Wilhelm Raabe
Vom alten Proteus
Wilhelm Raabe

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Erstes Kapitel.

Wie machen wir's nun, um unserm Leser recht glaubwürdig zu erscheinen?

Da liegt die Studierstube des Philosophen, die Kinderstube des Dichters, das Schloß des Königs. Daran grenzt die Gasse, der Markt oder der Garten. Dahinter dehnt sich die Stadt oder der Stadtpark aus. Es folgen einzelne Häuser: in dem einen prügelt ein Mann seine Frau; doch ein Haus weiter stirbt eine Frau, und der Mann hat sich in Verzweiflung über das Bett seines Weibes geworfen. Es folgt das Feld – ein Wald – eine Eisenbahnline – eine Landstraße, auf der ein einsamer Hund trabt, der seinen Herrn verloren hat. Wieder Felder und Dörfer – das Meer – die Insel – die Gegend, die im Sonnenschein liegt, und jene, über welche der Regensturm fährt. Nächtliches Urwalddickicht mit einer Mohrenschlacht bei Fackelbeleuchtung. Ein Sumpf im haushohen Schilf und eine trinkende Elefantenherde – die Wüste – wieder die See und so weiter, so weiter – rundum! Eisenbahnstation X. X. »Ein Billet nach Hause!« Das Schloß des Königs, die Kinderstube des Poeten, die Studierstube des Weltweisen und drin – ein Mann, der da denkt, seine Welt sei die Welt, der da meint, seine Erlebnisse, Gefühle, Hoffnungen, Pläne, Vorsätze für –

Nein, es geht wirklich und wahrhaftig so nicht! Versuchen wir es auf eine andere Weise. – –

Das ist Athen! Athen, wie es vielleicht in Sebastian Münsters Chronik aussehen könnte. Da fließt der Ilissus, dort der Kephissus; dort erhebt sich die Akropolis, und König ist – Theseus, der Sohn des Ägeus und der Äthra. Und in vier Tagen ist Neumond, und dann wird Hochzeit gefeiert zu Athen. Hippolyta, die Königin der Amazonen, ist die Braut.

Noch vier Nächte, dann wird man mit allen Kirchenglocken läuten in Athen. Squenz, Schnock, Zettel, Flaut, Schnauz und Schlucker haben schon längst ihre Festtagswämser ausgebürstet und abgeklopft und gehen mit großen Dingen schwanger. Wie werden die Kartaunen von der Burg donnern, wie werden die Hoboen, Zinken, Hörner und Trompeten schmettern und klingen!

A long, a lively flourish! Trumpets, Sennet and Cornets! Und sie kommen in ritterlichen Baretts, das Schwert an der Seite – sie kommen in steifen Halskrausen, im Reifrock der Königin Elisabeth; – sie kommen aber auch auf dem Mondenstrahl, auf dem Westwinde reitend – sie wachen auf in den Glockenblumen im Walde, sie gleiten um Mitternacht hernieder vom Baum an dem Faden, an dem die grüne Raupe am Mittag sich niederließ.

»Ohne die Mendelssohnsche Musik wäre das verrückte Zeug heute doch nicht mehr auszuhalten,« sagt das Publikum, das heißt fünf Sechstel des Publikums, und sie haben sich noch eine schöne Redensart dafür und für sonst dergleichen Kunstgenüsse zurecht gemacht.

»Auf den Zopf beißen wir nicht mehr an!« sagen sie, und nachher – frage dann mal einer:

»Sollte es so gehen; oder müssen wir es auf eine dritte Art versuchen?«

Nun, da und dort unter der Menge sitzt doch einer oder eine (manchmal sogar ein alter Herr, eine alte Frau, eine alte Jungfer!), die haben sich mit einem Male, ohne selber zu wissen, wie's zuging, mit Lysander und Hermia, mit Demetrius und Helena im Walde vor dem Tor von Athen verloren.

»Es geht doch so!« – Die Gaslichter erbleichen, es weht ein kühler Mondscheinhauch her, der Tau blitzt auf dem Grase, und seltsame Funken schwirren durch die Luft. Der Mendelssohn ist auch schuld daran, aber doch nicht allein; es ist noch eine Musik, mit welcher Blech, Schafdärme und Geigenholz nichts zu schaffen haben – hörst du sie, liebe Kleine, dort oben auf der dritten Galerie? – –

An den Stamm einer Buche gelehnt, steht ein Mann in seltsam edlem Faltengewande und blickt lächelnd verständnisvoll in den Feentanz von Windsorforst. Es ist einer der letzten Stämme des Waldes, auf den er die Hand stützt; man sieht weit hinaus über die blaunebelige Mondscheinwiese, wenn man sich wendet. Und der Mann im Chiton und Himation wendet sich und winkt schalkhaft zurück und schreitet über die Wiese – des Philippos Sohn Aristophanes. Den Piräus sieht man nicht; aber die weiße Burg von Athen leuchtet aus der Ferne, und Zettel hat das Wort:

»Wenn Sie dächten, ich käme hierher als ein Löwe, so dauerte mich nur meine Haut. Nein, ich bin nichts dergleichen; ich bin ein Mensch wie andere auch; – und dann laßt ihn nur seinen Namen nennen und ihnen rund heraussagen, daß er Schnock, der Schreiner, ist.«

Wirklich und wahrhaftig, es geht! –

O, man muß nur bei gescheiten Leuten anfragen, um zu erfahren, wie etwas zu machen sei!

* * *

In einem großen Walde hatte sich in Tagen, die der Leser sich nach Belieben nahe oder fern denken kann, ein Einsiedler niedergelassen und festgesetzt. Keiner von der Sorte, die in den Geschichten vorkommt, über welche Jean de Lafontaine sein Tirée de l'Arioste, sein Nouvelle tirée des cent nouvelles, sein Tirée des contes de la reine de Navarre oder gar Tirée de Boccace schrieb, sondern ein braver, ein wirklicher, ein ordentlicher – kurz ein Einsiedler von jener geistigen Reinlichkeit und Reinheit, die unsere Frauen, Tanten und Kinder unbedingt von ihm erwarten, wenn er in ihren Romanen und Bilderfibeln auftritt. Wie es mit seiner körperlichen Reinlichkeit beschaffen war, bleibe einer späteren Erörterung vorbehalten; ein braves deutsches Herz und Weib sieht seinen Einsiedlern da gottlob schon etwas nach und läßt einen wohlmeinenden Autor nicht mit seinem Eremiten stehen, nachdem es ihnen den Rücken gewendet hat. Dagegen aber stellt es auf der Stelle die Frage:

»Ja, aber lieber Gott, wie kommt denn der Mann dazu, ein Eremit zu werden und eine Einsiedelei zu stiften? Weshalb heiratete er nicht und gründete einen Hausstand?«

Worauf der Autor seinem Klausner, seinem Waldbruder, seinem Einödler zärtlich auf die Schulter klopft, ihn einen Schritt weiter vorführt und antwortet:

»Liebe Seele, das ist ja gerade die Geschichte!«

Und nun, wenn jemand es besser versteht, auf deutsch ein Ding am rechten Zipfel anzufassen, so tue er's: ich kann's nicht besser. –

In einem großen Walde also, nicht allzufern von einer großen Stadt, wohnte ein sonderbarer Mensch, von dem so ziemlich die ganze Stadt gehört hatte, wenngleich nur wenige ihn persönlich kannten. Wie alle in germanischen Historien auftretende Einsiedler, trug dieser Waldbruder natürlich einen langen, ehrwürdigen, grauen Bart und eine ebenfalls lange, ehrwürdige, graue Kutte, die er mit einem Strick, weniger der Eleganz als der Bequemlichkeit wegen, um die Hüften zusammenzog und hielt.

»Der Mensch muß vor allen Dingen den Magen warm halten, vorzüglich bei einer Kost wie die meinige,« pflegte er zu sagen, und im Winter kleidete er sich aus ähnlichen Gründen wärmer, das heißt, er richtete sich nach seinem Wetterglase und zog zwei, drei, ja vier Kutten übereinander und setzte eine Pelzmütze auf. Dann glich er dem Weihnachtsmann wie ein Ei dem anderen und konnte in jeder Kinderstube als solcher auftreten. Ohne ihm schmeicheln zu wollen, mit seinem Sack auf der Schulter und seinem langen, ehrwürdigen Stabe in der Hand genügte er für die Festtagswundergefühle von groß und klein; und wer ihm im Walde begegnete, sprach noch lange Zeit nachher zu Hause von ihm und meistens gut. Nur die wenigsten hielten ihn für einen neuverkleideten Kinderfänger von Hameln oder sonstigen Seelenkäufer oder Verkäufer.

Mit einer Gelassenheit, die an Stupidität grenzte, nahm er jeden Tag, jedes Wetter und jeden Menschen hin. Sein Name war Konstantius; ob er aber einmal anders geheißen hatte, werden wir später erfahren. Daß man jetzt alles auf einmal wissen will, treibt uns keinen Zoll breit Weges vorwärts, und wir haben uns fest vorgenommen, uns in diesem Falle gleichfalls Konstantius zu nennen und eine an die Gelassenheit unseres Helden erinnernde Stupidität zu entwickeln. Nachdem wir dieses festgestellt haben, stellen wir ihn, unsern Bruder im Leiden dieser Welt, beiseite, nachdem wir ihn eingeführt haben, und sagen ein weniges mehr von der Stadt, deren Türme von den letzten Bäumen seines Waldes aus zu erblicken waren.

Was nun diese Stadt anbetrifft, so war sie voll von allerlei Volk, vom König abwärts bis zum Bettelmann und von der Königin bis zu der Bettlerin. Schlösser, Kirchen, Museen, Spitäler, Gefängnisse, Schulen, Häuser, Hütten, Dachkammern und Kellerwohnungen mangelten ihr nicht. Die höchste derzeitige Bildung und die tiefste allzeitige Unbildung waren in ihr vertreten; ebenso die höchste derzeitige Eleganz und Reinlichkeit und die tiefste allzeitige Versunkenheit im und Unabgelöstheit vom Erdenstoff. Leben und Tod wechselten in ihr, und wie überall und immer wollte niemand in ihr beim Pech und Unglück des Nachbars an das alte mea agitur fabula, »ganz meine Geschichte!« glauben. Aber ein jeglicher suchte im eigenen Elend nach althergebrachter Weise nach Trost und Beruhigung und zwar seltener bei sich selber als bei den anderen; und wie gewöhnlich war dann der Trost auch danach.

War der Mensch gesund und vergnügt, so sagte er:

»Es ist doch die beste Welt.«

Begegnete seinem Bekannten und guten Freunde eine Unannehmlichkeit, so tröstete er sich mit den Worten:

»Es ist eben eine kuriose Welt; und wir haben sie nicht gemacht.«

Geriet er selber in Verdruß, so fand er ein tertium comparationis, das freilich sehr ins Aschgraue oder gar Schwarze spielte. Eine Lieblingsredensart von ihm war in diesen Fällen:

»Das kann doch nur mir passieren.«

Daß er sich dabei ungemein überhob und viel zu viel Wert auf sich selber legte, merkte er durchaus nicht. Derer, die sich mit Humor kaput gehen sahen und ließen, waren wenige und im Grunde die einzigen, welche nicht in die allgemeine große Familie paßten.

»In welche allgemeine große Familie?«

Die der Piepenschnieder, schöne und gute Frau! Wer sucht nicht hineinzukommen, und wenn er hineinheiraten müßte?! – –

Es will alles in dieser Welt nach seiner Natur behandelt werden; das Feuer im Ofen und das Wasser, wie es den Berg hinunterläuft. Wer sich hierauf versieht, der versieht sich auch darauf, mit Menschen umzugehen, und verdirbt sich nur selten durch Hast und Ungeduld sein Spiel. Hier fassen wir die praktischen Leute, die wirklichen Philosophen in der Stadt, die sich jedoch für den zweiten Titel recht höflich bedankten und ihn kurz von sich wiesen. Diejenigen Leute, welche ihre Betrachtungen über solche Dinge zu Papier brachten, nannten sich dagegen selber Philosophen und hatten ihr Behagen an der Bezeichnung: es war sehr häufig das einzige Behagen, das sie für ihre Bemühungen hinnahmen. Wenn es ihnen gelang, eine bestimmte Reihenfolge und Ordnung in ihren Observationen innezuhalten, so nannte man das ein System, und dann kam es vor allem darauf an, ob das Buch einen Verleger und das System Anhänger und Schüler fand. Unterdessen wechselte, wie gesagt, Geburt und Tod, und schickte oder lief der Mensch nach dem Tischler, um eine Wiege oder einen Sarg zu bestellen: Beides sehr unphilosophisch, das heißt in erklecklicher Aufregung mit beschleunigtem Pulsschlag und keuchendem Atem. Es gab freilich Piepenschnieder, philosophische und unphilosophische, die nichts aus der Fassung brachte, was selbst ihre nächsten Familienmitglieder betraf. Leider waren sie die Allerkitzlichsten in allem, was ihre eigene liebe Person anging, und kam hier einmal auch Not an den Mann, so fand die Nachbarschaft allen Grund, zu bemerken:

»Mein Gott, wer schreit denn da so fürchterlich?«

Kam dann die Antwort:

»Wissen Sie's nicht? Es ist ja der Onkel Lump, der mit dem Kopf durch die Decke will!« so pflegte die Nachbarschaft sich gewöhnlich verstohlen die Hände zu reiben und vergnügt vor sich hin zu nicken. Klug jedoch tat sie, wenn sie die Augen offen behielt und auf ihre Türen acht gab, denn es gab Fälle, in denen der gute Onkel es ausgezeichnet verstand, seinen Schaden einem anderen zuzuschieben oder gar ein damnum commune, einen allgemeinen Schaden daraus zu machen.

»Er ist doch ein kommuner Kerl!« sagte dann die Stadt; aber nun durfte sich der Onkel die Hände reiben und vergnügt hinnicken, denn es fand sich immer ein Bruchteil der Bevölkerung, der das Wort ins Deutsche übersetzte und ihn einen »gemeinnützigen Bürger« nannte.

Einen solchen Onkel haben wir gekannt, der noch um ein Bedeutendes fester an sich glaubte als seine Kollegen. Er hatte auch etwas gelernt, wußte gut zu reden und trefflich, unübertrefflich sich selber zu erklären und auf seine Bedeutung hinzuweisen. Nie hat ein zweiter Märtyrer unserer Bekanntschaft in der Melancholie des Verkanntseins gleich tonlos geschwelgt. Seine Tonlosigkeit können wir nicht wiedergeben; seine Worte aber über sich lauteten ungefähr:

»Ein wackerer Mann ist wie ein Granitblock im Felde – ein Findling, ein geologischer Findling, herabgerollt vom Urgipfel des Urgebirges des Menschtums. Und so findet man ihn auf dem Roggenacker oder zwischen den Zuckerrüben und läßt ihn liegen, bis man ihn durch die Dynamitpatronen des Neides, des Hasses, des Undankes klein kriegt und entfernt. Aber Gott sei Dank, man kriegt ihn nicht immer klein! Wie es um ihn her stäubt, wie die Wirbel sich drehen, was für Staub auf ihn geweht, getrieben und gehäuft wird, er bleibt liegen, und er liegt ruhig und fest. Der Sturm wird ihn von dem Schmutze wieder befreien, und die Sonne wird wieder auf ihn scheinen. Wenn ihn aber der Schlamm der Gewöhnlichkeit einmal ganz begraben sollte, so bleibt er auch unter diesem Schlamm immer derselbige und wartet auf seine Zeit. Hausse und Baisse wechseln auch in diesem Falle, das muß unsereiner wissen; und die Augen, die sich an uns trösten, die Herzen, die sich an uns erheben sollen, werden uns immer im richtigen Moment wieder zu Gesicht und Gefühl bekommen, verlassen Sie sich darauf, liebster Herr!«

Und er hatte recht und sagte wahr bis unter den tiefsten Dreck hinunter: man hat ihn wiedergesehen und sich an ihm erhoben. Er hatte viele, viele, viele erquickt; die einen auf diese Art, die anderen auf jene. Wirklich ergötzt hat er aber vielleicht nur Uns; denn nur wir wußten die breitbäuchige Volltönigkeit in Organ und Ausdruck, mit der er uns bei unserem ersten Zusammentreffen nach seiner Rehabilitierung begönnerte, ganz zu würdigen und in den feinsten Abstimmungen zu genießen. – –

Nun denkt man wohl, weil das beides so wunderhübsch beieinander saß und lag, ich meine der Einsiedler und die Stadt, daß sofort vom ersten Gerücht der Niederlassung des Klausners in der Wildnis an ein reger Verkehr zwischen dem einzelnen und der Vielheit und umgekehrt stattgefunden habe. Dem war aber nicht so; ganz abgesehen davon, daß der Vater Konstantius nicht des geselligen Verkehrs wegen den Wald bezogen hatte. Auch die Stadt kümmerte sich lange Jahre hindurch nicht im geringsten um ihn; zumal da in einem sehr besuchten öffentlichen Garten eine Tuffsteingrotte vorhanden war, in welcher ein automatischer Eremit saß, der ein ziemliches Teil der Bewegungen eines wirklichen ganz vortrefflich vermittelst des Räderwerkes in seinem Innern nachmachte und dem Volke vollständig für seine Bedürfnisse in dieser Hinsicht genügte. Diejenigen Piepenschnieder, welche das Theater besuchten, hatten überdies noch die Eremiten des Schauspiels und der Oper zur Deckung ihrer Waldeinsamkeitsgelüste, und so war es nichts als ein Zufall, daß ein bedrücktes Menschenkind, mitten im Gassen- und Marktgetümmel den Gedanken fassend, sich zu hängen, sich in die Wildnis verfügte und den Vater Konstantius fand. Dieser, welcher gerade einen neuen Strick zum Gürtel für seine Kutte nötig hatte, nahm dem Lebensmüden den seinigen ab und schickte den Narren so getröstet heim, daß er aus dem Walde auf der Stelle hinging, sich zum zweiten Male verehelichte und zehn Jahre hintereinander jedes Jahr ein Knäblein oder ein Mägdlein und einmal sogar ein Zwillingspaar taufen ließ: letzteres auf die Namen Konstantius und Konstanze. Sein Familienname war auch Piepenschnieder, was einige unserer Leser wahrscheinlich bereits vermutet haben; – wir aber wünschen im Verlaufe dieser Erzählung noch viele in den Stand zu setzen, zu sagen:

»Das haben wir uns doch gleich gedacht!«

Wer den Einsiedler zuerst auffand, wissen wir nunmehr; jetzt handelt es sich darum, wer ihn zuerst entdeckte, und hoffen wir, daß nicht wenige ob des feinen Unterschiedes sich und uns fragend ansehen werden:

»Jetzt soll's mich doch wundern, was da nun wieder herauskommen wird?«

Eine ganz einfache historische Tatsache natürlich.

Der Erste, der den Erdenmüden entdeckte, war jemand, der weiter keinen irdischen und himmlischen Trost und Tröster brauchte, als welchen er stets selber bei sich trug in seiner Flasche, in die der Geist freilich weniger durch das Siegel des Ringes Salomonis als durch einen ganz gewöhnlichen Kork verstöpselt und gebannt war. Oppermann war's, ein durchaus nicht gut angeschriebener rotnasiger Forstaufseher und Waldläufer, der denn auch sofort einen mündlichen Bericht über seine Entdeckung an die vorgesetzte Behörde abstattete.

»Richtet er viel Schaden an, Oppermann?« fragte die vorgesetzte Behörde.

»Bis dato noch nicht, Herr reitender Förster. So viel Vernunft hat er doch in sich behalten, daß er sich nicht in die jungen Schonungen hineingesetzt hat. Ne, er hat seine Hütte auf einem Platz in einem Talwinkel aufgeschlagen, allwo ich kaum einen Fuchs- oder Dachsbau vermuten durfte, und allwo ich zum allerersten Mal in meinem Leben den Fuß hingesetzt habe, Herr reitender Förster.«

Hierauf hatte der Herr reitende Förster kopfschüttelnd sich fester im Sattel auf seinem Dreibein vor dem Schreibtische gesetzt und einen schriftlichen Bericht bei seiner vorgesetzten Behörde eingereicht.

»Es hat sich befunden, daß ein unbekannter Mensch sich, wie protokollarisch festgestellt worden ist usw. usw.« Kurz, wir wollen das Ding nicht durch den ganzen Instanzengang verfolgen – es sammelte sich ein ziemlicher Aktenstoß über den wunderlichen Fall an. Dieser Aktenstoß verstaubte; ein höheres Reskript, den Squatter auszutreiben, blieb in einem Bureau hängen – blieb da liegen und wurde unter einem anderen Aktenstoß begraben. Oppermann aber sagte:

»Mich soll der Teufel holen, wenn ich da noch mal was anrühre! Der Kerl ist ein Segen in der Einöde. Den Kerl hat mir der liebe Herrgott eigens zum Trost in meiner Verlassenheit in mein Revier geschickt. Endlich doch mal eine anständige, räsonnable Kumpanei in der Wüste! Alle Hagel, da werd' ich's doch schon einzurichten wissen, daß den guten Kameraden selbst eine königliche Jagd in seinem Pläsiervergnügen nicht verstören soll. Na, da kennen sie Oppermann nicht, und wenn sie ihm schon millionenmal mit dem Abschied von wegen seines krankhaften Zustandes, als was sie seine Versoffenheit nennen, gedroht haben. Mit dem Kerl schlafe ich hundert Jahre in einem Bett, ohne ihn rauszuschmeißen. Oppermann ist mein Name, Herr Oberförster, und übrigens –«

Wir folgen auch ihm nicht weiter! Oppermann war jedenfalls der erste, der dann und wann in der Stadt von seiner Bekanntschaft im Walde redete und den Vater Konstantius unbekannterweise, wie er sich ausdrückte, als Zeugen, als Gewährsmann aufrief.

 


 


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