanden sich das Passagen- und Universalinstrument; in der Drehkuppel der Refraktor und das Heliometer. Die Normaluhr der Station, eine Pendeluhr von Bröcking, war im Wohnzimmer an einem fundirten Pfeiler aufgehängt; daneben standen die 4 Box-Chronometer und der Chronograph.
Die regelmäßig anzustellenden Beobachtungen waren: Stündliche Ablesung des Barometers, des trockenen und feuchten Thermometers, des Haarhygrometers, sowie Beobachtung von Windrichtung und Stärke, der Bewölkung, der Hydrometeore, ferner täglich einmal Aufzeichnung der Maximal- und Minimaltemperatur, der Bodentemperatur, der Temperatur und des specifischen Gewichts des Meerwassers und der Temperatur des Stationsbaches. Auf erdmagnetischem Gebiet waren stündlich die Stände der Variations-Instrumente aufzuzeichnen; am 1. und 15. eines jeden Monats, den Termintagen, waren diese Aufzeichnungen von 5 zu 5 Minuten auszuführen und für je eine Stunde dieser beiden Tage in Intervallen von 20 Sekunden.
Die Beobachtungen an den Termintagen waren auf sämmtlichen Stationen des internationalen Unternehmens nach Göttinger Zeit anzustellen.
An allen diesen Beobachtungen hatten sämmtliche Mitglieder der Expedition theilzunehmen. Zu diesem Zwecke bekamen jeden Tag zwei Herren Wache; diese beiden lösten sich im Laufe des Tages von 6 zu 6 Stunden ab. Der Wachtag begann Abends 9 Uhr, so das die erste Wache bis 3 Uhr Morgens, die zweite von 3 Uhr bis 9 Uhr währte; so konnte jeder der Wachhabenden einen Theil der Nacht schlafen. Da sich im Ganzen 7 Herren in die Wachen theilten, so war ein jeder abwechselnd bald 2, bald 3 Tage nacheinander wachfrei.
Die Signaluhr im Wohnzimmer avertirte den Wachhabenden 5 Minuten vor der vollen Stunde; dieser begab sich darauf in das magnetische Observatorium und las hier, durch Signale avertirt, welche ebenfalls durch die Signaluhr im Wohnzimnter mittels einer elektrischen Leitung gegeben wurden, die Instrumente in bestimmter Reihenfolge ab; darauf wurden die meteorologischen Beobachtungen ausgeführt. Die gesammten Beobachtungen nahmen jedesmal 5–10 Minuten in Anspruch.
An den Termintagen wurde der gewöhnliche Wachturnus unterbrochen, da an denselben sämmtliche Herren zu beobachten hatten. An diesen Tagen waren immer zwei Herren im Observatorium anwesend zur gleichzeitigen Beobachtung beider Instrumentensätze; die rasche Aufeinanderfolge der auszuführenden Ablesungen fesselte die Herren für die ganze Dauer ihrer Wache, die 2–3 Stunden zu währen pflegte, an das Observatorium. Nur zu den vollen Stunden verließ einer der Beobachter das Observatorium zur Ausführung der meteorologischen Beobachtungen. Die Zwischenpausen wurden durch stille Lektüre oder durch gegenseitiges Vorlesen verkürzt.
Zeigten die Magnetnadeln Unruhe, so mußten auch an den gewöhnlichen Wachtagen verschärfte Beobachtungen in möglichst kurzen Intervallen angestellt werden. Solche Störungen traten während des Beobachtungsjahres nur an 22 Tagen, im Ganzen durch 138 1/2 Stunden auf, und es möge bei dieser Gelegenheit erwähnt werden, daß die Erscheinung eines Polarlichtes, welche gleichzeitig mit magnetischen Störungen aufzutreten pflegt, auf Süd-Georgien nur einmal, und zwar an dem lebhaftesten Störungstag vom 17. auf 18. November 1882 gesehen wurde. Dasselbe erschien in Form von radialen Strahlen, welche über den gerade südlich von der Station gelegenen Bergen standen, wegen der Bewölkung jedoch nur 2 Minuten lang zu sehen waren. Für dieselbe Nacht liegen Südlicht-Beobachtungen von zwei Schiffen vor auf 45° S.B. und 47° Ö. L. bez. 42° S. B. und 37° Ö. L.
Die absoluten magnetischen Messungen mittels Theodolit, Nadelinklinatorium und Erdinduktor wurden monatlich zweimal, möglichst im Anschluß an die Termintage ausgeführt. Diese Messungen, wie die dazu gehörigen Berechnungen, lagen in den Händen der Physiker der Station Schrader, Vogel, Clauß.
Für möglichst genaue Einhaltung der für die stündlichen und für die Terminbeobachtungen vorgeschriebenen Zeittermine waren, so oft es die Witterungsverhältnisse erlaubten, Zeitbestimmungen am Passagen-Instrument zu machen, durch welche Stand und Gang der großen Pendeluhr festgestellt wurde. Die übrigen Uhren der Station wurden täglich nach dem Aufziehen mit der Pendeluhr verglichen. Zu den astronomischen Aufgaben gehörte auch die genaue Ermittelung der geographischen Breite und Länge der Station. Diese astronomischen Arbeiten wurden in erster Linie von Dr. Schrader ausgeführt.
Die Aufzeichnungen der selbstregistrirenden Apparate, nämlich des Barographs, des Thermographs und des Anemographs, waren zu überwachen und zu buchen, und es wurde daher die Verwaltung jedes dieser Apparate immer je 2 Herren für einige Monate übertragen. Die Verwaltung des Ebbefluthmessers, der später hinzukam, lag in den Händen von Ingenieur Mosthaff.
Von den meteorologischen und magnetischen Beobachtungen waren Abschriften herzustellen, zu deren Anfertigung wieder sämmtliche Kräfte herangezogen wurden.
Reparaturen an den Instrumenten oder Verbesserungen an denselben, wie solche durch den Gebrauch herausgefunden wurden, konnten durch den Mechaniker der Station Zschau ausgeführt werden, für dessen Arbeiten eine Werkstätte mit Drehbank in dem Wohnhaus eingerichtet war.
Die regelmäßigen Beobachtungen wurden am 14. September 1882 begonnen und fortgeführt bis 2. September 1883.
Dieser regelmäßige Dienst ließ für andere Arbeiten noch freie Zeit offen; so wurde der Venusdurchgang beobachtet und die Länge des Sekundenpendels bestimmt; außerdem wurde nach Kräften die naturwissenschaftliche Erforschung des Stationsgebietes zu fördern gesucht.
Mit dem Sammeln und Präpariren zoologischer Objekte befaßte sich der Arzt und Zoologe der Station Dr. von den Steinen, der Herstellung einer botanischen und geologischen Sammlung widmete sich der Botaniker Dr. Will, und es möge bezüglich der Ergebnisse dieser Thätigkeit auf Band II dieses Werkes verwiesen werden.
An freien Tagen bei günstiger Witterung wurden gewöhnlich von mehreren Herren Exkursionen unternommen; auf Grund der bei solchen Gelegenheiten angestellten Messungen mit Peil-Kompaß oder Horizontalkreis des Magnetometers konnte die beigefügte Karte der Royal-Bay hergestellt werden.
Die Uferlinie der Royal-Bay wurde mit Hülfe von Depressionswinkeln von dem etwa 50 m hohen Köppenberg aus aufgenommen.
Ein Theil der Exkursionen wurde zu Boot gemacht, theils zum Besuch der gegenüberliegenden Ufer der Bay, theils zum Fange von Seethieren mittels des Dredgenetzes. Im Ganzen wurden 46 größere Exkursionen, und zwar 33 zu Land und 13 zu Wasser ausgeführt; an späterer Stelle wird über einzelne derselben eingehender berichtet werden. An den Endpunkten verschiedener Exkursionen wurden Flaschen mit Dokumenten niedergelegt.
Von den Mannschaften war der Koch Fürth ausschließlich in der Küche thätig. Zimmermann Beckmann hatte die Reparaturen an den Häusern, die Holzarbeiten bei Anfertigung neuer Räume, die Vorbereitung der Kisten für die Abreise zu besorgen. Matrose und Segelmacher Wienschläger hatte als besonderes Gebiet die Aufsicht über das Vieh und die Besorgung der sämmtlichen Lampen; dem Matrosen Maas lag die Reinigung und Heizung des Wohnzimmers und die Reinigung der Kojen ob. Alle 14 Tage war Wäsche, welche durch Maas und Wienschläger besorgt wurde.
Noch andere Arbeiten, über welche später berichtet wird, hielten die Mannschaften in beständiger Thätigkeit.
Der Wohnraum war behaglich eingerichtet. Abgesehen von den in einer Ecke aufgestellten Instrumenten war derselbe ausgestattet mit Ofen, Sopha, kleineren Arbeitstischen, die an den Fenstern standen, Eßtisch in der Mitte des Raumes, Stühlen, großem Schrank für Tischzeug und Schreibmaterial, zwei Bücherregalen für wissenschaftliche und belletristische Bibliothek, mit Hängelampen, Stehlampen, Spiegel u. a.
Die Hausordnung war folgende:
6 a Aufstehen der Mannschaften, Reinigung des Wohnzimmers.
7 ½ a – 9 a Gedeckter Frühstückstisch; derselbe bot Kaffee, Brod, Butter, kaltes Fleisch.
12 p Zweites Frühstück; für die Mannschaften Hauptmahlzeit, etwa bestehend aus: Salzfleisch mit weißen Bohnen, Käse für die Herren, Kaffee, Bier oder Wein.
6 p (später 7 p) Hauptmahlzeit mit etwa folgendem Menu: Suppe, Macaroni mit Schinken, Braten mit Gemüse oder Kompot, Thee, Rothwein.
10 p Wird das Licht im Mannschaftsraum ausgelöscht.
Die Verwaltung des Proviants und der Getränke geschah durch 2, alle 3 Monate für diese Aemter neu erwählte Herren.
Jede Woche wurde frisches Brod gebacken, war dasselbe aufgezehrt, so gab es Hartbrod.
Frisches Fleisch wurde durch das mitgenommene Vieh von Zeit zu Zeit, und zwar das ganze Jahr hindurch geboten.
Süd-Georgien selbst lieferte zur Bereicherung der Tafel Eier von Pinguinen und Sturmvögeln, an Wildpret Enten, die zur Verhütung des Thrangeschmacks abgebalgt und in Essig gelegt wurden, eine Zeit lang Fische, ferner See-Elephantenleber und einmal Beefsteaks vom See-Leopard.
Jeden Sonnabend konnten die Expeditions-Mitglieder ein warmes Wannenbad nehmen.
Die Feiertage wurden auch auf Süd-Georgien eingehalten, ohne daß jedoch der regelmäßige Wachdienst hierdurch eine Unterbrechung erlitt; auch die Geburtstage der Expeditions-Mitglieder galten als Feiertage.
Mit Ausnahme von Festtagen pflegten sich die Herren bald nach der Hauptmahlzeit gegen 9 Uhr in ihre Kojen zurückzuziehen.
Ein kleiner Wandtisch ermöglichte hier einem der Insassen ungestörte schriftliche Beschäftigung.
Der Wachhabende blieb im Wohnzimmer; er beschäftigte sich mit Studium, Lektüre, Ordnen von Sammlungen und suchte auch wohl den drohenden Schlaf durch einen Trunk Kaffee zu verscheuchen, für dessen Herstellung bequeme Einrichtungen vorhanden waren.
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Das Beobachtungsjahr auf Süd-Georgien. September. Bald nachdem die Station errichtet war, hatte dieselbe die Angriffe heftiger Weststürme zu bestehen. Solche Stürme aus W bis SW Richtung traten das ganze Jahr hindurch sehr häufig auf.
Bei klarem Wetter kündete sich das Eintreten eines Weststurmes durch einen dicken Wolkenwulst auf dem Grat der Wetterwand an; bald darauf wurde das ganze Gebirgspanorama durch Nebel verhüllt; lebhafter Wellengang in dem gegen die Pforte des Roß-Gletschers gelegenen Theil der Bay verrieth, daß hier der Sturm schon in vollem Zug über die Wasserfläche fegte, während in dem Stationsgebiet im Schutze des Pirnerberges noch Ruhe herrschte. Aber bald darauf gelangten die ersten Windstöße zur Station.
Im September lag viel Schnee; dieser wurde bei den Stürmen aufgeweht und mit solcher Gewalt gegen die Häuser getrieben, daß er durch die Fugen in die inneren Räume eindrang. Die Leeseite der Häuser, welche gegen den unmittelbaren Angriff des Sturmes geschützt war, wurde durch Schnee förmlich verschüttet; auf der Luvseite dagegen bildete sich ein Schneewall in einiger Entfernung vor dem Hause.
Nach den Stürmen bedurfte das Dach des Wohnhauses wie das des Variationshauses einer Reparatur. Die Fugen zwischen den Dachbrettern wurden mit Dachpappe, Tauwerk und Gyps gedichtet. Das Dach des Variationshauses wurde mit Holzleisten schräg übernagelt, damit die Dachpappe nicht so leicht durch den Wind wieder losgeweht werden konnte; in Ermangelung von Kupfernägeln mußten hierfür Messingstifte hergestellt werden.
Auch auf die Variations-Instrumente äußerte sich die Wirkung des Sturmes. Die Grundbalken des Variationshauses lagen nicht in ihrer ganzen Länge auf dem unebenen Boden, sondern wurden durch untergeschobene Holzklötze in horizontaler Lage gehalten; so konnte der Wind unter dem Boden weg gegen die Pfeilersockel wehen, wodurch ein Zittern der Nadeln hervorgerufen wurde. Die offenen Stellen unter den Grundbalken waren daher zu schützen, und dies geschah durch Aufschüttungen von Kies. Zu diesem Zweck hatte jedes Expeditions-Mitglied täglich zwei Trageimer voll Kies vom Strande nach dem Observatorium zu bringen.
Aber noch in anderer Weise äußerte sich der Witterungseinfluß im magnetischen Observatorium. Bei dem Thauwetter, welches in diesem Monat schon mehrfach eingetreten war, setzten sich die Pfeilerfundamente, die aus großen Rollsteinen hergestellt worden waren. Bei der Neigung der Pfeiler, welche hierdurch eintrat, legten sich die Magnetnadeln an die Kupferhülsen und blieben unbeweglich. Um dem vorzubeugen, wurden die Kupferhülsen des Instrumentensatzes »Neumayer« etwas weiter ausgebohrt; aber auch dies sollte nicht genügen, wie sich später zeigen wird.
Das Vieh wurde schon vom 7. ab tagsüber ins Freie gelassen; das Gras sah an vielen Stellen aus dem Schnee heraus und wurde dem noch vorhandenen Heu vorgezogen.
Von der »Moltke« hatte die Station ein Gänsepaar als Geschenk erhalten; als man jedoch die beiden Thiere ins Freie gelassen hatte, flüchteten sich dieselben nach einer weit in die Bucht hinaus gelegenen Klippe. Dort saßen sie über eine Woche, ohne zu fressen; die eine Gans verendete, die andere wurde darauf mit dem Boot geholt, ging jedoch auch bald zu Grunde, da sie durch das lange Hungern sehr heruntergekommen war.
Ein großer See-Elephant wurde an der Pinguinbay erlegt. Besondere Freude an solcher Jagd hatte stets der Expeditionshund Banquo. Er biß den unbeholfenen Thieren in den Rücken; diese wehrten sich mit der Schwanzflosse, deren Schläge der Hund immer behend auswich, und suchten so rasch, als es ihr Körperbau erlaubte, das Wasser zu erreichen.
Der erlegte See-Elephant hatte eine Länge von 5,5 m und einen Umfang von 4,8 m . Das Fell wurde abgezogen; Speck und Fleisch lockten eine große Zahl von Sturmvögeln und Raubmöven herbei, welche nach etwa 4 Wochen das Skelett vollständig präparirt hatten. Zum Transport des Felles auf einem Schlitten waren 7 Mann nöthig, da der steile Anstieg auf das Plateau zu überwinden war; der in der Luftlinie 3 km messende Weg nach der Station wurde erst in 2½ Stunden zurückgelegt.
Am 29. September Morgens 4 Uhr kam der große » Septemberkomet 1882« zum ersten Mal in Sicht und zwar in vollkommener Schönheit. Derselbe blieb sichtbar bis zur Nacht vom 11. auf 12. December. Dieser Komet ist nachweisbar zuerst gesehen worden in Auckland am 3. September.
Oktober. In diesem Monat ging der Schnee mehr und mehr weg trotz noch manchen kräftigen Schneefalles. So fiel in der Nacht vom 24. auf 25. 1 dm Schnee, so daß es Morgens wieder Winter war; aber der herrliche Frühlingstag thaute alles wieder weg. Am Strand, der schneefrei wurde, kamen See-Elephantenskelette, Walfischknochen und eine Faßdaube zum Vorschein. Das Hochplateau bei der Station wurde in Folge des Thauwetters immer mehr sumpfig und unzugänglich und sandte große Mengen Schmelzwasser herab.
Die Pfeiler der Variations-Instrumente neigten sich jetzt so stark, daß in wenigen Tagen die Skala eines gut aufgestellten Fernrohrs aus dem Gesichtsfeld verschwand.
Es wurde daher die Neufundirung der Pfeiler, und zwar zunächst des einen Instrumentensatzes unternommen, während an dem anderen Satze weiter beobachtet wurde. Die Fundirungsgruben wurden nach Entfernung des alten Materiales auf 1,5 m vertieft und anstatt der Strandsteine wurden große Tonschieferplatten in denselben eingesetzt, welche an dem nun vom Schnee befreiten Plateauabfall gebrochen worden waren. Die Neufundirung von 3 Pfeilern erforderte 3 Tage Arbeit Noch in demselben Monat wurden die Pfeiler des anderen Instrumentensatzes neu fundirt. Die neuen Fundamente bewährten sich.
Von der Drehkuppel war bei einem Sturm im September das über das Dach gespannte Segeltuch herabgerissen worden. E« wurde nun das Dachsegel mit dem cylinderförmigen Wandsegel zusammengenäht und letzteres durch Holzleisten von Innen und Außen, welche paarweise zusammengeschraubt wurden, gegen das Eisengitterwerk befestigt.
Die beiden magnetischen Observatorien wurden in den entstandenen Fugen gedichtet.
In diesem Monat bauten die Pinguine in zahlreichen Kolonien Nester und paarten sich.
Das erste Pinguinei, das beträchtlich größer ist als unser Hühnerei, wurde am 26. Oktober gefunden. Dasselbe wurde gekocht und versucht. Das Weiße schimmerte bläulich und war durchscheinend; das Ei war frei von einem unangenehmen Beigeschmack.
Am 22. Oktober wurde von 4 Herren und 1 Matrosen eine größere Exkursion in das Innere der Insel unternommen. Als natürlichster Weg bot sich das Whalerthal mit breiter Sohle und nicht auffallender Steigung. Das Thal biegt oben nach W um; an dieser Stelle erhebt sich die Thalsohle zu einem 100 m höheren Niveau; der Uebergang aus dem tiefen zum höheren Niveau geschieht auf einem steilen Hang, der das ganze Jahr mit tiefem Schnee bedeckt war. In dem oberen Theil des Thales ging es dann wieder auf ebenem Boden weiter zwischen kahlen Bergzügen, bis sich der Thalzug nordwärts wieder zum Meere hinabwendte. Hier hatte man einen Blick auf die See und auf eine Landspitze mit vorgelagerter Insel.
Die Sohle dieses Thales war durch den Nachtigal-Gleticher ausgefüllt, der seine Nahrung von den westlich gelegenen Hängen erhielt. An diesem schneebedeckten Gehänge wurde zu einer Einsattelung etwa l50 m hoch emporgestiegen, von welcher es auf Schnee wieder eben weiter ging. Wo die Schneedecke aus der geneigten in die horizontale Richtung umbrach, hatte sie einen tiefen Riß, welcher einen Blick in einen blauen Abgrund gewährte. Bergwände zur Linken, ging eis num nach Süden. Es herrschte Nebel, so daß eine Orientirung nicht möglich war und Niemand wußte, wo man sich befand. Da theilte sich einen Augenblick der Nebel, und in nächster Nähe rechts lag der gewaltige Pik, der von der Station aus bei schönem Wetter jenseits der westlichen Berge zu sehen war. Die Situation sollte aber noch mehr geklärt werden, als sich nach Süd ein Ausblick auf einen großen tief unten liegenden Gletscher bot, der kein anderer sein konnte, als der Roß-Gletscher. Es war also der jenseitige Fuß der westwärts der Station gelegenen Berge erreicht worden und man befand sich in einem zum Roß-Gletscher führenden Thal in einer Höhe von etwa 400 m über dem Meere. An dem Endpunkt der Wanderung wurde längere Zeit gerastet und dann auf demselben Weg wieder zu der Station zurückgekehrt. Der ca. 11 km messende Weg war hinwärts in 4–5 Stunden zurückgelegt worden. Bei zweien der Theilnehmer an dieser Expedition schälte sich die Gesichtshaut in den folgenden Tagen ab; auch litten die beiden an Entzündung der Augen, da sie dieselben aus Mangel an zweckmäßigen Schneebrillen nicht genügend geschützt hatten.
November: Dieser Monat begann mit einigen schönen Tagen. Am 3. standen bei einer Maximaltemperatur von + 8,1° den ganzen Tag die Fenster des Wohnzimmers offen. Dann gab es aber wieder trübe, neblige, regnerische und kühle Tage. Auch Schnee fiel öfters, doch ging derselbe im Laufe des Tages wieder weg; nur auf den Bergspitzen blieb er länger liegen. Im Haus traten viele kleine Fliegen auf.
Botaniker Will legt einen Versuchsgarten an. Er richtet »eine ca. 4 qm große Lodenfläche durch Abheben der Grasdecke und Unterbringen derselben unter dem Boden, Vermischen des Bodens mit Sand zur Aussaat von Getreide her. Die mitgebrachten Samen von Roggen, Gerste, Weizen – meist schwedischen Ursprungs – beanspruchten nur kurze Vegetationszeit. Die ausgesäten Körner waren, wie eine Prüfung ihrer Keimkraft ergab, bei der Aussaat noch sehr keimkräftig. Von allen Getreidearten entwickelte sich nur der Roggen bis zur Körnerbildung; derselbe reifte aber in Folge des heftigen Schneesturmes am 30. März 1883 nicht völlig aus«.
Auch Zschau bebaute ein Stückchen Land, für dessen Urbarmachung er 100 Blechkisten voll Sand und den Dünger aus dem Ochsenstall herbeischaffte. Eines der Beete dieses Gartens lieferte Kressensalat für die Tafel.
In einem anderen Beet wurden Kartoffeln gesteckt. Die Pflanzen wuchsen 10 cm hoch, kamen aber nicht zur Blüthe; dagegen entwickelten sich an denselben je 10–12 Knollen von Erbsen- bis Haselnußgröße.
Der Koch Fürth sperrte ein Exemplar des kleinen blauen Sturmvogels ( Prion turtur Smith ), der in Erdlöchern nistet, in einen Käfig, wo er jedoch bald erfror, Zschau baute in den Käfig kleine Höhlen aus Moos hinein und erhielt so 6 der niedlichen Thierchen eine Zeit lang am Leben; sie lernten selbstständig Fleisch fressen, das ihnen ursprünglich eingestopft werden mußte. Einer dieser Vögel wurde aus der Gefangenschaft entlassen; derselbe war kaum weggeflogen, als ihn eine Raubmöve haschte und ein Stück weit forttrug; über dem Wasser entkam er jedoch wieder.
Groß war in diesem Monat die Ernte an Pinguin- und Sturmvogeleiern, deren von manchen Excursionen 70 Stück mitgebracht wurden. Auch Möveneier wurden gesammelt. Sämmtliche Eierarten wurden zur Herstellung von Pfannkuchen, Rühreiern, Puddings benutzt. An solchen Speisen herrschte daher in diesem Monat ein großer Ueberfluß. Der erste junge Pinguin wurde am 28. gefunden.
Mit einigen Neubauten wurde in diesem Monat begonnen. An der Nordseite des Wohnhauses wurde ein Schuppen für den Zimmermann und für Proviantkisten angebaut mit der Oeffnung nach Ost. Die Mauern wurden aus Steinen und ausgestochenen Moos- und Torfstücken aufgeführt; das Dach wurde aus Brettern hergestellt. Ebenso wurde an der Ostseite der Sternwarte ein Schuppen angelehnt, als Arbeitsraum für den Zoologen. Hier wurden in die Mauer leere Kisten eingefügt, welche nach der Innenseite des Baues offen waren und Nischen zur Aufnahme von Sammlungsgläsern bildeten. Der zoologische Schuppen wurde Mitte December fertig; er erhielt zu Anfang des Winters, im April, einen Ofen.
Neben ber Drehkuppel wurde noch eine kleine Hütte ganz aus Moosstücken aufgebaut, welchen ein Lattengerüst zur Stütze diente; hier sollte der kleine Refraktor aufgestellt werden, um mittels desselben die Collimation des Heliometers zu bestimmen. Nach dem Venusdurchgang wurde dieser Raum als photographische Dunkelkammer benutzt.
Von den Exkursionen ist zunächst ein Ausflug am 5. zu erwähnen, dessen Ziel die Spitze der Landzunge war. Dort ist dem Plateauabfall ein kleiner Strand vorgelagert, wo sich Skeletttheile von Robben und ein eiserner Faßreif fanden. »An den Nordhängen der Landzunge zeigte das Toufsockgras junge Aehrenknospen; außerdem fanden sich fruktisieirende Moosspecies in großer Menge.« Die auf dem Hochplateau befindlichen kleinen Teiche waren noch mit Eis und Schnee bedeckt.
Am 7. Nachmittage wurde die erste Bootspartie unternommen mit 5 Herren und 3 Matrosen an Bord; 6 Mann saßen an den Riemen. Es wurde zuerst in nächster Nähe des Roß-Gletschers gelandet. Das untere Gletscherende füllt nicht die Thalsohle in ihrer ganzen Breite aus; vielmehr liegt zwischen dem Gletscherrand und dem Pirner-Berg ein Stück niedrigen und ebenen Landes, über welches, wie eine alte Moräne andeutet, ehedem der Gletscher ausgebreitet war; hier konnte das Boot bequem anfahren. In geringer Entfernung vom Ufer wurde eine Pinguinkolonie angetroffen; zwei prächtige See-Elephantenmännchen, das eine gelb, lagen am Strand, sie wurden durch Banquo ins Wasser verjagt. Darauf wurde nach dem Weddell-Gktscher gerudert eine Zeit lang mit Anstrengung, da sich das Boot zwischen und über Eisschollen bewegen mußte, welche von der Stirne des Roß-Gletschers abgebrochen waren. An einem an der linken Seite des Weddell-Gletschers befindlichen Strand wurde wieder gelandet. Diese Stelle ist den von der offenen See kommenden Wellen schutzlos preisgegeben und daher zum Landen wenig geeignet. Es fand sich hier eine große Pinguinkolonie, deren Einwohnerzahl auf 2000 geschätzt wurde. Wegen des starken Wellengangs am flachen Strande mußte die Abfahrt eilig augetreten werden. Um 7 1/2 Uhr Abends traf das Boot bei der Station ein.
Zum Schluß einer jeden Bootspartie mußten alle Kräfte der Station mitwirken, um das Boot mittele eines Flaschenzuges aus das Trockene zu bringen.
Am 10. wurde eine Nachmittags-Exkursion durch das Brockenthal ausgeführt. In der Thalsohle lag noch Schnee, und es wurden wohl aus diesem Grunde die beiden Seen, die sich im Brockenthal befinden, nicht bemerkt.
Das Thal findet nach oben seinen Abschluß durch einen zwischen beiden Thalwänden stehenden Sattel, dessen Höhe etwa 100 m über der Thalsohle beträgt.
Nach Ueberschreitunq des Sattels wurde in dem nach Nord führenden Thal weiter gegangen bis zur Küste. Im unteren Drittel des Thales lag querüber eine alte Moräne, jenseits derselben dem Meere zu fand sich üppig wucherndes Toussockgras. Es wurde nun der Versuch gemacht, dem Strand entlang den Brockenstock zu umgehen, doch wurde dies bald wegen der steil abfallenden Ufer aufgegeben und es wurde auf dem alten Wege zur Station zurückgekehrt.
Am 12. wurde eine Vormittagstour nach dem Pirnerberg unternommen.
In das der Station zugekehrte Gehänge des Pirnerzuges sind zwei Hochthalmulden eingesenkt: die Sohle beider Mulden bricht mit einer gemeinsamen steilen 200 m hohen Wand zum Whalerthale ab. Die obere Kante dieser Bergwand schien von Weitem den Verlauf einer am Gebirge hinziehenden Straße anzudeuten, und es kam daher für dieselbe die Bezeichnung Bergstraße in Gebrauch.
Die Bergstraße bildete das nächste Ziel dieser Tour; um dieselbe zu erreichen, war das Whalerthal zu durchqueren. Ehe der Whalerbach das etwa 1 km lange Tiefland am Moltkehafen erreicht, durchbricht er, von einer höheren Stufe kommend, den Felsboden in einer engen Schlucht. Oberhalb derselben wurde der Bach auf der gefrorenen Schneedecke überschritten; der Lauf des Baches war durch einen schmutzig gefärbten Streif auf der Schneedecke bezeichnet. Zur Bergstraße wurde an einem steilen Hang etnporgeklettert; sie zeigte sich bequem gangbar, aber mit Felsblöcken reichlich besäet. Beide Mulden sandten Bäche zum Whalerthal herab; in der rechts gelegenen Mulde befindet sich ein kleiner Gletscher, der Abtfluß der linken Mulde bildet an der steilen Wand einen schmalen von der Station aus sichtbaren Wasserfall. Von der letzteren Mulde ans wurde der Pirner bestiegen, wegen des eingetretenen Nebels nur von zwei der Herren. Auf dem Rückweg wurde am Scheveninger Strand ein Königs-Pinguin-Pärchen gefunden, das mit vieler Mühe nach der Station geschleppt wurde.
Am 19. wurde die Möglichkeit festgestellt, daß der Roß-Gletscher auf dem Landwege zu erreichen ist. Von der Whalerbay ab wurde der Weg so lang als möglich dicht an dem steilen Ufer genommen, welches eine Strecke lang mit großen Felsblöcken besetzt ist; an der Stelle, wo sich die Uferlinie zum Thal des Roß-Gletschers wendet, bricht das Gehänge des Pirner mit einer 100 m hohen Felswand senkrecht gegen die Wasserfläche ab. Hier mußte das User verlassen und bis oberhalb der Felswand emporgeklettert werden; darauf ging es bequem in der Höhe vorwärts, bis die Sohle des Gletscherthales zu Füßen lag. Dieser Weg wurde bei späteren Exkursionen häufig benutzt.
December. Am December blieb die Temperatur stets über Null; im Mittel betrug sie jedoch nur + 3º,7. Das Wetter war meistens trübe; in den letzten 14 Tagen des Monats konnte keine Zeitbestimmung erhalten werden. Niederschläge fielen zwar häufig, aber sie waren nicht ausgiebig; »am 22. gab es zum ersten Mal seit langer Zeit ordentlichen Regen«; der Boden war sehr trocken gewesen, sogar staubig. Der Regen drang durch die Dächer in das Wohnhaus und Variationshaus und es mußte in letzterem zum Schutz eines Instrumentes ein Stück Segeltuch unter das Dach genagelt werden.
Die Zahl der Stunden mit Schneefall war in diesem Sommermonat größer als die Zahl der Regenstunden und am 25. December lag auch auf Süd-Georgien eine frische Schneedecke.
Ein wichtiges Ereigniß in diesem Monat war der Venusburchgang am 6. December. An den vorhergehenden Wochen waren Beobachtungen am Heliometer – Sonnendurchmesser-Bestimmungen und Theilfehleruntersuchungen – ferner Beobachtungen mittels des Venuscontaktmodells gemacht worden, durch welche die Nichtastronomen, welche bei der Beobachtung des Venusdurchganges mitwirken sollten, in dem Gebrauch der Instrumente eingeübt wurden.
Die Witterungsverhältnisse am 6. waren selten günstige: an den vorhergehenden Tagen war der Himmel meist bedeckt gewesen, so daß für den 6. nichts Gutes zu erwarten war. Auch an diesem Tage war Morgens 9 Uhr noch der ganze Himmel bedeckt; allein seit dem Abend vorher wehte ein heftiger Weststurm und dieser säuberte kurz vor Beginn des Durchgangs die Luft von allen Wolken rein. Der Sturm hielt den ganzen Tag über an und so lange er wehte, blieb der Himmel klar. Es konnte daher das Phänomen von Anfang bis Ende beobachtet werden.
Freilich brachte dieser Sturm Unbequemlichkeiten anderer Art; bei einer Geschwindigkeit von mehr als 20 m pro Sekunde in den Nachmittagsstunden von 1 bis 4 Uhr drohte er das mir auf Rollkugeln aufliegende Dach der Drepkuppel abzuheben; dies mußte daher an der Luvseite von 4 Mann an Tauen niedergehalten werden.
Der Eintritt der Venus wurde an 3 Fernrohren beobachtet: an dem großen Hamburger Refraktor durch Schrader, an dem kleinen Münchener Refraktor, von dessen Aufstellung als Colliniator Abstand genommen worden war, durch Vogel und an einem kleinen Handfernrohr durch Mosthaff. Darauf begannen die Heliometermessungen. welche von Schrader, Vogel und Clauß abwechselnd ausgeführt wurden und zwar während der ganzen Dauer des Vorüberganges.
Dieser währte von 10"28 bis 5"47. Darauf wurden bis 7½" noch Sonnendurchmesser gemessen. Später bewölkte sich der Himmel wieder und es gelang daher Abends nur mit Mühe eine Zeitbestimmung.
Am darauf folgenden Tage war das Wetter wieder trübe, wie an den Tagen vor dem 6., so daß dieser Tag durch das Wetter wirklich begünstigt war.
Am 10. wurde dem Roß-Gletscher auf dem Ueberlandweg der erste Besuch abgestattet. In drei Stunden war von der Station aus der Rand des Gletschers erreicht. Auf dem flachen Lande zur Seite des Gletschers fand sich in dessen Nähe ein kleiner Süßwassersee, an dessen Ufer auf einem Grashügel 10 See-Elephantenweibchen und junge Männchen beisammen lagen. Dies war die größte Zahl von Robben, die überhaupt je von den Expeditions-Mitgliedern vereinigt auf Land gesehen worden ist.
Der Rand des Gletschers wird durch einen Damm von Thonschieferbruchstücken gebildet; diesen Damm entlang wurde zur Gletscheroberfläche emporgestiegen, welche in kaum 1 km Entfernung von der Küste eine Höhe von etwa 150 m über dem Meere hatte. Wegen Nebels konnte auf dem Gletscher nicht weiter vorgegangen werden.
Gelegentlich einer Bootspartie nach der Mitte der Bay am 12. wurde ein vollständiger Ueberblick über den Zug der Wetterwand gewonnen. Der Hintergrund des Roß-Gletschers wird gebildet durch die Wetterwand und weiter nach rechts durch den Pikstock; zwischen Wetterwand und Pikstock befindet sich eine tiefe Einsenkung, welche bis auf das Niveau des Gletschers hinabzureichen schien. Es wurde vermuthet, daß diese Einsenkung einen Weg nach dem jenseitigen Ufer der Insel biete; sie wurde deshalb das Ziel einer später zu beschreibenden Tour.
Auf dieser Fahrt wurde zum ersten Mal gesegelt; doch ging ein frischer Wind erst, als das durch den Pirner geschützte Gebiet verlassen, und die Front des Roß-Gletschers erreicht war. Vom Scheveninger Strand wurden auf der Heimfahrt einige Gegenstände mitgenommen, die sich schon früher dort gefunden hatten, nämlich ein großes Thranfaß, Faßdauben, eine Rolle für einen Flaschenzug und ein gut erhaltener Bootsmast.
Bei einer zweiten Bootspartie am 26. wurde an die Stirne des Roß-Gletschers bis auf etwa 100 m herangefahren. Gewaltige Eismassen brachen gerade unter dröhnendem Donnern ab. Die Eisstücke bewirkten eine solche Brandung und schossen mit solcher Wucht vor, daß schleunigst aus dieser gefährlichen Nähe weggerudert wurde. Es wurde darauf versucht, bei dem Weddell-Gletscher zu landen, doch mußte dies wegen starker Dünung unterbleiben.
Januar. Am 28. Januar wüthete den ganzen Tag ein starker Sturm bis zur Stärke von 26,3 m in der Sekunde. Das Dach des Vorbaues vor dem Variationshause wurde abgehoben, ebenso die quadratische Mittelklappe auf der Sternwarte, welche durch Haken festgehalten wurde; leere Kisten wurden 100 m weit fortgetrieben und die gerade im Freien befindliche zinnerne Badewanne rollte ein Stück weit fort. Von den Wellenkämmen spritzten Staubwolken bis ans Wohnhaus, so daß sich später auf allen Gegenständen im Freien eine Salzkruste fand. Dabei war der Himmel vom frühen Morgen ab völlig klar. Die darauf folgende Nacht war »prächtig, rein und klar, kaum ein Lüftchen regt sich und die Brandung rauscht.«
Das Toussockgras war am Nordabfall der Landzunge stark emporgeschossen: es fanden sich Halme bis zu 2 m Länge. Die jungen Pinguine in den Kolonien fanden sich Ende dieses Monats schon sehr ausgewachsen.
Im Januar gelangte der Ebbefluthmesser zur Aufstellung, nachdem schon seit Mitte Dezember die hierfür nöthigen Erdarbeiten im Gange gewesen waren.
Die Einrichtung war folgende: In etwa 10 m Entfernung von der Uferlinie wurde in der sanft geneigten Uferböschung ein 3,1 m tiefes Loch gegraben. Der Boden bestand oben aus Gerölle, in der Tiefe aus anstehendem Schiefergestein, welches sich jedoch zerbröckeln ließ und mit dem Pickel bearbeitet werden konnte. Dieses Loch wurde durch einen Graben mit der See in Verbindung gesetzt, so daß es sich mit Wasser füllte. An dem Graben wurde ein Bretterkanal mit rechteckigem Querschnitt 50 cm hoch und 30 cm breit, versenkt, darauf wurde der Graben wieder zugeschüttet. Der Bretterkanal sollte bei tiefstem Wasserstand noch 20 cm Wasser haben; der Grund des Schachtes reichte 20 cm unter die Sohle des Kanals. Der Eingang des Kanals von der Seeseite her war durch eine siebartig durchlöcherte Fallthüre verschlossen, welche sich nach außen öffnete; dieselbe hatte das Eindringen von Tang zu verhindern.
Zur Reinigung des Kanals führte in der Mitte ein Schacht zu demselben hinunter, welcher gegen den Kanal durch großdurchlöcherte Eisensiebe abgeschlossen war. Das eiserne Häuschen wurde über dem Hauptschacht errichtet.
Zur Aufzeichnung der Wasserstandsschwankungen lag im Schacht auf dem Wasser ein Schwimmer. Von diesem führte ein Draht in die Höhe um ein vertikales Rädchen; derselbe wurde durch ein Gegengewicht gespannt. Die Auf- und Abwärtsbewegungen des Schwimmers bewirkten Drehungen des Rades, welches wieder Auf- und Abwärtsbewegungen einer Zahnstange hervorrief. Ein Bleistift an derselben zeichnete auf einer vertikalen, sich langsam drehenden Papierrolle die Wasserstandskurve auf. Um aus den Kurvenpunkten die Wasserstandshöhe, bezogen auf einen Fixpunkt am Ufer, entnehmen zu können, wurden alle 3 Stunden Ablesungen an einem Pegel gemacht.
Seit Anfang Februar funktionirte der Apparat befriedigend.
Am 7. Januar wurde die zwischen Brocken- und Whalerthal ca. 690 m sich erhebende Doppelspitze bestiegen, ein steiler mit Schnee bedeckter Bergkegel mit zwei schneefreien und daher sich dunkel abhebenden Spitzen. Der Weg ging durch das Brockenthal und war bis zu dem Paß an dessen oberen Ende derselbe wie am 10. November. Am Fuß des Sattels, über welchen der Paß führt, wurde ein See entdeckt, der jeboch noch mit einer festen Eiskruste bedeckt war. Von der Paßhöhe aus begann die Besteigung, welche durch die etwas weiche Schneedecke erleichtert wurde. Diese Schneemassen gaben einem kleinen, am Bergabhang liegenden Gletscher Nahrung.
Um 1 Uhr war nach 3stündigem Marsche die Spitze erreicht. Der Nebel gestattete mir zeitweise einen Ueberblick über die Gegend, welcher jedoch genügte, um Aufklärung über die gegenseitige Lage früher besuchter Gebiete zu geben.
Am 18. wurde die zweite Besteigung des Pirner ausgeführt. Das Wetter war freundlich; der Whalerbach, welcher gerade viel Wasser führte, wurde in der Nähe seiner Mündung mit Hülfe von Bergstöcken übersprungen.
Darauf wurde direkt an der Bergstraße und zwar an der Stelle, wo die linke Hochthalmulde abbricht, an steilem Hange emporgeklettert. Der Weg dorthin ist durch den Abfluß der Mulde bezeichnet.
Der Hang ist bis zur Bergstraße mit starken Tussockbüscheln bewachsen, welche beim Klettern guten Halt gewährten. Oberhalb der Bergstraße hört die Vegetation auf; der Abhang des Pirner ist mit Gesteinschutt bedeckt. Nach 3stündigem Marsche von der Station aus war die Spitze des Berges erreicht. Die Aussicht auf Wetterwand, Roß-Gletscher und Pik mar vollkommen, nur der Paß zwischen Wetterwand und Pik, – das Gletscherjoch – war mit Wolken bedeckt, so daß ein Blick in das Gebiet, welches die Neugierde am meisten reizte, versagt blieb. Aus dem Grate des Pirnerberges 630 m fand sich, wie auf den höchsten Punkten schon früher erstiegener Berge, eine korallenartig aussehende Flechte (Neuropogon melaxanthus Nyl.) in Menge.
Am 21. wurde eine Bootspartie gemacht. Es war die Absicht, bei dem Weddell-Gletscher zu landen; allein dort ging die See wieder so hoch, daß an ein Landen nicht zu denken war. Deshalb wurde zum Roß-Gletscher gesteuert. An derselben Stelle, wo das letzte Mal 10 See-Elephanten angetroffen worden waren, lagen diesmal 4. Die Gletscheroberfläche wurde wieder erstiegen, über welche bei dem klaren Wetter ein Ueberblick gewonnen werden konnte. Einige Steinblöcke auf derselben waren sichtbar, und es wurden deshalb am Rande des Gletschers auf anscheinend festem Boden zwei Steinpyramiden errichtet, welche die Grundlinie von Dreiecken nach den Steinblöcken auf dem Gletscher für künftige Messungen bilden sollten.
Anfang Januar wurde an den Klippen bei der Station mit großem Erfolg gefischt. Das erste Mal wurden ungefähr 100 Stück theilweise ohne Köder in kurzer Zeit geangelt; es waren bis 1½ Fuß lange Fische, die als schmackhaft befunden wurden. Allmählich nahm jedoch der Ertrag ab und für 16. März findet sich die Bemerkung: »Die Fische wollen gar nicht mehr anbeißen.«
Die Fische boten ein willkommenes Futter für die durch Expeditions-Mitglieder in Pflege genommenen Thiere Süd-Georgiens. Solche waren verschiedene Arten Pinguine und Möven. Die erwachsenen Pinguine wurden in Kisten gesetzt; für die jungen Thiere, Esels-Pinguine und Dominikanermöven, beide noch im Flaum, wurde ein Platz in der Nahe des Wohnhauses mit einem Wall umgeben. Dem Pinguin, dem alten wie dem jungen, muß man das Futter in den Schnabel stecken, will man ihn nicht verhungern lassen; dagegen waren die jungen Möven sehr selbstständig, sie tranken aus kleinen Wassergefäßen, spazierten außerhalb des Thiergartens umher und suchten Futter in der Nähe des Hauses.
Die jungen Pinguine fraßen viel und gediehen gut; fehlte es an Fischen, so wurde hauptsächlich das Fleisch von Raubmöven zur Fütterung benutzt. Die jungen Pinguine blieben über einen Monat am Leben; die Dominikanermöven schlossen sich später ihren freien Verwandten an.
Die noch 8 Stück zählende Hammelheerde hatte Anfang des Monats das Weite gesucht. Sie bildete das Ziel manchen Jagdzuges, durch welchen die Thiere nach der Station zurückgetrieben werden sollten. Mehrmals gelang dies auch, doch waren die Thiere alsbald wieder verschwunden. Nachdem sie sich auf der Landzunge nicht mehr sicher fühlten, flüchteten sie sich in das obere Whalerthal bis an den Schneehang, wo sie wohl der Mangel an Futter an weiterem Vordringen hinderte. Hier wurden sie erst Anfang April entdeckt und zum Theil waidmännisch erlegt.
Februar: Der Februar war der wärmste Monat des Beobachtungsjahres mit einer mittleren Temperatur von +5°,35 . Die höchste Temperatur, überhaupt die höchste Temperatur, welche in diesem Jahre aus Süd-Georgien vorkam, betrug +17°,8 am 11. Februar Nachmittags 2 Uhr. An diesem Tage bei klarem Himmel und Sonnenschein badeten zwei der Herren in der See, welche eine Temperatur von +6°,3 hatte.
Die niedrigste Temperatur dieses Monats betrug 0° . Der Schnee in einer Mulde in der Nähe der Station thaute mehr und mehr weg, und es mußte deshalb das dort aufbewahrte frische Fleisch nach einem weiter entfernten Schneeberg gebracht werden.
Der Faschingsabend am 6. Februar wurde bei der selten hohen Temperatur von +9°,5 mit 9 Uhr im Freien auf dem Köppenberg bei einer Bowle verbracht.
Für den 20. findet sich die Bemerkung: »Einzelne Tage recht warm, doch kann unmittelbar darauf Schnee fallen.«
Das Wetter war häufig trübe; vom 5. bis 27. wurde keine Zeitbestimmung gewonnen. Die genaue Einhaltung der Zeit für die Beobachtungen hing daher allein von dem sicheren Gang der Pendeluhr »Bröcking« ab.
Mit Herstellung von Schutzvorrichtungen für den bevorstehenden Winter wurde in diesem Monat begonnen.
Die Telegraphenleitung vom Wohnhaus zum Variations-Observatorium wurde unterirdisch gelegt, damit sie nicht durch Stürme beschädigt werden konnte. Der Schutz und die Isolirung der umsponnenen Leitungsdrähte wurde durch eine Hülle von Zinkröhren bewirkt, welche mit einer Mischung von Kolophonium, Wachs und Thran ausgegossen waren. Diese Leitung wurde 40 cm tief in den Boden versenkt.
Zum Schutz der Häuser gegen Schneewehen wurden an deren Außenseiten Mauern ans Torf- und Moosstücken angelehnt, zwischen denen einzelne Lagen Grashalme so eingelegt wurden, daß Grasbüschel aus der Mauer hervorzuwachsen schienen.
Solche Mauern wurden aufgeführt um das ganze Variationshaus, an der Süd- und Westseite des Wohnhauses – an der Nordseite desselben befand sich ein Schuppen – an der Südseite der Sternwarte, rings um den magnetischen Pavillon. Außerdem wurden aus demselben Material ein Schuppen für Kisten an der Westseite der Sternwarte und ein neuer Viehstall aufgebaut.
Diese Arbeiten nahmen die Mannschaften während der Monate Februar und März beständig in Anspruch.
Für das Variations-Observatorium war diese Schutzwand auch in der wärmeren Zeit insofern von Nutzen, als von da ab die Temperatur im Observatorium eine gleichmäßigere blieb als vorher.
Am 7. Februar Mittags wurde eine größere, für mehrere Tage berechnete Exkursion von 3 Herren, Vogel, von den Steinen, und Mosthaff angetreten.
Das Ziel sollte, wenn möglich, das Südufer der Insel werden, auf dem Wege über den Roß-Gletscher und über den Gletscherpaß. Die Herren waren für 12 Tage mit Proviant ausgerüstet, den sie in Rucksäcken trugen, ferner je mit einer wollenen Decke, mit Gletscherseil und Bergstöcken, außerdem mit Prismenkreis und Aneroïden. Der Weg zum Roß-Gletscher mußte über Land gemacht werden, da es bei heftigem Westwind nicht gelungen war mit dem Boot gegen die See anzukommen. Abends 5½ Uhr war der Roß-Gletscher erreicht und es wurde zur Seite desselben in der Nähe des Strandes im Schutze eines überhängenden Felsens übernachtet. Die Nacht war frisch und es schneite; am nächsten Morgen 5½ Uhr wurde abmarschirt. Auf dem Gletscher herrschte bei Windstärke 6 heftiges Schneetreiben. Trotzdem wurde 1½ Stunde lang entlang dem Rande des Gletschers vorwärtsgegangen, ein Stück über die für Gletschermessungen errichteten Pyramiden hinaus, bis sich die Herren genöthigt sahen, bei einem Felsen Schutz gegen Wind und Schnee zu suchen. Nachdem hier eine Stunde vergeblich auf besseres Wetter gewartet worden war, wurde zum Lagerplatz zurückgekehrt. Es wurde beschlossen, noch den nächsten Tag abzuwarten.
Noch der zweiten Nacht im Freien wurde am 9. früh 6 Uhr 50 aufgebrochen. Ohne Schwierigkeit wurde der Punkt des vorhergehenden Tages wieder erreicht.
Nun war, um zu dem Paß zu gelangen, ein von rechts herab kommender Gletscherarm zu überschreiten, welcher seine Nahrung vom Pik bezieht. Die Herren seilten sich an. Der erste Theil des Gletschers, der nur enge Spalten hatte, konnte leicht überschritten werden, die zweite westliche Hälfte dagegen bot einige Schwierigkeiten durch Zahl und Größe der Spalten; doch fand sich ein verhältnismäßig günstiger Weg. Jenseits des Gletschers wurde Firnschnee betreten und 11 h 15 m ein Felsen erreicht, von welchem aus ein Ueberblick über die Gegend erhofft wurde. Die Höhe dieses Punktes betrug 325 m . Doch war die Wetterwand größtentheils, der Pik vollständig in Nebel gehüllt; vom Paß herab, dessen Lage sich nur vermuthen ließ, wehte ein scharfer Wind, der Wolken und Schnee immer näher führte. Da es bei diesem Wetter nicht möglich erschien, die Gletscherwanderung fortzusetzen, wurde auf ein weiteres Vordringen verzichtet und Mittags 12 Uhr der Rückweg angetreten. An dem erreichten Punkt wurden zwei Büchsen mit präservirtem Fleisch und eine kleine Büchse mit einem Dokument zurückgelassen.
Der Rückweg gestaltete sich jedoch weniger einfach, als erwartet worden war; die Spuren des Hinweges wurden verloren und es mußte ein neuer Weg über den Gletscher gesucht werden. Dabei geriethen die Herren inmitten eines Spaltenlabyrinthes, aus welchem sie sich erst nach vielen vergeblichen Versuchen herausfanden. Sie kamen unterhalb der Stelle an den Rand des Gletschers, an welcher sie Morgens die Überschreitung begonnen hatten. Um 6 Uhr Abends war der Lagerplatz am Roß-Gletscher wieder erreicht, und nach einem Marsch bei voller Dunkelheit langten die Herren am 9. Februar Nachts 12 Uhr glücklich auf der Station an. Einer der Theilnehmer litt infolge der Gletscherwanderung 6 Tage an Schneeblindheit.
Am 11. Februar wurde der » Nachbar« 790 m bestiegen. Derselbe erhebt sich zwischen den beiden schon erwähnten Hochthalmulden am Gehänge des Pirnerzuges; er bildet eine Rippe dieses Zuges und hat seinen Gipfel auf dem Kamm desselben. Vom Whalerthal ging es wieder direkt hinauf zur Bergstraße. An dem Nordhang des »Nachbar« wurde emporgestiegen, und nach 5stündigem Marsch von der Station aus war die mittlere Spitze des sich westöstlich erstreckenden Grates erreicht. Die Aussicht nach W. war durch die höchste Spitze versperrt; nach Nord gewann man einen Ueberblick über den kleinen Gletscher, welcher in der rechten Hochthalmulde liegt; einige freiliegende Stirnmoränen ließen das Rückgehen dieses Gletschers folgern. Der Grat war, wie die höchsten Stellen anderer Berge, dicht mit der Flechte Neuropogon melaxanthus bewachsen. Von zwei bis drei Schneehängen abgesehen, war der Nordabfall des Berges vollkommen schneefrei; auch auf dem Grat war aller Schnee verschwunden. Von West kommendes Gewölk versperrte jede Anssicht in dieser Richtung; daher unterblieb die Besteigung der Hauptspitze.
Am 21. Februar wurde gelegentlich einer Bootsfahrt entlang der Tang-Grenze die daselbst herrschende Tiefe zu 18 m gelothet.
März. Dieser Monat brachte die größte Niederschlagsmenge mit 146,8 mm; an dieser Zahl nehmen 3 Tage theil mit je 25 mm und darüber. Nach einem Schneefall am 10. blieb der Schnee zum ersten Mal den ganzen Tag liegen.
Am Nachmittag des 30. bis zum Morgen des 31. wehte 13 Stunden hindurch ein Sturm mit einer Stärke von 25 m in der Sekunde und darüber. Unmittelbar nach Beginn des Sturmes brach das Schalenkreuz des Anemometers; die Flaggenstange zerbrach, das Dach des neu erbauten Viehstalles wurde abgehoben und die Trümmer wurden weit nach Osten zum Therl in die See geweht; ein Stück des Daches der Sternwarte wurde abgehoben und 100 m weit fortgetragen, die noch im Freien befindlichen Kisten wurden zertrümmert. Die meisten Kisten waren glücklicher Weise kurz vorher in dem neugebauten Schuppen geborgen worden.
Am 18. wurde eine Exkursion durch das Brockenthal und über den Sattel an dessen oberem Ende unternommen. Der unterhalb des Sattels im Brockenthal liegende See in 216 m Höhe, welcher am 7. Januar noch mit einer dicken Eiskruste bedeckt war, wurde jetzt frei von Eis angetroffen. Seine Temperatur betrug 10.30 Uhr a.m + 2°,7, während die des 84 in tiefer gelegenen unteren Brockensees kurz vorher zu +3°,7 gemessen worden war. Vom Sattel aus wurde am linken Gebirgszug in der Höhe weiter gegangen. Dieser Zug endigt mit breiter kegelförmiger Stirnfläche gegen das Meer. Hier wurde in 300 m Höhe nach links abgebogen und dann zur Sohle des nächsten Parallelthales hinabgestiegen. An dem gegen Nord gerichteten Abhang hatten sich noch in 300 m Höhe Tonssockbüschel gefunden. Ein Versuch, von dem Parallelthal aus dem Ufer entlang zu dem in einem der folgenden Thäler sich ergießenden mächtigen Cook-Gletscher vorzudringen, scheiterte an einer unpassirbaren Stelle des Ufers. Das nach Norden geöffnete Parallelthal, zu welchem wieder zurückgekehrt wurde, zeichnete sich durch üppige Vegetation und großen Wasserreichthum aus; von der Acaena , einer Blüthenpflanze mit reichem Blattwuchs, war kein Blättchen verwelkt. Weiter thalaufwärts glich die Landschaft völlig einem Alpenhochthal mit fetten Weideplätzen.
Die Fauna war nur durch 2 Sturmvogelpärchen mit ihren Jungen, mehrere Pinguine und Raubmöven vertreten.
Der Weg wurde nun das Thal hinauf genommen. Im oberen Theil fand sich ein Gletscher – Forster-Gletscher – dessen unterer Rand in ca. 150 m Höhe lag. Dieser Gletscher sah von weitem unbedeutend aus, zeigte jedoch beim Betreten desselben breite und tiefe Spalten. Auch das oberhalb des Gletschers liegende Schneefeld war an einer Stelle tief unterhöhlt.
In dem Kessel am oberen Ende des Thales lag ein See in 260 m Höhe; er war eisfrei; seine Temperatur wurde 3.30 Uhr pm zu + 1°,9 gemessen.
Der Kesselrand wurde auf einem 307 m hohen Paß überschritten, und man befand sich darauf im Whalerthal unterhalb des Schneehanges.
Am 23. März wurde eine Bootsfahrt nach der der Landzunge vorgelagerten Insel ausgeführt. Die Lothung an der Tang-Grenze ergab wieder 18 m.
In der Insel setzt sich die Tafelbildung der Landzunge fort. Zu der östlichen Hälfte der Insel greifen tiefe Buchten in dieselbe ein. Eine der hierdurch gebildeten schmalen aber hohen Landzungen des Nordufers ist an ihrer Wurzel durch ein Felsthor unterwölbt.
Der östlichste Theil der Insel ist von der Hauptmasse durch eine tiefe Schlucht getrennt, in welche die See von Nord und Süd mit schmalen Armen eingreift. Dieselben werden nur durch eine niedrige etwa 40 m breite Landenge gehindert, sich zu vereinigen. Dieser östlichste Theil, in welchem sich der höchste Punkt (50-60 m) der Insel befindet, konnte aus Zeitmangel nicht besucht werden.
Auf der Rückfahrt wurden die ersten weißen Albatrosse, in der Nähe des Tanges schwimmend, angetroffen und erlegt.
Am 29. März, einem prächtigen Tag, wurde wieder eine Tour nach dem Roß-Gletscher auf dem Landweg unternommen. Es wurden die Positionen der Signale von den Pyramiden aus eingemessen. Darauf wurde von den Pyramiden aus der Rücken des Gletscherstromes betreten und ein Stück weit nach der Mitte desselben vorgedrungen. Das eine 800 m entfernte Signal zeigte sich in der Nähe als ein ca. 1 cbm großer Steinblock. Bis zu demselben war die Gletscherfläche mit zahlreichen Steinstücken übersät, jenseits desselben war die Fläche frei. Die Spalten waren nie breiter als 80 cm und waren als solche stets zu erkennen; da ferner der Boden ganz eben war, so konnte rasch über die Fläche gegangen werden. Doch wurde dem Vordringen durch einen breiten 10 m tiefen Graben mit steilem Rande Halt geboten in über 1 km Entfernung vom Ufer des Gletschers. Bei dem schönen Wetter lagen die Wetterwand, der Pikstock und der Paß zwischen beiden völlig klar da.
An demselben Tage führte einer der Herren die erste Besteigung des 700 m hohen Brocken und zwar von dem kleinen See aus im oberen Brockenthal.
Die Fernsicht war vollkommen; Wetterwand und Pik zeichneten sich scharf ab; neben dem Pik kamen 3 mächtige Bergriesen zum Vorschein, welche von der Station aus nicht sichtbar waren, deren einer aber höher war als der Pik. Die Landvorsprünge an der Küste in Nordwest waren alle deutlich zu erkennen. Scheinbar mitten im Land in Nordwest war ein Stückchen blaue See sichtbar und es war daher offenbar, daß sich dort eine tiefe Bucht in das Land erstreckt.
Der Karte nach ist diese Bucht die Cumberland-Bay. Auf der See schwammen 9 kleinere Eisberge. Der Brocken wurde später noch mehrmals bestiegen.
April. Die Monatstemperatur machte vom März zum April den größten Sprung während des Beobachtungsjahres; sie sank von + 3°,5 im März auf + 0°,5 im April.
Der winterliche Charakter des April gegenüber den vorhergehenden Monaten ist an der Zahl der Froststunden zu erkennen. Solcher Stunden waren es im April 51 %, während es im März nur 5,8% und in den drei Monaten vorher 0 % gewesen waren.
Am 12. gab es einen stärkeren Schneefall; die 1 dm dicke Schneeschicht blieb auf dem gefrorenen Boden eine Reihe von Tagen liegen.
Am 17. heißt es: »Die Landschaft ist jetzt völlig winterlich, der Schnee liegt stellenweise nahezu 1 m tief.« Am 16. wehte den ganzen Tag ein starker Südost von der aus dieser Richtung seltenen Stärke bis 12 m in der Sekunde. Im Gefolge dieses Windes trat starkes Hochwasser ein, welches für das Ebbefluthmesser-Häuschen verhängnißvoll wurde. Der Steindamm, der zum Schutz des Schachtes aufgerichtet worden war und welcher dem Häuschen zur Unterlage diente, wurde durch die Kraft der Wellen zerstört, so daß sich das Häuschen am 21. morgens auf die Seite neigte. Bis eine viertel Stunde vorher hatte der Apparat noch funktionirt.
Die Pegel am Strand waren verschwunden, das Whalerfaß lag zertrümmert am Ufer, eine Menge Tang war ans Land geschwemmt, welcher den Sammlern reiche Beute an niederen Meeresthieren lieferte.
Das Ebbefluthmesser-Häuschen wurde wieder aufgerichtet; um dasselbe den Wirkungen eines späteren Hochwassers möglichst zu entrücken, wurde es auf ein Gerüst gehoben, welches aus Pfählen und Balken hergestellt und in den Geröllboden eingesetzt worden war. Der Kanal znm Schacht war nur am Eingang und im Schlammschacht verschüttet worden: der Apparat im Häuschen hatte wenig gelitten. Doch konnte derselbe erst nach einem Monat wieder in Gang gesetzt werden.
In diesem Monat lagen sehr viele Eisberge vor der Insel. Am 29. wurden von der Höhe des Plateaus aus 36 größere Eisberge gezählt, darunter 8 mit sehr großen Dimensionen. Ein kleinerer Eisberg verirrte sich in die Bucht und blieb in der Nähe des Weddell-Gletschers liegen. Am 24. wurde eine Bootsfahrt zu demselben unternommen. Sein Durchmesser betrug ca. 100 m , seine Höhe über dem Wasser 30 m . Von einer Seite sah der Berg aus wie eine kleine Ringinsel; die Brandung leckte an den Flächen hoch hinauf. Infolge davon war die Eismasse völlig abgewaschen, nur an den Stellen, an welchen kurz vorher Stücke abgebrochen waren, zeigten sich scharfe Kanten.
In dem neu errichteten Viehstall befanden sich 3 eingefangene Hammel, welche in der Freiheit sehr fett geworden waren und 2 Ziegen, welche, wenn auch spärlich, so doch eine Zeit lang etwas Milch lieferten. Der noch lebende Ochse blieb trotz des hohen Schnees im Freien.
2 alte und 2 junge Ziegen werdeten auf dem Köppenberg; 2 weitere waren dort verschollen, sie werden bei einem Sturme die steile Felswand hinabgestürzt sein. Zwei der noch lebenden Ziegen traf später dasselbe Schicksal; eine derselben wurde todt an den Klippen gefunden.
Mai. Außerordentlich warmes Wetter herrschte vom 30. April auf 1. Mai. Um Mitternacht betrug die Temperatur über +9º. Diese hohe Temperatur war eine Folge des starken Westwindes, welcher während des 30. den ganzen Tag hindurch geweht hatte. Denn die West- bis Südwestwinde kamen über das Hochgebirge und trugen deshalb häufig Föhncharakter.
Seit Ende des vorhergehenden Monats waren die Teiche auf dem Plateau zugefroren; auf dem Brockensee wurde am 6. Mai Schlittschuh gelaufen.
Die Tage vom 7. bis 9. Mai verbrachten 2 Herren am Roß-Gletscher. Für das Nachtlager war ein Zelt unweit des Strandes im Schutz eines Berges aufgeschlagen worden.
Zweck dieses Aufenthaltes waren Terrainaufnahmen, meteorologische und magnetische Beobachtungen.
Am Strand in der Nähe des Roß-Gletschers lag ein See-Leopard mit mehreren weitklaffenden Wunden auf dem Miefen, die er möglicherweise bei zu nahem Heranschwimmen an den Gletscher durch abstürzende Eismassen erhalten hatte.
Am 14. wurde eine Exkursion zum Nachtigal-Gletscher und an den Strand von Little Hafen unternommen. Das Thal, in welchem der Nachtigal-Gletscher verläuft, bildet eine Fortsetzung des Whalerthaleinschnittes. Der Gletscher endigt etwa 1 km vom Strande entfernt und entsendet einen breiten Bach zum Meere. Das untere Ende des Thales ist mit üppiger Vegetation bedeckt, wie gleiches von den am 18. März besuchten Thal des Forster-Gletschers berichtet wurde. Beide Thäler sind durch ihre Richtung nach Nord klimatisch begünstigt.
Am Strande fanden sich 2 Königspinguinpärchen mit Jungen, die ersten, welche den Expeditions-Mitgliedern zu Gesicht kamen. Die Jungen hatten ein braunes Flaumkleid an, das ihnen ein bärenartiges Aussehen gab. Drei der Thiere wurden für Sammlungszwecke mitgenommen; sie waren aber so schwer, daß sie heimwärts halbwegs liegen gelassen und erst einen Tag später zur Station gebracht wurden.
Der Strand war außerdem durch Sturmvögel, die Klippen durch Doumnikanermöven bevölkert. Zwei größere Züge von Enten zu je 40 Stück wurden gesehen; in der Nähe der Station dagegen waren die Enten eine Seltenheit geworden.
Dieser Strand bildete in der kommenden Zeit das Ziel noch mehrerer Exkursionen. So holte der Zoologe dort am 17. einen Königspinguin für die Sammlung und am 20. gelang es, von diesem Strande aus noch weiter nach West vorzudringen. Es wurde der mächtige, an seiner Stirne über 2 km breite Cook-Gletscher erreicht, welcher auf der Exkursion vom 18. März schon gesehen worden war. Seine 25 bis 30 m hohe Stirne verlief parallel dem Ufer, ließ aber bis zu diesem noch einen Streifen sandigen Strandes liegen, so daß man es wagen konnte, der Stirne entlang vorzugehen. In dieser Richtung hätte daher das Exkursionsgebiet noch weiter ausgedehnt werden können, wenn dieser Weg schon früher gefunden worden wäre.
Auf der rechten Seite des Gletschers fand sich eine große Pinguinkolonie: auch ca. 30 Königspinguine standen beisammen, doch waren keine junge Thiere unter denselben.
Am Strand an der Mündung des Thales des Nachtigal-Gletschers wurde gelegentlich dieser Exkursion in einer Felsspalte ein langes vierkantiges Stück Holz gefunden, welches auf 3 seiner Flächen folgende Aufschriften, mit dem Messer eingeschnitten, trug:
T. K, PURDY. 1870. BK. PERU
SA NORWALK. CT.
1877. SCH. EOTHEN.
Von dieser Exkursion brachte von den Steinen einen lebendigen jungen Königspinguin nach der Station, den er lange Zeit am Leben erhielt.
Am 28. wurde eine Flaggenstange mit Wimpel auf der Spitze des Krokisius an einen Felsblock angebunden für Beobachtung der oberen Windrichtung von der Station aus; zugleich wurde ein Maximum- und Minimum-Thermometer in hölzerner Fassung in einer Felsspalte niedergelegt, für dessen Ablesung in der folgeudeu Zeit der Berg öfter bestiegen wurde. Bei dem Abbruch der Station wurden diese Thermometer liegen gelassen.
Juni. Der Juni wies in dem Beobachtungsjahr die niedrigste Monatstemperatur mit - 2,9° auf. Das Temperaturminimum dieses Monats betrug - 10º in den ersten Morgenstunden des 3. Juni bei lebhaften westlichen Winden von der Stärke 10 m in der Sekunde; es kamen also trotz des Föhncharakters der westlichen Winde bei denselben auch die niedrigsten Temperaturen vor.
Für 15 der Tage des Monats findet sich in dem Stationstagebuch eine oder mehrere der folgenden Bemerkungen: »Trübes, kaltes, ungemüthliches, stürmisches oder schlechtes Wetter.«
Zur Zeit des niedrigsten Sonnenstandes erhielt die an einem Südhang gelegene Station während einiger Tage keinen direkten Sonnenstrahl.
An der Ostspitze der Landzunge war eine Unterkunftshütte aus Rasenstücken errichtet worden; in derselben sollten sich zur Zeit eines Sturmes einige Herren zur Anstellung meteorologischer Beobachtungen einquartieren. Dies geschah vom 17. auf 18. Juni, sowie später nochmals vom 7. auf 8. August. In beiden Fällen trat der Weststurm nicht in der erwarteten Stärke auf. Die Barometerablesungen wurden an einem Quecksilber-Marinebarometer gemacht. In beiden Fällen ergab sich an der Landspitze ein niedrigerer Barometerstand, als auf der Station. Die Differenz betrug bei einzelnen Beobachtungen mehr als 0,5 mm und zwar bei der geringen Entfernung von 3,5 km zwischen Haupt- und Zweigstation. Die Ursache dieser Differenz wurde nicht aufgeklärt. Die Lage der Zweigstation an der Ostspitze der Landzunge, am Fuß eines gegen Osten gerichteten Abhanges, also im Schutz gegen Westwinde gab jedoch Veranlassung zu untersuchen, ob bei starkem Winde ein im Freien aufgehängtes Barometer und ein im Hause, also im Windschutz befindliches Barometer übereinstimmende Angaben liefern. Es wurde daher bei starkem Westsüdwestwind am 18. August ein Barometer an der Westwand des Hauses aufgehängt und gleichzeitig mit dem im Hause befindlichen Barometer abgelesen. Es ergab sich, daß bei scharfem Winde von etwa 18 m pro Sekunde, das Barometer im Freien einen um 1 mm höheren Stand hatte, als das im Hause. Um klar zu erkennen, ob dieser Unterschied durch ein Anstauen der Luft an der Außenwand des Hauses oder durch die saugende Wirkung des Windes auf die im Haus befindliche Luft hervorgerufen wurde, oder ob beide Faktoren im Spiel waren, hätte das Barometer im Freien auch in solcher Entfernung vom Hause beobachtet werden müssen, daß eine Anstauung der Luft ausgeschlossen war.
Am 5. Juni wurde eine Bootsfahrt zum Weddell-Gletscher unternommen. Die Fahrt dorthin dauerte gewöhnlich 2 Stunden. Zur Seite des Gletschers auf niedrigem Lande wurden einige große Königspinguingesellschaften angetroffen, zusammen kaum unter 500 Stück. Es waren junge und alte Thiere, die beide in getrennten Gesellschaften dicht beisammen standen.
Bei dem ersten Besuch dieses Strandes am 7. November sind nur brütende Eselspinguine gesehen worden; die Brutzeit der Königspinguine begann also später.
Von den Steinen nahm zwei junge lebende Königspinguine mit nach der Station. Das früher von Little Hafen mitgebrachte Thier spazierte frei vor dem zoologischen Schuppen umher, die beiden neuen Thiere wurden mittels Ledergürtel, die ihnen um die Brust gelegt worden waren, angebunden. Sie wurden sämmtlich mit aufgeweichtem Schiffszwieback und präservirtem Rindfleisch gefüttert. Zwei der Thiere starben auf Süd-Georgien, nach 2 bezw. 2½ monatlicher Pflege; das dritte gelangte glücklich nach Montevideo, starb jedoch hier kurz nach der Ankunft auf dem Schiffe.
Die jungen Königspinguine behielten während der Dauer der Gefangenschaft ihr Flaumkleid; sie überwintern daher in demselben, während die Eselspinguine noch vor Beginn des Winters das Federkleid erhalten.
Juli. Am 23. dieses Monats Mittags wurde die niedrigste Temperatur des Jahres mit - 12,3° notirt; auch das Tagesmittel der Temperatur war an diesem Tage das niedrigste während des Beobachtungsjahres mit - 10,67°. Diesen ganzen Tag wehten wieder scharfe westliche Winde mit einer mittleren Stärke von 12,4 m pro Sekunde.
Am 10. dieses Monats wurden die letzten Messungen am Roß- Gletscher vorgenommen; bei einem späteren Versuch, kurz vor der Abreise das Signal noch einmal einzumessen, war dasselbe hinter einer Erhöhung auf dem Gletscher verschwunden. Für die Geschwindigkeit ergaben sich durch 4malige Messungen, die auf einen Zeitraum von 5 Monaten vertheilt sind, Mittelwerthe von 0,3 bis 0,4 m pro Tag.
Am 28. wurde eine Bootsfahrt nach dem Südufer der Bucht unternommen, und zwar nach dem Theile östlich des Weddell-Gletschers. Hier wurde zur ersten Einsattlung östlich des Weddell-Gletschers ca. 300 m emporgestiegen, und ein Ueberblick über die Sandwich-Bay gewonnen.
August. Das Temperaturmittel des Angust lag nach einer dreimonatlichen Pause wieder über Null; es betrug + 1,2°.
Die niedrigste Temperatur herrschte am 15. mit - 8,4°, und zwar bei Südostwind von einer mittleren Geschwindigkeit von 10,7 m. Die höchste Temperatur + 15,1° brachte am 28. August Abends 9 Uhr ein WSW-Wind von 11,4 m Geschwindigkeit; dies war die zweithöchste Temperatur, welche während des ganzen Jahres beobachtet worden ist. An demselben Nachmittag wurden auf einer Bootsfahrt die Insassen des Bootes durch Windstöße überrascht, welche eine ganz abnorme Wärme brachten, so daß man sich plötzlich in die Nähe eines Ofens versetzt glaubte.
Am 7. fiel binnen 24 Stunden die größte Niederschlagsmenge in dem Beobachtungsjahre in Form von Regen und Schnee; dieselbe betrug 72,8 mm.
Schon die ersten Tage des Monats hatten Thauwetter gebracht; infolge dessen schmolz der Schnee, der Hausbach schwoll an und überschwemmte die Klippen mit gelbem Wasser. Die hohen Temperaturen zu Ende des Monats trugen ferner dazu bei, daß die Landschaft ihren winterlichen Charakter verlor. Während in dem Jahre vorher in demselben Monat das ganze Terrain mit tiefem Schnee bedeckt war, waren in diesem Jahre die Landzunge und die Berge bis 600 m Höhe schneefrei und statt der weißen Schneedecke sah man jetzt die grüne Decke des Toussockgrases und die nackten Berghänge.
Vom 27. auf 28. August zeigten die Curven des Barographen und des Ebbefluthmessers eine Reihe sekundärer Wellen an; wie sich später herausstellte, waren dieselben hervorgerufen durch den Ausbruch des Vulkans Krakatau in der Sundastraße am 27. August.
Abholung und Heimreise (siehe hierzu die Routenkarte). Zur großen Ueberraschung der Expeditions-Mitglieder, welche den Zeitpunkt der Abholung noch einige Wochen entfernt wähnten, erschien am 1. September Nachmittags 5 Uhr eine Glattdeckkorvette in der Bucht.
Es war S. M. S. »Marie«, Korvettenkapitän Krokisius, welche S. M. S, »Moltke« aus der Station Westküste von Südamerika abzulösen und vorher die Mitglieder der deutschen Expedition auf Süd-Georgien abzuholen hatte. »Marie« hatte zu diesem Zwecke Wilhelmshaven am 17. Mai 1883 verlassen, Punta Acenas am 2. August erreicht und war über Port Stanley, auf einer der Falklandinseln, nach Süd-Georgien gesegelt. Reisebericht S. M. S. »Marie«; Korv.-Kapt. Krokisius, siehe Annalen der Hydrographie XI. Jahrgang 1883 pag. 699.
Das Schiff dampfte dem Südufer der Bay entlang nach dem Moltkehafen und ging hier in der Nähe der Station vor Anker.
Abends 7 Uhr langte ein Boot unter Führung des Lieutenants von Burski bei der Station an. Es wurden Briefe für die Expeditions-Mitglieder mitgebracht, deren neueste aus dem April 1883 datirt waren.
Am darauffolgenben Tage machte der Chef der Station bei dem Kommandant der »Marie«, Korvettenkapitän Krokisius, seine Aufwartung und erhielt von demselben den Bescheid, daß laut Instruktion die Einschiffung der Expeditions-Gegenstände 3 bis 4 Tage dauern dürfe.
Zur Beschleunigung des Abbruches der Station wurden 7 Matrosen zur Hülfeleistung erbeten, welche auch über Nacht an Land blieben und in dem Bodenraum des Wohnhauses in Hängematten schliefen.
Am 5. September Nachmittags waren sämmtliche Kisten an Bord.
Es waren:
73 Kisten mit Instrumenten;
72 Kisten und Fässer mit Proviant, darunter 13 Kisten mit Petroleum und 13 mit Getränken;
26 Kisten mit Inventar, nämlich Lampen, Tischwäsche, Bestecke, Geschirr, Matratzen, Decken;
21 Kisten mit Sammlungen: Zoologie: 5 Fässer, 13 Kisten; Botanik: 3 Kisten; Geologie: 1 Kiste;
2 Kisten mit Beobachtungsjournalen und Kopien;
34 Kisten mit Privatgepäck;
Es blieben zurück sämmtliche Häuser und die Drehkuppel, die Oefen, das Mobiliar, der Rest der Kohlen und einiger Proviant, welcher sich voraussichtlich längere Zeit halten konnte.
Im Innern eines jeden Hauses wurde ein Anschlag angeheftet, welcher in Deutsch, Englisch, Französisch, Spanisch Aufklärung über Herkunft der Gebäude gab und sie dem Schutze etwaiger Besuchenden empfahl.
Vor der Ostseite des Wohnhauses befand sich eine Pyramide, aus leeren Flaschen aufgeschichtet, deren unterste Dokumente enthielten.
Auf dem Krokisiusberg blieben, wie schon erwähnt, in einer Felsspalte auf der höchsten Spitze das Maximum-Thermometer Fueß 568 und das Minimum-Thermometer Fueß 551 zurück.
Die dauerhafteste Spur von der Anwesenheit der Expedition sollen 3 Höhenfixpunkte bilden. Dieselben sind durch Messingstangen von 15 mm Dicke und 200 mm Länge bezeichnet, welche im Fels senkrecht und so tief eingebleit worden sind, daß nur die runden Endflächen sichtbar sind.
Nr. I dieser Fixpunkte liegt auf einer Klippe am Ufer, welche bei stärkerem Hochwasser von den Wellen überspült wird; Nr. II nordöstlich und 70 m von I entfernt auf der Kuppe eines kleinen mit Gras bewachsenen Hügels, 6,515 m höher als I; Nr. III ebenfalls nordöstlich von I und ca. 170 m von diesem entfernt am Plateauabhange auf einem sehr großen, aber vielleicht nicht gewachsenen Felsen, 36,142 m höher als I.
Ein kranker Hammel wurde lebend zurückgelassen.
Am 6. September Nachmittags 2 Uhr lichtete »Marie« die Anker und verließ die Royalbay. Bei schönem, klarem Wetter zeigte sich das ganze Hochgebirge noch einmal in seiner vollen Ausdehnung; es war der Scheidegruß Süd-Georgiens an die heimkehrende Expedition.
S.M.S. »Marie« hatte 200 Mann an Bord. Das Officierskorps setzte sich zusammen aus den Herren:
Kommandant Korvettenkapitän Krokisius,
I. Officier, Kapitänlieutenant Herz,
Kapitänlieutenant Oellrichs, Navigationsofficier
Lieutenant zur See Herrmann,
Lieutenant zur See Walter,
Lieutenant zur See Faber,
Unterlieutenant zur See: Richter,
Unterlieutenant zur See: v. Dassel,
Unterlieutenant zur See: v. Burski,
Stabsarzt Dr. Wilkens,
Ingenieur Barth,
Zahlmeister Steinhäuser.
Als Schlafraum für die Expeditions-Mitglieder diente der zwischen den Officierskabinen befindliche Raum des Zwischendecks. Tagsüber verweilten die Herren in der Officiersmesse; die Anfertigung von Copien der Beobachtungen beschäftigte dieselben noch auf der Reise.
Am 8. September wehte heftiger Weststurm, welcher hohen Wellengang hervorrief. Bei dem Stampfen des Schiffes schwankten die Aneroïde über 1 mm.
Am 10., 11. und 12. September zwischen 52 und 49° S.B. und auf 30° W.L. wurden Eisberge passirt.
Am 16. September unter 43° S.B. und 30° W.L. wurde das Wetter schöner, das Schiff segelte 6-8 Knoten in der Stunde.
Am 17. September wurde zum ersten Mal die rothe Färbung des Himmels nach Sonnenuntergang bemerkt, welche eine Folge des Krakatau-Ausbruches war.
Vom 22. ab ging das Schiff unter Dampf und es erreichte am 25. Nachmittags 1 Uhr die Rhede von Montevideo. Die glückliche Ankunft der Expedition wurde telegraphisch nach Berlin an die kaiserliche Admiralität gemeldet.
Am 26. ging der Dampfer » Ceará« der Hamburg-Südamerikanischen Gesellschaft nach Europa; demselben wurde die Kiste mit Copien zur Beförderung nach Hamburg übergeben.
Für die Heimreise der Expedition konnte erst der 14 Tage später abgehende Dampfer » Petropolis« benutzt werden.
Das Expeditionsgepäck blieb bis zum 5. an Bord der »Marie« und wurde darauf in einem Leichter verladen, welcher unter Bewachung im Hafen vor Anker gelegt wurde. Das Ebbe-Fluthmesserhaus blieb an Bord der »Marie« zur Ueberführung nach Punta Arenas.
Die Herren verbrachten die Zeit bis zur Abreise in Montevideo. Während dieses Aufenthaltes wurde denselben von Seiten der Deutschen wieder die liebenswürdigste Aufnahme zu Theil. Der Deutsche Club gab zur Bewillkommnung der Expedition ein Diner im Hotel »de la Paz«, zu welchem auch die Herren der »Marie« und des Kanonenbootes » Albatros«, welches gerade bei Montevideo vor Anker lag, geladen worden waren. Der deutsche Ministerresident in Buenos Aires, Freiherr von Holleben, welcher nach Montevideo gekommen war, veranstaltete für die Expeditions-Mitglieder und die Marine-Officiere eine Ausfahrt nach dem vor der Stadt gelegenen Park »Prado«, an welche sich ein Diner in Beausemonts Garten anschloß.
Die Abreise der Expedition mit dem Dampfer » Petropolis«, Kapitän Riedel, erfolgte am 11. Oktober. Die abreisenden Herren waren Schrader, Will, Mosthaff, Zschau.
Durch den Kontrakt war es den Expeditions-Mitgliedern freigestellt, einen späteren Dampfer und zwar kostenfrei zur Rückreise zu benutzen. Hiervon machten Gebrauch Vogel, von den Steinen und Clauß. Vogel machte eine zweiwöchentliche Reise durch das Innere von Uruguay nach Buenos Aires. Von den Steinen und Clauß blieben zum Zweck einer größeren Reise, deren Ziel der Rio Schingu in Brasilien wurde, in Südamerika, und kehrten 1 1/4 Jahr später nach Europa zurück.
Die »Petropolis« mit der Expedition an Bord erreichte am 15. Oktober Santos, am 18. Oktober Rio, am 24. Bahia; Will war zum Zweck botanischen Sammelns bis zur Abfahrt des folgenden Dampfers in Rio zurückgeblieben.
Nachdem am 1. November San Vincent zum Kohleneinnehmen und am 8. November Lissabon angelaufen worden war, langte die Expedition am 15. November Nachmittags 4 Uhr im Hafen von Hamburg an.
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Es muß hier erwähnt werden, daß es zur Vervollständigung des meteorologischen, zum Studium der atmosphärischen Vorgänge in höheren südlichen Breiten erforderlichen Materials wünschenswerth erschien, eine Station zweiter Ordnung in Stanley Harbour auf den Falklandinseln nach den von der deutschen Seewarte hierfür angenommenen Grundsätzen zu errichten und während der Polar-Epoche 1882-1883 in Thätigkeit zu erhalten. Herr Kapitän J. H. M. O. Seemann, Vertreter der Interessen der Hamburger Dampferlinie »Kosmos« hatte die Güte, diese Station, welche von der deutschen Seewarte mit Instrumenten etc. ausgestattet wurde, zu übernehmen. Da schon früher eine Zeit lang auf Veranlassung des britischen meteorologischen Amtes auf den Falklandinseln beobachtet worden und daher für die Normalwerthe der wesentlichsten meteorologischen Elemente eine ziemlich gute Basis geschaffen war, so konnte sich die Errichtung der Station in Stanley Harbour für die synoptische Behandlung der atmosphärischen Vorgänge in diesem, für die Schifffahrt höchst wichtigen Gebiete des Süd-Atlantischen Oceans nur als sehr werthvoll erweisen.