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Als Montrose am andern Morgen durch die angelehnte Thür in den bezeichneten Pavillon trat, stutzte er einen Augenblick und eine stolze Erregung glitt über sein ausdrucksvolles Gesicht, denn er fand Urica nicht allein, sondern an ihrer Seite saß die strenge Gestalt ihrer Duenna, der Gräfin Comenes.

Urica sah augenblicklich, daß er sich verkannt fühlte und sich zugestand, dies durch seine Haltung nicht verschuldet zu haben – aber die Gräfin eilte, ihm ihre volle Anerkennung zu gewähren, denn nachdem sie ihn der Frau von Comenes vorgestellt, öffnete sie eine Thür, welche nach einem schmalen Salon führte, der mit einer von hängenden Weiden überschatteten offenen Gallerie nach dem Flusse zu lag – und indem sie hindurch schritt und die alte Dame ihr nicht folgte – , gab sie dem nachschreitenden Montrose ein Zeichen die Thür zuzumachen, und sich der Gallerie nahend, nahm sie sogleich auf einem Sessel Platz, dem Grafen den gegenüber stehenden anweisend.

»Die Königin hat mir den Schlüssel zu diesem Pavillon übergeben, um unbemerkt euch von ihren Wünschen unterrichten zu können – und sie will, daß ihr euch nach unserer Unterredung in einer unter dem Balkon befestigten Barke nach dem andern Ufer rudern mögt und euch des Mantels bedienen, den ihr in der Barke finden werdet.«

Montrose verneigte sich stumm und ehrerbietig zum Zeichen seines Gehorsams – dann sagte er, da Urica sinnend vor sich nieder sah: »Laßt mich meine Betrübniß ausdrücken, daß Ihro Majestät sich selbst hier, wo ich sie in Mitte ihrer treusten Anhänger glaubte, genöthigt sieht, ihre Handlungen der Beobachtung zu entziehen!«

»Die Königin hofft, daß dies wenigstens in Bezug zu ihrem Gemahl zutrifft, Milord – die Königin aber wird überall mit einem Mißtrauen verfolgt, welches die Gerechtigkeit gegen sie schon längst aufgehoben hat – sie findet nur noch stärkeres und minderes Mißtrauen – Mißtrauen aber überall!«

»Ja!« rief Montrose – »so verfahren die Menschen mit einander! Denn obwohl sich Jeder sowohl die Fähigkeit als das Recht den Andern gegenüber zugesteht, begangene Fehler durch eine wahrhaft veränderte Gesinnung gut machen zu können, werden wir doch selten eine edle vertrauende Anerkennung finden, wenn wir den gemißbilligten Weg verlassen, und unsere reinsten Handlungen werden von blinden Augen angeschaut werden und nur das Gedächtniß früherer Verirrungen wird die Richtschnur des Urtheils über uns bleiben.«

»Das ist eine traurige Wahrheit, Milord« – sagte Urica – »aber ist es auch zugleich ein Urtheil über die unglückliche Königin? Wollt ihr mir sagen, ob ihr jetzt der Meinung seid, sie habe den gemißbilligten Weg verlassen?«

»Es lag eine vielleicht ungerechte Befriedigung darin« – entgegnete Montrose – »der katholischen Königin, die von den ewigen Feinden unserer geretteten Kirche umgeben blieb, einen Theil der Mißgriffe aufzubürden, von denen die Handlungen unseres Königs nicht frei zu sprechen waren, und ich sah nicht ohne Ueberzeugung und nicht ungern, daß die Last der Vorwürfe dadurch getheilt ward.«

»Und jetzt, Milord«, sagte Urica – »und jetzt?«

»Ich habe nicht gewartet, bis ich hierher kam, um dies Unrecht gut zu machen!« sagte Montrose mit edler Wärme. – »Von dem Augenblick an, daß die Königin Muth hatte, sich von ihren verdächtigen Rathgebern zu trennen – von dem Augenblick an, habe ich ihre Handlungen mit Gerechtigkeit gewürdigt und habe nur noch eine zärtliche Mutter und die treue Gattin und Freundin meines theuren Königs in ihr gefunden.«

»Dann darf ich mich gegen euch meines Auftrags entledigen,« sagte Urica – »und es wird überflüssig sein, euch zu sagen, daß ich eure Meinung über diese unglückliche Frau theile. Aber nur in dem Falle, daß ihr mit euren Gesinnungen von dem allgemeinen Mißtrauen abwichet, hatte ich Erlaubniß, euch das zu sagen, was die Königin jetzt am meisten kränkt, und nur in diesem Falle konnte diese Mittheilung einigen Erfolg versprechen.«

»Wie,« rief Montrose – »ihr hättet mich sogleich aufgegeben, wenn ihr mich in dem Irrthum der Menge befangen gefunden hättet – ihr hättet keinen Versuch gemacht, meine Augen der Wahrheit zu öffnen?«

»Ich will nicht sagen, Milord – daß ich nicht entschlossen gewesen wäre, euch Alles der Wahrheit gemäß zu sagen, was meine eigene Ueberzeugung befestigen half – aber ich würde dazu wenig Vertrauen gehabt haben – denn, gesteht es ein, in der Ueberzeugung eines Mannes gelten die Beobachtungen und Erfahrungen einer Frau nicht so viel, um seine Meinung zu verändern?«

»Wir haben eine große Verantwortlichkeit für unsere Gesinnung, durch die wir mit Andern zusammen hängen, ihr Vertrauen genießen und ihr Schicksal sogar leiten,« sagte Montrose – »und wir halten unsere Meinung oft grade da am festesten, wo wir uns am meisten einer Versuchung ausgesetzt fühlen, sie erschüttert zu sehn – aber Milady – es stünde schlecht mit dem Manne, wenn er die Wahrheit von der Person, die sie ihm sagt, abhängig machte – und ich verstehe weder männliche Würde noch Festigkeit, wenn sie sich beeinträchtigt halten kann, indem sie der Wahrheit aus dem Munde einer Frau folgt.«

»Ich konnte das denken,« sagte Urica erröthend – »und nur Schwächlinge fürchten, sich überzeugen zu lassen, und halten ihren kurzsichtigen Eigensinn für Männlichkeit.«

»Und ihr« – sagte Montrose – »ihr, die ihr die Königin der Wahrheit seid! – Nein! ich will es nicht denken, ihr könntet mich keines Bekehrungsversuches werth geachtet haben!«

»Es ist besser, daß ich euch so gefunden habe, wie es die Königin wünschen konnte,« sagte Urica lächelnd – »aber wenn ihr es wissen wollt – auch im andern Falle hätte ich Alles in meinem Geiste gesammelt, was euch der Königin jetzt gerecht machen konnte!«

Montrose kniete einen Augenblick nieder und berührte den Rand ihrer Schleppe mit den Lippen – dann nahm er seine vorige Stellung ihr gegenüber ein und rief bewegt: »Und ihr hättet gesiegt, denn auch euch überführt nur die Wahrheit, und ihrer Macht mich stets zu unterwerfen, dazu habe ich Kopf und Herz mir frei erhalten.«

»So hört denn!« sagte Urica. – »Aus dem Mißtrauen, was keiner gegen die Königin ganz aufgegeben hat, aus der ewig wiederholten Meinung, den König völlig frei, völlig unabhängig und ohne nachtheiligen Einfluß in die Mitte seiner Nation zu stellen, geht das in allen Formen sich erneuernde Complot, die Königin von ihm zu trennen, hervor. Es hat ihr nichts geholfen, daß sie sich von Allem losgesagt, was man nennen konnte und womit man sie als treulos bezeichnete gegen das Volk ihres Gemahls, – die offene Redlichkeit, die Kraft, mit der sie es gethan, glaubt ihr Niemand – man ist grade sicher, daß sie im Geheim Alles festhält, da sie äußerlich so ruhig ohne Haß und Bitterkeit geblieben, und sie sieht sich unablässig beobachtet, auf das brutalste belauscht und von Verräthern ihrer unschuldigsten Handlungen umgeben, ohne daß sie sich beklagen darf oder sich ihrem Einfluß entziehn!«

»Ihr werdet die Mißhelligkeit kennen, die in diesem Augenblick zwischen dem Könige von Frankreich, oder – wahrer gesagt – zwischen Richelieu und eurem Könige obwaltet. Wie ich höre, ist die dadurch erregte Verfolgung des Ersteren auf Vieles nachweisbar, was dies unglückliche Land verwüsten hilft, und das entsetzliche Blutbad in Irrland, soll durch die Unterstützung Frankreichs diese Schrecken erregende Ausschweifung erlangt haben. Jetzt wird die Frage mit dem Könige besprochen, ob die Königin nicht als französische Prinzessin geeignet wäre, diese Mißhelligkeiten durch ihre persönliche Dazwischenkunft mit Richelieu auszugleichen – und der König ist diesmal nicht der Vertreter von den Wünschen seiner Gemahlin, welche an diese Trennung mit Entsetzen denkt und sie als eine ewige ansieht.«

»Dabei glaubt sie fest und hat triftige Gründe dafür, daß Richelieu auch nicht die kleinste Rücksicht auf ihre Bitten nehmen und sich freuen wird, durch Demüthigungen aller Art, den König in seiner Gemahlin zu bestrafen. Ihre Unterredungen mit dem König über diesen Gegenstand haben sie überzeugt, daß auch Karl einen politisch günstigen Erfolg von ihrer Reise nicht erwartet, obwohl ihm darüber eine entschiedene Aeußerung nicht zu entreißen war; daß er aber dessenungeachtet mit immer gleicher Hartnäckigkeit darauf dringt, daß die Königin dies Opfer bringe, giebt ihr die Ueberzeugung, daß er selbst seine Lage gefährlich und bedrohlich hält, und seine Bestrebungen, sie und seine Kinder zu entfernen, auf der Ahnung nahender größerer Uebel beruhen, denen er sie dadurch zu entziehen hofft.«

Eine lebhaft schmerzliche Bewegung Montrose's, die doch nur zu sehr eine Bestätigung ausdrückte, unterbrach hier einen Augenblick Urica's gesammelten Vortrag – bewegter fuhr sie nach einer Pause fort:

»Ihr könnt denken, daß die Königin von da an nichts so fürchtet, als diese Reise; daß wenn die Nothwendigkeit ihr nicht bewiesen werden kann, sie ihren heil'gen – ehrenvollen Platz an der Seite ihres Gemahls nicht verlassen will, – daß sie dagegen ihre Kinder lieber nach Holland zu ihrer Tochter, der Prinzessin von Oranien, schicken will, als nach dem treulosen Frankreich, und daß ihr dann das ehrwürdige Recht gelassen werde, an der Seite des Königs, dessen ganzes Schicksal mit tragen zu helfen. Die Hoffnung, dies durchzusetzen, ist gewachsen, seit euer mächtiger Einfluß in die Waagschale des Königs gelegt worden ist; fremde Hülfe wird dadurch weniger dringend, diese durch die Königin bei Richelieu zu erbitten, welches bisher immer als wichtiger Hauptgrund gegolten, dadurch von selbst aufgehoben! Sie hofft also wieder, Milord – und sie hofft, wie ihr ein indirektes Mittel geworden seid, die Gründe zu ihrer Entfernung zu schwächen, so werdet ihr durch direkten Einspruch gegen diese Maaßregel im heutigen Geheimen-Rath des Königs, wo sie entschieden werden soll, sie zu Gunsten der unglücklichsten Gattin und Mutter entscheiden helfen!«

Urica schwieg und ihr Auge haftete gespannt auf Montrose – das war nicht der Ausdruck einer ihr günstigen festen Ueberzeugung – und wo blieb das tröstliche Wort der Einwilligung, das schon die letzte Silbe ihrer Rede hätte abschneiden müssen, wenn die Ueberzeugung mit dem Willen eins gewesen wäre?

Dagegen lagen düstere Wolken auf seiner hohen mächtigen Stirn, seine Augen wurzelten am Boden, dem im Sessel zurückgesunkenen waren die Hände fest um das Barett gekrampft, und er schien es nicht zu bemerken, daß Urica schwieg und ihn sinnend beobachtete.

»Das sind traurige Anzeichen!« seufzte sie endlich – fast unwillkürlich laut sprechend. –

Montrose fuhr erschrocken empor. Als seine Augen Urica streiften, brach ein Glanz hervor, der die ihrigen zur Erde senken machte, denn sie fühlte, an diesem Blick hatte sie besondern Antheil.

»Mißdeutet mein Schweigen nicht,« rief, sich lebhaft vorbeugend, Montrose – »und denkt nicht, daß ich zerstreut war – aber dieser einzelnen Beziehung, die ihr eben angeregt habt, stürzte ein Gedankenstrom über die ganze Lage des Königs und meines Vaterlandes nach, von dem ich mit fortgerissen ward, während alte Schmerzen, alte Befürchtungen in mir aufgeregt wurden!«

»Der König und die Königin – Beide haben Recht! und ich fragte mich zuletzt, ob ich dem Könige bei einer Veranlassung entgegen treten dürfe, wo alle Stimmen meines Herzens mir sagen, ich würde im selben Fall, um ein geliebtes Weib zu schützen, auf dem schweren Opfer der Trennung selbst bestehen! Aber zu meiner Qual muß ich mir sagen, daß ich eben so das Gefühl der Königin verstehe, daß ich die Seligkeit fassen kann, zu leiden, wenn wir nur mit dem Wesen verbunden bleiben, in dessen Besitz wir uns wie durch einen Pulsschlag geeinigt fühlen, welches uns die Erfüllung aller Sehnsucht unserer Brust gewährt, alle Träume unseres Lebens zur Wahrheit macht!«

Montrose brach plötzlich ab. – Urica'sAugen waren von seinem Antlitz abgeglitten und zur Erde gesunken – sie hörte jedes Wort mit stockendem Athem – mit glühender Stirn – es drängte sich unbezwinglich das Geheimniß seines Herzens über die Lippen, indem er nur von Andern sprechen wollte – und Urica verstand ihn, und sie hatte den bezaubernden Ausdruck, den sein schönes Gesicht in dieser Ueberraschung des Gefühls trug, nicht ertragen können, ohne die betäubende Gewalt zu fühlen, die er über ihr Herz gewonnen!

Aber er ermannte sich, als er die entzückende Verwirrung Urica's sah und fühlte den Vorwurf, daß er zur Theilnahme für das bedrohte Lebensglück Anderer aufgefordert, fortgerissen worden war, sein eigenes Interesse zu verfolgen. Dies gab seiner Stimmung die Festigkeit zurück und er fuhr nach einer kurzen Pause fort:

»Außerdem habe ich andere Ansichten über die politische Wichtigkeit dieser Reise, die mit meiner Kenntniß der französischen Zustände zusammen hängen, und mich günstige Folgen hoffen lassen, wenn die Tochter Heinrichs des Vierten die Theilnahme ihres Vaterlandes aufruft – und was kann sie endlich dort erleben, was sich mit dem vergleichen läßt, was ihr hier vielleicht bevorsteht.«

»Großer Gott!« rief Urica lebhaft aufstehend – »was fürchtet ihr, Lord Montrose – was steht dem Könige bevor – jetzt noch, da ihr auf seine Seite getreten seid?«

Beide standen dicht vor einander – Beide blickten sich an und mit dem redlichsten Willen, sich allein der Sache des unglücklichen Königspaares zu widmen, waren sie doch dazu bestimmt, ihr eigenes Gefühl immer wiederkehrend in diesem fremden Gegenstand einander zu verrathen.

»Ha!« rief Montrose, ihre Hand an seine Brust ziehend – »achtet mich Urica so hoch, um mir so große Macht, so ausreichenden Einfluß zuzutrauen?«

Urica hatte ihm nichts zu antworten – Beide wurden auf's Neue von ihrem starken Pflichtgefühl zurückgeführt.

»Sprecht,« stammelte die Gräfin, und zog ihre Hand zurück – »was fürchtet ihr für den unglücklichen König, was so viel härter für seine Gattin zu ertragen wäre, als diese Trennung, diese beleidigende Stellung in ihrem eignen Vaterlande.«

»Ich kann es nicht bezeichnen und weiß euch kein Beispiel der Geschichte für meine vielleicht zu weit getriebenen Befürchtungen anzuführen – ich weiß nur, daß Keiner das Ende dieses Kampfes bestimmen kann, daß die Parteien ungleich in ihrer Macht dastehen und daß es hier nicht mehr auf das Recht der Wahrheit, auf die heil'gen Vorrechte der Monarchie ankommt, sondern auf materielle Gewalt, auf das Glück der Waffen einer fanatisirten halb wahnsinnigen Masse gegenüber, welche aber in allen Vorrechten materieller Ueberlegenheit ist! – Behalten wir nicht die Macht, mit unsern vereinigten Kräften zu siegen, dann könnte es sein, daß der Fanatismus, der die geheiligte Person des Königs schon ihrer Unantastbarkeit beraubt hat, sich an ihn hielte, wie der Richter an den Verklagten!«

Urica war todtenblaß geworden, sie deckte jetzt beide Hände vor ihr Gesicht und die Knie schwankten.

Montrose führte sie achtungsvoll zu ihrem Sessel und obwohl er neben ihr nieder kniete, um weiter zu sprechen, war doch sein tragischer Ernst in diesem Augenblick weit ab von jeder Vertraulichkeit.

»Wenn der König, den ich von allem früheren Leichtsinn gereinigt wieder gefunden habe, dessen Scharfblick das Unglück geklärt hat, und welcher jetzt richtiger urtheilt, weiter in die Ferne schließt, als einer seiner Räthe, wenn der König dieselbe, oder eine Schlußfolge, der meinigen annähernd, gemacht hätte, dann müßte ich ihm Recht geben, daß er die Königin und seine Kinder zu entfernen trachtet, denn – um seinem Geschick mit allen Kräften stehn zu können, muß er sie in Sicherheit wissen, sonst wird er nie den Muth haben, Alles auf einen Wurf zu setzen – was doch vielleicht nöthig wäre!«

»O Gott!« sagte Urica und ließ die Hände von ihren Augen sinken, die traurig auf Montrose's nahem – aber ernstem und wehmüthigen Gesicht hafteten – »so weit sind meine Sorgen für die Zukunft dieser königlichen Märtyrer nie gedrungen – am Ende dieser Leiden habe ich Versöhnung und Wiederkehr des früheren rechtmäßigen Zustandes gesehn, Lohn für den tugendhaften Willen Beider, nachdem die Strafe für die Verschuldung sie so herrlich geläutert hat.«

»Auch wollen wir einer völlig unsichern Zukunft nicht dies traurige Bild allein unterschieben,« rief Montrose lebhaft – »wir wollen hoffen, daß Gott unsere Waffen segne und wir mit dem Banner unserer heiligen und gerechten Sache das Ungeheuer des Volksaufstandes besiegen und mit der gewonnenen Weisheit diesem armen Volke dann wirklich geben, was es jetzt sich selbst zu erringen hofft und in seiner zerrissenen, unklaren und wüsten Zusammenstellung niemals erreichen wird!«

»Aber die Königin! o denkt die Gattin! denkt, wenn auch sie so schlösse wie ihr – und dann Trennung! Kann das ein weiblich Herz überleben? Könnt ihr nicht wenigstens den Augenblick noch aufhalten – vielleicht – «

»Ach,« unterbrach sie Montrose – »wird sie ihn später verlassen können, wenn jetzt nicht, wo noch Hoffnungen es ihr erleichtern, sie täuschen können, die Forderung des Königs unterstützen? Zurückkehren kann sie leicht, aber nicht weggehn, wenn die Gefahren über Karl's Haupt sich sammeln!«

»Der heutige Geheime-Rath wird wichtig sein und wir – Argyle und ich – treten darin als Gesandte des eigenmächtig zusammengetretenen schottischen Parlaments auf und machen den König mit den neuen Forderungen desselben bekannt. So herb diese Forderungen sind, muß sie der König vorläufig doch bewilligen, denn das englische Parlament geht mit der Absicht um, das sonst so gehaßte und angefeindete Schottland zu seinem Alliirten zu machen und die wahnsinnige Hoffnung der Presbyterianer, ihre Lehre den Puritanern England's aufzunöthigen, wozu man schlau einige Aussicht zeigt, macht sie ihren Annäherungen nur zu empfänglich. Dies muß vorläufig aufgehalten werden, dadurch, daß sich der König scheinbar oder wirklich mit den Covenants versöhnt, wodurch ein öffentlicher Beitritt zu dem englischen Parlament nicht mehr statthaft wird. Geht dann meine Ansicht durch und der König faßt mit Macht alle seine Kräfte zusammen, dann können wir durch Erfolge der Waffen in eine Stellung zurückkehren, die den versöhnenden Absichten des Königs Eingang verschaffen wird.«

»Also auf jeden Fall Krieg,« sagte Urica sinnend – »Krieg auf vaterländischem Boden – Krieg zwischen Unterthanen – Krieg gegen ihren angestammten König! O! welch' ein heilloser Zustand!«

»Ich fürchte,« sagte Montrose – »ihr werdet ein Volk, ein Land verachten, was so aus seiner Bahn gewichen – ich fürchte, ihr werdet davor fliehen und nach eurem ruhigen, weisen Vaterlande zurückkehren, da euch vielleicht nichts hier persönlich fesselt!«

Abermals erröthete Urica und sagte leise: »Ich werde die Königin nicht verlassen, so lange sie hier bleibt – ihr zu folgen wird vielleicht unzulässig sein, und dann kann natürlich England nicht mehr mein Aufenthalt bleiben – aber – man liebt nicht am wenigsten was man leiden sieht und in Gefahr – ich habe für England ein Gefühl, welches mich dem Herzen nach zur Mitbürgerin dieses schönen Reiches macht, und muß ich es verlassen, werde ich zu ihm hinüber sehen wie zu einem Vaterlande.«

» Thut das,« sagte Montrose tief bewegt und wagte es, ihre Hand an seine Lippen zu drücken – »thut es, damit die, welche ihr verlaßt, mit eurem Bilde im Herzen Muth behalten, den schweren Kampf zu beginnen, der in seinen Sieg ein beruhigtes Vaterland einschließt, ein Land zu seiner alten Würde und Ordnung zurückgekehrt, alsdann werth, daß ihr wiederkommt und seinen Siegern den Lohn eures Anblicks gönnt. Urica!« sagte er nach einer Pause, in der Beide bewegt zur Erde blickten, ohne daß die verschlungenen Hände sich trennten – »es ist eine schwere Prüfung, daß ich euch jetzt finden mußte, in einem Augenblick, wo ich der vollständigsten Sammlung für das Wohl meines Vaterlandes bedürftig war – aber ich bekam zugleich mit dem Gefühl, welches ihr mir eingeflößt, eine heiligende Glut, die mich vielleicht um so besser rüstet, denn ich fühle es schon seit gestern, das Leben, welches mich ermüdet, kalt und verachtend gemacht hatte, ist wieder reich geworden – aus dem abgeblaßten Bilde treten wieder Farben hervor! O Urica – ich liebe die Welt, das Leben wieder – seit gestern – seit ich euch sah – seit ich euch liebe mit der sicheren festen Gewißheit, daß ich noch nie geliebt – daß ich für euch allein das in alle Ewigkeit fühlen werde, was Liebe heißt!«

Urica's gesenkter Kopf hob sich bei diesen Worten, und als sie ihre Augen auf das schöne, ernste und feurige Antlitz Montrose's richtete – da fühlte sie sich an dem Wendepunkte ihres Lebens und sie war geschaffen, die heil'ge Würde eines Augenblicks zu verstehen, wo ein edler Mann von seinen Gefühlen überwältigt, mit Ernst und Würde das Schicksal seines Herzens offenbart.

»Montrose,« sagte sie mit feierlicher Bewegung – »ihr sollt eine so edle Hingebung und das große Geschenk eurer Liebe nicht gegen mich verschwenden, ohne daß ich euch Alles dafür zurückgebe, was ich vermag – dieselbe Ueberzeugung: daß ich euch allein lieben werde in alle Ewigkeit!«

Es folgte diesen offenen Geständnissen kein stürmischer Ausbruch der Gefühle – obwohl sie vielleicht von Anbeginn ihres Gesprächs ihrer Liebe gewiß gewesen, war doch das ausgesprochene Wort ein Glück, welches sie mit seiner Fülle erschütterte – aber es war ihnen eine Höhe der Empfindung gegeben, welche sie in einen fast träumerischen Zustand versetzte – sie betrachteten Beide mit Entzücken die Seligkeit ihres Herzens, sie wollten das Wunder dieses Zustandes ergründen.

Es weckte sie ein leises Klopfen an der Thür und als Montrose aufstand, trat auch die Gräfin Comenes ein, und sagte ihnen, daß die Zeit rasch verflossen sei, und daß man jetzt den Herzog von Argyle und mehrere Cavaliere des Königs auf der Terrasse sähe, daß ein Page suchend sich gezeigt und ihr gesagt, der Marquis von Montrose werde vermißt und man komme ihn zu suchen, da der König sich schon nach dem Staatsrath begeben habe und die kleine Minister-Conferenz bald vorüber sein werde.

»Darin erkenne ich Argyle,« sagte Urica gefaßt – »es beweist mir, daß er unser Zusammensein erfahren hat.« –

»Lebt wohl, Gräfin,« sagte Montrose schnell – »wir wollen ihm den Triumph nicht gönnen!«

Montrose verneigte sich ehrfurchtsvoll und eilte die Treppe hinunter, die nach dem Wasser führte, wo er die versprochene Barke zu finden hoffte; aber ein Blick überzeugte ihn, daß die Wasserfläche wie ein ruhiger Spiegel vor ihm lag und die Barke, wenn sie hier gelegen, entfernt worden war. Noch einen Augenblick zögerte er, um sich mit einem gewagten Sprunge bis zu dem Ankerpunkt zu bringen, wo ein Pfahl im Wasser wahrscheinlich die Kette der Barke gehalten hatte; die Kette spielte mit den kleinen Wellen, aber auch von diesem Punkt, der einen noch weiteren Blick gestattete, war nichts als die ruhige, leere Wasserfläche zu bemerken. Er gab nun die Hoffnung auf, sich auf diese Weise entfernen zu können und untersuchte die Möglichkeit, eine andere Stelle desselben Ufers zu erklimmen, um so von einer ferner liegenden Gegend aus das Schloß zu erreichen; aber hier senkten sich steile Mauern in's Wasser hinein, von wo aus sich die Terrassen erhoben. Dabei war keine Zeit zu verlieren – und sein nächster Entschluß war, zu den Damen zurück zu kehren, die vielleicht durch die bessere Kenntniß des Locals einen Rath zu geben vermochten.

Er stand sogleich wieder auf der Treppe, aber er zögerte einen Augenblick und vergaß seine Verlegenheit; denn vor ihm noch in demselben Sessel ruhte Urica, das holde glühende Gesicht mit den gesenkten Augen von der kleinen Hand gestützt – ein Lächeln, so zart wie ein Hauch spielte um ihren Mund – sie träumte den Traum der Liebe! Wer hätte es nicht errathen, der sie sah – wer konnte es besser, als der glückliche Montrose! Er eilte vor und lag zu den Füßen der Ueberraschten, und die Liebe, die durch die kurze Zeit eifersüchtig geworden, forderte nun all' ihre Rechte und er zog sie an seine Brust.

»Aber wie kommt ihr hierher« – rief Urica, sich sanft dem Ungestüm entziehend – »warum seid ihr nicht längst fort?«

Einige Worte reichten hin, Urica den Zusammenhang zu erklären und sogleich ihren Geist in Thätigkeit zu setzen. Doch fehlte es ihnen Beiden an kalter Besonnenheit. – Montrose kniete noch immer und hielt sie in ihrem Sessel fest und seine Gedanken wurden von seiner Bewunderung des schönen Gesichts verschlungen, was ihm so nah war. So hörten sie ein paar Ruderschläge nicht und erst als der Schatten einer männlichen Gestalt den Eingang verdunkelte, erwachten Beide, um Argyle zu erkennen, der zitternd, bleich – entstellt von Leidenschaft – mit einem Ausdruck von Spott und Wuth vor ihnen stand, der ihn wahrhaft entsetzlich machte.

»Wie, mein Lord!« rief Montrose aufspringend – »was veranlaßt euer Erscheinen?«

»Ich zweifle nicht, daß es euch unwillkommen ist« – stammelte Argyle vor Wuth knirschend – »aber ich denke, ich habe nur dieser so unangenehm gestörten Dame meine Entschuldigungen zu machen!«

»Mehr wie das, Milord,« sagte Urica, schnell aufstehend – »ihr habt mir Rechenschaft zu geben, warum ihr die Barke der Königin, die zu meiner Verfügung gestellt war, von ihrem Ankerplatz entfernt, – mit welchen Mitteln ihr in den einzigen Aufenthalt, den man bisher als Ruhepunkt der Königin zu ehren gewußt hat, eingedrungen seid – ich frage euch, Milord, gilt eure Spionerie mir oder der Königin?«

»Vielleicht Beiden!« sagte Argyle teuflisch lächelnd – »und ich muß mir schon gefallen lassen, daß es euer Gnaden so nennen – ich bin zu sehr belohnt für meine geringe Beobachtungsgabe, als daß ich nicht einen kleinen Grad eures Zorns zu ertragen hätte – die stolze, kalte, unerbittliche Lady Urica ist in kaum zwölf Stunden die Beute der Gefühle geworden, die sie bis jetzt nur einzuflößen gewußt hat – das ist ein merkwürdiges, interessantes Schauspiel!«

»Genug, Milord!« rief hier Montrose, sich in seiner ganzen majestätischen Höhe erhebend – »dies wird euer letztes Wort sein! Gräfin von Casambort, ihr werdet die heil'gen Rechte, die ihr mir so eben zugestanden, nicht leugnen – sie geben mir die Macht, euch gegen jede Anmaßung zu schützen und ich fordere euch auf, Milord von Argyle, mir zu folgen und zwar durch diesen Eingang – gebt mir die Freiheit, theure Urica! im Fall die Umstände es wollen, dem Könige mein Glück melden zu dürfen.«

»Ja, mein Verlobter,« sagte Urica mit Würde und Selbstgefühl – »ich werde der Königin dieselbe Mittheilung machen.«

»Verlobt! verlobt!« schrie Argyle außer sich, vorstürzend und mit einem so entsetzlichen Ausdruck den Arm des Marquis von Montrose fassend, daß ein unwillkürliches Mitleiden diesen ergriff – »Verlobt,« fuhr er zitternd zu Urica fort – »ihr – ihr – und mit einem Male alle Hoffnung fort, und das Ende dieser jahrelangen Leiden bis zur Vernichtung erreicht! Urica! fürchterliche, göttliche Schönheit – so kalt und ohne Hoffnung – so ohne Antheil und Rührung, konnte dich die glühendste, aufopferndste Liebe lassen, und warum Argyle mit allen Kräften seines Wesens rang, warum er sich selbst verleugnet, seine Natur, seine Zwecke, das Ziel seines Lebens verrückt hat – das raubt Montrose in der Zeit von wenigen Stunden vor meinen Augen, und läßt mir nicht mehr den einzigen Trost, daß das Herz, was sich mir so hart verschloß, überhaupt der Liebe unfähig sei – denkt ihr, daß ich leben kann und euch in den Armen eines Andern wissen? denkt ihr, ich werde nicht den Tod oder den Wahnsinn segnen, der mich dieser entsetzlichen Ueberzeugung entreißt?«

Urica war erschüttert in ihren Sessel gesunken – glühende Röthe und Todtenblässe wechselten auf ihrem Antlitz, und sie fühlte in Argyle's verzweifelnden Worten vieles heraus, was ihr ihre Handlungsweise und den wunderbar schnellen Gang ihrer Empfindungen, als ein ungewöhnliches Ereigniß gegenüber stellte und sie war überrascht, daß sie es war, die dies erlebte, und jungfräuliche Beschämung beschlich ihr Herz und verschloß ihre Lippen!

»Faßt euch, Milord! und bezwingt diese erste ungerechte Aufregung,« sagte Montrose theilnehmend aber ernst. – »Ihr werdet bald eure edle Ruhe und Fassung wieder gewonnen haben und dann Jedem danken, der die weiteren Ausbrüche eurer Ueberraschung gehindert hat. Ich bitte euch, folgt mir jetzt – ein kurzes Nachdenken wird euch lehren, daß ihr Niemand Vorwürfe machen könnt, für die unabweislichste und unabsichtlichste Handlung des Gefühls!«

Aber Argyle hörte ihn nicht – seine Augen wurzelten auf Urica und er schien nur ihren entschiedenen Verlust empfinden zu können. »Lüge! Lüge! war es,« stammelte er – »als man mir sagte, ich sei der Mann, der dein Herz rühren würde – o diese Königin – hat sie mich getäuscht oder hat sie sich in dir geirrt?«

»Argyle,« sagte Urica, gerührt von seinem Zustande, »schont mich! ich empfinde tiefen Kummer bei eurem Schmerz und fühle mich unfähig, ihn von euch zu nehmen – aber seid wenigstens gerecht und gesteht es ein, daß ich unschuldig daran bin – nie habe ich euch Hoffnungen gemacht – immer war ich bemüht, euren Gefühlen die Mäßigung zu geben, die euch allein geziemte, unerwiderter Neigung gegenüber!«

»Ach! es ist wahr und ich habe nur mich selbst anzuklagen,« stöhnte Argyle – »aber das kann mich nicht hindern,« fuhr er im wilden Ausbruch des Zorns fort – »mit Haß und Abscheu auf Alle zu blicken, welche aus meinem glänzenden Loose, ein so elendes gemacht haben. Urica – ich hasse dich, du böser Geist meines Lebens – ich verwünsche dich! Dieser späte Frühling deines Herzens werde verheert von den Stürmen des Geschicks – begraben mußt du werden, in dem Grabe aller deiner Hoffnungen, von seinen Blüten begraben – den Becher des Glücks, den du mir entreißt, um seine Lippen zu berauschen, er muß nie seinen Durst löschen, – er muß zu Gift für euch Beide werden! Montrose, wir sind Feinde von jetzt an – ich verfluche dich und dein Glück – und mein Leben soll nur noch eine Frage sein, wie ich dir schaden kann, wie ich dich verfolgen und dem Elende ausliefern kann!«

Halb wahnsinnig stürzte er nach diesen Worten aus dem Gemach und Niemand verhinderte ihn daran.

Urica hatte sich, bei seinem Bannfluch über Montrose entsetzt, erhoben; wie von Pfeilen durchbohrt, fühlte sie die schrecklichen Worte des Wüthenden; ganz Weib geworden durch ihre Liebe, verzagte ihr Herz in Furcht und Schrecken und sie sank in Montrose's Arme, welcher nur sie beachtend, ihr plötzliches Zusammenbrechen gewahrte.

So wie die Gräfin Comenes Argyle's Stimme erkannt hatte, war sie eingetreten und suchte durch ihre damit angedeutete Nähe, die Scene, die er vorfand und die sie seit einigen Augenblicken, vielleicht nicht minder überrascht, geahndet hatte, zu rechtfertigen. Ob er sie bemerkt, war nicht zu ermitteln; jetzt aber forderte Urica ihre ganze Aufmerksamkeit, denn sie lag in einem ohnmachtartigen Zustande in Montrose's Armen und die Gräfin war nicht wenig erschrocken, denn sie hatte am Morgen desselben Tages von einer solchen Hingebung ihres Schützlings noch keine Ahnung gehabt.

Doch Urica erhohlte sich mit einem Schauer, der ihr Nervensystem wieder belebte und ihr erstes Gefühl war, Montrose um seine Entfernung zu bitten.

»Ihr dürft nicht fehlen in dieser wichtigen Conferenz, von der mir die eben erlebte Scene sagt, sie wird euch auf alle Weise erschwert werden. O mein Freund! das ist der erste Schmerz, den euch eure großmüthige Hingebung für Urica kostet – Gott gebe! daß es nicht der Anfang dauernder Leiden ist!«

»Beruhigt euch!« sagte Montrose mit Fassung – »Was ich hier gewonnen, stählt meine Lebenskraft, von der ich nicht berechtigt bin, gering zu denken. Ich kann Nachsicht gegen Argyle empfinden, denn wer soll seine Schmerzen, die ihn halb wahnsinnig machen, verstehen, wenn nicht ich – ich will ihn schonen, aber er soll es nicht wagen, mir aberwitzig in den Weg treten zu wollen, wo es sich um meine höheren Pflichten handelt – ich werde ihn dann zertreten und unschädlich machen, denn er wird nichts anderes werth sein – und seine Ränke fürchte ich nicht, denn ich halte ihnen die Wahrheit entgegen, die immer überlegen bleibt und sich immer Bahn bricht.«

Er kniete nieder und küßte Urica's Hand, um sich zu entfernen; als cr aufstand, führte sie ihn der etwas verwirrten Gräfin Comenes zu: »Meine mütterliche Freundin,« jagte sie achtungsvoll – »sei die Erste, der ich meinen Verlobten vorstelle.«

Montrose hatte die vollständigste Herrschaft über sich, die der Stempel der Kraft ist; er war überall in den verschiedensten Lagen ganz ungetheilt, mit dem Ueberblick des Genie's übersah er die Bedürfnisse der ihm zunächst liegenden Anforderungen, sein Geist trat frei und ohne Beimischung ihnen entgegen und er wußte sie schnell zu ordnen. Als er hoch aufgerichtet mit heller Stirn und scharfem Blick in die Rathsversammlung trat, wohin ihm Argyle voran geeilt war, welch' ein verständlicher Unterschied war da unter Beiden!

Mit der zürnenden Hast, die einen Ausbruch sucht für den leidenschaftlichen Zustand, war Argyle in die Rathsversammlung geeilt, mit dem Vorsatz, sich als einzigen Vertreter und Gesandten der Covenants dadurch anzuzeigen, daß er Montrose's Gegenwart nicht abwartete, den er nicht zweifelte als Verräther an der Corporation bezeichnen zu können, die sie Beide an den König abgesendet.

Es gab ihm einen augenblicklichen Erfolg, daß die Stunde, wo der König die Herren hatte empfangen wollen, um ein weniges überschritten war und die Edelleute der Bedienung, nur froh einen der Erwarteten zu sehen, ihn eilig in das Rathszimmer drängten.

Aufgeregt wie ein Wahnsinniger, von Rache und Zorn bewältigt, begann Argyle seinen Vortrag und entlud fast gegen seinen Willen an diesem Gegenstande die ganze finstere Wuth seines Innern. Die Vorschläge der Covenants waren an sich schon eine Häufung von falschen Anmaßungen und Beeinträchtigungen des guten Rechts des Königs – eine Sprache von Unterthanen gegen ihren rechtmäßigen Herrscher, die dies Verhältniß wie einen Hohn darstellte und die unendlich gestählte Geduld des unglücklichen Karl auf eine diese fast überbietende Weise prüfte. Wie unerträglich mußten sie aber erscheinen in dem Munde eines Mannes, der daran seinen eignen tiefen Groll auszulassen suchte, der sein Mißgeschick durch Befriedigung zu rächen trachtete, an den sich häufenden Leiden eines Andern, den er in seiner wahnsinnigen Unklarheit eben so wie die Königin für Mitschuldige des eben erfahrenen Todesstoßes hielt.

Sein Vortrag erregte öfteres Murren und diese Unzufriedenheit nahm noch zu, als Argyle's Zustand sich steigerte, nachdem Montrose eingetreten, sich mit ruhiger Würde vor dem Könige verbeugt und dann den Platz neben Argylc eingenommen hatte, der für beide Gesandten in Mitte des Saales dem Throne gegenüber aufbehalten war.

Die vollständig ruhige, klare Haltung des Letzteren gegen Argyle's fieberhafte anstößige Heftigkeit machte den günstigsten Eindruck, und Argyle fühlte, wie das brennende melancholische Auge Karl's sich auf Montrose richtete mit der Zuversicht, einem edlen Gegner gegenüber zu stehen.

Montrose verhielt sich zuerst in der ruhigen Haltung eines aufhorchenden Zuhörers – aber bald änderte sich sein Ausdruck und ging zu einem strengen Ernst über, der entfernt von aller Heftigkeit eine völlige Sammlung des Geistes ankündigte. Er stand jetzt gleichfalls auf, und sich neben den Redner auf einen halben Schritt vorstellend, ließ er ihn nur noch den angefangenen Satz vollenden, dann fiel seine mächtige Hand schwer und erschütternd auf Argyle's Arm und mit einer festen Stimme, die alle Winkel des Saals erreichte, rief er:

»Halt Milord, nicht weiter, ihr bereitet euch Reue!«

»Fort,« riefArgyle mit fast entstelltem Gesicht – »fort! Ich erkläre euch für unfähig, an der Verhandlung Theil zu nehmen, ich erkläre euch für einen Verräther an der ehrwürdigen Versammlung unserer Landsleute, welche ihr Vertrauen als treue Vertreter ihrer Forderungen in uns setzten!«

»Das habt ihr nach Beendigung dieser Audienz, welche die Gnade unseres Königs uns bewilligt, zu beweisen,« sagte Montrose mit völliger Ruhe – »ihr zwingt mich aber – mit gleichem Vertrauen wie ihr von meinen Landsleuten beehrt – zu erklären, daß ihr in jeder Hinsicht eure Vollmachten überschritten habt und ich muß an eurer Statt das Wort fordern, um aus der Beimischung eures unbilligen und leidenschaftlichen Vortrages die Thatsachen in ihrer ursprünglichen Fassung hervorzuheben – meinem Gefühl nach hinreichend schwere Forderungen von Unterthanen an ihren König, daß der Vortragende mit der Gewissenhaftigkeit des Ehrenmannes jede beleidigende Form davon abzuhalten trachten sollte.«

»Ha!« rief Argyle mit Augen, die von Haß leuchteten – »seid ihr der Vertreter, den man wünschte, da ihr schon, ehe ihr die Sache berührt, sie als ungerechte Forderung mit eurem Tadel belegt? Glaubt ihr, daß man euch darum zu dieser Sendung gewählt, um sie verrathen zu sehen durch die offne Mißbilligung, die ihr euch nicht entblödet auszusprechen.«

»Milords!« sagte der Lord Hamilton vortretend – »ich muß euch erinnern, daß in Gegenwart Seiner Majestät des Königs, in Mitte seines Geheimen Raths, kein passender Ort für eure Privatstreitigkeiten ist.«

»Ihr habt vollkommen Recht, Milord,« entgegnete Montrose, »und ich fordere nur von euch, daß ihr Seine Majestät bittet, zu entscheiden, wer den Vortrag fortführen soll, den ich gestört habe in der Ueberzeugung, daß der bisherige die vorgeschriebenen Grenzen überschritt.«

Hamilton nahte sich dem Könige, und nach einer kurzen Besprechung kehrte er zurück und entgegnete mit lauter Stimme: »Milords von Argyle und Montrose! Seine Majestät waren bereits überzeugt, daß, was Sie in ihrer Langmuth ohne Unterbrechung sich unterzogen von Milord von Argyle anzuhören, unmöglich die Sprache einer Versammlung ihrer Unterthanen sein konnte, welche ihren angestammten König um Abhülfe ihnen als Beschwerden erscheinender Umstände angehen; Sie finden demnach in den Worten des Milord von Montrose eine Bestätigung ihrer Ueberzeung und befehlen demselben, den Vortrag zu übernehmen.«

»Dann,« rief Argyle mit kaum bezwungener Heftigkeit – »wird Seine Majestät vielleicht erlauben, daß ich mich augenblicklich nach Glasgow zurückziehe.«

»Dies kann ich keinen Falls zugeben,« sagte Montrose mit völliger Besonnenheit – »denn Argyle muß meinen Vortrag anhören, um ihn anerkennen zu können, und er ist viel zu sehr Ehrenmann, um die Wahrheit verleugnen zu wollen, wenn ihn die augenblickliche Aufregung verlassen haben wird, welche die Gnade des Königs vielleicht geneigt sein wird, zu vergessen.«

»Milord! ich bedarf eurer Vertretung nicht,« rief Argyle zitternd, »hütet euch, mich noch weiter zu reizen.«

»Das ist in Wahrheit meine Absicht nicht,« sagte Montrose mit einem solchen Ausdruck der Aufrichtigkeit, daß selbst Argyle's Wahnsinn davon getroffen ward, und Hamilton, welcher sich indessen dem König abermals genaht hatte, kehrte mit dem Befehl zurück, der Verhandlung beizuwohnen.

Montrose trat nun vor, und Argyle sank, von seinen heftigen Gemüthsbewegungen körperlich fast überwältigt, in seinen Sitz zurück.

Zwar hatte nun Montrose weder andere noch mildere Thatsachen dem Könige vorzutragen, aber indem er es mit ehrerbietigem Ernst that, indem er mit psychologischer Feinheit den langsam angewachsenen Zwiespalt und die jetzt herrschende Mißstimmung entwickelte, vereinigte er die Treue eines Abgesandten mit der Sorge eines ergebenen Unterthanen, der mit den Beschwerden die Mittel zur Abhülfe andeutet.

Mit Mißtrauen und Feindschaft hatte die Versammlung anfänglich auf Montrose geblickt, indem sich die Meisten von Hamilton hatten überreden lassen, er spiele sowohl mit ihnen, als mit seinen Landsleuten falsches Spiel. Aber Montrose erfuhr einen Triumph, den er weder erwartete noch erstrebte; während er sprach, hatte er nach den ersten Worten sich, Argyle und das Bewußtsein des Mißtrauens, womit er sich beobachtet wußte, vergessen; der Sache hingegeben, von der Gewalt der Umstände ergriffen, hatte seine Entwicklung eine Klarheit, welche ihren rauhen verletzenden Inhalt mehr dem Verstande wie dem Gefühle zuführte und jedenfalls die Gehässigkeit eines dafür parteiisch gewordenen Referenten davon trennte.

Dessenungeachtet war der Gegenstand dieser Mittheilung nicht dazu geeignet, das Herz des Königs oder der ihn umgebenden Patrioten zu erleichtern und der Widerstand erhob sich im selben Maaße stark, als aus dem Vortrage Montrose's klar zu erkennen war, daß dies die unverfälschte Meinung des eigenmächtig zusammen getretenen Parlaments war und Montrose nicht allein Referent dieser einen Partei gewesen war, sondern eine allgemeine Auffassung der Zustände des Landes damit verknüpft hatte, über welche leider die getheiltesten und je näher zum Könige hin die beschränktesten Ansichten herrschten. Jeder hatte nun seine und seiner Partei Meinung zu vertheidigen und wollte vor dem Könige damit gegen die eben angeführten Gründe Montrose's nicht zurückweichen. Vor Allem war es Hamilton, der seinen Privatgroll gegen den, den er bisher durch die gröblichsten Beleidigungen so künstlich von der Person des Königs zu entfernen gewußt hatte, jetzt zu dem Widerwillen hinzu fügte, den er gegen jede entscheidende energische Maßregel empfand, wozu doch Montrose's Vortrag hinter der vorliegenden Frage zu drängen schien, und welcher er nun, der Beredsamkeit des eben vernommenen Redners zum Trotz, den entschiedensten Widerspruch entgegen stellte.

Er wußte bald ein falsches Schaugerüst von Worten aufzurichten, hinter dem alle beschränkten Patrioten der Versammlung wie hinter ihrem Banner sich vereinigten. Es klang gut und war unzweifelhaft, daß man die erhabenen Rechte des Königs gegen die empörenden Anmaßungen dieser rebellirenden Covenants aufrecht erhalten müsse, daß Nachgeben hier heiße, sie in ihrer Abtrünnigkeit bestätigen, und daß bald keine Schranke mehr bleiben werde, wenn ein neues Beispiel der Nachgiebigkeit, worauf das englische Parlament nur warten werde, eine Schwäche der Königlichen zu bestätigen schiene, worauf sich dann die gesteigertsten Ansprüche begründen ließen.

Jeder Edelmann könne nicht anders als auf's tiefste die Beleidigung fühlen, welche dem Könige in diesen Forderungen der Schottländer Zugeständnisse abzupressen versuchten, welche die Würde seiner geheiligten Person auf das entschiedenste verletze, und jeder wahre Patriot werde mit ihm einig sein, daß es besser sei, zu den Füßen des Königs mit dem Degen in der Hand zu sterben, als feigherzig in Zugeständnisse einzugehen, deren Ueberbringung die englischen Lords billig erstaunen müßten, von zweien ihrer Standesgenossen übernommen zu sehen.

Diese Rede hatte für die Mehrheit einen guten Klang und vorerst konnte sich ihr jeder Edelmann, ohne in eignes Nachdenken zu verfallen, ohne Bedenken anschließen, denn diese verständlichen Anregungen waren die gangbaren Ideen, mit denen jeder eine Stellung einnahm, die der äußeren Bedeutung nicht entbehrte. Man hörte daher ein Gemurmel des Beifalls, ein Rasseln der Schwerter, die jeder empor zog, und eine Art Bestätigung der eben ausgesprochenen Worte damit ausdrückte.

Der König verfehlte daher nicht, gnädig den Kopf nach der Seite zu neigen, wo dieser kriegerische Klang sein Ohr zu schmeicheln versuchte, obwohl ihn seine tiefere, klarere Auffassung der Dinge verhinderte, sich dadurch beschwichtigen zu lassen.

Er wollte aber, daß Montrose Gelegenheit finden sollte, alle seine Ansichten vor der Versammlung zu entwickeln, und als ein Zeichen verrieth, daß der König sprechen wolle, folgte das tiefste Schweigen der eben ausgedrückten Aufregung.

»Milord von Montrose,« sprach der König – »wir wissen den treuen Unterthan von dem Auftrag zu trennen, den die Umstände ihn nöthigen zu übernehmen. Vielleicht kann es als ein patriotisches Opfer angesehen werden, uns einer Volksstimmung, die wir weder aufhalten noch bewältigen können, durch Uebernahme solcher schweren und gewagten Aufträge an die Spitze zu stellen und sie damit Böswilligeren zu entziehen, und durch die persönlich ehrenhafte Gesinnung eine Stütze des bedrohten besseren Zustandes zu werden. Wir sehen für unsere Person eure Sendung so an, und haben dadurch für unsere getreuen englischen Lords jeden Zweifel über die Würdigkeit der beiden Lords von Montrose und Argyle beseitigt. Was euren Auftrag selbst angeht, so scheint er uns allerdings so weit das Maaß der Berechtigung von Unterthanen gegen ihren König zu überschreiten, daß wir fragen möchten, was ein siegreicher Feind, der unser Land bekriegte und seine Banner in unseren Provinzen wehen ließe, anderes fordern könne, um uns als Vasall, als Unterjochten und Besiegten zu bezeichnen.«

»Ein Parlament, das sich gegen unsern Willen konstruirt, sendet solche Forderungen an seinen König, Forderungen – die ihn zum Unterthan, die Usurpatoren der Volksvertretung zu Herrschern machen würden! Kann es uns geziemen, kann es vom geringsten Nutzen sein, die einzelnen Punkte dieser Forderungen durchzugehen, da kein einzelner milder als der andere ist – alle den Grundsatz unbeschränkter Freiheit stützen, mit dessen Bestätigung sich mein angestammtes väterliches Königreich von seinem Herrscherstamme losreißen würde und einen leeren Namen zurücklassen, der uns mehr beschimpfen als ehren würde?«

»Was kann uns näher liegen, als das Gefühl unserer edlen Lords zu theilen und lieber mit den Waffen in der Hand dem frechsten Uebermuth entgegen zu gehen und die Entscheidung durch das Glück der Schlacht in die Hand Gottes zu legen, als in feigen Verhandlungen Zeit und Ehre zu verlieren.«

»Indem wir voraussetzen, Milord von Montrose, daß ihr die Gefühle eures Königs theilt, fragen wir euch als getreuen Unterthan und als wahrhaften Edelmann, ob ihr uns rathen könnt, auf die Bedingungen einzugehen, welche ihr uns zu überbringen hattet und wir gestehen euch völlige Freiheit der Rede zu.«

Die Schönheit von Montrose's edlem Gesicht ward jetzt noch erhöht durch den mächtigen geistreichen Ausdruck, der bei dieser Aufforderung des Königs hervorbrach und die letzten Schranken wegzuräumen schien, die der Entwicklung seiner Gedanken noch entgegen gestanden hatten. Er richtete auf seinen edlen, unglücklichen König den feurigen Blick einer Liebe und Hingebung, die im voraus von der Gesinnung des Herausgeforderten überzeugten – dann erhob er die Stimme, in der die tiefe Bewegung seines Inneren ausgesprochen lag und sagte fest:

»Euer Majestät müssen dennoch nachgeben!« – –

Ein Schrei des Unwillens durchbrach die Luft – nur Karl blieb ohne ein Zeichen in seinem Sessel zurückgelehnt – er hatte Montrose's Entscheidung erwartet.

Ruhig und ohne seine Stellung zu ändern, ertrug Montrose diesen zürnenden ersten Anlauf der Menge – als der König die schöne längliche Hand erhob und Ruhe winkte, fuhr Montrose, während lautlose Stille eingetreten war, fort:

»Ja, ich muß es noch einmal wiederholen, der König muß nachgeben, und ich schwöre es zu Gott, dem Allmächtigen, daß ich nur als treuer Unterthan des Königs handele, wenn ich um dies Zugeständniß seines erhabenen Willens mit allen meinen Kräften ringen werde. Unterhandlungen sind hier nicht möglich, mein König hat es gesagt und damit die Lage der Sache völlig erkannt. Hier liegt in einer Bewilligung so viel als in der Bewilligung des Ganzen. Indem ihr, Milords, darüber berathet, kann gar nicht von der Natur der Forderungen die Rede sein, ihr müßt sie unerörtert in ihrer starren Masse stehen lassen; sie sind an sich unveränderlich und ob es euch gelänge, sie umzugestalten, kann nicht die Frage sein, erstens: weil, wenn dies möglich gewesen wäre, Milord von Argyle und ich dies an Ort und Stelle bewirkt hätten und sie nicht so überbracht haben würden; – zweitens: weil blos daran verändern, immer noch ein Zugeständniß wäre, für die Berechtigung des Grundgedankens, in welchem doch vor allem das besteht, was den Rechten des Königs entgegen tritt. Ich würde daher nicht gewartet haben, bis ich vor dem hohen Tribunal meines Königs gestanden, sondern dem schottischen Parlament schon meinen entblößten Degen statt Antwort auf seine Beschlüsse gezeigt haben, wäre mir, außer dieser zunächst liegenden Abnormität der Zustände, nicht ein Blick über die Gesammtverwirrung meines Vaterlandes zu Hülfe gekommen, welcher alle raschen Entschlüsse zurückgedrängt hätte.«

»Mein König! – Milords! – Hüten wir uns einen, der unserer Entscheidung jetzt aufgedrungenen Punkte vom Ganzen zu trennen, um über ihn besonders entscheiden zu wollen! Mit einem klaren Blick auf Alt-England, müssen wir die Forderungen Schottlands prüfen, mit Schottland verfahren, wie die dermalige Stellung des englischen Parlaments, es nöthig macht. Der König hat Getreue auf beiden Seiten, und einzelne Provinzen, wie das edle York, bewahren die richtige Stellung zu ihrem Herrn; aber über diese Ehrengarde des Thrones muß der Blick der Rathgeber sich erheben, denn dahinter stehen unlenksame Massen im Besitz ausreichender, materieller Mittel, gesteift in starren Prinzipien. Durch fanatisch-religiöse Aufregungen zu einer Sicherheit ihres Rechts gelangt, welche die Macht geistiger Beweisführung zu einem müßigen Versuch unserer Polemik machen würde, und der gegenüber wir es uns muthig eingestehen müssen, daß wir immer im Nachtheil bleiben, immer Unrecht behalten werden!«

»Dessenungeachtet ist in diesem Augenblick noch eine Möglichkeit zur Rettung dieser Zerwürfnisse übrig, die höchste uns drohende Gefahr ist noch abzuwenden, und hat uns wenigstens noch nicht erreicht; aber jeden Augenblick naht sie sich uns mehr und es fehlt nur die eben gebotene Veranlassung: »die Weigerung des Königs, die Forderungen der Covenants zu erfüllen,« und England hat, was es will: Schottland vereinigt sich mit dem bis jetzt mißtrauisch beobachteten Nachbar und das Königthum wird dazwischen erdrückt!«

Die Aufregung nach diesen Worten ließ sich nicht schnell bewältigen, obwohl die Ursache derselben nicht ganz verständlich war. Der König blieb in ein tiefes, melancholisches Sinnen versenkt und schien zu übersehen, was um ihn her vorging. Montrose war stehen geblieben; auf sein mächtiges Schwert gestützt, ruhte sein Auge – theilnahmlos für alles Andere – auf dem Antlitz seines Königs.

Jetzt hob Karl die Augen und sie begegneten sich mit Montrose's Blick – er gab das Zeichen zur Ruhe und sagte dann mit gefaßter Stimme: »Aber, Milord von Montrose, wenn ihr uns jetzt entwickelt habt, warum wir eurer Ansicht nach, den Forderungen der schottischen Covenants nachgeben sollen, so fragen wir euch, welche Rechte uns nach einem solchen Schritt in einem Lande noch übrig bleiben, welches dann, und anscheinend mit unserm eignen Willen, eine vollkommen republikanische Verfassung erlangt hat?«

»Euer Majestät behalten dann keine Rechte mehr« – sagte Montrose fest, »doch diese Rechte waren auch jetzt nur noch dem Namen nach da, und es wird nur als verloren bezeichnet, was in Wahrheit schon nicht mehr existirte; aber Euer Majestät haben ihren übermüthigen Unterthanen einen unwillkommenen Aufschub auferlegt, den Vorwand zur Vereinigung mit den englischen Mißvergnügten geraubt, und dieser Stillstand kann wichtig werden! Außerdem wird die kaum für möglich gehaltene Nachgiebigkeit Eurer Majestät bei den Besseren nicht ohne Eindruck bleiben, es läßt sich eine Hoffnung daran knüpfen, für das Aufleben alter Gesinnungen, für die königliche Sache. Wenn sich dann die rechte Energie für die nächsten, wichtigen Schritte Eurer Majestät von allen Seiten entwickelte, so ließe sich mit dem ruhigen Schottland zur Seite eine kräftige Ausgleichung mit England erwarten!«

»Ha,« rief Argyle aufspringend – »gehört das auch zu euren Vollmachten?«

»Gewiß, Milord,« entgegnete Montrose – »und ich erwarte eure Meinung als Unterstützung des eben Gesagten zu hören, denn ihr müßt eben so von der Wahrheit meiner Anführungen überzeugt sein, als davon, daß sie der einzige Weg sind, unserm Auftrage die von unsern Landsleuten verlangte Genehmigung zu sichern!«

»Aber,« unterbrach Lord Hamilton den Versuch Argyles zu einer heftigen Entgegnung – »aber, Milord von Montrose, wollt ihr wohl, so gewiegt, wie ihr euch zeigt in politischen Combinationen, wollt ihr wohl eure Weisheit noch über einen Gegenstand erstrecken, für den weder in unserer Erfahrung, noch in unserm Gefühl sich eine Rubrik vorfindet, – nämlich über die Form, wie der König, unser theurer Herr, sich auf Ansuchen seiner Unterthanen bereit erklären soll, sich seiner Souveränität, als König und Herr, zu Gunsten der republikanischen Gelüste dieser Patrioten verlustig zu erklären, ohne Schaden und Belästigung der Antragsteller nämlich?«

»Ach, Milord,« sagte Montrose – »nehmt die Sache ernst! Sie ist es in Wahrheit! und dieser Punkt grade – dieser schwere Punkt – wird bei der Ausführung euren ganzen Scharfsinn erfordern. – Doch befiehlt mein gnädigster König vielleicht jetzt, daß wir, die Abgeordneten dieser Sendung, uns zurückziehn, um die Berathung mit den Vertrauten dieser Versammlung nicht zu hindern.«

»Nein,« rief der König lebhaft – »bleibt, Milord – bleibt! Hier ist nicht von feindlicher Gegenüberstellung der Interessen die Rede; was Schottland auch eben wagt an uns gelangen zu lassen, wir dürfen es noch nicht als unsern Feind ansehen, seine Gesandten nicht als Fremdlinge und Uebelwollende behandeln, welchen wir unsere Verlegenheiten zu verbergen hatten. – Sie sollen sie theilen – und wir rufen in Argyle die alte Gesinnung herauf, welche uns eine vorübergehende Uebereilung nicht soll vergessen machen, und wir fordern euch demnach Alle auf, die wir euch Alle für unsere treue Unterthanen und Freunde unserer Person halten, mit eurem offenen Rath uns in dieser schweren Stunde der Entscheidung beizustehn!«

Vergeblich erging diese großmüthige Aufforderung an Argyle! So wie der König seinen Namen nannte, erhob er sich, verneigte sich kalt und nahm dann seinen Platz wieder ein, ohne durch irgend ein Zeichen sich der Absicht des Königs geneigt zu zeigen. Seinen Anhängern war dies sehr empfindlich, denn sie waren bemüht gewesen, ihn gegen Montrose in einem überwiegenden Vertrauen zum Könige zu erhalten, und sein eigenes Betragen that nun Alles, um diese Voraussetzung zu zerstören und Montrose Raum zu geben zur Befestigung seiner neuen von Allen beneideten Stellung.

Der König forderte jetzt seine Räthe auf, ihre Meinung zu sagen, und obwohl der Vortrag Vieler unklar und unsicher blieb, war es doch endlich allein Hamilton, der als entschiedener Widersacher der von Montrose beabsichtigten Nachgiebigkeit auftrat. Aber es war nicht zu übersehen, daß ihn eine persönliche Aufregung gegen Montrose leitete und dies wurde um so eher vom Könige erkannt, da er bereits von dieser Abneigung unterrichtet war und den Verlust dieses bedeutenden Unterthanen fast dadurch zu erleiden gehabt hatte. Auch war der König nicht der Einzige, der die Persönlichkeit in Hamilton's Worten fühlte – auch er hatte seine Feinde in der Versammlung und auch Andere waren da, welche, wenn auch keine Redner, doch Gesinnungen und Grundsätze frei zu erhalten wußten, genug Kenntniß der Zustände hatten und das wahre Wohl wollten und zu fördern geneigt waren.

Der König sichtete in einer klaren, vortrefflichen Rede voll Einsicht und Mäßigung die auf ihn einstürmenden Meinungen, indem er alle kurzsichtige Beschränkung, alles persönliche Uebelwollen davon trennte, und als er dieselbe beendigt hatte, lag das Resultat, ohne daß er es genannt, als eine nothwendige Schlußfolge vor seinen Zuhörern da und Montrose's Meinung hatte gesiegt.

Zwar erhob sich Hamilton und protestirte feierlich dagegen, erklärte sich aber bereit, die Verhandlungen nicht weiter aufzuhalten und blieb ein stillschweigender Zuhörer.

Jetzt trat die zweite Frage ein: In welcher Weise der König seine Bewilligung ertheilen sollte? und die Meinungen waren darüber eben so unstät und abweichend, da unbezweifelt hier eine neue, sehr gerechtfertigte Aufregung für die getreuen und stolzen Lords eintrat, die ihren König durch jede Form tödtlich verletzt fanden.

Es war endlich halb zürnend, halb anerkennend, daß man sich an Montrose, den Urheber der vorangegangenen Entscheidung wendete, als wolle man ihm sagen: Führe jetzt weiter, was du angeregt!

Montrose war bis dahin ein stiller Zuhörer gewesen, der ohne alle Bemerkungen aber mit gespannter Aufmerksamkeit den Gang der Sache verfolgt hatte. Ob er die Aufforderung an sich endlich erwartete, wußte er vielleicht selbst nicht; aber grade und offen, und belebt von dem Geist der Einsicht, schien sie ihn keinen Augenblick in Verlegenheit zu setzen. Lebhaft stand er auf, und die freie, leichte Bewegung seiner königlichen Gestalt hatte etwas zuversichtliches, was nicht ohne Eindruck blieb.

»Sire – und Milords,« sagte er – »wenn die schwere Nothwendigkeit dieser königlichen Genehmigung eingestanden ist, so liegt darin der Beweis, daß augenblicklich keine Mittel vorhanden sind, die Forderungen zurück zu weisen. Dies muß der König aussprechen!«

Ein lautes Murren hob an – Montrose's klingende Stimme beherrschte es aber:

»Meine Lords! in diesem Geständniß der Schwäche, das euch verletzt, liegt die einzige Stärke, das einzige Mittel, was die Würde des Königs rettet. Er darf aufrührerischen Unterthanen dann zugleich sagen: ich erkenne eure Maaßregel als vollkommen gesetzwidrig und mit meinen Rechten unverträglich – und ich greife weder das Eine noch das Andere darin an, denn sie sind zusammen Alle verwerflich! Aber ihr seid in einer so krankhaften Stimmung, daß ich materielle Gewalt haben müßte, um euch von eurem Willen abzubringen; diese steht mir nicht zu Gebot, und ich habe kein anderes Mittel als einzuwilligen und die Strafe, die in euren Forderungen selbst liegt, über euch kommen zu lassen, da ich euch in eurem jetzigen Wahnsinn nicht aufzuhalten vermag. Ich sehe mit Bedauern voraus, wie viel Leiden und Mißhelligkeiten ihr euch untereinander bereiten werdet und wie bald die Zeit kommen wird, wo ihr meine väterliche Regierung zurück wünschen und meine königlichen Rechte wieder anerkennen werdet. Damit hält der König,« fuhr Montrose fort, der unwillkürlich die ganze Depesche diktirt hatte – »seine verirrten Unterthanen fest, – das väterliche Verhältniß der Monarchie tritt an die Stelle der königlichen Gewalt und diese Erhabenheit der Gesinnung, stellt den König über seine verletzten Rechte, macht sie zugleich unangreifbar, und wird das Band zwischen seinem Königreiche und seiner erhabenen Person bleiben, von dem sich Viele umschlossen fühlen werden – und die Besten!«

»Ha!« rief der Graf von Huntley, bis jetzt Montrose's Gegner – »Weiß Gott! Montrose, ihr seid ein ganzer Mann, und ich wäre nicht redlich, wenn ich nicht sagte, ihr habt das Rechte getroffen!«

Viele schlossen sich sogleich dieser ehrenhaften Erklärung an und nach einem langen, tiefsinnigen Blick, welchen der König auf Montrose haften ließ, sagte er:

»Ihr, meine Getreuen, habt die Worte des Lord von Montrose gehört – ich befehle, daß danach die Antwort ausgefertigt werde, welche die Abgesandten nach Schottland zurück zu bringen haben!«

Es entstand nach dieser Erklärung eine Unterbrechung der Sitzung, in der die Minister die Arbeiten an ihre Secretaire vertheilten und dem König anzeigten, was zunächst vorlag. Die Abgesandten hatten nun ihre abgesonderten Sessel verlassen und unter ihren Standesgenossen Platz genommen.

Der König, welcher sich in ein Nebenzimmer zurückgezogen hatte, erschien jetzt wieder und nahm seinen Platz unter dem Thronhimmel ein; die Lords setzten sich und der Minister, Graf von Straford, kündigte der Versammlung an, daß der König den Rath seiner Getreuen in einer Angelegenheit hören wolle, welche ihn zu nah anginge, mit zu theuren Interessen seines Herzens verknüpft sei, um die Entscheidung allein auf sich nehmen zu wollen, da sie anderseits eine politische Bedeutung habe, welche sie mit den Vortheilen des Landes in Berührung brächte.

Der Sprecher erinnerte hierauf die Versammlung an die Mißhelligkeiten mit Frankreich, seit der edlen und mannhaften Antwort des Königs gegen den Marquis von Estrades, welcher damals die unwürdige Zumuthung gemacht habe, mit Frankreich und Holland vereinigt, Spanien die Niederlande wieder zu entreißen und untereinander zu theilen, worauf Se. Majestät erklärt, mit einer Flotte von 15,000 Mann zum Schutze Spaniens bereit zu sein. – Diese Zurückweisung habe den Cardinal Richelieu seitdem zu einem Feinde des Landes gemacht, dessen Einfluß überall nachzuweisen sei, da nicht allein der unglückliche, irländische Aufruhr von französischen Emissärs genährt und zu dieser entsetzlichen Höhe der Ausschweifung getrieben worden sei, sondern auch die Covenants sich ganz offen einer Unterstützung rühmten, die offenbar auf heimliche Verträge und Versprechungen mit Frankreich hinwiese. Obwohl nun von Seiten des Königs seitdem nichts versäumt worden wäre, diese so nachtheilig wirkende Stimmung des französischen Kabinets zu verändern, müsse doch eingestanden werden, daß bis jetzt sich alle Versuche erfolglos bewiesen, wozu der zunächst liegende, Allen eben bekannt gewordene Vorfall mit den steigenden Ansprüchen des schottischen Parlements einen neuen traurigen Beleg gäbe.

Se. Majestät haben daher in ihrer großmüthigen Aufopferung für das allgemeine Wohl, an das vielleicht einzig noch übrig bleibende Mittel, die Gesinnungen des französischen Kabinets zu erweichen, gedacht – und Ihro Majestät die Königin ersucht, in Begleitung ihres Sohnes des Prinzen von Wales nach ihrem Vaterlande zurückzukehren und durch ihren persönlichen Einfluß, die Herzen ihrer hohen Verwandten zu rühren, und den Cardinal von Richelieu zu Gunsten der königlichen Sache von England zu gewinnen.

Diesem schweren Entschlusse stelle sich indessen der unbezwingliche Widerwille ihrer Majestät der Königin entgegen, welche nicht allein Ihren hohen Gemahl unter obwaltenden, schwierigen Verhältnissen nicht zu verlassen wünsche, sondern auch überzeugt sei, daß ihr Einfluß bei der festen und unfreundlichen Stimmung des Premier-Ministers völlig unwirksam sein werde, ja selbst die Befürchtung äußere, derselbe könne die Gegenwart der Königin dieses Landes benutzen, um in ihrer Person neue Kränkungen über uns zu verhängen, welches dann erst recht den Muth der Gegner heben werde.

Ihro Majestät habe sich aber dem Willen ihres erhabenen Gemahls gefügt und diese höchst ehrwürdige und zarte Angelegenheit dem Ausspruch der hier versammelten, edlen Peers unterworfen, überzeugt, daß keiner dieser wahrhaft treuen Diener des Königs ein so schweres Opfer von der edlen Fürstin fordern werde, wenn nicht überwiegende Gründe zum Wohl des Staates einen solchen Schritt als nothwendig darstellten.

Lord Digby, Graf von Bristol, trat nun auf und bemühte sich die Wünsche der Königin zu unterstützen, indem er die Nutzlosigkeit der Maaßregel zu beweisen, und alle Hoffnung auf den Schutz Frankreichs als vergeblich darzustellen suchte.

Gegen ihn stritten der Herzog von Northumberland und der Graf von Herford, der Gouverneur des Prinzen. Beide zeigten Briefe aus Frankreich vor, die auf eine günstigere Stimmung bei dem hohen Adel der Fronde schließen ließen, welche Richelieu genöthigt war zu schonen, und welche durch die Gegenwart der Königin und ihrer Kinder erhöht, ihr eine Stütze werden mußte.

Diese Meinungen, welche sich entschieden gegenüber standen, wurden durch den Marquis von Hamilton vermittelt – Convay Arundel und einige Andere, welche die Gefahren hervor zu heben suchten, die namentlich in der Begleitung des Prinzen von Wales liegen könnten, und im Fall sie zugeben mußten, daß die Anwesenheit der Königin in Frankreich von Nutzen sein könnte, doch dafür waren, den Prinzen von Wales und seine Brüder zur Prinzessin von Oranien unter den Schutz des Statthalters zu senden, da man erst die Stellung Frankreichs abzuwarten habe, ehe ihm die Erben der Krone anzuvertrauen wären.

Der König hatte, ungewöhnlich blaß und mit dem Ausdruck einer großen, schwer bekämpften Bewegung, diesen sich streitenden Meinungen zugehört. Er forderte nun noch einzelne in der Versammlung auf, ihre Meinung zu sagen und regte durch Fragen und Bemerkungen die offenen Mittheilungen Aller an – jetzt rief er den Herzog von Argyle auf, seine Meinung zu sagen. Wie aus einem schweren Traume erwachend, fuhr dieser empor und rief alsobald mit eisiger Kalte und ironischer Bitterkeit:

»Warum Ihro Majestät die Königin stören – ihr Einfluß wird hier wie dort von gleicher Wichtigkeit für den König sein – ich bin der Meinung, daß die Königin das Land nicht verlasse!«

Nach diesen Worten setzte er sich, mit dem Lächeln des befriedigten Hasses im Angesicht und die kurze, leichte, halb verächtliche Weise des Herzogs einen Gegenstand abzumachen, der Alle, von welcher Meinung auch, mit Ernst erfaßte, erregte den unangenehmsten Eindruck.

»Milord von Montrose,« sagte der König mit halber Stimme – »ihr seid uns eure Ansicht noch schuldig!«

Montrose erhob sich langsam und seine Gestalt schien schwer von den Gedanken, die wie Wolken seine Stirn bedeckten.

»Wie müssen wir beklagen,« rief er fast hervor gestoßen – »daß es nöthig wurde, die heiligste Frage des Herzens und Familienlebens unseres erhabenen Herrn zu einer politischen Wichtigkeit gelangt zu sehn, die sie dem Richterstuhl eines Staatsrathes zuführt und uns verpflichtet, über denselben Gegenstand, der uns rührt und mit Ehrfurcht vor dem uns bekannten, gerechten Schmerz unserer erhabenen Königin erfüllt, die kalte Betrachtung des Verstandes, die Berechnung des politischen Vortheils geltend machen zu müssen. Wer diese zarteren Beziehungen, wie es von der Mehrheit zu erwarten steht – empfindet, bedarf eines festen männlichen Willens, um nichts zu äußern, was dem heiligen Interesse des Vaterlandes entgegen ist. Im Gegentheil, dieses allein berücksichtigend und über den veranlaßten Schmerz des Augenblicks hinweg, an die erhabene Befriedigung zu denken, welche in der Erfüllung einer schweren Pflicht zum Besten des Vaterlands, dem großen Herzen unserer Königin sicher bleibt – dies muß uns gegen jede Nachgiebigkeit stählen, die mit unserer Ueberzeugung streitet, und da mein gnädigster König mich frägt – so stimme ich für die Abreise der Königin nach Frankreich und für den Besuch der Prinzen in Holland!« –

Nach einer Pause fuhr Montrose fort:

»Was wir auch von der zweideutigen Stellung Frankreichs bis jetzt erfahren haben, wir müssen sagen, daß es Gründe gehabt hat, nicht in offene Feindschaft zu uns überzugehn. Da wir auf eine moralische Schonung dabei nicht schließen dürfen, liegt es am Tage, daß der Cardinal Richelieu irgend eine Partei in seiner Nähe zu fürchten hat. Dies kann nur der im ewigen Aufruhr sich befindende Adel des Landes sein, dessen Einfluß zu zerstören und unschädlich zu machen, das Riesenwerk ist, woran der große Staatsmann Frankreichs mit all' seinem Scharfsinn arbeitet. Wir wissen, daß der Adel keine Gelegenheit unbenutzt vorüber gehen läßt, um dem Cardinal Verlegenheiten zu bereiten, und seine ritterliche Stimmung wird, ohne alle Rücksicht auf die Gesinnungen Richelieu's, sich in dem lebhaftesten Antheil für die Tochter Heinrich des Vierten, ihres Abgottes, bei dessen Andenken Alle ihr Heldenblut fühlen, aussprechen.

So wie der Cardinal eine Bewegung nicht verhindern kann, pflegt er sich an die Spitze derselben zu stellen, und wir werden es erleben, daß er dem Adel, welcher ihn durch seine Courtoisie versuchen wird zu kränken, vorauskommen und ihn in die Lage bringen wird, ihm scheinbar bei seinen eigenen Bestrebungen zur Hand gehn zu müssen. Dadurch wird Ihro Majestät aber nicht allein keine persönliche Beleidigung zu erfahren haben, sondern sie wird bei ihren Forderungen und Wünschen eine Partei zur Seite haben, welche der Cardinal nothgedrungen zu schonen hat, da ihm Alles daran liegt, ihren offenen Widerstand zu vermeiden, der ihr die Waffen in die Hand giebt, mit denen sie die Macht zu der endlosen Untergrabung der bürgerlichen Ruhe und Ordnung behält, an der die Pläne Richelieu's immer wieder stranden. Aus allen diesen Gründen halte ich es politisch wichtig, und bei den großen geistigen Eigenschaften der Königin einen günstigen Erfolg für wahrscheinlich, und das Ganze jedenfalls für ein Mittel, was nicht unversucht bleiben darf.«

Obwohl nach dieser Rede noch Mehrere sich hören ließen, ergab sich doch keine neue Ansicht des Gegenstandes.

Der König, der immer bleicher, mit fest geschlossenen Lippen nach Montrose's Rede nicht mehr gesprochen hatte, erhob sich jetzt und sagte mit der feierlichen Ruhe eines Märtyrers:

»So willige auch ich in die Reise meiner theuren Gemahlin und erwarte Gottes Schutz und Segen für das schwerste Opfer, was ich meinem armen Lande zu bringen vermag!«

Er wies den Lordkanzler zurück, welcher ihn am Weggehn durch die Vorlegung neuer Berathungsgegenstände verhindern wollte – er grüßte mit königlicher Ruhe die Versammlung, und das brillantne Kreuz seines Schwertes fest gegen das leidende Herz drückend, wie er in heftigen Gemüthsbewegungen zu thun pflegte, verließ er den Saal und begab sich sogleich in die Gemächer seiner Gemahlin. –

*


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