Plautus
Das Kästchen (Cistellaria)
Plautus

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Vierter Act.

Erste Scene.

Lampadiskus. Nachher Phanostrata.

Lampadiskus. Sah ich doch kein Weib auf Erden, die des Kreuzes werther wäre,
Als die Alte da: sie läugnet, was sie mir vorher gestanden!
Doch da kommt ja meine Herrin.
(er stößt auf das Kästchen, das an der Erde liegt.)
                                                    Aber hier – was soll das Kästchen
Mit dem Spielzeug? Und ich sehe keinen Menschen auf der Straße?
Muß es nur wie Kinder machen, und mich an das Kästchen hocken.
(er sezt sich nieder und schüttelt das Kästchen.)

Phanostrata. He! Was machst du, Lampadiskus?

Lampadiskus.                                                       Ist das Kästchen hier von uns?
Hier an unsrer Thüre lag's; da hob ich's auf.

Phanostrata. (ohne auf seine Frage zu achten)       Was meldest du
Von der Alten?

Lampadiskus.         Auf der Welt ist kein verruchtes Weib, wie die.
Alles läugnet die mir ab, was sie mir erst vorhin bekannt.
Herkules! Von dieser Alten soll ich so mich narren lassen?
Eher wollt' ich doch am Galgen sterben.

Phanostrata. (nachdem sie das Kästchen näher betrachtet hat)
                                                                Götter, seid mir gnädig!

Lampadiskus. Was beschwörst du denn die Götter?

Phanostrata.                                                             Rettet uns!

Lampadiskus.                                                                             Was hast du?

Phanostrata.                                                                                                     Dies
Ist das Kinderzeug, womit du meine Tochter ausgesezt.

Lampadiskus. Bist du bei Verstand?

Phanostrata.                                     Es ist es.

Lampadiskus.                                                   Meinst du das im Ernst?

Phanostrata.                                                                                           Es ist's.

Lampadiskus. Sagte das ein andres Weib, ich sagte, daß sie trunken sei.

Phanostrata. Keine leeren Worte red' ich. Aber wie kam dies hieher?
Welch ein Gott warf dies vor unsre Thüre? Wie gerufen kommt
Eben jezt die Göttin Hoffnung, und erfüllt mir meinen Wunsch.

Zweite Scene.

Phanostrata. Lampadiskus. Haliska.

(Haliska tritt suchend auf der anderen Seite der Bühne auf, und wird von den Anderen eine Weile beobachtet.)

Haliska. Wenn Götter mir nicht
Helfen, bin ich hin; ich weiß nicht, wo ich Hülfe mir erbitte.
Also hat in schweres Elend meine Thorheit mich gestürzt;
Und ich fürchte, fürchte sehr, sie prallt auf meinem Rücken ab,
Wenn's die Herrin inne wird, wie unbedachtsam ich gewesen.
In den Händen hielt ich hier das Kästchen, vor dem Haus empfing' ich's;
Jezt ist's fort; wo's hingekommen, weiß ich nicht; ich muß es, glaub' ich,
Hier herum verloren haben.
(zu den Zuschauern)           Meine Herrn hier auf den Bänken!
Sagt mir doch, wenn's Einer sah, wer's aufgehoben, oder wer es
Weggetragen, ob er hierhin, oder dorthin seinen Weg nahm. –
Doch werd' ich denn klüger mit Fragen, mit Bitten?
Ich red' in den Wind. Denn die Männer frohlocken
Bei'm Unglück der Frauen. Jezt will ich doch forschen,
Ob nicht eine Spur hier von menschlichen Tritten
Sich zeigt. Denn wenn Niemand, seitdem ich hineinging,
Vorbeikam, so müßte das Kästchen hier liegen. –
Was? Hier? – 's ist verloren!
Ja, jezt ist es aus! O ich elende Thörin!
'S ist hin; ich bin auch hin,
Verloren mit dem Verlor'nen! Doch ich will noch weiter suchen.
Im Busen zittert mir die Angst, und auf der Stirne bebt die Furcht.
Ueberall treibt es mich ohne Rast hin und her.
Darin sind wir Menschen doch jämmerlich elend.
Wer es sei, der es fand, der ist jezt hocherfreut,
Da es ihm doch zu nichts nüzen kann, so wie mir.
Indeß was verweil' ich mich selbst mit dem Plaudern?
Haliska, sieh nur auf die Erde,
Schau hier und schau dort um,
Mit den Augen wittre listig, einem Zeichendeuter gleich!

Lampadiskus. (leise zu Phanostrata)
O Frau!

Phanostrata.   Was ist's?

Lampadiskus.                   Hier ist sie.

Phanostrata.                                         Wer?

Lampadiskus.                                                 Die da verlor das Kästchen.
Denn den Ort, wo's ihr entfallen, deutet sie ganz richtig an.

Phanostrata. So scheint es.

Haliska. (immer suchend)     Hierher ging er: eine Spur
Der Sole seh' ich noch im Staube hier.
Ich will sie verfolgen. Hier hat sich ein Zweiter
Ihm gesellt. Weiterhin ging er wohl keinen Schritt;
Nein, er blieb stehen, ging dann nach dort. Abermals
Wurde hier Rath gepflegt. Diese Spur paßt auf Zwei.
Aber wer sind die Zwei? Wiederum seh' ich hier
Einzelspur. Meinem Blick schwindelt's, ach! Aber nein,
Einer doch drehte sich dorthin. Will weiter seh'n.
Von hier ging er dahin; von da ging's nicht weiter.
Alle Müh' ist umsonst.
Denn hin ist, was hin ist: mein Fell und das Kästchen.
Ich gehe heim. (sie will gehen)

Phanostrata. (ihr nachrufend)
                        Bleib, Mädchen; hier sind Leute, die mit dir sich
Besprechen wollen.

Haliska.                           Wer verlangt nach mir?

Lampadiskus.                                                       Ein gutes Weib und
Ein böses Mannsbild wünschen dich.

Haliska.                                                     Den Bösen auf die Seite!
Den Guten brauch' ich. Der mich ruft, weiß doch am Ende besser,
Warum er ruft, als der, nach dem er ruft. Ich will zurückgeh'n.
Sprich, hast du nicht Jemanden hier aufheben seh'n ein Kästchen
Mit Kinderspielzeug, welches ich Unsel'ge hier verloren?
Denn als wir zum Alkesimarch hinrannten eben, daß er nicht
Den Tod sich anthat, glaub' ich, ist es mir in meiner Herzensangst
Entfallen. Ich Elende, weh! Was soll ich meiner Herrin
Nun sagen, die das Kästchen mir auf's Leben anbefohlen,
Damit Silenium dereinst die Eltern desto leichter
Erkennen könnte; meine Frau nahm die von einer Buhlerin
Zu sich an Kindesstatt.

Lampadiskus. (leise zu Phanostrata)
                                    Nun, die erzählt, was uns begegnet.
Die weiß, wo deine Tochter ist, nach Allem, was sie vorbringt.

Haliska. Sie will das Kind den Eltern nun freiwillig wiedergeben.
(Lampadiskus spricht mit Phanostrata)
Mein Freund, du denkst an Andres, hast nicht Acht auf meine Worte.

Lampadiskus. Wohl hab' ich Acht, und was du sagst, ist mir ein Leckerbissen.
Jezt gab ich meiner Herrin nur Bescheid auf ihre Fragen.
Ich kehre nun zu dir zurück; bedarfst du was, gebeut nur.
Was suchtest du?

Haliska.                     Mein lieber Mann, mein liebes Weib, ich grüß' euch.

Phanostrata. Wir dich. Doch sprich, was suchst du denn?

Haliska.                                                                               Ich forsche, wo mir Eine
Damit entfloh'n in alle Welt.

Phanostrata.                                 Womit? Was wäre dieses?

Haliska. Ein Ding, das Andern Schaden bringt, dem eignen Hause Trauer.

Lampadiskus. (leise zu Phanostrata)
Das, Herrin, ist ein schlimmes, ein verschlagnes Stück.

Phanostrata.                                                                           So scheint es.

Lampadiskus. (wie vorhin)
Sie macht es, wie das böse Thier.

Phanostrata.                                         Von welchem Thiere sprichst du?

Lampadiskus. (wie vorhin)
Der Wickelraupe, die gekrümmt in Rebenlaub sich einhüllt.
So hüllt sich, wickelt die sich ein in krummgewundne Reden.
(laut zu Haliska)
Was suchst du denn?

Haliska.                             Ein Kästchen ist mir hier davongeflogen.

Lampadiskus. In einen Käfig mußte das.

Haliska.                                                   's ist keine große Beute.

Lampadiskus. Es sollte wohl ein ganzes Heer von Sklaven drinnen stecken?

Phanostrata. Freund, laß sie reden.

Lampadiskus.                                   Wenn sie will.

Phanostrata. (zu Haliska)                                           Was war in deinem Kästchen?

Haliska. Spielzeug.

Lampadiskus.         Ich weiß Jemanden hier, der weiß, an welchem Orte
Dein Kästchen ist.

Haliska.                       Der könnte, traun, sich einen Dank verdienen
Von einem Mädchen, wenn er ihr's entdeckte.

Lampadiskus.                                                         Doch der Jemand, –
Der wünscht sich einen Lohn dafür.

Haliska.                                                   Und Jene, die das Kästchen
Verlor, behauptet, daß sie nichts besizt, um's ihm zu geben.

Lampadiskus. Und Jener fordert Geld dafür.

Haliska.                                                           Geld fordert er vergebens.

Lampadiskus. Und Jener, meine Theure, pflegt nie was umsonst zu leisten.

Phanostrata. Gib ihm ein gutes Wort! Es ist dein Nuzen. Wir bekennen,
Daß wir das Kästchen haben.

Haliska.                                         Heil, Heil über euch! Wo ist es?

Phanostrata. Hier ist es unversehrt. Indeß – ich habe noch was Wichtiges
Mit dir zu reden. Leiste mir Beistand zu meinem Glücke!

Haliska. Was wäre dies? Wer bist du denn?

Phanostrata.                                                 Ich bin des Kindes Mutter,
Das dies (auf das Kästchen deutend)
              getragen.

Haliska.                       Also wohnst du hier?

Phanostrata.                                                 Du hast's getroffen.
Doch sonder Umschweif sage mir, ich bitte dich,
Geschwind: woher kam dieses Zeug in deine Hand?

Haliska. Die Tochter eben meiner Frau spielt' einst damit.

Lampadiskus. Du lügst! Die Tochter meiner und nicht deiner Frau
Spielt' einst damit.

Phanostrata.                 Sprich nicht darein.

Lampadiskus.                                               Ich schweige schon.

Phanostrata. (zu Haliska)
Sprich weiter, Mädchen! Wo ist die, der das gehört?

Haliska. Gleich hier.
(sie deutet auf das Haus des Alkesimarchus)

Phanostrata.             Da wohnt ja meines Mannes Schwiegersohn.

Lampadiskus. Gewiß –

Phanostrata. (zu Lampadiskus)   Du sprichst schon wieder drein? –
(zu Haliska)                                                                                  Nun sage noch:
Wie viele Jahre zählt sie denn?

Haliska.                                             Siebzehn.

Phanostrata. (freudig)                                       Es ist
Mein Kind.

Lampadiskus.   Ja wohl: die Jahre treffen völlig zu.

Phanostrata. Das, was ich suchte, meine Tochter, fand ich heut!

Haliska. Du fandest, was du suchtest; such' ich Meines auch!»Such' ich Meines auch.« Haliska meint das Kästchen.

Lampadiskus. Euch ward das Eure: such' ich jezt ein Drittes mir!»Such' ich jezt ein Drittes mir!« d. i. ein Mädchen für mich.

Haliska. Ich hoffe, was wir uns vertraut, bleibt unter uns,
Daß mir von meiner Offenheit kein Schaden kommt.»Daß mir von meiner Offenheit kein Schaden kommt.« Sie deutet damit auf Schläge, die sie für ihre Offenheit als Züchtigung fürchtet. Vgl. 4, 2, 4. 43.
Gewiß ist deine Tochter unser Pflegekind,
Und meine Herrin gibt sie dir zurück. Sie ging
Deßwegen auch von Hause weg. Das Andre fragt
Sie selbst; ich bin die Sklavin nur.

Phanostrata.                                         Wohl hast du recht.

Haliska. Sie hole dafür euren Dank sich selbst von euch!
Indeß das Kästchen bitt' ich mir von dir zurück.

Phanostrata. (zu Lampadiskus)
Was soll ich thun?

Lampadiskus.               Behalte, was du hast.

Phanostrata.                                                   Doch mir
Thut's um das arme Mädchen leid.

Lampadiskus.                                       So rath' ich dir:
Gib ihr das Kästchen, aber geh mit ihr zugleich
In's Haus hinein.

Phanostrata. Das will ich thun.
(zu Haliska)                       Du, Mädchen, nimm
Das Kästchen hier. Wir wollen gehen. Aber wie
Heißt deine Frau?

Haliska.                       Melänis.

Phanostrata.                             Geh, ich folge dir.
(Phanostrata und Haliska gehen in's Haus.)

Dritte Scene.

Demipho. Lampadiskus.

Demipho. Wie mag es doch wohl kommen, daß die Menschen auf der Straße sich
Erzählen, meine Tochter sei gefunden, und Lampadio
Hab' auf dem ganzen Markte mich gesucht?

Lampadiskus.                                                     O Herr, wo kommst du her?

Demipho. Aus dem Senat.

Lampadiskus.                   Mich freut es, daß durch mein Bemüh'n mehr Kinder dir
Geworden.

Demipho.           Und mich freut es nicht. Durch Anderer Bemühen mag
Ich nicht zu Kindern kommen. Doch was gibt es? Sprich!

Lampadiskus.                                                                           Geh doch geschwind
Zu deinem Schwiegersohn in's Haus; da wirst du deine Tochter gleich
Erkennen. Auch ist deine Frau bereits im Hause drinnen. Geh,
Geh doch geschwind!

Demipho.                           Das freilich, das geht allen andern Dingen vor.
(ab mit Lampadiskus.)

Epilog der Schauspieler.

(an die Zuschauer)

Wartet nicht, ihr Herren, bis von diesen Einer wiederkommt.
Keiner kommt zurück; sie machen ihr Geschäft da drinnen ab.
Ist es dann damit am Ende, ziehen sie die Kleider aus.
Schläge kriegt, wer was verseh'n hat»Schläge kriegt, wer was verseh'n hat.« Da die Schauspieler, besonders in den früheren Zeiten, größtentheils Sklaven waren, die ein reicher Unternehmer für das Theater bildete, oder dafür bilden ließ, so darf man sich nicht wundern, daß sie auch als Sklaven behandelt und für schlechtes Spiel gezüchtigt wurden. ; wer's in nichts versah, der trinkt.
Jezt, ihr Herrn hier auf den Bänken, bleibt für euch noch Eins zu thun:
Wie es eure Väter hielten, klatschet laut am Schluß des Stücks!


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