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Vergnügte Lehrlinge

Lehrling ist Jedermann –
Geselle, wer was kann –
Meister, wer was ersann!

Was für das Handwerk gilt, trifft auch für die Kaufleute zu – nur mit der durch moderne Erkenntnis gewonnenen Einsicht, daß auch mancher Geselle was ersann – und selbst mancher Lehrling. Allerdings führt das Ersinnen der Lehrlinge oft zu komischen und grotesken Ergebnissen, wie in den meisten Schnurren und am deutlichsten in der köstlichen Geschichte »de Kapp« von Friedrich Stolze. Oft wird auch die jugendliche Naivität des Lehrlings zur Lächerlichkeit.

Für den Lehrling selbst sind ja diese Ergebnisse, sind die Lehrjahre nicht nur ein Born der Freude und des Lachens. Eduard Bernstein berichtet in seinen Jugenderinnerungen so getreulich, daß jeder, der Lehrjahre durchgemacht hat, wohl daran erinnert wird, welch ein Gemisch von Schwerem und Freudigem sie eigentlich waren.

Aber in der Erinnerung überwiegen wohl überall die komischen Erlebnisse. Und selbst manches bittere Erlebnis sieht sich später lustig an – und wird verschönt durchs Lachen.

.

Das Sprachrohr.
Buchhalter: »Süße -- Arabella bist Du da?« Chef: »Nein, aber ich!«

 

Der Naive.

Ein Berliner Kaufmann erhielt einen neuen Lehrling aus einem ganz kleinen Provinzstädtchen, der bisher noch nie aus seiner Heimat fortgewesen war. Kurz nachdem nun der Junge seine neue Tätigkeit begonnen hatte, gab ihm der Prinzipal den Auftrag, ihn mit Garderobestücken, die er zu einer Aufführung auf einem Polterabend brauchte, in den prächtigen Saal eines geselligen Vereins zu begleiten. Als sie dort angekommen waren, zeigte sich der junge Mann so erfreut und erstaunt über die glanzvolle Einrichtung und Beleuchtung, daß der freundliche Prinzipal ihm gestattete, sich auf die Galerie des Saals zu begeben und dort mit dem Gefolge anderer Gäste der Vorführung beizuwohnen. In einem Zwischenakt beorderte der Gastgeber denn auch einen Diener mit Erfrischungen auf die Galerie, um die dort befindlichen Zuschauer nicht verschmachten zu lassen.

»Nun,« fragte am nächsten Morgen der Prinzipal seinen Lehrling, »wie haben Sie sich denn gestern amüsiert?«

»Vortrefflich!« antwortete der Gefragte. »Ich bedanke mich auch vielmals!«

»Haben Sie auch gut gegessen und getrunken?«

»Ach nein«, erwiderte kleinlaut der Lehrling. »Ich hatte wohl Hunger und Durst, aber leider kein Geld bei mir.«

Der Prinzipal mußte laut lachen, als er dies hörte. Er setzte nun seinem Lehrling auseinander, daß die Zuschauer bei solchen Veranstaltungen einfach die Gäste des Festgebers wären und daß er sich dieses für die Zukunft merken solle.

Der arme Schelm dauerte nun aber doch seinen Prinzipal, so daß er ihm kurz darauf ein Billett für den Zirkus Renz besorgte, wer aber schildert sein Erstaunen, als der Lehrling am nächsten Morgen mit betrübter Miene und blaugeschlagenen Augen im Geschäft erschien.

»Um Gotteswillen!« rief der Chef, »was haben Sie gemacht? waren Sie denn nicht im Zirkus?«

»Ja, ich war im Zirkus!« berichtete der Lehrling mit kläglicher Stimme. »Aber es ist mir schlecht gegangen. Bevor die Vorstellung begann, wurden mir auch Speisen und Getränke angeboten. Natürlich griff ich diesmal herzhaft zu, aß verschiedene Sachen, steckte mir dann noch eine Tafel Schokolade und einen Pfannkuchen in die Tasche, und als der Mann darauf Zahlung verlangte, sagte ich ihm, daß ich das nicht nötig hätte, etwas zu bezahlen, und daß ich im übrigen auch gar kein Geld besäße. Darauf wurde der Mann so wütend, daß er mich verprügelte, und ein paar Leute in Livree warfen mich auf die Straße.«

Die Geschichte war so komisch, daß der Prinzipal und die übrigen Angestellten, die es hörten, von neuem laut zu lachen begannen. Der Chef gab aber nachher dem so schwer Geprüften heimlich ein Schmerzensgeld.

 

Der entlaufene Hausbursche.

Nachfolgende Anzeige stand im Grünthaler Boten:

»Mein Laufjunge Franz Kasimir ist mit entlaufen, nachdem er gegen den Briefträger geäußert, er könne es bei mir nicht aushalten, Ich appelliere an das Ehrgefühl aller bei mir in Diensten gestandenen Laufburschen, ob es bei mir nicht auszuhalten? Meine Frau ist etwas hitzig, das weiß ich selber am besten; aber trotzdem ist es bei mir doch nicht zum Davonlaufen. Allerdings bin ich gezwungen gewesen, den Franz Kasimir wegen seiner Nachlässigkeit zu wiederholten Malen zu züchtigen, aber dergleichen Exempel kommen bei vielen Laufjungen vor. Ich konnte wegen des Franz Kasimir keine Ausnahme machen, Ich hoffe, daß der Junge ein Einsehen haben und bald sich wieder einstellen wird. Die ihm drohende Strafe soll niedergeschlagen werden.

Fabrikant Lehmann
auf der Brückengasse.

 

Der neue Heinrich.

In dem Hause des Kaufmanns Asmus war es Sitte, daß der Lehrling, welchen Namen er auch immer trug, stets Heinrich gerufen wurde. Am ersten April trat statt des abgehenden, zum Kommis gereiften Lehrlings ein anderer ein, der kaum dem Knabenalter entwachsen war. »Luischen, bitte Heinrich zu Tisch«, sagte Madame Asmus zu ihrem fünfjährigen Töchterchen, das vom geschehenen Wechsel nichts wußte. Luischen ging zum Kontor, öffnete die Tür und rief: »Heinrich!«

Der neue Lehrjunge trat vor, »Heinrich,« sagte das Kind, »Sie möchten – Gott! Heinrich, wie haben Sie sich verändert?«

 

Wertschätzung.

»Was mach' ich nur mit meinem Lehrling? Der Bengel belügt und beschwindelt mich von vorne und von hinten!«

»Was? Eine solche Kraft schickst du nicht auf Reisen?«

 

Der neue Lehrling.

Bankier: »Nun, Peter, war jemand während meiner Abwesenheit hier?«

Lehrling: »Nein, Herr Meier, niemand! Nur der Kassenbote von Simon & Kompanie mit einem Wechsel!«

Bankier: »War er kurzsichtig?«

Lehrling: »Ich glaub' schon, er trug eine Brille.«

 

Geschäftseifer.

Chef zum Lehrling: »Haben Sie den dicken Klecks in das Hauptbuch gemacht?«

Lehrling: »Ja, Herr Neumann, ich wollte doch auch einmal etwas eintragen!«

 

Standesbelehrung.

Buchhalter: »Wo hast du dich so lange herumgetrieben?«

Lehrling: »Ich habe inzwischen gespeist.«

Buchhalter: »Du bist wohl toll geworden! Der Chef speist, ich esse und du frißt, verstanden?«

 

Die Folgen des Heiratens.

Erster Lehrling: »Weeßte, Gustav, mit unserem Chef ist jetzt auch nicht mehr auszukommen. Früher konnte er nicht früh genug aus dem Geschäft nach Hause kommen, und jetzt findet er abends immer noch eine Kleinigkeit, um einen hier festzuhalten. Unsereins hat doch auch schließlich Verpflichtungen gegen seine Braut.«

Zweiter Lehrling: »Det kommt nur von dem verfluchten Heiraten. Kaum sind die Flitterwochen vorbei, dann vertragen sich die Ehemänner natürlich nicht mehr mit ihre Weiber, bis sie sich schließlich im Geschäft wohler fühlen als zu Haus, und wer muß drunter leiden? Wir Lehrlinge!«

 

Peinlich ...

Der Lehrling wird beauftragt, nach dem Kundenverzeichnis den neuen Prospekt zu versenden. Nun stehen aber in dem Kundenverzeichnis hinter den Namen manchmal noch Notizen über den Charakter des Kunden, und so ist es kein Wunder, daß Herr Meier in Kottbus einen Brief mit der Aufschrift erhält:

»Herrn Albert Meier, Schikaneur, Kottbus.«

 

Der neue Lehrling.

Lehrling: »Hier ist die Rechnung, ich habe sie zehnmal durchgerechnet.«

Chef: »Das war recht – immer fleißig sein!«

Lehrling: »Und hier ist der Zettel mit den zehn Ergebnissen!«

 

Zurechtweisung.

Chef zu einem Lehrling: »Hören Sie mal, Pieseke, entweder schlafen Sie im Geschäft, oder sie kauen auf einem Federhalter herum. Es ist mir aber nicht bekannt, daß ich Sie mit Logis und Kostverpflichtung in die Lehre genommen habe!«

 

Zu spät.

Ein Chef erfährt unter der Hand, daß eine Firma, von der er noch Geld zu fordern hat, sich in Schwierigkeiten befinden soll. Schleunigst schickt er seinen Lehrling hin, um den Schuldner zu mahnen. Schon nach wenigen Minuten ist der Lehrling wieder da.

»Nun, haben Sie das Geld?« fragt der Chef.

»Nein,« antwortet der Lehrling, »als ich drüben hinkam und die Tür aufmachte, war sie zu.«

 

Gut befolgt.

Kaufmann: »Sie dürfen nie einen Kunden weggehen lassen, weil wir etwa einen Artikel nicht haben. Dann müssen Sie ihm eben etwas Ähnliches verkaufen.«

Lehrling (zu einer Dame, die kurz darauf Klosettpapier verlangt): »Klosettpapier ist momentan leider nicht da, aber wir haben vorzügliches Schmirgelpapier!«

 

Unter Lehrlingen.

»Die Sache gestern in der Konditorei hat mich doch schönes Geld gekostet. Wenn man hört, wie billig früher alles gewesen ist!«

»Na, wir brauchen deswegen doch nicht zu klagen. Früher war ja auch lange nicht so viel Geld in der Portokasse!«

 

Der gescheite Lehrling.

»Den Chef wollen Sie sprechen, er ist gerade fortgegangen! Worum handelt es sich übrigens? Er hat mir ausdrücklich gesagt, ich sollte ihn nur in ganz dringenden Fällen wecken.«

 

Mißtrauisch.

»Sie schließen Ihre Mausefalle ein, Herr Neumann?«

»Ich hab' einen so naschhaften Lehrling. Der frißt mir sonst den Speck raus.«

 

Begabung.

Prokurist: »Was geschieht mit Lehrlingen, die lügen?«

Der auf einer Unwahrheit ertappte Lehrling: »Die schickt der Chef später als Reisende hinaus.«

 

Eine Kaufmannsstellung.

In einem Intelligenzblatt der guten alten Zeit stand folgendes Gesuch: »In einer langen Warenhandlung wird ein junger Mensch gesucht, der einen offenen Kopf hat.«

 

Der neue Lehrling.

Herr Schröder (sehr liebenswürdig): »Also schön, Sie sind mir empfohlen worden, ich habe mich entschlossen, Sie als Lehrling zu engagieren. Natürlich müssen Sie von unten anfangen. Zuerst werden Sie Marken kleben, dann Briefe kopieren, nach ein paar Jahren kommen Sie in die Buchhalterei. Nur an die Kasse dürfen Sie nicht, dafür sind Sie noch viel zu jung. An der Kasse kann ich nur einen älteren, erfahrenen Menschen gebrauchen. (Lebhafter): Was heißt das überhaupt, an der Kasse? Das ist doch eine Vertrauensstellung! (In wachsender Erregung): Was wollen Sie überhaupt an der Kasse? Erstens kenne ich Sie ja noch gar nicht, und zweitens sind Sie mir noch viel zu grün dazu. (Außer sich): Sowas ist überhaupt eine Frechheit! Machen Sie gleich, daß Sie rauskommen!«

 

Die Kapp.

von Friedrich Stolze.

Der David sollt e Kaufmann weern,
Es dhat em net behage;
Sei Vatter awwer, der Tyrann,
Der sprach: »du weerscht e Hannelsmann!
Merr werrd dich ääch noch frage!
Ich wääß, der Medeziner steckt
Derr in der Nas, der Doktor;
Doch ehnder tret' ich derr en Bruch,
He? Sterwe net schon Leut genuch,
Du Laisbub, du verstockter?«

Un der David hat lamentieren mege, so viel als err gewollt hat, es hat all nix gebatt, dann sei Vatter war von ere sehr halsstarrige Gemietsart. Un an eme scheene Morjend hat err zum David gesacht: »Davidche!« hat err gesacht: »wäsch derr mit weißer Sääf der ganze Physionomie bis in der Ank ehinner, mach derr ferdig un zieh derr aa.« Un wie der David ferdig war, hat sei Vatter gesacht: »Davidche!« hat err gesacht: »jetzt setz der Kapp uff un komm mit.«

»Wohi?« hat der David gesacht, »wohi?«

»Wohi? Dohi!« hat sei Vatter gesacht. Un da hat der David widder gesacht: »Vatter,« hat err gesacht, »steh' ich heut morjend am Vorawend großer Ereignisse, oder steh' ich heut morjend net am Vorawend großer Ereignisse?« Un da hat der Alte gesacht: »Ja, du stehst draa,« hat err gesacht, »oder du stehst ääch noch net draa, bis de vor der Hausdhir stehst von der Gebrieder Lärmeschläger,« hat err gesacht.

»Gebrieder Lärmeschläger?!« hat der David gesacht un is drei Schritt zurückgefahrn un noch en halwe Schritt derrzu un hat e sehr kihn un malerisch Stellung eingenomme un den Aarm in die Höh gestreckt mitsamt der Hand un noch emal extra en Finger un hat die profetische Worte von sich gewwe: »Also soll ich net studiere der Wissenschafte? Werklich der Wissenschafte nicht studiere? – Ich studiere der Wissenschafte awwer doch. Jetz studier ich der Wissenschafte grad, jetz studier ich err grad!«

»Ja,« hat sei Vatter gesacht, »ja, du werrscht der Wissenschafte studiere. Awwer der Hannelswissenschafte,« hat err gesacht, »bei der Gebrieder Lärmeschläger, wo de komme werscht in e groß, blihend Geschäft von lauter geblummter Kattun.«

»O weh!« hat der David gesacht, »lauter geblummter Kattun.«

»No,« hat der Vatter gesacht, »ääch gestreifter Kattun,« hat err gesacht, »un gewerfelter Kattun un gedippelter Kattun. Un kannst weern e gewaltiger Hannelsherr, un kannst de's net brenge bis zu Rothschild, so brengst de's bis zu Schwab un Schwarzschild.« (Ein bekanntes Frankfurter Warenhaus.)

Un der David is gefihrt worn von seim Vatter zu der Gebrieder Lärmeschläger mitte ins Geschäft enei, wo gewese is e groß Gediwwer (Geschwätz) von de bääde Prinzepääl un der viele Gummi (Commis) un drei Lehrling mit korze Ärmel un lange Feddern hinner de Ohrn. Un hawwe da gelege in der Reale un Gefächer e Kattunspiel von geblummte Kattun un gewerfelte Kattun un gedippelte Kattun un gestreifte Rattun bis enuff an der Deck un bis erunner an der Fußbooddem, Un hawwe dagestanne e Kistespiel un e Kastespiel un e Ballespiel, daß der David sei bääde Ääge uffgerisse hat, sei linkes un sei rechtes, nn hat gesacht vor sich in der diefste Grund seiner Verschwiegenheit: »Gott! was e Kattunspiel, was e schee Kattunspiel! Awwer ich studier der Wissenschafte doch!«

Un dem David sei Vatter hat gesacht zu der Gebrieder Lärmeschläger: »Gute Morje, meine Herren,« hat err gesacht, »hier breng ich Ihnen doch den David.«

»Aha, der David,« hawwe die Gebrieder Lärmeschläger gesacht un hawwe gerufe mit ganz lauter Stimm aus dem Lade in des Kandor ehinner hawwe se gerufe: »Herr Worms odder Herr Speier!« un da sin se gelääfe komme alle zwää und hawwe gesacht: »was befehle Se!« hawwe se gesacht. Un da hawwe die Gebrieder Lärmeschläger gesacht: »Des is der nei Lehrling, der David,« hawwe se gesacht, »nemme Se den mit ehinner uff de Kandor nn an der Kopierbuch.«

Un der David is mit ehinner genommen warn an der Kopierbuch, un sei Vatter hat zu de Gebrieder Lärmeschläger gesacht: »Se misse e bissl Geduld hawwe mit dem David, dann der David hat wolle studiern.«

»Hat wolle studiern?« hawwe die Gebrieder Lärmeschläger gerufe; ganz erstaunt un verwundert hawwe se des gerufe: »Hat wolle studiern?«

»Stuß!« hat dem David sei Vatter gesacht, »was steckt im Studiere?« hat er gesacht, »Hannel is doch Hannel.«

»No,« hawwe die Gebrieder Lärmeschläger gesacht, »merr weern Geduld hawwe mit der junge Mensche, un err werrd schont vergesse der Gelehrsamkeit un werrd kriehe e Plaisier von ere Frääd an das Geschäft.«

Awwer der David hat kää Plaisier von ere Frääd an dem Geschäft krieht un hat sich angestellt zu allem so olwern un so ääbsch, un es is net ze singe un ze sage, wie err sich aagestellt hat so dappich. Un die Gebrieder Lärmeschläger hawwe gesacht zu enanner: »Der hat wolle studiere?« hawwe se gesacht, »der is doch so dumm, daß en der Gans beiße un so ääfältig, daß em der Hinke des Brot fresse.«

Awwer der David hat sich nor so gestellt, dann err hat wolle fortgejagt sei. Un wie's nix geholfe hat mit der Dappigkeit un der Olwernheit, da hat sich der David verlegt uff allerlää Lumpesträäch un hat in de Brief, die err kopiert hat, Männercher gemalt mit lange Nase un hat drunner geschriwwe: Gebrieder Lärmeschläger; un hat gefrihstickt uff sei Kopierbuch sei Butterbrot, un hat's falle lasse mit der geschmiert Seit bald uff der A. B. C. Goldschmidt in Manchester, bald uff der D. E. F. Rödelheim in Londe. Und hat beim Zumache von de Brief eneigeschriwwe allerlää bösartige Grieß un Einladunge, un hat gemacht verkehrte Adresse un hat die Gebrieder Darmstadt adressiert an die Gebrieder Offebach un die Gebrieder Offebach an die Gebrieder Mainz. Un es hat e Dorchenanner gewwe in der Geschäft, daß die Gebrieder Lärmeschläger hawwe die Hand zesammegeschlage iwwer der Kopp un hawwe gesacht: »David! David!« hawwe se gesacht, »wann de net wärscht deim vatter sei Soh, dhäte merr dich doch setze vor der Dhir, so e Laisbub bist de, so e große Laisbub un Schlemihl. Awwer nemm derr in acht, David! David! nemm derr in acht!«

Un an em e scheene Dag sin emal komme ze geh zwää Bolacke; awwer kää Bolacke, die komme ze hole, sonnern Bolacke, die komme ze bringe: zwää reiche Bolacke. Un se hawwe aageseh des ganze Lager mit all dem Kattun, dem geblummte Kattun un dem gestreifte Kattun, dem gewerfelte Kattun un dem gedippelte Kattun. Un ob's awwer gleich gewese is lauter schee Waar un lauter neu Waar, hawwe so doch ihrn Stuß gehat un hawwe gesacht: »Hawwe Se nix Neies krieht? Nix Scheenes krieht? Is es doch lauter Bowel, was Se da hawwe leihe.«

Un die Gebrieder Lärmeschläger hawwe sich geärgert iwwer so Bolacke un hawwe gedacht: No waart, merr kriehe euch! hawwe se gedacht. Un hawwe gesacht zu de zwää reiche Bolacke: »Komme Se morje widder, dann heut mittag treffe ein fuffzig Kiste englisch Waar, alles neu, ganz neu, sehr neu!« Un die zwää reiche Bolacke hawwe gesacht zu de Gebrieder Lärmeschläger: »Merr kumme!« hawwe se gesacht. Un wie die Bolacke draus warn, hawwe die Gebrieder Lärmeschläger gerufe zu ihr gesamt Hannelspersonal: »Kiste ebei!« hawwe se gerufe, »Kiste!« Un es 's alles gesterzt in der Magazin un hat Kiste ebeigeschafft, Un in der Kiste hawwe se gepackt die Waarn un der Kattun, der geblummte Kattun un der gestreifte Kattun, un der gewerfelte Kattun un der gedippelte Kattun. Un hawwe der Kiste zugenagelt un hawwe se veramballiert un gezeichent. Un der David hat gepackt ääch sei Kist, un wie se voll war, hat der David sei Kapp genomme un hat se gelegt owe uff der Waar un hat den Deckel druff genagelt uff der Kist.

Un wie des annern Dag komme sin die Zwää reiche Bolacke un hawwe geseh der viele neu angekommene Kiste nachenanner, hat en uff äämal gefalle die Waar un hawwe gesacht: »Gebrieder Lärmeschläger,« hawwe se gesacht, »des is scheene Waar, des is neu Waar, die weern merr nemme.« Un de Gebrieder Lärmeschläger hawwe gedacht: Der Mensch is geschaffe aus Eibildung. Un wie die Bolacke an die Kist komme sin, die der David gepackt hat, hawwe se gefunne der Kapp von der David. Un so hawwe se gesacht zu de Gebrieder Lärmeschläger: »Wie kummt der Kapp in der Kist?« Un da hat der David gesacht: »Gewwe Se her der Kapp! Es is doch mei Kapp! Sie is merr doch gestern eneigefalle, wie ich der alt Waar gepackt habb in der neu Kist!«

Un wie des gehört hawwe die zwää Bolacke, hawwe se gesacht zu der Gebrieder Lärmeschläger: »Gu Morie!« hawwe se gesacht. Un se sin nausgänge un net widder ereikomme.

Un die Gebrieder Lärmeschläger hawwe den David gepackt mit zwää linke Händ un zwää rechte Hand un hawwe'n geworfe vor der Dhir un hawwe'm nachgeworfe der Kapp un hawwe gesacht: »Laß derr net widder seh in unser Geschäft, Laisbub! Laß derr net widder seh!« hawwe se gesacht.

Un der David is gelääfe nach Haus in der größte Vergnüge un hat gesacht: »Se hawwe merr fortgejagt!« hat err gesacht. »Darf ich jetz noch net studiere?«

Un der David hat studiert un is warn e großer Gelehrter!

 

Aus dem Examen einer Kaufmannsschule.

Muß der Kaufmann in allen Lagen des Lebens recht handeln? – Er muß vor allem in allen Lagen des Lebens recht handeln!

*

Was ist die erste Pflicht des Kaufmanns? – Stets die höchsten Interessen zu verteidigen und zu nehmen!

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Was charakterisiert den echten Kaufmann? – Er gibt stets dem Verdienst seine (Gold-)Krone!

*

Welchen Kurs soll der Kaufmann vermeiden? – Den Konkurs!

*

Darf der Kaufmann friedlich sein? – Nein, er muß stets das meiste herausschlagen!

*

Welche Krankheit ist die gefährlichste für den Kaufmann? – Das Wechselfieber!

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Brauchen Kaufleute originell zu sein? – Nein, denn sie schreiben durch die Bank ab!

*

Wie soll der Kaufmann rechnen? – Stets so, daß er nicht in die Brüche kommt!

*

Muß der Kaufmann stets den kürzesten Weg einschlagen? – Ja, aber wenn er eine Steuer umgehen kann, darf er einen Umweg nicht scheuen!

*

Ist das, was dem Kaufmann billig, einem andern recht? – Nein, was dem Kaufmann billig ist, muß dem andern teuer sein!

*

Muß der Kaufmann häuslich sein? – Ja, sein Haus muß ihm über alles gehen!

*

Darf ein Kaufmann die Jagd lieben? – Ja, die Jagd auf die Goldfüchse!

*

Was muß der Kaufmann bei der Jagd beobachten? – Er muß Acht auf die Wechsel geben und sich hüten, Böcke zu schießen!

*

Welchen Satz muß der Kaufmann stets im Auge haben? – Den Umsatz!

*

Welches ist der wichtigste Teil eines jeden Geschäfts? – Der Vorteil!

*

Was kommt bei dem Kaufmann zuerst? – Das Einkommen!

*

Welcher Unterschied ist zwischen einem Soldaten und einem Kaufmann? – Der Soldat präsentiert das Gewehr, der Kaufmann den Wechsel!

*

Was unterscheidet den Kaufmann vom General? – Dem General bringen Niederlagen Verluste, dem Kaufmann bringen Niederlagen Gewinne!

*

Muß ein Kaufmann auch musikalisch sein? – Er muß mit Noten gut Bescheid wissen und im Notfalle immer noch einen Akkord zusammenbringen!

 

Lehrjahre.

Von 1850-1872. Kindheit und Jugendjahre.

von Eduard Bernstein.

Die Arbeiten, die mir als zweitem Lehrling zufielen, waren zunächst naturgemäß recht untergeordneter Art. Ich hatte allerhand Hilfsbücher zu führen und in dazu angelegte Kontrollbücher die Nummern von Wertpapieren und auf fremde Währung lautender Kupons sowie die Namen der Firmen einzutragen, die auf den das Haus passierenden Wechseln als Aussteller, Bezogene und Giranten figurierten. Gewiß recht langweilige Arbeiten, die mich aber mit manchen Erscheinungen des Geschäftslebens bekannt machten. Ferner fiel es mir zu, die Briefe zu kopieren und im Kopierbuch zu registrieren, und schließlich hatte ich auch längere Zeit gegen die Mittagszeit Briefe von der Hauptpost abzuholen, da um die Stunde, wo Briefe aus Sachsen und dem westlichen Böhmen eintrafen, damals keine Austragung stattfand. Bei dieser letzteren Funktion bewährte sich auch an mir die Erfahrung, daß Lehrlinge, die Briefe von der Hauptpost abzuholen hatten, in der ersten Woche an die mit dem Ausgeben betrauten Beamten die Frage richteten, ob Briefe für die Firma da seien, bei der sie angestellt waren, in der zweiten Woche oder spätestens dritten Woche aber schon, im Bewußtsein, daß ihre Zusammengehörigkeit mit der Firma bekannt sei, einfach die Frage stellten: »Ist etwas da für uns?!« von spätestens der fünften Woche ab jedoch nur noch selbstbewußt fragten: »Sind Briefe da für mich?«

Es ist überhaupt merkwürdig, wie schnell so ein junges Gemüt dazu kommt, sich als Stück des Geschäfts zu fühlen und in dessen Geist zu denken und zu urteilen. Es ist, als ob in dem Augenblick, wo man die Luft des Geschäfts atmet, ein ganz andrer Geist über einen kommt als sonst. Ich erinnere mich, daß ich jeweils von Leuten, im Verhältnis zu denen ich im Privatleben doch nur ein winziger Proletarier war, im Geschäft mit einer Geringschätzigkeit gesprochen habe, als ob sie Habenichtse seien. Der ganze Gesichtspunkt verschiebt sich einem. So begreift es sich unter anderem, daß mich ein Angestellter halb wie einen Idioten anstarrte, als ich ihm in der ersten Woche, wo ich im Geschäft war, mit bezug auf die Kursbewegung auf dem Getreidemarkt ganz naiv die Frage vorlegte: »Nicht wahr, auf dem Getreidemarkt ist es besser, wenn die Kurse fallen?« Ihn interessierten die Kursbewegungen nur noch unter dem Gesichtspunkt der vorliegenden Hausse- oder Baisseengagements. Es dauerte nicht lange, bis ich im Geschäft die Dinge ziemlich ebenso betrachtete.

Der große Raum, den im Geschäft der Handel auf Zeit – der Terminhandel – einnahm, brachte es mit sich, daß es am Monatsende – Ultimo – ganz besonders viel zu tun gab und der Arbeitstag sich erheblich ausdehnte. An Bezahlung der Überstunden dachte noch kein Mensch, die Angestellten in den Bankhäusern waren damals zumeist eine Aristokratie der kaufmännischen Angestellten und betrachteten die Dinge unter anderen Gesichtspunkten. Indes zeigte die Firma sich deshalb nicht kleinlich. Um acht Uhr abends wurde alles, was noch an der Arbeit war, in das Wohnzimmer des Kassenboten bestellt, dem die Hinterzimmer des Stockwerks für seinen Privatgebrauch überlassen waren, und fand dort einen gedeckten Tisch vor, den bald ein gewaltiger Kalbsbraten mit allerhand Ergänzungsgerichten und reichlichem Biervorrat zierte. Alle Welt sprach dem Dargebotenen reichlich zu, und es wurde fast eine Stunde in fröhlicher Unterhaltung zugebracht, bevor man wieder an die Arbeit ging.

Vor allem erheiterte uns am ersten »Ultimo«, den ich bei Guttentags verlebte, ein sehr humoristisch veranlagter Kommis, namens Fritz Cohn, durch den Vortrag von Couplets aus dem damals im Wallner-Theater gespielten Einakter »Ein Stündchen auf dem Comptoir«. Ich habe das Stück damals und auch später nicht gesehen, kann aber sagen, daß es an Stoff zu komischen Szenen für ein solches Stück auch in unserm Comptoir nicht gefehlt hat. Das Personal konnte unter diesem Gesichtspunkt nicht bunter zusammengesetzt sein. Schon das Verhältnis zwischen dem Chef, Julius Guttentag, und dem Kommis und späteren Prokuristen Anselm Schneider, der die Geschäftskorrespondenz führte, führte allerhand erheiternde Zusammenstöße herbei. Sie waren beide aus Breslau und hatten das gleiche Gymnasium besucht; Schneider hatte es dort erheblich weiter gebracht als der leichtlebige Sohn aus dem nun wohlhabenden Hause. Er hatte das Abiturientenexamen gemacht und ein halbes Jahr Medizin studiert, als er von einer schweren Krankheit befallen wurde, die in etwas wie Knochenfraß auslief und ihn in einen Zustand versetzte, bei dem sein Leben plötzlich ein rasches Ende finden konnte. So hatte er das Studium fallen lassen und den Beschluß gefaßt, den Rest des Lebens, der ihm noch gegeben sein sollte, so angenehm wie möglich zu verbringen. Er nahm eine Stelle im Bankgeschäft an und genoß hier sein Leben wirklich nach allen Regeln der Kunst, was übrigens, so weit ich das zu verfolgen Gelegenheit gehabt habe, obwohl er sich den Genuß der Venus nicht versagte, eher verlängernd als verkürzend auf es eingewirkt hat.

Bei seiner Arbeit war er in hohem Grade Pedant und ließ gern seinen Reichtum an Kenntnissen durchblicken, was ihm abwechselnd die Bewunderung von Julius Guttentag und dann wieder Spöttereien von ihm eintrug, vom ersteren zeugt folgende, sich unzählige Male wiederholende Szene:

Julius Guttentag (kommt aus seinem Bureau und tritt an Schneiders Pult heran, freundschaftlich): »Schneider!«

Schneider: »Herr Guttentag!«

Julius Guttentag: »Sie haben ja wohl mal Jura studiert?«

Schneider: »Nein, Herr Guttentag, Medizin.«

Julius Guttentag: »Na, Sie verstehen aber viel davon.« (Legt ihm eine juristische Frage vor.)

Und nun ein etwas frei gewähltes Beispiel für das letztere:

Julius Guttentag (wie oben, aber nicht freundschaftlich): »Schneider!«

Schneider (in steifem Ton): »Herr Guttentag!«

Julius Guttentag (ärgerlich): »Was haben Sie denn da wieder dem Kerl in Lodz geschrieben? Das versteht der polnische Jude doch nicht.« (Liest aus dem von Schneider verfaßten Brief vor.) ›Diese Disagio entspringt ans der Differenz der Modi.‹ »Das ist wohl auch Ihrem Modus entsprungen? Wie soll denn der Kerl das verstehen, der keine Ahnung davon hat, was Disagio und Modus bedeuten! Schreiben Sie das um.«

Schneider (gekränkt): »Herr Guttentag, das kann jeder Geschäftsmann ...«

Julius Guttentag (unterbricht ihn): »Ach, streiten Sie nicht lange, Sie können das schon deutlicher ausdrücken. so kann der Brief nicht abgehen.« (Läuft in sein Bureau zurück.)

Schneider (im Ärger halblaut, so daß die Kollegen es hören): »Solche Dummheit. Da hat er selbst nichts gelernt, so daß man ihn schon in der Tertia das Extemporal hat abschreiben lassen müssen, und jetzt will er den Besserwisser spielen.« (Legt aber nach einer Weile doch den Brief beiseite und schreibt einen anderen.)

Wenngleich unter den Kollegen ein gutes Verhältnis herrschte, hatte Anselm Schneider sie in solchen Fällen doch nicht immer auf seiner Seite. Seine gespreizte Ausdrucksweise war auch bei ihnen öfter ein Gegenstand spottender Neckerei. Im Hinblick auf sie hatte ihm der übermütige Fritz Cohn als Spitznamen den Namen eines der drei legendären Männer aus dem feurigen Ofen, Asarje, verliehen.

Von den witzigen Einfällen dieses Menschen bin allerdings auch ich nicht verschont geblieben.

Wie das bei Lehrlingen in der Regel der Fall, war ich in den ersten Monaten meiner Lehrlingsschaft von einem unbeschreiblichen Eifer besessen. Als ich nun einmal in einem solchen Eifer durch das Bureau lief, wo Fritz Cohn saß, muß es diesem meine Figur angetan haben. Er ruft mich an: »Eduard!« Ich eile an sein Pult, und es entwickelt sich folgendes Gespräch:

Ich (höflich fragend, wir Lehrlinge wurden noch nach alter Sitte bei den Vornamen gerufen): »Herr Cohn?«

Fritz Cohn (in wohlwollendstem Ton): »Morgen kommen Sie ans Hauptbuch.«

Ich (überglücklich): »Ja?«

Fritz Cohn: »Sie müssen sich aber eine Leiter mitbringen.«

Ich fiel aus dem Himmel und ging mit einer Bewegung, die ihm meine Meinung über den verletzenden Witz kundgeben sollte, meiner Wege. Ich wußte aber, daß er nicht es nicht bös gemeint hatte, und kam auch, trotz meiner Kleinheit, schon nach ganz kurzer Zeit dazu, mich wirklich mit dem Hauptbuch abgeben zu müssen.

Allerdings nicht, um es zu führen, wozu übrigens, wie man weiß, keine besonderen Kenntnisse gehört hätten. Aber dem Buchhalter, der es führte, hatte die Jahresbilanz absolut nicht stimmen wollen, und da zog er mich dazu heran, im Hauptbuch und anderen Kontobüchern alle Konten nachzuaddieren. Da man noch keine Idee von einer Additionsmaschine hatte, eine für mich Kurzsichtigen trotz meiner rechnerischen Begabung recht mühsame Arbeit. So ganz Unrecht hatte Herr Cohn wirklich nicht gehabt. Es fiel mir nicht leicht, von meinem Kontorstuhl aus die langen Seiten zu überblicken, die Sache hat mich manche saure Abende gekostet.

Aber die Vorsehung wachte. Eines Abends, als ich mich mit dem langweiligen Addieren quälte, kam mein Chef, Julius Guttentag, noch einmal ins Geschäft. Kaum hatte er mich am Pult arbeiten gesehen, trat er heran und fragte mich, was ich da noch mache. Und obwohl ich in meine Antwort keinen Ton von Beschwerde gemischt hatte, lief er, als er sie hatte, schnurstracks in die Hinterzimmer. Nach wenigen Minuten erschien der dort wohnende Kassenbote und brachte mir drei gut belegte Butterbrote und eine Flasche Bier, was meine Stimmung merklich erhöhte. Aber es blieb nicht dabei. Tags darauf sagte mir der das Amt des Kassierers versehende Vetter von Julius Guttentag, ein Herr Sigmund Guttentag, wenn ich abends lange arbeite, so möge ich mir nicht Butterbrote geben lassen, sondern in ein anständiges Restaurant gehen, eine ordentliche Portion Warmes essen und die Auslagen ihm berechnen.


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