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Am andern Morgen, als die ganze Gesellschaft das gemeinschaftliche Frühstück im Freien eingenommen hatte, berieth Lacy mit Magda die große Frage, wohin die reizende Hütte mit der Familie Hirschkuh gefahren werden sollte, und endlich entschieden sich Beide für eins der lieblichen Blätterclosetts am See, dem Marmorsitz Magda's gegenüber. Alle brachen nun nach der Allee auf, wo die kleine Familie die Nacht verblieben war, und hier zeigte sich, daß Hedwiga und Trautsohn Beide in die Hütte hinein gekrochen waren und in ihrem Eifer und in ihrem Lachen mit den munteren Kleinen gar nicht bemerkt hatten, daß sie dicht neben einander saßen und die Zicklein auf ihrem Schooße fütterten. Als die Gesellschaft plötzlich vor der Hütte stand, flog Hedwiga mit einem Satze aus ihrem Versteck auf und hinaus, und die Fürstin, die ihre Verlegenheit mitleidig sah, klopfte ihr das Moos aus dem Kleide und brachte sie damit wieder ins Geleis, wonach sich der Transport in Bewegung setzte und Alle die kleine Familie bis zu ihrer neuen Ansiedelung begleiteten.
An diesem Tage begab man sich zu Mittag nach dem Dohlenneste, wo heute Thomas Thyrnau die Gäste bewirthete. Zu Pferd und in Tragstühlen machte sich die heitere Gesellschaft auf den Weg – durch den Laubwald, dessen erstes sanftes Grün noch die mächtigen Stämme unverhüllt zeigte und den grünen Rasen durchschimmern ließ, welcher neu belebt die murmelnden Bäche über bemooste Steine schlüpfen ließ.
Magda ritt an Lacy´s Seite einige Schritte den Andern voraus, und nie zog sie des Weges, ohne der Zeit ihrer Schmerzen zu gedenken mit Dank gegen Gott, der Alles hinter sie gebracht.
»Sieh,« sagte Lacy, das Gespräch fortsetzend – »der Zug geliebter Menschen hinter uns ist wie der Ueberblick unsers ganzen vergangenen Lebens! An einem jeden Einzelnen haftet ein wichtiger Abschnitt desselben; sie haben es begleitet, getheilt und eines Jeden Einfluß darauf wollen wir uns um so weniger leugnen, da er überall uns ihren Werth herausstellt und meinen alten Glauben zu Ehren bringt, daß die meisten Menschen weit geneigter sind, sich wohl als weh zu thun – daß die Verwicklungen, die uns treffen, wohl zergliedert, viel öfter Zeugniß von kleinen, als von großen Vergehungen ablegen – daß wir uns daher nicht damit brüsten sollen, kein Bösewicht zu sein, keinem bösen Willen gefolgt zu sein – da das ungestrafte Durchschlüpfen kleiner Thorheiten, Fehler und Leidenschaften in der Fortsetzung ganz dieselben nachteiligen Wirkungen auf unser und anderer Leben ausüben können, die wir irrthümlich dann mit dem positiv gewollten Bösen zu bezeichnen pflegen.«
Thomas Thyrnau hatte die prächtige Tafel vor dem Dohlennest unter dem jungen Schatten der Linden, auf dem weichen Moose des Waldgrundes decken lassen und empfing seine Gäste mit der bezaubernden Heiterkeit, die gleich in Jedem die Freiheit erweckt, das Beste, was in ihm lebendig werden kann, hervortreten zu lassen.
Veit stand schon, vortrefflich geschmückt, vor der Tafel, welche das Kunstwerk seiner Anordnungen war, wenn auch dem alternden Diener jetzt unter dem Titel eines Hausmeisters der aktive Dienst genommen und in jüngere Hände gelegt worden war. Eben so waren im Innern des Dohlennestes um Gundula rüstigere Hände in Thätigkeit, während sie sauber geputzt am Heerde saß und durch die Stimme mehr als durch die Hände die vortreffliche Ordnung erhielt.
So wie Magda ankam, stieß Bezo ein lautes Dohlengeschrei aus, und diese unterließ es nicht, durch das ganze alte Haus zu schlüpfen und durch ihre unveränderte Art unter Lachen, Scherzen und Schelten Alles in Freude und Zufriedenheit zu versetzen. Doch betrat Magda ihr kleines Thurmgemach stets mit ernster, fast andächtiger Rührung, indem sie der verhängnißvollen Nacht gedachte, wo sie sich von Lacy durch Pölten verrathen glaubte, alsdann auf ihrem kleinen Pferdchen zu der entscheidenden Verhandlung nach Tein ritt, von der sie nicht wieder kam, und woran sich die Jahre schlossen, die so reich an Begebenheiten wurden.
Die Gesellschaft konnte sich erst spät von dem interessanten Aufenthalt und dem liebenswürdigen Wirth trennen, welcher nicht müde wurde, den Abschied seiner Gäste zu verzögern und dem es wirklich gelang, Alle bis zur späten Abendstunde zu fesseln, wo dann der Mond ihnen den Rückweg beleuchtete.
Als Magda wie gewöhnlich zu Pferde den Zug anführend langsamen Schrittes dahin ritt, faßte plötzlich Trautsohn, sein Pferd an ihre Seite lenkend, ihr in die Zügel, und als Magda sie ihm überließ, lachten sich Beide an, und Beide dachten dasselbe und Trautsohn sagte: »Weißt Du wohl, wie wir von Karlick zurückkehrten?«
»Ja,« sagte Magda – »so wie Du mir die Zügel wegnahmest, dachte ich daran!«
»Wollte Gott,« sagte Trautsohn – »ich hätte damals schon förmlich um Dich angehalten, oder ich hätte Dich entführt, damals wär' es eher geglückt! Nun habe ich das Nachsehn – und je länger ich hier bin, je trauriger wird mir das – je mehr ich das Glück sehe, was so eine Ehe hat, wie Du und Lacy – und der Fürst und die Muhme Therese, – da kann ich mich dann recht nach solch einem glückseligen Ehestand sehnen, wo ich auch meinerseits zeigen könnte, daß Trautsohn es schon verstehen wird, seine Frau glücklich Zu machen.«
»Nun,« sagte Magda lachend – »mit solchen Vorsätzen zweifle ich gar nicht, daß Du bald zum Ziele kommen wirst, und ich muß Dir sagen, halte ich einen jungen Mann zum Heirathen passend, so bist Du es – denn wenn ich Lacy nicht von Jugend auf geliebt hätte, so daß gar kein Platz mehr in meinem Herzen für was anderes war, so hätte ich mir gewiß recht gut denken können, daß ich Dich lieben gelernt hätte, weil Du solch gutes redliches Herz hast und im täglichen Umgange so angenehme Manieren und Einfälle, die recht dazu gemacht sind, ein weibliches Herz zu gewinnen und auf die Dauer zu beglücken.«
»Nun,« rief Trautsohn, und ließ ihren Zügel fahren, um die Hände jauchzend in die Luft zu schlagen – »auf dies Zeugniß von Dir will ich werben gehn – und wenn ich da keine Frau bekomme, dann bekomme ich überhaupt keine!«
»Aber sage mir, liebe Magda,« fuhr er vertraulich fort und nahm wieder ihren Zügel – »weißt Du keine Frau für mich?«
»Ach,« sagte Magda lachend, denn sie hatte den Tag über ihre eigenen Gedanken gehabt – »suche Du Dir allein eine Frau – es giebt schöne und gute Mädchen noch genug im Lande! Komm zu uns den Winter nach Wien. Da wird es groß hergehn und schöne Mädchen werden genug zu sehn sein.«
»Das ist Alles gut!« sagte Trautsohn – »aber erstlich denke Dir, daß der Winter noch lange hin ist und ich ungern den ganzen Sommer so nüchtern auf meiner großen Herrschaft lebte und dann – habe ich immer eins im Sinne – sie müßte etwas zu Dir gehören, Dir etwas ähnlich sehen, oder doch ein wenig Deine Manieren haben – oder Dich recht gut kennen und lieb haben und mit Dir vielleicht verwandt sein.«
Magda bog sich vor Lachen auf dem Sattelknopf nieder, dann sagte sie: »Ja da kann ich Dir schwer helfen, denn erstlich habe ich keine Schwestern – zweitens – gäbe es in dem guten Florenz noch Matielli's, was nützte Dir das? die wären wieder nicht ebenbürtig!«
Trautsohn schwieg und ritt ein Weilchen stumm dahin – dann fing er wieder an: »Deine kleine Muhme, die Hedwiga, die hat auch rechte Freude an der Hirschkuh und den Zicklein! Hör', als sie heute morgen die kleinen Dinger fütterte und so lachte und sich so freute wie ein Engel, da mußte ich immer an Dich denken – wahrhaftig! sie hat was in der Art, das erinnert an Dich – auch sieht sie Dir unbestritten so ähnlich, daß man Euch für Schwestern halten könnte.«
Magda brach in ein lautes Gelächter aus, worein Trautsohn aus einem unbestimmten Gefühl von Vergnügen herzlich einstimmte. »Nun,« rief Magda, sich endlich erholend – »was Tolleres habe ich im Leben nicht gehört! ich soll Hedwiga ähneln – dieser blonden Nymphe, deren goldene Locken, blaue Augen und rosige Wangen sie zum vollständigen Gegensatz von mir machen?«
»Nun,« sagte Trautsohn – »ich sage ja nicht, sie ist Dir Strich um Strich ganz gleich – aber wer Dich so kennt und liebt wie ich, der findet die Aehnlichkeit mit Dir heraus, das kannst Du glauben!«
»Schelm!« sagte Magda und lenkte ihr Pferd schnell dicht vor ihn hin. – »Ich soll Dir das sagen, was Du gern hören willst – und darum umkreisest Du mich jetzt mit Deinen tollen Reden von Hedwigs Aehnlichkeit mit mir. Nun, ich will Dir den Gefallen thun, denn ich hatte mir längst vorgestellt, daß es so werden würde. Wenn Du denn eine Frau haben willst, die mir ähnlich sieht, und Dir Hedwiga den Gefallen thut – was hält Dich ab, um sie zu werben!«
»Ach, Magda!« sagte Trautsohn – »vor Dir gilt kein hinter dem Berge halten! Ja, Du hast Recht! Das Mädchen gefällt mir erstaunlich gut, und ich denke, wenn sie mich ein wenig lieb gewinnen könnte, das sollte die Rechte sein, und wir würden das dritte glückliche Ehepaar sein und wären dann Alle durch einander verwandt und der Großvater säße dann so recht in der Mitte drin und wir gehörten Alle zu ihm und kämen recht oft zusammen, so wie jetzt.«
»Nun,« sagte Magda, »der Plan ist so übel nicht. Auch will ich Dir bei Allem das Wort reden – übereile Dich nur nicht zu sehr! Du hast noch ein paar Wochen Zeit, denn so lange bleiben wir beisammen: selbst Podiebrad hat es mir heute in die Hand gelobt. Pölten bleibt den ganzen Sommer, also, siehst Du, ist die Gesellschaft groß genug, damit Du Dich unbemerkt um Hedwiga bemühen kannst.«
Wie viel Zeit sich nun Trautsohn in Folge dieser Ermahnungen nahm, ist nicht wohl nachzuweisen. Es war gerade nicht seine Art, mit dem, was in ihm vorging, sehr verborgen zu thun, und so war bald der größte Theil der Gesellschaft Mitwisser seiner Absichten. Da aber eben so die wichtigsten Personen seine Bewerbungen gern sahen, da überdies Hedwiga eine wahre Leidenschaft für die Hirschkuh und die Zicklein faßte und immer hastig und zerstreut war, bis sich Trautsohn an ihrer Seite befand, so lächelten die Andern, und Therese und Magda machten ihre Pläne für die Zukunft und theilten sich in den Besitz der geliebten jungen Leute.
Wir wollen uns nun von diesem Kreise trennen. Nachdem wir das Schicksal der beteiligten Personen durch die größten und einflußreichsten Begebenheiten ihres Lebens verfolgt haben, wollen wir uns freuen, daß wir sie in einem Hafen der Ruhe eingeführt, und – indem wir uns ihrer äußern Verhältnisse getrösten dürfen, doch als den sichern Bürgen ihres Bestehens ihre geistige Entwicklung festhalten, welche allein den Widerstand gegen das äußere Leben enthält und womit wir es zuletzt beherrschen.
Es sind nur noch einzelne Punkte leicht hinweisend zu berühren, die sogar überflüssig scheinen könnten – wenn man nicht gern von alten Freunden erzählen hörte.
Trautsohn stellte wirklich im nächsten Winter der Kaiserin Hedwiga, die erlauchte Gräfin von Thyrnau – als Fürstin Trautsohn vor und mit dem Fürsten und der Fürstin von S. nahmen Alle den größten Theil des Winters in dem Palast Morani Platz.
Die Fürstin Therese schenkte dem Lande den Erbprinzen, und Egon hielt Wort. Bis in das höchste Alter gab es keine innigeren Freunde als diese Brüder. Egon vermählte sich nie. Er blieb in Oesterreichischen Diensten und erreichte eine hohe militärische Würde. Sein Vermögen theilten, seiner Bestimmung gemäß, nach seinem Tode die Kinder Magda's und Hedwiga's, welche Letztere sich besonders einer reichen Nachkommenschaft erfreute.
Wenn die Familien im Winter nach Wien kamen, hatte die Frau Klosterpächterin Bäbili Oberhofer jedesmal die Ehre, daß Alle bei ihr vorfuhren und in dem Refektorium, Angesichts des Christophorus-Brunnens sich von der beglückten Frau mit den Erzeugnissen ihrer Milchkammer bewirthen ließen. Dann streiften die hier einst so verhängnißvoll zusammen Geführten durch das kleine Terrain, so rührend und erinnerungsvoll, und untersuchten selbst, ob auch die kleine Hütte im Stande gehalten werde, denn sie sollte Allen ein lang bewahrtes Andenken bleiben.
Guntram war als Leibjäger des Fürsten endlich als Förster in das Waldschlößchen und zugleich als dessen Kastellan eingetreten. Als er der Einsamkeit dort müde war, begleitete er die Fürstlichen Herrschaften einmal nach Wien und besuchte Frau Bäbili. Sie sahen bald ein, daß sie sich zu viel zu sagen hatten, um auf Besuch damit fertig zu werden. Der Fürst hatte schon lange in den schönen Waldwiesen eine Meierei anlegen wollen – genug, die Herrschaften machten der Frau Bäbili bei dem bewußten Besuch selbst den Antrag, diese mit ihren schweizerischen Erfahrungen einzurichten.
Nun zierte sich Frau Bäbili grade vierundzwanzig Stunden lang und brachte es in dieser Zeit vom völligen Abschlagen bis zum völligen Einwilligen, sogar weiter, als der erste Antrag lautete, denn sie ging nach vier Wochen als Guntrams angetraute Frau nach der neuen Heimath ab und Beide sollen diesen Schritt nie bereut haben, und was sie einrichteten, ward eine Musterwirtschaft genannt, und zu jeder Zeit konnte man dort einkehren und fand Guntram und Bäbili und das ganze Haus bis auf die Ställe in glänzender Ordnung, und sogar in einer gewissen koketten Eleganz.
Die Kaiserin blieb den Familien, die sie als Muster eines tugendhaften Lebens aufstellte, stets in großen Gnaden gewogen und schenkte ihnen gern jede Vergünstigung, welche die unabhängigen Verhältnisse derselben zulassen wollten.
Thomas Thyrnau endlich blieb bis zu seinem Ende der Mittelpunkt Aller, die sich seine Kinder nannten, in den Verband seiner Liebe aufgenommen sein wollten und auf das Beisammensein mit ihm einen so hohen Werth legten, daß – als er den Wunsch aussprach, das Dohlennest nicht mehr zu verlassen, Alle den Winterfreuden Wiens entsagten und sich um ihn in Tein versammelten. Er erreichte ein hohes Alter bei völlig ungeschwächten Geisteskräften. Er war der schönste Greis und seine Haltung ausgerichtet, und seine Stirn heiter bis zu seiner letzten kurzen Krankheit.
Sein Verhältniß zur Kaiserin und zu Kaunitz blieb sehr ausgezeichnet und doch sehr eigenthümlich. – Er correspondirte mit Beiden. Sie zogen ihn zu Rathe und selten ward in Bezuq auf Böhmen etwas unternommen, ohne daß man es ihm zur Prüfung übergab – und er hatte die Genugthuung, zu sehen, daß man weder seinen Rath übersah, noch seine Erfahrungen gering achtete.
Niemals jedoch empfing Thomas Thyrnau eine öffentliche Anerkennung oder Auszeichnung – und als er einstmals den kleinen erregten Bemerkungen seiner Familie darüber lächelnd zugehört hatte – ließ er sich das uns bekannte Portefeuille der Prinzessin Therese geben und nahm einige Briefe von Kaunitz und Maria Theresia heraus, wie auch das Konzept eines Antwortschreibens seinerseits an die Kaiserin.
»Da Ihr geneigt werdet, meiner großsinnigen Freundin Unrecht zu thun,« sagte er lächelnd – »so wird es wohl an der Zeit sein, daß ich Euch mittheile, was gerade über den Punkt, den Ihr von ihr übersehen glaubt, zwischen uns unterhandelt worden ist.«
Es ergab sich aus einem Handbillet der Kaiserin an Kaunitz, daß sie nach dem Frieden bei der Regulirung ihrer innern Angelegenheiten Kaunitz aufgefordert hatte, ihr Vorschläge zu thun, auf welche Weise sie sich gegen Thomas Thyrnau dankbar bezeigen könne. Sie hatte aber in ihrer Lebhaftigkeit die Antwort ihres vorsichtigen Ministers nicht abgewartet, sondern ihm selbst – wie sich Kaunitz darüber äußerte – alle möglichen Vorschläge dazu mündlich gemacht. Dazu gehörten unter andern: »Tittel ohne Anstellung, aber mit Gehalt! der Adel! oder ein Orden!«
Diese Vorschläge wurden Thyrnau gemacht und er gestand ein, daß dieser Eifer der Kaiserin ihn um so mehr gefreut hätte, da sie offenbar dadurch fast aus ihrer vorsichtigen Mäßigung herausgegangen wäre, und ihm dadurch die Gewißheit geworden sei, wie sie ihn in ihrem großen Herzen von aller Schuld freigesprochen habe und jetzt auch dieser Ueberzeugung ein Opfer bringen wolle.
Thyrnau fühlte aber gerade darum die vollständigste Sicherheit, jedes äußere Zeichen ihrer Gunst von sich abzulehnen, da er zu seiner Befriedigung nichts bedurfte, als die Gewißheit, diese zu besitzen. Er selbst machte sie schonend auf seine Stellung aufmerksam – er zeigte ihr die Mißdeutungen, die eine öffentliche Belohnung desjenigen nach sich ziehen könnte, den man ziemlich weit verbreitet als das Haupt einer Partei bezeichnet, welche an dem Losreißen des Königreichs Böhmen ernstlich gearbeitet habe. Er sprach ihr unverholen die Besorgniß aus, daß eine solche Handlung ihrerseits dem roheren Theil – von dem man immer allein zu fürchten habe – ein Eingeständiß mangelhafter Zustände sein könnte, womit man sich nicht begnügen werde, die Vergangenheit zu bezeichnen, sondern jeden unbequemen Zustand der Gegenwart, den die Kaiserin bei den beabsichtigten Veränderungen vorläufig nicht zweifeln dürfe einzeln zu erzeugen – daß eine Entschuldigung der Selbsthülfe darin liegen könne, da die ganz besonderen Umstände, welche die Kaiserin zu ihrer Nachsicht bewogen, nie von der Menge verstanden werden würden, und daher kluger Weise ihr vorenthalten bleiben müßten. – Nach dieser Auseinandersetzung nun dankte er der Kaiserin ehrfurchtsvoll und lehnte jede Art öffentlicher Auszeichnung von sich ab, sie dagegen um ihre still fortdauernde Gunst ehrerbietig anflehend.
Darauf hatte er ein kurzes eigenhändiges Billet der Kaiserin bekommen, welches sie – wie Kaunitz ihm meldete – augenblicklich nach Durchlesung seines Briefes geschrieben hatte. Es lautete:
»Ihr seid ein Ehrenmann, mein getreuer Thomas Thyrnau, so wahr mir Gott helfe! Und wenn ich Euch einen Grafentitel gegeben hätte, er wäre Euch zum Ueberfluß gewesen! Viele Unterthanen werde ich haben, die nie revoltirt haben, und werden nicht von so treuer Gesinnung sein, ihre Kaiserin zu warnen, wenn diese ihnen eine Gunst erzeigen will, sollte auch der allgemeine Schaden ihnen daraus ersichtlich sein.
So soll Euch der Wille geschehn! Aber Eure Kaiserin wird anstatt des Edelmanns stets in Euch einen edlen Mann sehen, statt des Ordens ein Herz erkennen, in dem eine Ehrenhaftigkeit wohnet, für die kein äußeres Zeichen nöthig war, und die Lehre, die Ihr darüber Eurer Kaiserin gabt, sichert Euch ihr lebenslängliches wohwollendes Andenken!«
Seitdem wünschte keiner seiner Angehörigen mehr diese öffentliche Gunst der Kaiserin – und Thomas Thyrnau ruhte am späten Abend seines Lebens mit heiterem, verklärtem Antlitz in seinem Sarge und kein Orden schmückte seine Brust – und seine Lieben – die Alle um sein Sterbebett versammelt gewesen waren, wagten kaum zu weinen – so heilig und erhebend war sein Ende gewesen, und als Lacy es der Kaiserin anzeigte, rief diese: »Das war ein Mann! – Wir werden den Zweiten nicht erleben!«
Ende des letzten Theiles.