Henriette Paalzow
Thomas Thyrnau – Dritter Theil
Henriette Paalzow

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

So geschah es denn, daß als Hedwiga in dem schönen neuen Anzuge zum Großvater eintrat, sie ein etwas blasses aber dennoch aufgeheitertes Kinderangesicht hatte, und als ihr Thyrnau, dem bei ihrem Anblick das teilnehmende Herz erleichtert wurde, ein schwarzes Sammetbändchen mit einer brillantnen Rose um ihren schlanken weißen Hals legte, so waren das überhaupt die ersten Brillanten, die sie besaß, und das Kind erwachte ganz und sie stieß fast einen Freudenschrei aus und vergaß den fein gebauschten Flor ihrer Robe, und hätte Alles an dem Großvater zerdrückt, hätte er es nicht selbst verhütet.

Als sie mit dem übrigen Hofe sich versammelten und endlich die Fürstin erschien, in deren Gefolge auch Magda an Lacy's Seite eintrat, da sah Thyrnau wohl, wie Hedwiga tief erröthete, und da sie die Erste war, die von der Gouvernante vorgeführt ward, der Fürstin die Hand zu küssen, sah er, wie verlegen sie war, und wie sie kaum ihre Thränen zurückhalten konnte. Auch war die Umarmung, mit der sich demnach die beiden Cousinen begrüßten, so durchaus gegen die Déhors, so inbrünstig mit beiden Armen und so lange dauernd, daß die alte Gräfin von Hautois sie sanft trennte und nicht ohne einige Erregung flüsterte: »So umarme man sich nicht bei einer Cour – das sei auf der Wiese oder im Walde allenfalls erlaubt.« Von Lacy wandte sich dagegen Hedwiga den ganzen Abend, wo er ihr auch nahe treten mochte, wie ein zürnendes Kind jedesmal schnell ab. – Doch war Thyrnau mit der Beobachtung dieses Abends zufrieden und da er den ganzen Tag Magda's besorgten fragenden Blicken ausgewichen war und sie ihm noch immer bekümmert schien und dem geliebten Kinde von einer Stelle zur andern mit den Augen folgte, so wollte er sie nicht ohne ein Wort der Beruhigung entlassen, und als die Tafel aufgehoben war und die Fürstin sich anschickte, die Zimmer zu verlassen, wo dann Magda sich anschloß, ging er ihr leise nach und sagte mit seiner gewöhnlichen guten Laune: »Wir haben keinen Leukadischen Felsen zu fürchten!«

»Ach, ist das gewiß?« rief Magda, die ihn sogleich verstand. – »Sie sah so blaß aus!«

»Wie alle Kinder, die über eine zerbrochene Puppe geweint haben,« fuhr Thyrnau lächelnd fort – »doch war es vielleicht Zeit! Die Weisheit in Liebessachen ist eine angeborne Eigenschaft in unserer Familie; denn nicht allein, daß zwei alte Thoren mit einem jungen Mädchen darin den Anfang gemacht haben, sie halb um ihr Lebensglück zu sprechen und zu kosen – die Schule wirkt fort und dasselbe Mädchen hatte nicht übel Lust, sich ein ganz erbauliches Martyrium zu veranstalten, um einem fünfzehnjährigen Kinde einzureden, es werde an seiner ersten kindischen Neigung fürs Leben genug haben!«

»Ach wie gern will ich mich schelten lassen, wenn Du Alles so wenig ernsthaft findest,« sagte Magda erquickt, indem der Athem ihr zuerst wieder gerade aus der entlasteten Brust empor stieg. – Als sie jetzt Lacy den Arm gab, drückte sie ihn zuerst an diesem Abend leise – und wie glücklich machte ihn dieses erste Zeichen des Einverständnisses, da Magda mit wahrer Pietät sich an dem ganzen Tage, der sie unsicher ließ über Hedwiga, jedes Zeichens ihrer neuen Stellung zu ihm enthalten hatte.

Als die Fürstin am andern Morgen – welcher durch thauige Nebel die wärmende Sonne mit herbstlicher Frische scheinen ließ – darauf bestand, in einem kleinen Pavillon, an der gelichteten Parkseite, der in das heitere Thal schaute, zu frühstücken und dazu nur ihren Gemahl, Thyrnau, Lacy und Magda eingeladen haben wollte – steckte Thyrnau einen kleinen Strauß ins Knopfloch und führte dann Magda und Lacy mit einer heitern Anrede dem glücklichen Fürstenpaare vor. Wohl erlebten sie das Erwartete – und dennoch entzückte sie die Erfüllung – und wie nur glückliche Eheleute den vollsten Antheil an glücklichen Brautleuten nehmen, so schien dem fürstlichen Paare überhaupt nur Glück in der Ehe möglich, von der sie sich selbst so vollständig durch einander befriedigt fühlten, daß ihre Freude auch nicht durch den kleinsten Antheil früherer Erinnerungen gestört wurde, obwohl der Fürst und seine Gemahlin in dem Brautpaare die Gegenstände einer früheren lebhaften Neigung vor sich sahen.

Nichts folgt anmuthiger dem glücklichen Verlöbniß der Liebenden nach – als die nun zu entwerfenden Pläne für die Zukunft, die alle in der seligen Berechtigung des Beisammenseins ausmünden! Lacy bat Thyrnau um die Erlaubniß, das Geheimniß des Testaments den bewährten Freunden mittheilen zu dürfen.

»Dagegen habe ich nichts,« sagte Thyrnau – »besonders da ich gesonnen bin, hier mündlich gleich ein neues Testament zu machen, denn ich und Ihr Alle müßt nicht vergessen, daß Egon und Hedwiga mir eben so nahe stehn wie Magda. Halte daher Deinen Vortrag, ich schließe mich ihm an und wandere während dem ein wenig durch das Thal.«

Der Fürst benutzte Thyrnau's Entfernung, als Lacy seine Erzählung beendet hatte, die Alle tief bewegte, um den Beistand der Uebrigen gegen Thyrnau aufzurufen, damit Egon und Hedwiga, die bereits von ihm reich dotirt waren, von der Erbschaft des Großvaters ausgeschlossen würden.

»Das wird uns Allen nicht gelingen,« sagte Magda, »denn es wäre etwas Ungerechtes darin, und das hat nichts mit dem Großvater gemein!«

»Wohl gesprochen,« sagte Thyrnau lachend, der die ganze Gesellschaft durch ein niedriges Fenster beobachtet hatte, ohne daß sie ihn bemerkt. – »Uebrigens sei sicher, lieber Freund!« fuhr er zum Fürsten fort – »ich werde als Göttin Gerechtigkeit nicht ein halsstarriger alter Mann mit verbundenen Augen sein, der in dem dürren Nachweis der Verwandtschaftsgrade eine bornirte Gleichheit der Theilung beabsichtigt. Es soll jeder auf seinem Platze wohl gewogen werden und ich will mit meinem Gute in den Händen davor stehn, und wo die Wage in die Höhe schnellt, etwas hinein werfen. Jedenfalls behält Magda unbestritten Tein, und die Lacy'schen Güter wäre ich nun endlich los und sie gehn mich nichts mehr an! Halt!« rief er, als Lacy aufsprang und den Mund öffnete – »ehre den Schatten Deines Oheims! Ehre die Schwärmerei meines Mannesalters – sind sie nicht so viel werth als die Herrschaft Tein?«

»Ueberdies Magda ist die Erbin – ich habe nichts mit Dir zu thun! Ist sie Dir so wenig werth, daß Du sie um des elenden Mammons willen aufgeben willst – gut! so lasse ich sie noch heute als Erbin von Tein ausrufen und will ihr schon andere Bewerber erwecken!«

Das Lachen, was Niemand lassen konnte, that Allen so wohl; es hinderte das Uebermaß der Empfindung, es stellte die Sicherheit Thyrnau's so überwältigend heraus – und Alle wußten, er wandte die scherzhafte Behandlung der Dinge immer da an, wo er am unüberwindlichsten war. Was ließ sich auch gegen einen Abschluß des Innern vornehmen, der den Ernst sogar beseitigt und nur eine heitere Erregung nachgelassen hatte?

»Dagegen« – fuhr er fort – »wenn Du darauf beharrst, die Erbin von Tein zu heirathen, setze ich doch festen Fuß auf Dein Gebiet und Ihr Beide sollt mir die alte Stammburg der Thyrnau's – das Dohlennest – zum freien Eigenthum schenken! Nach meinem Tode soll sie an Hedwiga fallen und zieht diese in ein anderes Land, soll sie doch immer zu Zeiten dahin zurückkehren müssen und Ihr Alle sollt da zuweilen mit Egon und Allem,, was dran hängt, einen Familien-Kongreß halten!«

»Von dem baaren Vermögen soll Magda nichts weiter bekommen, sondern Alles Lucretia's Kinder – und ist es nicht so viel als die Herrschaft Tein, macht mir das gar keinen Kummer, denn sie werden durch ihren Vater das Fehlende bekommen.«

Diese ganze Erb-Bestimmungs-Rede hatte er durch das Fenster in den Pavillon hinein gehalten. Jetzt nahm er den kleinen dreieckigen Hut ab, grüßte Alle mit seinem schalkhaften Lächeln und wollte davon – aber nun erhob sich ein lautes Geschrei ihm nach; der Fürst zuerst, Lacy ihm nach, sprangen zum Fenster hinaus und hielten ihn in ihren Armen auf, bis Magda und die Fürstin ihn auch erreicht hatten. So wurde er wieder hineingezogen und saß bald lächelnd in ihrer Mitte und freute sich, daß aller Widerstand aufgehört hatte, und daß er ihnen den schweren Augenblick, wo von Testament und Vermögen die Rede sein mußte, so leicht aus den Händen gewunden hatte, daß keine tragische Scene daraus werden konnte.

So kam es denn auch, daß die Glücklichen die Mittagsglocke überhört hatten und mit einem Male vor den offenen Thüren die Oberhofmeisterin der Fürstin erschien und ganz außer Athem und mit vielen Knixen anzeigte, die Fürstin werde bis zur Tafel kaum Zeit haben sich umzukleiden. – Da die Herrschaften voll der größten Rücksichten gegen ihre Umgebungen waren, entschuldigte sich die liebenswürdige Therese und führte die alte Dame zu einem Lehnsessel, um sich auszuruhen, wonach der Fürst sie dann selbst nach dem Schlosse zurückführte.

Das nun folgende Beisammensein der Freunde von Außen durch die angenehmsten Verhältnisse begünstigt, schien selbst Thyrnau die glücklichste Zeit seines Lebens, und der Winter, der auch über die Schrecken des Krieges eine scheinbare Ruhe verhängte, verflog Allen in traumartiger Schnelligkeit.

Mit dem Anbruch des neuen Jahres 1759 wurde den Bitten Lacy's nachgegeben und seine Verlobung mit Magda – über welche kaum noch am Hofe ein Zweifel war – öffentlich erklärt.

Jetzt gingen auch die Anzeigen an die Kaiserin und an Kaunitz nach Wien, und Kaunitz versicherte seinem jungen Freunde in einem höflichen Glückwünschungsschreiben, daß die Majestäten diese Nachricht mit besonderem Antheil vernommen hätten.

Noch war zwischen dem Brautpaar so wenig, wie zwischen Thyrnau und Lacy, ein Wort gewechselt worden über seine Absichten bei dem Wiederausbruch des Krieges, der mit dem Frühjahr unausbleiblich zu erwarten stand, und bald sollte die Kaiserin selbst diesen Punkt in Erwägung ziehn und beweisen, wie unerschütterlich fest sie einmal beschlossene Pläne im Auge behielt, wie viel auch die Verhältnisse anderer Seits um sie her häuften. Ein von ihr diktirter Brief an Lacy führte sie ihren in S. versammelten Verehrern in ihrer vollen Redeweise vor und ergriff Alle, als sei sie unter ihnen gewesen:

»An meinen getreuen Grafen von Lacy Wratislaw.«

»Indem ich Euch meinen gnädigen Glückwunsch bei Eurer Wiedervermählunq sage, will ich Euch hiermit meinen Beifall über Eure Wahl ausgedrückt haben, denn obwohl Magda Matielli nicht Eures Standes ist, wogegen sich in gewöhnlichen Fällen viel sagen ließe, so erscheint Uns selbst dies hier von weniger importance wegen besonderer Eigenschaften besagter Eurer Verlobten, welche Wir durch eine romantische Begegnung selbst kennen lernten. Auch gegen Eure erste Vermählung waren in mancher Hinsicht Einwendungen zu machen, doch haben Wir mit Wohlgefallen, während der Jahre ihrer Dauer von dem musterhaften Bestand dieses Verhältnisses vernommen und wollen es Euch und der Verstorbenen zur Ehre anrechnen und vielleicht Euch noch mehr wegen der Jugend, welche gern der Thorheit Gesellschaft leistet. – Da Ihr nun durch diese zu erwartende Ehe in natürlichere Verhältnisse tretet und Wir durch das besondere Vertrauen des Ehrenmannes, des Thomas Thyrnau, von den bis jetzt geheim gehaltenen Umständen wohl unterrichtet sind, welche Euch durch diese Ehe in Eure alten Rechte einsetzen, so scheint es Uns nunmehr auch passend, daß Ihr damit in den Stand zurückkehrt, der diesen Verhältnissen gemäß ist.

Nach dem Tode Eurer Gemahlin und bei Eurer aufrichtigen Wittwertrauer war Euch Meinerseits der Wunsch, in die Armee einzutreten, nicht abzuschlagen und hatte bis jetzt Unsere Genehmigung. Jetzt aber habt Ihr selbst durch diese zweite Vermählung, welche, wie man Mir sagt, aus großer Liebe hervor ging, angezeigt, daß Ihr der Zerstreuung als Wittwer nicht mehr bedürft, und nehmen daher Unsere Erlaubniß zum Kriegsdienste zurück und thun Euch Unsere Wünsche kund, daß Ihr zum Verwalter großer Besitzungen bestimmt, als ein gutes Beispiel in Böhmen unter Euren Standesgenossen leben wollt, und dabei durch die Gunst des ehrenwerthen Thomas Thyrnau, der, wie wir vermuthen, seine Enkelin, welche ihm eine so musterhafte Treue bewiesen, jetzt gleichfalls begleiten werde, fortfahrt, Euch in Kenntniß der Arbeiten über Böhmisches Recht zu setzen, welches Solcher bereits zu Unserer beifälligen Berücksichtigung ausgearbeitet hat.

Nach Eurer Vermählung, welche noch vor Anfang des nächsten Feldzuges stattfinden möge, werde Ich Euch gern hier sehn – und wird dann auch durch eben diese Vermählung der Schwierigkeit vorgebeugt sein, Eure Gemahlin an den Hof zuzulassen.

Wir bleiben Euch in Gnaden gewogen.

Maria Theresia.

Aus diesem Briefe nun schienen sich wie von selbst die bis jetzt umgangenen Verhältnisse zu gestalten und Jeder zog nach seiner Art eine Freude und einen Trost daraus. Magda äußerte ganz unverhohlen ihr Entzücken bei dem Gedanken, daß Lacy nicht wieder in die Armee eintreten werde, und Lacy, nachdem er sich in den Willen der Kaiserin zu fügen erklärt hatte, machte nun Magda auf den nächsten Wunsch derselben aufmerksam – auf ihre abgeschlossene Vermählung vor Wiederausbruch des Krieges.

»Wir wollen den Großvater fragen,« sagte Magda – »denn ihm wird das Rechte am leichtesten einfallen, und ich natürlich kann nichts dagegen haben.«

In demselben Falle befand sich der Großvater, und als die Sache in Gegenwart des fürstlichen Paares zur Sprache kam, mußten die Uebrigen einwilligen, daß die Feierlichkeit selbst in S. vollzogen werde und die jungen Leute sich dann nach Wien zur Kaiserin begeben, wogegen Thomas Thyrnau durch den Brief der Kaiserin sich des letzten Zwanges dieser kleinen Landesverweisung enthoben sah und nunmehr beschloß, nach Tein voranzugehn, um seine Kinder bei ihrer Rückkehr von Wien dort zu empfangen.

»Wie sollen wir aber an Magda's Hochzeitstage den Hof los werden?« fragte die glückliche Therese, welche unter diesen glücklichen Menschen immer als die Glücklichste erschien, weil ihr der sprudelnde Humor zu Gebot stand, der in den liebenswürdigsten Muthwillen ausartete und alle ihre Umgebungen oft zu einer anmuthigen Ausgelassenheit hinriß, die in ihr Unterstützung oder Veranlassung fand.

»Das dachte ich,« sagte der Fürst lachend – »o! wie gut ich Dich kenne, meine geliebte Therese! Das wird wieder ein Tag, an welchem Du in einem Athem lachen und weinen mußt – auf Deinen Knien beten und auf der Wiese tanzen wirst! Aber ich möchte Dich nicht anders, Du reizendes Feenkind – und damit Du siehst, wie ernst es mir ist, Dein eigenstes Wesen zu schonen, so höre, da wir allein sind, das Programm des Tages, was ich mir in der Stille ausgedacht habe, und dann laß' es uns gemeinschaftlich vervollständigen.«

Nachdem Therese ihrem Gemahl aufs Liebenswürdigste gedankt hatte, hob der Fürst lächelnd an: »Mein armer Hof darf nicht ganz leer ausgehn, denn ich bilde mir ein, Magda muß nach Dir die schönste Braut der Erde sein, und die Gräfin von Hautois hat schon zu viel von ihrer kostbaren Toilette verrathen, als daß ich als guter Landesvater verantworten könnte, die Braut meinen Damen zu entziehn.«

»Du wirst also finden, daß die Schloßkapelle sich seit einigen Tagen anfängt zu erheizen, daß ein schöner grüner Wald von Orangenbäumen langsam sich um den Hochaltar herstellt, und der Fußboden, mit rothen Teppichen verhüllt, unsere wenigen Grade noch restirender Winterkälte vergessen läßt. Von der Kapelle aus wirst Du die Gallerie bis zu Deinem Audienzsaal mit demselben Teppich bedeckt finden – also jetzt verstehst Du den Weg, den ich vorzuschlagen denke! Am Morgen nun des zwei und zwanzigsten Februars werden wir in Deinem Boudoir in unsern Morgenkleidern zusammen frühstücken – dann gebe ich zwei Stunden Zeit zur Toilette und um halb elf Uhr ist der Hof in Gala in Deinem Audienzsaale versammelt; wir führen das Brautpaar herein und von da begiebt sich der Zug nach der Kapelle, wo uns der Pater Hieronymus erwartet!«

»Der Pater Hieronymus?« rief die Fürstin entzückt. –

»Ja,« sagte der Fürst, »morgen kommt er hier an und das ist eine Ueberraschung für Magda, die ich und Thyrnau uns ausgedacht haben. Unsere Geistlichkeit hat sich freundlich dabei benommen und wird bloß in Pontificalibus dabei repräsentiren. Doch unterbrich mich nicht und höre weiter. Nach der Trauung geht der ganze Zug wieder in eben der Ordnung nach dem Audienzsaal zurück. Magda bleibt an Lacy's Seite stehn, bis Alle eingetreten sind – dann erwiedert sie die Begrüßung, und nun ist der Etikettenzwang vorbei. Uns umschließen Deine Gemächer! – Ihr bekommt wieder Zeit, Euch umzukleiden und nun stehen vier Wagen bereit: in den ersten steigen wir Beide und die Gräfin von Hautois: in den zweiten Pater Hieronymus, Thomas Thyrnau, und Egon und Hedwiga: in den dritten das Brautpaar – der vierte aber wird eine bunte Gesellschaft umschließen, und doch durfte sie nicht fehlen. Nun höre! Mora und Gundula werden im Fond sitzen – gegenüber Veit und Bezo!«

Die Fürstin schlug entzückt in die Hände und umarmte ihren Gemahl. »Stör' mich nicht,« rief er und hielt sie doch fest. – »Das kleine Schlößchen« – fuhr er fort – »welches aus den bereisten Lerchenbäumen und Wermuthskiefern mit seinen grauen Thürmchen und seiner kleinen barocken Façade heraussteht, das habe ich seit vier Wochen schon heimlich bearbeiten lassen, und es ist jetzt der behaglichste, wärmste und wohnlichste Platz geworden für Menschen, die sich lieben. Dahin rollen unsere Wagen – dort ist nur ein kleiner Eßsaal und unsere heitere Hochzeitstafel hat nur neun Couverts. Im Erdgeschoß werden meine anderen Gäste, die der vierten Kutsche, bedient – und so bleiben wir beisammen – bis nach dem Souper – dann führst Du Magda in die Zimmer, die für sie eingerichtet sind – wir aber fahren Alle bis auf das Brautpaar nach der Residenz zurück, halten den andern Tag hier großes Diner und kehren am Abend nach dem Schlößchen zurück – wo Du und wir Alle unsere Zimmer eingerichtet finden, und wo wir bleiben, wenn Du willst, so lange, bis Lacy und Magda ihre Reise nach Wien antreten, und das wollen wir weder hindern noch betreiben, damit in der Freude uns nicht das Maaß fehle, dieses Bedingniß alles Guten und Schönen!«

Was sollen wir jetzt noch zu diesem glückseligen zweiundzwanzigsten Februar des Jahres 1759 hinzufügen? Das Programm des Fürsten ward mit ungetheilter Freude angenommen und auch kein Einziger wußte etwas hinzuzufügen.

Magda's Hochzeitsstaat war von Thomas Thyrnau und der Fürstin Therese erdacht worden und von der Gräfin Hautois ausgeführt. Der Mode war dabei mancher Abbruch geschehen, denn um die rabenschwarzen Flechten Magda's schlang sich das goldene Netz, welches aber fast ein Juwelennetz war, dessen Schlingknoten von Rubinen gehalten wurden. Ueber der Silberrobe zeigte sich das Mieder mit Brillanten befestigt und Brabant hatte einen Schleier geliefert, dessen Rechnung Thyrnau lachend verbrannt hatte und welcher wie ein Mondscheingewebe die ganze Gestalt einhüllte, ohne sie zu verbergen. Aber was sie selbst diesem herrlichen Schmuck hinzufügte, das war der bezaubernde Nimbus, der Alle bei ihrem Anblick mit Entzücken erfüllte – es war dies das ernste tiefe Nachdenken, womit sie die Heiligkeit des Tages ergriff und das ihrem Antlitz die lilienweiße Farbe, die stillen Züge gab, die nur zuweilen unterbrochen wurden, wenn sie die gesenkten Augen hob und die Glut religiöser Stärke und Begeisterung daraus hervorleuchtete und ihren Wangen einen flüchtigen Schein von Lebensglut anhauchte. Ihre Stimmung war durch nichts zu unterbrechen, nicht einmal durch Rührung. – Alle fühlten, sie lebe in der Gegenwart des Höchsten und alles Andere habe nur nach Ihm Raum – und von Allen sei sie abgezogen, sie Alle vereinigt haltend in der großen Gemeinschaft, in der sie sich fühlte.

Hedwiga, welche von ihrem kurzen, zu frühen Nachtigallengesang wieder zu dem heitern kindlichen Lerchengeschwirre übergegangen war, – Hedwiga, die keine Schelte mehr von Lacy bekam und deren Unterrichtsstunden von Thomas Thyrnau vermehrt worden waren, bestand darauf, Magda's Schleppe tragen zu wollen, und wie gern gewährte ihr der Fürst, was er ihr lassen durfte.

Uebrigens lasen sie am andern Abend, als sie Alle nach dem großen Diner zu dem jungen Ehepaar nach dem Waldschlößchen zurückgekehrt waren, um den flackernden Kamin in dem behaglichen Saal beisammen saßen, das Programm des Fürsten für den Hochzeitstag durch, und es fand sich, daß genau danach gelebt worden war – »Außer« sagte Thyrnau, »daß Bezo sich durch alle vornehmen Hochzeitsgäste bis zum Altar durchdrängte und sich dicht neben Magda auf der Erde niedersetzte.«

»Ja,« sagte der Fürst – »aber ich vervollständigte augenblicklich mein Programm danach, und Du hast es mir zu danken, liebe Magda, daß man ihn sitzen ließ und so eigentlich dies arme Wesen, das sein ganzes Bewußtsein nur in Dir hat, Dir fast mit Lacy angetraut worden ist.«

»Ja,« sagte Magda – »Ich hoffe, er ist an meinem oder ich an seinem Sterbebette; für ihn kann ich nur dankbar sorgen, wenn ich ihm still überall meine Nähe gönne.« Sie zeigte mit dem Finger lächelnd in die Ecke des Saales – auf dem weichen Teppich desselben schlief Bezo in sicherer Ruhe, von Lacy und Magda gleich liebevoll geschützt.


Wenn wir die, die wir lieben, ein Glück erringen sehen wonach sie sich gesehnt und um das sie den Kampf mit dem Leben eingingen und siegend bestanden, so giebt das einen schönen Abschluß mit ihnen und wir sind geneigt, sie ohne Besorgniß ihrem Schicksal zu überlassen. Und doch mischt sich in die Freude, mit der wir einen erreichten glücklichen Zustand vor uns sehen, so leicht die Wehmuth, welche uns die Erfahrung aufnöthigt und welche bei dem heitern Anfang einer neuen Lebens-Epoche uns warnend zuflüstert: Wie den theuren Wesen, welche so mit Glück gerüstet der Zukunft entgegen gehn, das Leben nichts schuldig bleiben wird und auf der neuen Stelle, die noch geebnet vor ihnen liegt, Hindernisse allmälig die kleinen Erdhügel aufwerfen werden, welche die leichten Flügel bestäubend niederdrücken. Wenn wir aber von der Erfahrung belehrt diese wehmüthige Zugabe erwarten müssen, empfangen wir doch zugleich von ihr den Trost, daß das Ungemach auch wieder das Ewige und Heilige in uns Menschen zu seiner wahren Entwicklung treibt – und einen Tempel des Herrn begründet, wo wir zwar trauern und weinen, aber auch uns in Wonne erheben können. – So sollen wir uns der Zukunft der Geliebten getrösten, welche mit frommen Herzen ein schönes Lebensglück ergreifen. Ihr Inneres und das Haus, das sie begründen, wird ein Tempel des Herrn sein, worin sie weinen und trauern, und in Wonne sich erheben werden, in der großen Zuversicht seiner ewigen Gemeinschaft.

Was gleicht aber der Befriedigung eines theilnehmenden Freundes, wenn er nach Jahren zu denen zurückkehrt, welche er verließ, als sie das Leben nach einem wichtigen Abschnitt neu gestaltet ergriffen, und er sie in dem damals nur beginnenden Glück vollständig begründet sieht, und um sie her eine würdige Entwicklung der ihnen zugetheilten Güter findet – einen Tempel – um das Gleichniß festzuhalten, in dem der Geist der Liebe weht – in welchen die Glücklichen und die Betrübten aus und einziehn und die Aufnahme finden für ihr Bedürfniß, von dem wir ein gedeihliches Wachsen seines sich weiter ausbreitenden Baues erwarten dürfen, und in dessen Umkreis sich die sammeln, die von der Liebe herangezogen wurden und die, wenn sie weiter gehn oder die Heimath suchen, wieder ein Haus der Liebe begründen werden, belebt von dem Geiste des Beispiels, das sie erfuhren.

So wollen wir nach vier Jahren im Frühling des Jahres 1763 – nachdem der Friede das Ungeheuer des Krieges aus den verwüsteten Gauen der Länder verjagt, zu den Lieben zurückkehren, welche wir bis hierher begleitet haben, welche den Verwüstungen des Krieges entgingen und seine Leiden und Bedrängnisse von denen abzuhalten suchten oder zu lindern kräftig bemüht waren, welche als Unterthanen oder Nachbarn irgend in den Bereich ihrer Liebe zu ziehen waren.

Es war im Mai. Die Buchenwände des Gartens von Tein hatten, nachdem sie die Scheere des Gärtners erfahren, sich mit jenem Hellgrün bedeckt, welches nur ihre zarten mit weißen Frangen besetzten Blättchen zu mischen vermögen, und welche nun gleich einer Tapete die riesigen Wände der Alleen bedeckten. Drüber lag der Himmel in einer Reinheit und Fülle der Farbe, welche wir nur mit dem Blau des Ultramarins zu bezeichnen pflegen; und der Frühlingswind, so eigenthümlich, so weich und ungestüm, fehlte auch nicht, und entriß den träumerischen Blüten ihre kleinen winterlichen Mützen und half den Bienen schwärmen und lüftete den Nachtfaltern und blütenähnlichen gelben Schmetterlingen die Flügel. Wer frohen Herzens ist, wird mit dem Frühling leicht wieder ein spielendes Kind und der Unglückliche findet leichter Thränen, wenn er die Mauern verläßt, die seinen Schmerz festhielten, und der anspruchslose Gegensatz von ihm selbst in der Natur, die im Frühjahr so glücklich scheint, wirkt wie tröstendes Verstehen, und bewirkt endlich eine sanfte Zerstreuung, welche den bittersten Stachel mit fortnimmt.

Es war um die Mittagszeit und ein reges Leben war fast auf allen Punkten dieser alten und schönen Besitzung verbreitet. Die Reitbahn mußte von hohen Gästen bewohnt sein; alle Fenster waren geöffnet und auf den vorspringenden Balkonen trat bald hier bald dort eine bemerkenswerthe Gestalt hervor. Auf der Auffahrt standen viele Diener in glänzenden Livreen; Andere liefen noch hin und her: ein Paar Tragstühle von Sammet schienen noch auf Damen zu warten, welche sie nach dem Schlosse führen sollten. Auf den Terrassen vor demselben nach den Buchenwänden zu, wandelten die Bewohner des Schlosses in der erquickenden Luft, wie es schien, in Erwartung ihrer Gäste.

Jetzt war Magda dreiundzwanzig Jahr und ihre Schönheit hatte die vollkommenste Reife erhalten. Ob sie noch gewachsen war, ob ihre zugenommene Fülle, oder die freiere höhere Haltung ihres schönen Kopfes es bewirkte – Jeder glaubte, sie sei größer geworden. Ihr Teint hatte noch immer die durchsichtige Klarheit und war nur durch einen frischen Hauch von feinem Roth belebter, als die Jungfrau früher zeigte.

Noch immer trug sie sich reich gekleidet, wie es nun auch ihr Gemahl liebte und der Großvater durch sinnvolle Geschenke unterhielt. Ihr offenes Sammetkleid von einem dunklen Purpurroth war an den Rändern mit feiner Goldstickerei versehen; das weiße Atlaskleid, welches sich bei dem zurückfallenden Sammet zeigte, umsäumte über dem Mieder mit goldener Stickerei die wunderschöne Büste.

Das Haar trug sie auch jetzt, wie es ihre beiden Anbeter, Gatte und Großvater, liebten, mit dem goldenen Netz; heute hatte sie auf jeder Seite, fast hinter dem Ohr, eine dunkelrothe Sammetrose mit brillantnen Nadeln befestigt. Man konnte nicht sagen, daß der Mode gerade großer Abbruch geschehen war, und doch glich sie immer und in allen ihren Kostümen mehr den schönen Portraitbildern eines Tizian oder van Dyck, als gerade den Figuren, welche sich um Maria Theresia bewegten – sie trug selbst die lang niederhängende Schnur orientalischer Perlen, welche kaum einer Tizianschen Schönheit fehlen darf – in den feinen Händen, welche aus den kostbaren Manschetten bis zum Knöchel vorsahen, hielt sie den goldenen Fächer, und ein kleiner Veilchenstrauß, den Lacy ihr gepflückt, sah neugierig aus der brillantnen Schleife ihres Brustlatzes hervor.

Wie anmuthig stand diesem schönen Wesen die lachende Heiterkeit, mit der sie lebhaft sprechend daher schwebte! Drei Herren umgaben sie – der Großvater in unveränderter gerader Haltung und Kräftigkeit, den Mund belebt von dem feinen Lächeln seiner anmuthigen Neckereien und Scherze, die gebietende Jupiterstirn mit den weißen Ambrosischen Locken, wie Herr von Polten sagte, auch nicht mit einer Runzel vermehrt.

Dieser anbetende Bewunderer des alten Herrn ging jetzt an Magda's Seite und ausgesöhnt mit seinen Freunden und seiner Thorheit, entwickelte er den ganzen Schatz anmuthiger Manieren und unschuldiger Frivolitäten, welche er an dem Hofe eingelernt hatte, der seinen tiefen moralischen Fall unter den noch immer erhaltenen eleganten Formen und Witzfunken des Hofes Ludwigs des Vierzehnten zu verbergen versuchte und welche jetzt mit kluger Berücksichtigung des Terrains vor der unbefangenen Magda ausgekramt wurden und die zwei anmuthigen Grübchen ihrer Wangen immer gerundet erhielten und von dem Großvater und Lacy zu den muthwilligsten Neckereien für die junge Frau benutzt wurden, welche sich nach allen Seiten hin zu wehren hatte.

Lacy's ganzes Wesen mußte dagegen denen, welche ihn früher gekannt, zu einem überraschenden Anblick geworden sein! Er war von jedem Hauche eines schwermüthigen träumerischen Jünglings befreit, eine vollkommen männlich entwickelte Erscheinung! Er war stärker geworden, die Brust gehoben, hatte den schönen Kopf höher gerichtet. Der Gang war rasch, elegant und energisch, sein Auge hatte die Schärfe des Blicks, den sonst nur schwarze Augen zu haben pflegen – sein Kopf eine stolze Anmuth, sich zu wenden – er war im vollsten Sinne ein vornehmer Mann und flößte einen tiefen Respekt und eine völlige Hingebung ein. Auch seine Sprache war rascher, gelegentlich lauter geworden; nur gegen Magda hatte er einen ganz andern sanften Sprachlaut und ein Beugen des stolzen Nackens, das unbewußt allein für sie hervortrat. Er hatte sich der ganzen Verwaltung seiner Herrschaft mit Energie angenommen, und handhabte sie jetzt mit ernster Sicherheit, mit rascher leichter Umsicht.

Den Winter war er daneben in Wien an der Seite Thyrnau's ein ganzer Staatsmann geworden und es hätte nur von ihm abgehangen, auch irgend einen Rang dafür von der Kaiserin zu erhalten – aber er blieb seinen Ansichten treu: seine Unterthanen und Böhmen behielten den Vorrang. Was er mit dieser behaupteten Freiheit der Kaiserin nutzen konnte, gab er freiwillig ohne Lohn und bestimmte Form, nichts destoweniger mit Eifer und treuer Hingebung, und die Kaiserin ließ sich die ungewöhnliche Art gefallen, da sie vor allen Dingen die Konsequenz im Menschen liebte und mit allen Verhältnissen Lacy's wohl bekannt, sich heimlich freute, daß er fest hielt an dem, was sie selbst seine erste Pflicht nannte. Von diesen großen entwickelnden Verhältnissen trug sein Aeußeres nun vollkommen das Gepräge, und der Anhauch von Selbstgefühl, der nicht übersehen werden konnte, paßte sich zu der schönen männlichen Würde, welche ebenso Kraft und Güte wie kindliche Wahrhaftigkeit vereinigte.

Während dieses heitern Lustwandelns bog in den hohen Lindenweg von der Reitbahn her ein Zug von Gästen ein, welche die Bewohner derselben waren, und sehr anmuthig sehen wir die Fürstin Therese in einem der vorerwähnten Tragstühle den Zug eröffnen. Sie war noch etwas stärker geworden, aber von eben so jugendlicher Frische, als wir sie verließen.

Der Pater Hieronymus ging an ihrer Seite und sie wußte ihre heitere Redeweise dem Bedürfniß des ehrwürdigen Herrn anzupassen. Magda hatte endlich den alten Freund des Hauses besiegt; er war aus dem Orden der Prämonstratenser ausgetreten. Jetzt bewohnte er ein eigens für ihn erbautes Häuschen mitten im Schloßgarten unfern des Siechenhauses neben einer von Magda errichteten Kapelle, welche durch einen bedeckten Gang mit dem Siechenhause in Verbindung stand. Er war Magda's Beistand bei der neuen Einrichtung und größeren Ausdehnung desselben, er war zugleich Seelsorger und Arzt und höchst glücklich durch das thätige und nützliche Beisammenleben mit den Menschen, die er am meisten auf der Welt liebte.

Hinter der Fürstin wurde die alte Gräfin von Hautois getragen, welche auf ihrem Schooß die reizende kleine Maria Theresia hatte, welche die Lebhaftigkeit ihrer Mutter und die Schönheit beider Eltern geerbt zu haben schien. Die alte Gräfin, welche jedes Ungemach ertrug, um dies von ihr angebetete Kind im Arm halten zu können, mußte es ertragen, daß alle Augenblicke eine kleine Wolke von Puder aus ihrer Frisur in die Luft flog, da Maria Theresia sich mit Egon und Hedwiga neckte, welche zu beiden Seiten der kleinen Schwester gehend, unter tausend Scherzen ihr allerlei kleine Liebesdienste erzeigten, und dadurch das holde Kind bald rechts, bald links in die Höhe fahren ließen.

Egon war der schlankste junge Hauptmann der kaiserlichen Armee; einen tüchtigen Degen nannten ihn seine Vorgesetzten. Er glich auffallend seinem Vater, und Alle, die ihn kannten, liebten ihn, denn er war treu und redlich und hatte dabei eine kleine Ader von ironischer Beobachtung, einen glücklichen praktischen Takt, was ihm ersetzte, daß alle wissenschaftliche Bildung ihm schwer wurde und daher auch wenig darin erreicht ward.

Hedwiga hatte jetzt das achtzehnte Jahr vollendet. Sie war eine Hebe, wie die Begeisterung des Dichters sie nur je geträumt. Sie hatte dasselbe holde Kindergesicht, die unbeschreiblichen Augen; aber sie war nun, vollendet durch das vorgeschrittene Alter, eine bezaubernde Jungfrau.

Hinter dem Zuge ging der Fürst, und an seinem Arm hing Georg Prey, der Bewohner von Tein im Sommer und des Palastes Morani im Winter. Lebhaft unterhielten sich beide, und doch wurde der alte ehrwürdige Herr zuweilen etwas zerstreut, denn Hedwiga war noch immer seine beste Freundin, und als wollte sie ihn heute an ihre erste Bekanntschaft erinnern, trug sie eine lange Ranke der zarten blaßgrünen Winde mit ihren weißen Florblüten in der Hand und machte oft einen reizenden Seitensprung, um die kleinen behaarten Händchen der Ranke an dem blüschenen Staatsrock des alten Herrn sich anhängen zu lassen.

Er drohte ihr dann und sie mußte sich lachend mit ihm zu thun machen, um ihn wieder zu befreien.

Diesem Zuge nun ging der Graf von Lacy von der Terrasse entgegen, und jetzt machte die vereinigte Gesellschaft auf der Plattform ein reizendes Tableau. Doch waren, wie es schien, noch nicht alle Gäste beisammen, denn man fuhr fort, in einzelnen Gruppen stehend oder gehend sich die Zeit zu vertreiben. Dabei richteten sich oft die Blicke nach den Gittern der großen Allee, hinter welchen die Landstraße zu sehen war. Endlich eilte Lacy, welcher eben scharf ausgesehn hatte, zu Magda – verbeugte sich tief und zeigte nach dem Eingang der Allee.

Alle eilten gegen den Rand der Terrasse – die Gitter waren geöffnet und es lenkte ein stattlicher Zug von Reitern in den Lindenweg ein. Das lebhafteste Vergnügen zeigte sich auf allen Gesichtern; Magda wehte mit ihrem weißen Taschentuche und der Herr, der an der Spitze ritt, ward dadurch sehr lebhaft, gab ein Kommando-Wort ab und Alle setzten sich in einen stolz courbettirenden Galopp und hatten bald den Fuß der Terrasse erreicht, an der sie von den Herren empfangen wurden. Als sie hielten und die berittenen Diener die Pferde wegführten, welche die Ankommenden schnell verlassen hatten, stieg zuerst an Thyrnau's Seite die Stufen hinan – Seine Excellenz der Graf von Podiebrad, dereinstiger Gouverneur des unüberwindlichen Karlstein. Ihm folgte der Freiherr von Galbes an Lacy's Seite – und aus Egon's, des treuen Kriegskameraden, herzlicher Umarmung erhob sich Georg von Trautsohn mit leuchtenden Augen, und beide waren in zwei Sprüngen den Uebrigen nach.

Noch immer stand Magda unter der Anrede gefangen, in welcher der Graf von Podiebrad die gesammten Begebenheiten seit der Entführung derselben vom Karlstein, zu begreifen bemüht war; da er sich aber innerlich stark auf diesen Besuch gefreut hatte, und wirklich gerührt war über die herzliche Aufnahme Aller, geschah es ihm, daß seine eignen Worte seine Rührung so vervollständigten, daß ihm plötzlich die Rede abschnappte – und er sich verbeugen mußte, um dies ihn beschämende Ereigniß der Aufmerksamkeit zu entziehn.

»Ach,« sagte nun Magda und faßte ihn treuherzig bei der zuckenden Hand – »wie habe ich mir das gewünscht, was ich endlich heute erlebe, alle die lieben Freunde einmal wieder beisammen zu sehn! Wenn Ihr, Graf Podiebrad, nicht nachgegeben hättet und unsere Einladung zurückgewiesen, hätte uns viel aus unserer wichtigsten Lebensepoche gefehlt – und das sage ich auch Euch, Freiherr von Galbes, und Dir, mein lieber Spielkamerad, mein lieber Freund Trautsohn!«

Dieser blieb fast zu lange auf Magda's Hand ruhen – als er aufsah, war er glühend roth – dicke Thränen standen in seinen Augen und er rief ganz in ihrem Anschaun verloren: »Dachte ich doch nicht, daß Du noch schöner hättest werden können! – Großer Gott! Du hast mir immer vor Augen gestanden, wie ein himmlischer Engel, aber nun siehst Du wie eine Himmelskönigin aus!«

»Auch Du,« sagte Magda lachend – »bist ein ganzer Mann geworden, und noch gewachsen, und so breit in den Schultern; aber Dein liebes Gesicht ist noch ganz das alte geblieben, und damit thust Du mir einen rechten Gefallen, denn so hatte ich Dich lieb, und ist nun nichts Fremdes zwischen uns gekommen!«

»Ja,« antwortete Trautsohn – »das magst Du sagen – aber Du vergißt, daß Du Dich indessen verheirathet hast, da soll es mir denn wohl nicht leicht werden, zu denken, es sei nichts zwischen uns gekommen.«

»Aber mit wem?« fragte Magda naiv – »mit Lacy!«

»Nun,« sagte Trautsohn – »er ist mir grade genug! Aber sieh, liebe Magda, – wenn Du noch erlaubst, daß ich so sagen darf – ich habe es mal bei einer rührenden Veranlassung, die ich nicht in Deinen Gedanken hervorrufen will, der Kaiserin zugeschworen, wie es auch kommen möchte: Das Glück, Dich zu kennen, sollte nie zu einem Unglück für mich umschlagen – und das habe ich bewiesen, seit ich erfuhr, Du habest Lacy lieber gehabt als den armen Trautsohn.«

»Bravo!« rief Lacy und umfaßte ihn herzlich – »das nenne ich Magda's Werth gerecht werden! Sie nur zu kennen ist schon ein Glück, welches uns über manche andere trübe Erfahrung hinweg hilft.«

»Ja,« sagte Trautsohn, indem er Lacy's Umarmung erwiederte, »Dir wird diese Versicherung freilich nicht schwer werden.«

»Auch Dir nicht,« rief Lacy lachend – »und ich habe gar nichts dagegen, daß Du ihr Bild in Deinem Heil'genschrein aufstellst.«

Die Tafel ward nun angekündigt und Magda versicherte sich des Armes vom Grafen Podiebrad, während Lacy die Fürstin führte – und als sie nun alle wohlgeordnet um die Tafel in dem schönen Kuppelsaale saßen, da mochte wohl nicht leicht eine frohere Gesellschaft zu denken sein, von Menschen, welche mehr und wichtigere und heitere Beziehungen zu einander haben konnten. Die Unterhaltung war dem gemäß und als der Graf von Podiebrad in fröhlicher Zerstreuung einige Flaschen Rheinwein geleert, brachte er mehrere Gesundheiten aus – auch die auf Karl den Vierten, den Erbauer des Karlsteins – worin ihn Niemand störte, weil Alle das sprachen und sagten, wovon ihnen das Herz voll war.

Am Abend, als man etwas ruhiger zu werden begann, nahmen Magda und die Prinzessin den ungewöhnlich gesprächigen Podiebrad in ihre Mitte und baten ihn, seinen besten Freunden eine genaue Darstellung seines jetzigen Lebens zu machen.

»Meine edlen Freundinnen,« sagte er darauf nach einiger Sammlung – »Podiebrad's Haare sind nicht umsonst indessen gebleicht! Er hat harte Erfahrungen gemacht. Nicht wohlberathen muß ich die edle Nachfolgerin Karl's des Vierten, unsere erhabene Kaiserin, nennen, denn sie hat einen Edelstein ihrer Krone aus der Fassung gebrochen und ihn als ein werthloses Spielzeug kindischen Händen zugeworfen. Die hohe Bedeutung des Karlsteins verkennend, hat sie – ich bitte um Vergebung, wenn die Lippe sich weigert, herüber zu lassen, was einen schmerzlichen Mißgriff in dem Hause Oesterreich bezeichnet – doch es sei – auch Podiebrad muß lernen, das Unwahrscheinlichste auszusprechen: der Karlstein ward als Feste seines Ranges entsetzt – die Besatzung aufgelöst und die Revenüen der ihm zugehörenden Ländereien liefern jetzt den kleinen Damen des Fräuleinstiftes zu Prag ihre Stecknadeln und Handschuhe!« – Der Graf von Podiebrad hielt hier mit einem starken Verschnaufen inne und ließ seine inhaltsschweren Worte erst ihre Wirkung thun, ehe er fortfuhr: »Von diesem Ereigniß tief getroffen, habe ich zuerst in unterthänigem Widerspruch meine Pflicht gethan, und als dies ohne Erfolg blieb, wenn auch durch gnädige Entgegnung und gerechte Anerkennung meiner Gesinnungen in etwas erleichtert, habe ich die Getreuen der Besatzung als mein Eigen erklärt und bin mit ihnen Allen nach meiner großen Herrschaft Podiebrad in Böhmen gezogen. Freilich blieb mir nur noch der Freiherr von Galbes und der Marchese Pacheco, da der Graf von Thurn und der Graf Castiglione von Pasterau im Felde ehrenvoll geblieben sind. Dagegen folgten mir zwanzig Untergebene, theils bejahrte Männer, welche nicht wünschen konnten, nachdem sie als Wächter des Karlsteins den ehrenvollsten Dienst des Landes versehn und dadurch sich in einem höhern Range fühlten, in der Armee einzutreten.«

»Es befand sich Raum für alle diese auf meiner großen Herrschaft,« fuhr er mit gehobenem Stolze fort, ohne seine edle Handlung verdecken zu können – »ich stiftete ein Invalidenhaus, worin sie ein so anständiges Unterkommen fanden, wie es den Dienern des Karlsteins geziemt; setze Frau Grimschütz als Schaffnerin an die Spitze des Haushalts und habe dieser Anstalt, welche ich mit einiger Annehmlichkeit einzurichten trachtete, den Namen des großen Kaisers beizulegen mich erdreistet, unter dessen Banner wir uns bisher allein zu befinden schienen – es heißt: Das Haus Karls des Vierten.«

»Mein Schloß nahm meine beiden Hauptleute auf, und es konnte nicht schwer werden, daß wir bei den Mitteln, die mir zu Gebote stehn, in vollkommener Freiheit unsere veränderte Lebensordnung nach dem Muster jener edlen Disciplin, welche unser erhabener Stifter Karl der Vierte uns hinterlassen, fortzuführen im Stande waren. Wir sind Alle beritten, unsere Uniformen wohl erhalten, und wir hoffen noch immer der Schutz und die Hilfe der ganzen Gegend zu sein.«

Er endigte diesen Vortrag, indem er sich tief vor den Damen verneigte, als wolle er ihnen seine Bereitwilligkeit anzeigen, auch über sie seinen Schutz auszudehnen, und Magda verneigte sich dagegen von ihrem Sitz aus mit vielem Ernst und großer Achtung, was sogleich das Lächeln der Fürstin erstickte. »Gott weiß,« sagte Magda dann fast gerührt – »wenn Ihr auch die Dinge anders angreift, als gewöhnlich ist, Ihr seid ein solcher Ehrenmann, daß das Rechte doch durchkommt, wenn es auch äußerlich anders aussieht, als der Rock, den die Zeit trägt.«

Podiebrad verstand zwar nicht ganz, was Magda fast laut denkend ausgesprochen hatte, aber er war sich bewußt, es müsse zu seinem Lobe sein, und nahm es also mit dankbarem Bezeigen von ihr an, indem er zugleich den Marchese Pacheco entschuldigte, welcher in seiner Abwesenheit jederzeit als Schloßhauptmann das Kommando führe, da seine Gesundheit ihm überdies keine Freuden der Geselligkeit mehr gestatte.

Dies Gespräch ward von Hedwiga unterbrochen, welche mit glühenden Wangen daher geflogen kam: »Ich bitte Dich, Magda, komm! Mama, komm, komm! Sieh nur, was die Allee herauf kömmt – so etwas hast Du noch nie gesehn – es ist ein Geschenk für Dich, Magda, von dem lieben Trautsohn.«

Trautsohn folgte ihr schon und die Herren kamen, wie es schien, in sehr guter Laune, um die Damen abzuholen; Trautsohn aber führte Magda voran und sagte unterwegs: »Magda, ich sehe wohl, daß Du sehr glücklich bist und ich liebe Dich so sehr, daß mich das mit Dir ganz froh und leicht ums Herz macht, obwohl ich immer denken muß, ich hätte es auch fertig gekriegt, Dich glücklich zu machen, denn ich habe nun meine große Herrschaft in Mähren übernommen, und ich kann sagen, wenn man da geliebt worden wäre, wie ich Dich geliebt hätte, wäre das Glück wohl schwerlich ausgeblieben – denn – tausend! es ist schön und echt fürstlich, wie für Dich gemacht!«

»Ach,« sagte Magda – »Du mußt nun endlich davon aufhören und einsehn, daß, weil es einmal ganz unpassend war, es besser ist, daß es unterblieb. Erstlich ist es gewiß, daß es gar kein Spaß in der Ehe sein muß, wenn der eine Theil alle Liebe besorgen soll – und ich hätte Dich nicht mehr und nicht stärker lieben können wie jetzt – das heißt, wie meinen Bruder oder fast wie meinen Sohn!«

»Oho!« unterbrach sie Trautsohn – »das wäre freilich kurios gewesen!«

»Und dann weiter! Denke Dir den Unsinn mit der Standeserhöhung – ich hätte sollen meinen lieben Aelternnamen hergeben, daß sie mir was dran gehangen hätten, wovon der Ehrenmann, mein Vater, nichts gewußt. Sieh! das hätte mir das Herz gebrochen, und wär' ich nie dahin zu bringen gewesen, denn aus Deinem Fürsten machte ich mir überdies nichts.«

»Ja« – sagte Trautsohn – »ich habe das auch immer gefürchtet und sagte der Kaiserin oft: »Wenn Magda nur wollen wird! Aber da ich doch einmal so unglücklich war, all das Ahnenzeug nöthig zu machen, was war da zu thun? und dann – gestehe nur – wenn ich Lacy gewesen wäre – –«

Magda warf unwillkürlich den Kopf hintenüber – aber sie erschrack fast vor der verräterischen Bewegung und schwieg; doch Trautsohn hatte sie wohl verstanden und sagte sogleich: »Siehst Du! wenn man liebt, kommt einem auch das Ungewöhnliche möglich vor – darum sei nicht so hartherzig gegen mich!«

»Nein, guter Trautsohn,« sagte Magda innig – »nur sollst Du endlich an was Anderes als an mich denken lernen – denn Du mußt heirathen – auf Deiner großen Herrschaft in Mähren kannst Du nicht allein leben – Du hast mir das so oft gesagt.«

»Freilich,« sagte Trautsohn – »meinte ich Dich immer nur, wenn ich das sagte. Aber Recht hast Du – wenn ich all die Pracht und Herrlichkeit auf meiner Herrschaft ansah, da konnte ich mich schon jetzt oft recht nach einer Frau sehnen, die ein bischen Leben hinein brächte! – Wenn ich nur eine fände, die Dir ein bischen ähnlich sähe!«

»Ich will Dir suchen helfen,« sagte Magda zutraulich – und unwillkürlich sah sie sich um, denn sie hörte Hedwiga, die mit Thyrnau hinter ihr ging, einen Schrei der Freude ausstoßen. Sie waren nämlich aus dem Schlosse getreten und sich dem Rande der Terrasse nähernd, sahen sie einen seltsamen Zug den Weg daher kommen.

Sechs starke Ochsen waren vor einen Wagen gespannt, der eine Art fahrendes Haus zu sein schien; näher kommend erkannte man eine kleine Hütte mit einem Moosdach – dann zeigte sich, daß die Wände Gitter waren, um die man junges Laub gewunden hatte. – Der Anblick wurde immer reizender – Magda wurde immer neugieriger – sie zog Trautsohn die Stufen hinunter dem Zuge entgegen und Alle folgten.

»Ach« – sagte Trautsohn und schauderte ordentlich vor Lust zusammen – »wenn es Dir doch nur Freude machte!« Als sie ganz nahe waren – nahm er einem Diener ein Kissen ab und reichte es Magda – darauf lag eine Tasche mit gepflücktem Brot und eine kleine silberne Pfeife. Magda stieß einen Freudenschrei aus, griff nach Beidem und setzte augenblicklich die Pfeife an den Mund. Da fuhren bei dem hellen Ton die grünen Gitter aus einander und auf dem weichsten grünen Moose lag eine schöne weiße Hirschkuh und um sie her drei kleine Zicklein, worunter ein schwarzes Böcklein war!

»Ach! ach! meine Hirschkuh – meine Zicklein!« rief Magda ganz außer sich vor Freude. – »O Lacy!« rief sie dann, als könnte sie die Freude nicht allein tragen und schon stand der Glückliche, der ihr erster Gedanke war, an ihrer Seite und sie sank weinend an seine Brust, denn was regte dieser Anblick nicht für Erinnerungen in ihr auf!

Aber nicht lange vergaß sie den liebevollen Urheber dieser Gefühle. »Rufe ihn!« sagte sie zärtlich zu Lacy, und dieser streckte dem bewegt Harrenden die Hand entgegen und er kniete jetzt vor Magda hin und diese bog sich über ihn und legte beide Hände auf seine Schultern und ließ ihn ihre Freudenthränen sehn und blickte ihn so innig an und küßte dann feierlich seine Stirn und sagte: »Trautsohn, Du bist gewiß der beste gute Mensch, den ich kenne – und Du mußt noch sehr glücklich werden – und das Mädchen, was Deine Frau wird, muß dem Himmel danken!«

»O Magda,« sagte Trautsohn und verbarg noch immer knieend sein gerührtes Gesicht in ihren Händen.

»Und damit sei die Rührung nun abgethan,« rief jetzt der Großvater, und Alle bekamen wieder Leben von der heitern Stimme. Sie wandten sich nun der kleinen Hütte zu und Freude – Gelächter – Erstaunen – Fragen – Alles wechselte bunt durch einander.

Ganz so wie sonst blieb die schöne Hirschkuh ruhig liegen, während das schwarze Böcklein, wie es in der Natur wohl liegen mußte, schnuppernd an den Eingang gesprungen kam, bereit, den Satz heraus zu wagen, da es, wie es schien, sehr wohl den Brodbeutel kannte, den Magda in Händen hielt.

»Sie sind hungrig,« sagte Trautsohn – »Du sollst den Spaß haben, sie zu füttern.« Da trat Magda näher und warf die Flocken Brod hinein und es begann sogleich ein munteres Leben, die Zicklein warfen sich drüber, das Böcklein vor Allen, während die Hirschkuh in vornehmer Ruhe von ihrem Platze zusah. Jetzt trat Magda der alten Hirschkuh näher und schüttete ihr von dem Brode vor, aber im selben Augenblick ward ihr der Beutel aus der Hand gerissen, das schwarze Böcklein hatte ihn auf seine Hörner genommen und jagte damit in den fernsten Winkel.

Das große Gelächter, in welches Podiebrad selbst, sich ganz vergessend, schallend einstimmte, konnte sich kaum legen. »Aber,« sagte Magda, die Hand an die Stirn legend – »wie ist mir denn, guter Trautsohn – gesteh es nur – Du führst mich doch eigentlich an – das sind ja lange Jahre her, daß meine Zicklein klein waren und mein Böcklein unartig? Ich muß glauben, das sind große Gesellen geworden und waren schon damals nicht mehr so niedlich wie diese hier!«

Trautsohn lachte. »Ja,« sagte er – »so viel Wissenschaft von der Jägerei mußte ich Dir freilich zutrauen! Aber Du weißt, daß Jagdgeschichten immer einen ganz unerklärlichen wunderbaren Zusammenhang haben, der an den Glauben der Menschen ungewöhnliche Ansprüche macht. So laß es denn bei diesem Vorrecht bewenden – ich verlange nun einmal, Du sollst glauben, das ist Deine Hirschkuh und das Deine Zicklein vom Karlstein und damit mache ich keinen größeren Anspruch an Wahrhaftigkeit, als die meisten Jagdgeschichten es thun – und nun frage ich Dich überdies, ob Du mir an all den lieben Thieren eine fremde Stelle nachweisen kannst?«

»Ach nein! ach nein!« rief Magda – »Es sind meine lieben Gefährten – ich will mir die Jahre rein aus dem Kopf schlagen, an nichts Glauben behalten, als daß Du das Beste getroffen hast, um mir eine rechte Freude zu machen.«


 << zurück weiter >>